Rede von
Dr.
Robert
Tillmanns
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Ergänzung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet vor. Ich darf daran erinnern, daß dieses Gesetz die Aufnahme derjenigen Deutschen regelt, die ihren Wohnsitz in der Sowjetzone bzw. im Sowjetsektor Berlins haben und die in den Geltungsbereich des Grundgesetzes übersiedeln wollen. Es sieht vor, daß hierfür eine besondere Erlaubnis erforderlich ist, die nicht verweigert werden kann, wenn eine drohende Gefahr für Leib und Leben und die persönliche Freiheit vorhanden ist oder wenn sonstige zwingende Gründe vorliegen. Das Gesetz sieht weiter Aufnahmeausschüsse bzw. Beschwerdeausschüsse vor, die über die vorliegenden Anträge entscheiden, und regelt schließlich die Verteilung der Aufgenommenen auf die Länder. Es ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnungen Bestimmungen über Lager, Ausschüsse, Verfahren, Verteilung usw. zu erlassen. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch die Verordnung vom 11. Juni dieses Jahres Gebrauch gemacht.
Der hier vorliegende Antrag sieht nun vor, daß dieses Gesetz über die Notaufnahme auch für Berlin gelten soll. Dieser Antrag, der von den drei großen Fraktionen des Hauses gemeinsam gestellt wird, ist das Ergebnis von Beratungen innerhalb der beteiligten Ausschüsse; er wird auch im Einvernehmen mit den beteiligten Ressorts gestellt. Ich kann mich deswegen bei der Begründung wohl kurz fassen.
Der Zustrom politischer Flüchtlinge nach Berlin ist ganz besonders groß; er ist prozentual wesentlich größer als der in das Bundesgebiet. Er beträgt zur Zeit monatlich rund 4 000 Personen und hat steigende Tendenz. Es ist unmöglich, daß Berlin
die ihm dadurch zufallende schwere Last allein trägt. Es mußte schon dazu übergehen, die Bestimmungen über die Anerkennung sehr viel strenger und schärfer zu fassen, als sie hier innerhalb der Bundesrepublik gelten. So konnten in der letzten Zeit im Durchschnitt nur etwa 24 % der einströmenden politischen Flüchtlinge als solche anerkannt werden. Das ist keine wirkliche Lösung, denn die Nichtaufgenommenen gerade in Berlin können in den allermeisten Fällen nicht zurück. Zur Zeit befinden sich über 80 000 nichtaufgenommene politische Flüchtlinge in Berlin, die nicht aufgenommen werden können. Was das an sozialer Not und Gefährdung bedeutet, meine Damen und Herren, das brauche ich, glaube ich, nicht näher auszuführen.
Durch die Novelle soll nun erreicht werden, daß das Notaufnahmegesetz und die dazu ergangene Durchführungsverordnung auch für Berlin Geltung erlangen, und zwar in der Weise, daß die politischen Flüchtlinge in Berlin nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung behandelt werden, d. h. daß die Aufnahme und die Anerkennung nach den bundesgesetzlichen Vorschriften erfolgen soll. Dasselbe soll für die Verfahren vor den Ausschüssen gelten, und schließlich soll die im Bundesgesetz enthaltene Bestimmung über die Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder auch auf die anerkannten Flüchtlinge in Berlin angewandt werden. Sie werden einbezogen in den vom Bundesrat festzusetzenden Verteilungsschlüssel. Damit ist nicht nur ein weiteres Stück der Rechtsvereinheitlichung zwischen dem Bundesgebiet und Berlin durchgeführt, sondern vor allen Dingen eine erhebliche Entlastung Berlins auf einem entscheidenden sozialpolitischen Gebiete dadurch erreicht, daß die Verteilung der Aufgenommenen auch auf die Länder der Bundesrepublik ermöglicht wird. Es bleibt allerdings für Berlin, weil es die schwere Last der vielen Zehntausende nicht anerkannter politischer Flüchtlinge zu tragen hat, noch ein Problem übrig, das schwer genug ist.
Ich glaube, daß dieser vorliegende Antrag ein weiterer Ausdruck der Solidarität aller Länder mit Berlin ist. Es wird damit zum Ausdruck gebracht, daß auch diese schwere Aufgabe, die uns der politische Terror der Sowjetzone auferlegt, von uns allen gemeinsam getragen wird. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.