Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von der Bevölkerung erhobene Forderung auf bessere Versorgung mit Hausbrandkohle ist berechtigt. Selbst mit der Menge, die der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt bekanntgegeben hat — wobei es aber noch zweifelhaft ist, ob sie in den kommenden Monaten auch wirklich geliefert werden kann —, bleibt die Versorgung mit Hausbrandkohle unzureichend. Die Verhältnisse, wie wir sie im vergangenen Winter selbst im Ruhrgebiet erlebten, wo wir, obwohl wir auf der Kohle wohnen, trotzdem nicht oder nur sehr mangelhaft mit Kohle beliefert wurden, dürfen sich nicht wiederholen.
Eine der Ursachen ist sicherlich die Höhe der Exportquote.
Wenn dieser Mangel nicht behoben wird, bleibt eben kein anderer Ausweg, als zu erhöhter Kohlenförderung überzugehen.
— Sie lachen darüber, meine Herren? Ich glaube, Sie haben keinen Anlaß, über dieses hochwichtige wirtschaftliche Problem, das wir im Kohlenbergbau haben und von dem die Bevölkerung und die Bergarbeiter stärkstens betroffen sind, zu lachen!
Es ist unbedingt notwendig, daß unsere Bergwerke modernisiert werden. Diese Modernisierung ist aber nur dann möglich, wenn wir im Kohlenbergbau eine ausreichende Investierung vornehmen, um ihn in die Lage zu versetzen, genügend Kohle zu fördern. Früher war für die Errichtung eines modernen Bergwerks mit allen seinen Nebenanlagen ein Kostenaufwand von ungefähr 60 Millionen Mark notwendig. Ein solches modernes Bergwerk mit seinen Anlagen kostet zur Zeit etwas mehr als 200 Millionen Mark. Wenn also mehr Kohle gefördert werden soll, dann müssen wir die Werke auch technisch entsprechend ausrüsten.
Die zweite Ursache ist, daß die Lebensverhältnisse der Bergleute nicht so sind, wie sie sein müßten. Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die Altersversorgung der Bergleute müssen so gestalte sein, daß sie einen Anreiz zur Aufnahme der Grubenarbeit bilden. Ist das nicht der Fall, treten die bekannten Schwierigkeiten auf. Wir haben im Ruhrbergbau in den verflossenen Jahren eine ungeheuer große Zahl von Neubergleuten beschäftigt. Infolge der unglücklichen Verhältnisse im Bergbau, vor allen Dingen auf dem Wohnungsmarkt, haben im letzten Jahr 80 000 Bergleute dem Ruhrbergbau wieder den Rücken gekehrt. Hinzu kommt, daß nach dem Stand vom 15. Mai dieses Jahres noch 35 000 Bergleute in Baracken wohnen mußten. 15% dieser Leute sind verheiratet und haben naturgemäß das Bestreben, ihre Familie ins Ruhrgebiet zu bekommen. Wenn nicht neu gebaut wird, und zwar noch mehr als bisher, besteht die Gefahr, daß die Bergleute wieder weggehen und dort eine Beschäftigung aufnehmen, wo sie auch eine Wohnung finden. Die jungen, unverheirateten Bergleute, die wir ins Ruhrgebiet bekommen, halten dort ein oder zwei Jahre aus. Wenn sie dann aber sehen, daß für sie keine Möglichkeit besteht, eine Wohnung zu bekommen, um heiraten zu können, wandern sie wieder ab. Die Folge davon ist ein großer Mangel an guten Arbeitskräften.
Interessante Zahlen liefert ein Einblick in die Altersgliederung im Ruhrbergbau. Im vergangenen Jahr waren 14,72% der Gesamtzahl der Beschäftigten in einem Alter von 21 bis 25 Jahren, im Alter von 26 bis 30 Jahren waren es 11,12%, im Alter von 31 bis 35 Jahren nur 6,72% und im Alter von 35 bis 40 Jahren 9,62 %. Meine Damen und Herren, was besagen diese Zahlen? Sie besagen, daß die jungen Bergleute infolge der Wohnungsnot abwandern, d. h. dem Bergbau wieder den Rücken kehren und gerade da ausfallen, wo sie am notwendigsten gebraucht werden. Diese Zahlen sollten uns zu denken geben. Wir werden im Ruhrbergbau nur dann mit einer erhöhten Förderung rechnen können, wenn wir diejenigen Altersgruppen beschäftigen, die noch im Vollbesitz ihrer Arbeitskraft sind.
Für Mann und Betrieb müssen daher die Fehlerquellen beseitigt werden. Die viel zu hohe Exportquote muß gesenkt werden, und der Erlös muß vergrößert werden, damit der Bergbau die Mittel bekommt, die ihn noch leistungsfähiger gestalten, und damit auf der andern Seite für die Bergleute Lebensbedingungen geschaffen werden, die ihnen das Leben erträglich machen. Nur wenn wir einen gesunden Stand von Bergleuten bekommen, werden wir in der Lage sein, die Förderung zu steigern und in der Zukunft aus dieser Kohlenmisere glücklich herauszukommen.