Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war mir leider unmöglich, früher in diesem Hause zu erscheinen, weil ich einer gemeinsamen Sitzung der sogenannten Sozialpartner beiwohnen mußte, und es hat mir leid getan, mich dort entfernen zu müssen.
Zur Aussprache steht die Interpellation betreffend Verkündung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen. Der materielle Gegenstand der Interpellation dürfte beseitigt sein, da das Gesetz inzwischen verkündet worden ist. Die Bundesregierung hat Überlegungen angestellt, ob zu diesem Gesetz die Zustimmung nach Art. 113 des Grundgesetzes notwendig ist und ob sie diese Zustimmung erteilen kann. Sie muß ja spätestens im Augenblick der Verkündung die Zustimmung erteilen. Sie ist sich über die Frage in dem Augenblick klargeworden, dem die Aufstellung des Haushaltsplans des nächsten Jahres einigermaßen zu übersehen war, hat die Zustimmung erteilt und das Gesetz verkündet.
Wir unterhalten uns also jetzt über die rein theoretische, in diesem Falle aber gar nicht mehr praktische Frage, ob Art. 113 sich auch auf Initiativgesetze — das ist wohl die Frage — des Bundestages bezieht oder ob er sich nur auf Anträge und Beschlüsse bezieht. Ich bitte, nun doch die Verfassung in ihrem Zusammenhang zu lesen. Die Verfassung in ihrem Zusammenhang stellt in Art. 110 zunächst einmal den Grundsatz auf, daß der Haushaltsplan als Regel vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festzustellen und in Einnahme und Ausgabe auszugleichen ist. In Art. 112 bestimmt die Verfassung, daß Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bedürfen. Das gilt schlechthin für sämtliche Haushaltsüberschreitungen und sämtliche außerplanmäßigen Ausgaben, ohne daß ein Vorbehalt gemacht ist. Ich mache das Haus darauf aufmerksam. Also der Grund, worauf und aus dem heraus außerplanmäßige Ausgaben oder Haushaltsüberschreitungen gemacht werden sollen, spielt nach dem Wortlaut des Art. 112 gar keine Rolle.
Der Art. 113 setzt außerdem — daneben! — fest, daß Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates, welche die von der Regierung vorgechlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen, der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen. Aus dem Zusammenhang ergibt sich folgendes: Der Gesetzgeber des Grundgesetzes wollte aus den Erfahrungen der Jahre 1923 und 1948 heraus der Bundesregierung und dem Bundesminister der Finanzen eine ganz besondere Verantwortung auferlegen, die Verantwortung, unter allen Umständen eine neue Inflation zu vermeiden. Deswegen hat er die persönliche Verantwortung des Finanzministers in Art. 112 des Grundgesetzes festgelegt, daß er darüber wachen muß, daß der Haushalt eingehalten wird und außerplanmäßige Ausgaben und Haushaltsüberschreitungen nur mit seiner Zustimmung, d. h. mit seiner höchstpersönlichen Verantwortung vorgenommen werden können.
— Nein, das hängt innerlich damit zusammen. Der
Gesetzgeber hat in Abs. 2 auch vorgesehen, daß
diese Zustimmung nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden kann.
Meine Damen und Herren! Es wäre möglich, daß durch ein Initiativgesetz, das letzten Endes rein theoretisch alle Formen in sich fassen kann, die Bundesregierung auch einmal zu einer außerplanmäßigen Ausgabe oder zu einer Haushaltsüberschreitung gezwungen werden soll. In diesem Falle — ohne jeden Vorbehalt — wäre der Art 112 des Grundgesetzes doch anwendbar. Wenn der Finanzminister durch eine Zustimmung oder ein Übersehen die Gefährdung der Abgleichung des Etats duldet, ist es seine politische Verantwortung, geht es auf seine persönliche Verantwortung und könnte unter Umständen sogar später einmal, wenn sich schlimme Folgen zeigen, Gegenstand einer Ministeranklage sein.
Der Art. 113 des Grundgesetzes umfaßt ebenso sämtliche Beschlüsse des Bundetages und des Bundesrates. Diese Art. 110, 112 und 113 zusammen mit den anderen Art. 114 und 115 umfassen e i n Gebiet, nämlich die Sicherung des deutschen Volkes gegen neue Gefahren einer Inflation dadurch, daß eine Fehlbetragswirtschaft — gleichgültig durch wen — eingeleitet wird, und stehen deshalb hier in diesem Abschnitt in. der Regelung der Finanzpolitik und in der Gewährleistung einer gesunden Finanzpolitik. Die Frage kann ja einmal der Verfassungsgerichtshof entscheiden; durch Beschlüsse einer Regierung und des Parlaments lassen sich Verfassungsfragen nicht endgültig entcheiden.
Ich muß für meine Person sagen: Ich lege den Art. 113 des Grundgesetzes im ganzen Zusammenhang dahin aus, daß er sämtliche Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates umfaßt, die, wie es hier vorgesehen ist, Haushaltsziffern betreffen. aber diese Haushaltsziffern erhöhen oder sonstwie neue Ausgaben für die Zukunft in sich schließen. Wenn für die Gegenwart außerhalb des Haushalts Ausgaben erzwungen werden sollen, ist meiner Überzeugung nach Art. 112 Grundgesetz einschlägig, und zwar auch gleichgültig, ob diese Ausgaben auf Grund Gesetzes oder auf Grund eines einfachen parlamentarischen Beschlusses erzwungen werden sollen. Das ist meine persönliche Rechtsauffassung.