Rede von
Adolf
von
Thadden
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)
Herr Präsident! 'Meine Damen und Herren! Aus der Debatte um einen Antrag der FDP ist beinahe eine Debatte um das Grundgesetz überhaupt geworden. Lassen Sie mich zunächst auf den vorzüglichsten Artikel dieses Grundgesetzes hinweisen, nämlich den Art. 146, in dem steht, daß dieses Grundgesetz nur vorläufig sei. Damit ist meines Erachtens auch wohl der Ansicht Ausdruck gegeben worden, daß es geändert werden könne. Ich zitiere einen Absatz aus dem Bericht des Parlamentarischen Rates, der von Herrn Höpker-Aschoff erstattet wurde. Er schreibt:
Alles in allem wird man dem Parlamentarischen Rat nicht vorwerfen können, daß er nicht alles nur Mögliche getan habe, dem Bunde auf dem Gebiet des Finanzwesens eine starke Stellung einzuräumen. Daß diejenigen, die für eine ungeteilte Bundesfinanzverwaltung gekämpft haben, nicht zufrieden sind, bleibt bestehen.
Meine Damen und Herren, sie sind deswegen nicht zufrieden und auch heute nicht zufrieden, weil es die hier bereits zitierten Eingriffe der Besatzungsmacht waren, die den Beschluß, der ja mit einer Mehrheit hier im Parlamentarischen Rat gefaßt war, wieder umwarfen. Daß diese Eingriffe sich rein zufällig mit der Meinung einiger Superföderalisten deckten, ist meines Erachtens unerheblich. Aber die Militärgouverneure, die damals diese Note an den Parlamentarischen Rat richteten, waren Vertreter Englands, eines zentral organisierten Staates, und Frankreichs, eines ebenfalls zentral organisierten Staates, und sagten: Ihr müßt hier eine schwache Bundesfinanzverwaltung haben! Meine Damen und Herren, warum? Damit nämlich Deutschland schwach sein sollte!
— Der Vergleich mit den USA hinkt, und zwar deswegen, weil die USA einigemal größer sind als unser Westdeutschland, und weil sie es sich leisten können.
— Bei der Schweiz, Herr Farke, haben wir Verhältnisse, die etwas anders gewachsen sind als die unsrigen; wir brauchen uns daher keineswegs auf ,diese Dinge zu beziehen.
Nun ist hier gesagt worden, das Dritte Reich warne. Meine Damen und Herren, richtig, es warnt, aber nur in seinen überspitzten Auswirkungen. Vergleichen wir doch nur einmal! Damals, unter diesem übertriebenen Zentralismus, war es möglich, daß die Frage, ob in einer Volksschule Betonrohre oder Eisenrohre eingebaut werden sollten, im Kultusministerium in Berlin entschieden werden mußte. Das ist übertrieben, genau so, wie es heute übertrieben ist, daß der Flüchtlingsausgleich partout nicht geregelt werden kann, weil die Länderinteressen dauernd divergieren.
Das sind nur einige kleine Beispiele, meine Damen und Herren. Aber wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, daß diese ganzen Maßnahmen der Alliierten damals nur getroffen wurden und diese Note nur hergeschickt wurde, um uns schwach zu halten, dann hat ihn doch wohl die heutige Rede des Kommunisten in überzeugendster Weise geliefert. Denn der redet ja auch nicht unserer Sache das Wort, daß wir hier stark werden sollen, son-
dern es liegt in seinem Sinne, daß wir hier möglichst schwach bleiben.
Meine Damen und Herren, die Mißhelligkeiten, die sich durch die Länderfinanzverwaltungen ergeben haben, sind hier genügend geschildert worden. Auch die Ausführungen, die Herr Dr. Greve dazu machte, waren unseres Erachtens durchaus zutreffend. Es wäre nun unserer Meinung nach langsam an der Zeit, in eine Debatte um die Änderung dieses Grundgesetzes einzutreten. Wir haben schon einmal das Theater gehabt mit der Polizei. Wir lesen, daß jetzt plötzlich die Bundespolizei sich mit Nordrhein-Westfalen darüber streitet, ob der Bundespolizist auf dem nordrhein-westfälischen Hoheitsgebiet vor der Villa Heuß stehen darf oder nicht. Wir beschäftigen uns hier mit Witzen zu einem Zeitpunkt, in dem es doch wahrlich um größere Dinge geht. Und warum ist diese Bundespolizei noch nicht weiter? Weil der entsprechende Antrag, dank den Föderalisten, heute noch im Ausschuß auf Eis liegt und davon vorerst wohl auch nicht herunterkommt. Wenn es nach uns ginge, würde dieser Antrag der FDP, ohne daß er erst an einen Ausschuß verwiesen wird, heute directement angenommen werden, denn sein Inhalt ist klar genug.
Die Steuermoral wurde hier ebenfalls zitiert. Es ist unseres Erachtens für die ohnehin sehr niedrige Steuermoral nicht gerade förderlich, daß die Steuerregelungen in allen Ländern unterschiedlich sind. Es ist für die Steuermoral einer Firma nicht gerade gut, wenn sie in zwei verschiedenen Ländern Fabrikationsstätten hat und dann alle möglichen Laviermanöver ausführt, um den Staat, auf deutsch gesagt, zu betrügen, was sie nicht könnte, wenn wir eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung hätten.
Meine Damen und Herren, bei der Rede, die Herr Kollege Laforet vorhin hier gehalten hat, hatte ich den Eindruck, hier halte ein emeritierter Professor seine Abschiedsrede. Das Tremolo war entsprechend, aber auch die Gedankengänge waren emeritiert.