Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Den Ausführungen des letzten Redners kann sich meine Fraktion nicht anschließen. Ich glaube, daß wir nach den Entwicklungen der gestrigen Debatte um des Wertes der Demokratie willen, an der wir doch alle wirklich brennend interessiert sein müssen,
es uns einfach nicht noch einmal zumuten wollen,
einen neuen Untersuchungsausschuß einzusetzen.
Ich meine, wir sollten ernstlich bemüht sein, die
5984 Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951
Arbeit hier im Bundestag freizumachen von allen Dingen, die in sich nichts anderes tragen als Negationen und Dementis.
Wenn wir beim Rundfunk so gern von Überparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität reden, dann müssen wir uns, glaube ich, darüber klar sein, daß diese Begriffe eigentlich keinen Inhalt haben und auch keinen haben können, weil sie ja eine Negation darstellen.
Wir wünschen wirklich um der Klärung dieser Begriffe willen keinen Untersuchungsausschuß; wir wünschen vielmehr sehr, daß wir endlich ein Rundfunkgesetz vorgelegt erhalten, in dem die Neuordnung des gesamten deutschen Rundfunkwesens festgelegt wird.
Ich bin der Meinung, daß das Grundgesetz genügend Raum läßt, um auch hier die viel umstrittene
Freiheit der Meinungsäußerung zu gewährleisten.
Diese Freiheit, das möchte ich mit allem Nachdruck sagen, bedingt natürlich eine sehr starke Veranwortung der Rundfunkleute und müßte für jede verantwortliche Tätigkeit im Rundfunk eine absolute Wahrheitstreue, ich möchte sagen, einen besonderen Takt, Lebenserfahrung und auch ein feines Einfühlungsvermögen voraussetzen. Ich erinnere an die Pfingstdebatte, die wir hier im Hause gehabt haben, und ich war eigentlich erstaunt, daß so wenig über die Kommentare und über die, ich möchte fast sagen, so schlichte Nachrichtenvermittlung gesagt worden ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich in allem Ernst die Frage stellen, ob gegenwärtig Persönlichkeiten mit eben diesen von mir genannten Akzenten in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Man darf nicht außer acht lassen — und das möchten wir auch in diesem Zusammenhang betonen —, daß der Rundfunkkommentar ja eine ganz andere Darstellung verlangt als der Pressekommentar. Den Pressekommentar kann man in seinem Zusammenbang nachlesen und wieder lesen; im Rundfunkkommentar aber steht, so könnte man sagen, eigentlich jeder Satz in seiner eigenen Verantwortung und in seiner eigenen Bedeutung. Schon die einfache Nachrichtenvermittlung ist ja so, daß sie auf eine politische Wirkung eingestellt ist. Es ist doch tatsächlich so, daß bei der Wirkung auf den Hörer schon die einfache Wortstellung, ja ich möchte fast sagen, die Verwendung des Konjunktivs oder des Indikativs oder die Nuancierung eines Attributs, ja eigentlich auch schon der Ton des Ansagers eine wichtige Rolle spielt. Darum kann man eigentlich doch mit Zeit und Stoppuhr nur die ganz plumpen Entgleisungen feststellen und doch nicht wirklich hinter die Dinge schauen.
Aber, meine Verehrten, ich frage Sie: Wo will man die Tatsache einreihen, wenn ausgerechnet die günstigsten Zeiten am Samstagnachmittag fast ausschließlich der Opposition zugestanden werden oder wenn — um an eine letzte Tatsache zu erinnern — bei der Übertragung der Bundestagsdebatte vom 31. Mai die Sendung mit der Rede des Herrn Ollenhauer schloß und die Erwiderung des Herrn Bundeskanzlers überhaupt nicht erwähnt wurde?
Ich meine, meine Herren und Damen, das bedeutet einfach eine Fälschung des Berichts.
Nicht einmal aus Zeitmangel; im Gegenteil, nach der Übertragung trat nämlich eine Sendepause von 4 Minuten ein.
Damit haben wir eigentlich den entscheidenden Punkt angeschnitten, der in dem neuen Rundfunkgesetz erörtert werden müßte, nämlich: Ist der jeweiligen Regierung als Trägerin der Exekutivgewalt — wir müssen die Stellung der Regierung hier im weiten Begriff dès Staates sehen — nicht eine Möglichkeit zu geben, durch den Rundfunk zu breiten Schichten zu sprechen? Diese Frage müßte ernstlich diskutiert werden. Ebenso müßte die Frage des allgemeinen Berichtigungszwanges beim Rundfunk diskutiert werden, weil die Verhältnisse hier ganz anders liegen als bei der Presse.
Natürlich wollen wir — das möchte ich am Ende meiner Ausführungen sagen — unter keinen Umständen die Freiheit des Rundfunks beschneiden, sondern sie im Gegenteil unter allen Umständen gewährleistet wissen. Sie scheint uns aber nur dann gewährleistet, wenn die entscheidenden Posten des Generaldirektors, des Programmdirektors und des Leiters der Personalabteilung nicht einseitig besetzt werden. Die Freiheit im Rundfunk bedeutet auch — und das ist ein Wort, das wir auch an die Leute vom Rundfunk richten wollen — die Autonomie der Einzelpersönlichkeit. Ein solches autonomes Wirken wirklich freier Persönlichkeiten wäre nämlich in entscheidendem Maße eine Demonstration eines wirklich demokratisch geführten Parteienstaates. Es geht uns hier tatsächlich an erster Stelle um ein entscheidendes Stück im Kampf um die Meinungsfreiheit. Das ist unter keinen Umständen mit einem Untersuchungsausschuß zu lösen, sondern nur mit einer ganz klaren und juristischen Regelung der deutschen Rundfunkverhältnisse, die in einem Rahmengesetz festgelegt werden muß. Das wünschen wir, und das möchten wir auch im Interesse einer echten demokratischen Ordnung.