Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, es fällt sehr schwer, bei dem Frosch-MäuseKrieg, der hier zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und der FDP-SPD-Koalition vorgeführt wird, wirklich ernsthafte politische Differenzpunkte zu erkennen. Zumindest habe ich mir sehr gut gemerkt, daß der Herr Bundesfinanzminister, nachdem er seine föderalistische Einleitung abgeschlossen hatte, erklärte, daß er seinen Standpunkt als gar nicht so weit entfernt von dem Standpunkt der Antragsteller und der Sozialdemokraten betrachte, die die Antragsteller unterstützen. Mir scheint, daß der Herr Finanzminister damit seine Stellung auch sehr gut präzisiert hat. Im Grunde genommen kommt es beiden auf das gleiche an, nämlich darauf, die Finanzkraft und damit die Verfügungsgewalt der Bundesinstanzen zu stärken. Dabei mögen vielleicht einige „landschaftliche" Rücksichten, etwa auf den Sonthofener Heimatverein, beim Herrn Finanzminister eine gewisse Rolle spielen. Aber letzten-Endes, wenn es darum geht — der Herr Kollege Mende hat das sehr richtig vorausgesehen —, die Mittel für den sogenannten „Verteidigungsbeitrag" und für die Besatzungskosten sicherzustellen, dann sind sich beide darin einig, daß dafür in erster Linie die Steuergelder aus Bund, Ländern und Gemeinden mit allen Mitteln eingetrieben werden müssen, möge auch die Finanzhoheit der Länder darüber flöten gehen und mögen auch die Bedürfnisse der Gemeinden dabei überfahren werden.
Meine Damen und Herren! Bei der Vorlage, die die Kompetenzen des Bundes erweitern möchte auf die -Verantwortlichkeit für die Eintreibung und die Verwaltungsvorschriften bei a 11 e n Steuern, die auf Bundesgesetzen beruhen, geht es darum, alle Hemmnisse und alle Widerstände auszuschalten, die sich heute noch seitens der Länder und der Gemeinden bei der Wahrung ihrer besonderen Interessen auf sozialem und kulturellem Gebiete ergeben.
Es ist hier von den Bedürfnissen einer vereinfachten, einer rationellen, einer sparsamen Verwaltung gesprochen worden. Man hat angeführt, daß das neue System dem Bunde eine zusätzliche Milliarde
Steuergelder einbringen würde. Aber, meine Damen und Herren, wenn man den Dingen auf den Grund geht, dann stellt man fest, daß der Schlag auf etwas ganz anderes abzielt, nämlich darauf, die noch bestehenden bescheidenen Reste einer demokratischen Selbstverwaltung der Gemeinden und der Länder zu vernichten und die erstrangigen Bedürfnisse der Besatzungsmächte und ihrer sogenannten „Sicherheitsplanungen" zu erfüllen. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man auch sagen, daß der Termin, an dem die Vorlage uns hier beschert wird, sehr sinnvoll gewählt ist. Es ist wohl nicht ganz zufällig, wenn gerade heute bekannt wird, daß wir in nächster Zeit mit fertigen Tatsachen in bezug auf die Bereitstellung eines westdeutschen Beitrags zur „westlichen Sicherheit" rechnen müssen. Und es ist wohl auch kein Zufall, wenn gerade heute mitgeteilt wird, daß an den Prophezeiungen des Finanzministers darüber, daß uns an der Summe der Besatzungskosten etwas erspart bleiben werde, kein wahres Wort ist, sondern daß die Besatzungsmächte auf der Eintreibung in Höhe von vorläufig 9 bis 10 Milliarden DM auf Heller und Pfennig bestehen.
Das sind die wesentlichen Motive, die auch dieser Vorlage zugrunde liegen, und da sie vom Bundesfinanzminister im Grunde vollauf anerkannt werden, bin ich davon überzeugt, daß der Tag nicht mehr fern ist, an dem er auch formell den Vorschlägen der FDP-SPD-Koalition seine Zustimmung erteilen wird. Und ich bin sicher, daß es im Himmel des Petersbergs dann über diesen einen reuigen Sünder mehr Freude geben wird als über hundert Gerechte, die schon immer dem Zentralismus der Bundesverwaltung Vorschub geleistet haben.
Meine Damen und Herren! Es ist am Platze, hier einmal von den Bedürfnissen der Länder und der Gemeinden zu sprechen, die mit Füßen getreten werden. Der Herr Finanzminister hat sich vor wenigen Tagen bemüßigt gesehen, nachzuweisen oder wenigstens zu erklären, daß durch seinen neuen Kurs, wie er durch die Inanspruchnahme von einem Drittel der Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen gekennzeichnet ist, keine haushaltsmäßigen Verschlechterungen bei den Ländern eintreten werden. Die Tatsachen aber überführen diese Erklärung des Bundesfinanzministers der Unwahrheit. Der Finanzsenator von Hamburg beispielsweise, Herr Dr. Dudek, hat in seiner Etatsrede vor der Hamburger Bürgerschaft am 23. Mai erklärt, daß trotz des Wegfalls der Interessenquoten und gewisser Finanzausgleichszahlungen jetzt für die Stadt Hamburg eine Mehrbelastung von 21 Millionen DM aus der Inanspruchnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuerbeträge durch den Bund entstehe, selbst dann, wenn es bei dem Bundesratsvorschlag auf Einbehaltung von nur 20 % bleibe. Es bleibt dem Herrn Finanzminister überlassen, diese Darstellung des Hamburger Finanzsenators zu widerlegen.
In der gleichen Rede wurde mitgeteilt, daß infolge der starken Inanspruchnahme der Steueraufkommen durch die Bundespolitik beispielsweise in Hamburg die Bereitstellungen für den Wohnungsbau in diesem Jahr von 24 Millionen auf 4 Millionen DM reduziert werden, also auf ein Sechstel. Es wird mitgeteilt, daß bei einem Neubedarf von 120 Schulen in Hamburg, die einen Kostenaufwand von 250 Millionen DM erfordern, insgesamt zwanzig Jahre vergehen müßten, bis
dieser Bedarf gedeckt werde, wenn die Mittelbereitstellung im gleichen Maß wie in diesem Jahr weitergehe, in dem nur 12 Millionen DM für diesen wichtigen sozialen und kulturellen Zweck aufgewandt werden.
Oder lassen Sie mich ein anderes Beispiel aus einem ebenfalls sozialdemokratisch regierten Land erwähnen. Der hessische Finanzminister Dr. Troeger erklärte vor kurzem, daß die Steuerrücküberweisungen an die Gemeinden in diesem Haushaltsjahr um 9 Millionen DM verringert würden. Er erklärte weiterhin, daß mit einer allgemeinen Kürzung von Zuweisungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Höhe von 18 Millionen DM zu rechnen sei. Er kündigte die Streichung der Mittel für die Schulkinderspeisung an.
Weiter möchte ich auf eine Anweisung der hessischen Innen- und- Finanzminister vom Januar dieses Jahres an die Gemeinden und Gemeindeverbände aufmerksam machen, in der bindende Verpflichtungen für die „volle Ausschöpfung der Steuerkraft" ausgesprochen werden
und in der die Zuweisung bestimmter Leistungen aus dem Finanzausgleich an die Gemeinden ausdrücklich davon abhängig gemacht wird, daß eine Reihe von Gemeindesteuern auf eine vorgeschriebene Höhe gebracht werden. Das betrifft die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, das betrifft Vorschriften über die Erhebung einer Lohnsummsteuer, das betrifft Vorschriften für die Erhöhung der Tarife für Gas, Wasser und Elektrizität und für die Erhöhung von Gebühren der städtischen Verkehrsmittel. Weiter betrifft es Vorschriften für die Entlassungen aus Gemeindediensten, es betrifft die Verpflichtung zur Erhöhung der Kreisumlagen usw.
Gestatten Sie mir, am Beispiel einer hessischen Gemeinde nachzuweisen, wie sich dieser Druck von oben her, der Druck der Gleichschaltung im Sinne der Schäfferschen Bundesfinanzpolitik auf Länder und Gemeinden auswirkt. Es handelt sich um die hessische Gemeinde Oberursel, in der seit 50 Jahren kein neuer Schulbau errichtet worden ist, obwohl in dieser Zeit die Zahl der Schüler auf das Dreifache angestiegen ist. Der Kostenaufwand der Gemeinde für Schulunterhaltung ist von 1935 bis 1951 von 107 000 RM auf 297 000 DM gestiegen.
Andererseits ist die Gemeinde verpflichtet, eine Kreisumlage aufzubringen, die gegenüber 106 000 RM im Jahre 1934 nunmehr im Jahre 1951 240 000 DM beträgt. Die Zuweisungen seitens des Landes an die Gemeinde sind zur selben Zeit aber in rigoroser Weise gesenkt worden.
Anknüpfend an die Tradition der Hitlerschen Finanzpolitik, die ja gleichfalls schon die Drosselung der Zuweisungen an die Gemeinde- und Selbstverwaltungskörperschaften vorgenommen hat, ist die Steuerrücküberweisung pro Kopf der Bevölkerung von 24,50 RM im Jahre 1935 auf nunmehr 6 DM im Jahre 1951 herabgesetzt worden.
— Das gehört hierher, Herr Kollege, und zwar deswegen, weil Sie hier Maßnahmen treffen wollen, um die den Ländern und den Gemeinden zur Verfügung stehenden Mittel noch weiter einzuschränken. Es ist ein Hohn, wenn angesichts dieser Tatsache Sprecher der SPD draußen im Landes auftreten und die Finanzpolitik der Bundesregierung „bekämpfen". Wir sehen, daß heute schon die dritte Etappe auf dem Wege ihrer Unterstützung der Bundesfinanzpolitik zurückgelegt wird. Die erste war die zustimmende Erklärung zur Einbehaltung eines Drittels der Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen durch den Bund. Der zweite Schritt ist in der Anfrage der SPD-Fraktion Nr. 192 zu sehen, in der die Bundesregierung gefragt wird, was sie tun will, um die Steuerhinterziehungen der Länderregierungen zu unterbinden.