Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Sprecherin der CDU hier sagte, es sei ja inzwischen eine Erhöhung den Rentenbezüge eingetreten, habe ich mir den Zwischenruf erlaubt, was sie damit meine, von welcher Rentenerhöhung sie spreche. Ich stelle fest: Die Renten der Sozialversicherten aus der Reichsversicherungsordnung haben ihre letzte Erhöhung im Zuge des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes erfahren. Die Renten der Kriegsopfer sind in ihrer Höhe, soweit die Umanerkennungen schon ausgesprochen worden sind, im Herbst des vorigen Jahres festgelegt worden. Die Bezüge der Erwerbslosen sind im Frühjahr dieses Jahres, ich, betone ausdrücklich: im Höchstfall etwa um 10 % erhöht worden. Wir haben den Zustand, daß sich die Bezüge der Knappschafts-, der Invalidenpensionäre, die Bezüge sämtlicher Unfallbeschädigter seit der doch unbestreitbar eingetretenen Erhöhung der gesamten Lebenskosten überhaupt noch nicht verändert haben.
Zu diesen Tatsachen kommt noch eins hinzu: daß bei all denen, die neben ihrer Rente, weil diese unter dem Wohlfahrtsrichtsatz liegt, auf den Bezug kommunaler Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind, die wenigen vollkommen unzureichenden Rentenerhöhungen, die hier vorgenommen worden sind, praktisch gar nicht zu einer Erhöhung des tatsächlichen Einkommens geführt haben. Was Bonn in den zwei von mir genannten Fällen gegeben hat, das haben die Kommunen diesem Personenkreis, der nach Zugeständnis des Herrn Bundesarbeitsministers bei den Invaliden mehr als 40 % aller Bezieher beträgt, wieder in Abzug gebracht. So liegen die Dinge. Wir haben also keine Erhöhung der Bezüge der Rentner erlebt.
Man hat uns erzählt, daß ab 1. Juli als Kompensation für den Wegfall der Subventionen für Margarine und Konsumbrot 3 DM Teuerungszulage bewilligt werden sollten. Das ist inzwischen von der Regierung für einen Teil, und zwar für die Sozialversicherungsberechtigten, soweit sie Invalidenrentner sind, wieder in der Linie korrigiert worden, daß man gesagt hat — die Frau Abgeordnete sprach auch davon —, es solle eine allgemeine Rentenerhöhung „bis zu 25 %" erfolgen. Dieses Gesetz, das heute oder in den nächsten Tagen im Bundesrat beraten werden soll, ist vom DGB bereits als völlig ungenügend abgelehnt worden. Ich glaube, man darf doch dem DGB wenigstens so viel zutrauen, daß er die Auswirkungen eines Gesetzes beurteilen kann. Also dieses Gesetz ist bereits verurteilt, ehe es der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist.
Der DGB hat in der vorigen Woche festgestellt, daß die Kosten der Gesamtlebenshaltung im letzten Jahr um über 50 % in die Höhe gegangen sind. In den letzten Tagen hat der DGB uns gesagt, daß die Löhne weit hinter dieser Teuerung zurückgeblieben sind. Und nun erleben wir heute folgendes: Die CDU sagt zu unseren Anträgen: Übergang zur Tagesordnung! Die CDU macht also die Politik der Regierung mit, der vom Bundesrat ja bereits die Zustimmung gegeben worden ist, und ist damit für
5980 Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951
die Tatsache verantwortlich, daß die Milch für unsere Kinder und daß die Butter für unsere Kinder diese neue ungeheuerliche Erhöhung des Preises erleben sollen.
Und da hören wir einmal mehr „Korea". Korea als Ursache für die Teuerung, das hören wir von denselben Leuten, die auf dem Boden Westdeutschlands auf allen Gebieten die Voraussetzung dafür schaffen, daß auch hier koreanische Zustände eintreten könnten.
Man soll uns nicht kommen und uns die Notwendigkeit der Erhöhung der Preise damit begründen, daß man sagt: weil in Korea irgendwo von denselben Machthabern, von denselben Interessenten, die den Krieg hier auf unserem Boden vorbereiten, Krieg geführt wird, müssen wir die Preise für Lebensmittel erhöhen und sollen unsere Arbeiter und Invaliden, Witwen und Waisen höhere Preise bezahlen. Diese Politik „Kanonen statt Butter", die Sie uns hier vorexerzieren, haben wir schon einmal erlebt — unter Hitler!
Das System der Verbilligungsscheine, diese Entwürdigung aller derjenigen Menschen, die gezwungen sind, die öffentliche Wohlfahrtspflege in Anspruch zu nehmen, statt sich ihres Rechtsanspruchs zu erfreuen, den sie sich in jahrzehntelanger Arbeit einmal durch Zahlung von Beiträgen erworben haben, diese entehrende Maßnahme, die dieser Personenkreis einmal einem Hitler verdankte, die wollen Sie heute im Zeichen Ihrer sogenannten christlichen und sozialen Politik wieder neu einführen. Wir sagen Ihnen: Diese Herabwürdigung der Menschen, die einen Rechtsanspruch auf ausreichende Rentenversorgung haben, machen wir nicht mit!
Wir werden den Sozialberechtigten draußen sagen, daß, die Regierung und die Koalitionsparteien, die hier die Macht in Händen haben, sich derselben Methode bedienen, die schon Hitler demselben Personenkreis gegenüber angewendet hat. Nein, keine Verbilligungsscheine, keine Erhöhung der Preise für Lebensmittel, aber ausreichende Renten und Schluß mit Ihrer Kriegsvorbereitungspolitik!