Den Ihnen vorliegenden Antrag auf Drucksache Nr. 2151 betreffend Ausgabe von Verbilligungsscheinen haben wir am 12. April gestellt, als die Mitteilung durch die Presse ging, die Regierung habe beschlossen, die von ihr auf dem Ernährungssektor beabsichtigten Preiserhöhungen für die minderbemittelte Bevölkerung durch Verbilligungsscheine auszugleichen. Inzwischen ist ja, wie Sie alle wissen, die Inflation an Einzelplänen ins Stocken gekommen. Aber alles, was bisher an konkreten Beschlüssen des Kabinetts sichtbar geworden ist, sind leider Gottes neue
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Massenbelastungen, denen man mit völlig unzureichenden kleinen Pflästerchen entgegentreten will. Aus den Verbilligungsscheinen ist inzwischen die Teuerungszulage geworden, die man allerdings dem Sozialrentner, kaum versprochen, bereits wieder aufgekündigt hat. Dieses gesamte traurige Kapitel steht aber heute nicht so sehr zur Debatte. Dazu wird bei anderer Gelegenheit mehr zu sagen sein.
Heute geht es uns — und das mögen Sie aus unserem Änderungsantrag ersehen — in erster Linie darum, die zum Teil bereits beschlossenen, zum Teil beabsichtigten Preiserhöhungen für so wichtige Nahrungsmittel wie Milch, Margarine, Zucker, Butter usw. überhaupt von der Bevölkerung abzuwenden; denn sie sind nicht nur für die Sozialunterstützungsempfänger, sondern auch für die Masse der Lohn- und Gehaltsempfänger einfach unerträglich. Wir haben Ihnen deshalb den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 215 vorgelegt, den ich hiermit begründen darf.
Milch, Brot, Fett und Zucker sind Grundnahrungsmittel. Wir alle müssen dafür sorgen, daß jeder Staatsbürger — vor allen Dingen die Kinder — sie in ausreichendem Maße bekommt. Schon heute sind leider Gottes viele Mütter gezwungen, am Verbrauch dieser wichtigen Nahrungsmittel zu sparen. Denken Sie nur an den Milchverbrauch. Seit Jahr und Tag wird Klage geführt, daß der Milchverbrauch pro Kopf zu gering ist. Millionen Mütter würden ihren Kindern gern mehr Milch geben, wenn es ihre Kaufkraft erlaubte. Die Milchpreiserhöhung ist bestimmt nicht der richtige Weg dazu, im Gegenteil: In einer Zeit der Milchschwemme wird diese Milchpreiserhöhung, wenn man sie nicht vom Verbraucher abwendet, unbedingt zu einem Bumerang für die Landwirtschaft werden. Das wollen Sie alle doch auch nicht.
Wenn man nun aber glaubt, diesen unerwünschten Folgen durch eine verstärkte Buttereinlagerung begegnen zu können, dann möchte ich Ihnen allerdings mit aller Deutlichkeit sagen: Die Hausfrauen haben von der letzten Butterwälzaktion noch genug; sie haben kein Verständnis für eine Maßnahme, bei der man ihnen zumutet, ranzige Butter abzunehmen, die eingelagert wurde, um den Preis hochzuhalten, sondern sie sehen in einer Wiederholung dieser Aktion — nach den damit gemachten schlechten Erfahrungen — geradezu eine Verschleuderung von Volksvermögen. Wenn wir Sozialdemokraten eine weitschauende, bessere Vorratspolitik verlangen, dann liegt die Betonung in erster Linie auf „bessere". Es dürfte andere Fette geben, die die Ein- und Auslagerung besser vertragen als Butter.
Zur anderen Frage: Verteuerung des Konsumbrotes. Die Bevölkerung ist, der Not gehorchend — möchte ich sagen —, nicht dem eigenen Triebe, in einem hohen Maße zum Verbrauch von Konsumbrot übergegangen. Nun sollen die Subventionen dafür abgebaut werden. Erinnern Sie sich bitte, meine Herren und Damen, an die vielversprechenden Reden der Herren Minister im Vorjahre; erinnern Sie sich bitte auch daran, wie dankbar Sie auch immer dafür waren und diese Maßnahmen begrüßt haben, wie Sie sie verteidigten und als Beweis für das soziale Handeln Ihrer Regierung benutzt haben. — Wollen Sie dulden, daß dieses Brot nun um 15 Pfennig pro Kilogramm teurer wird?
Das gleiche gilt auch für Margarine. Margarine ist das Fett der kleinen Leute. Der Normalverbrauch, der nach amtlichen Mitteilungen im Monat 40 000 t beträgt, ist in den letzten Wochen erheblich zurückgegangen. Das beweist wieder einmal mehr, wie sehr die Kaufkraft gerade der kaufkraftschwachen Bevölkerungsschichten immer mehr und mehr absinkt. Und nun sollen auch diese , Subventionen zum allergrößten Teil fallen.
Man muß schon sagen: die Regierung hat sich den allerungeeignetsten Zeitpunkt für den Abbau der Verbraucher-Subventionen ausgesucht. Nachdem man nacheinander alle Wirtschaftszweige an große Gewinnmöglichkeiten herangeführt hat und der Verbraucher geradezu wie eine Zitrone ausgepreßt worden ist, nachdem die verzweifelten Anstrengungen der Betroffenen, das Absinken der Kaufkraft durch Erhöhung ihrer Einkommen auszugleichen, immer wieder durch neue Teuerungswellen illusorisch gemacht worden sind, tut die Regierung ein übriges und nimmt durch den Abbau der Subventionen und die angekündigten Preiserhöhungen dem Verbraucher auch noch die letzte Chance einer gesicherten Versorgung wenigstens mit den Grundnahrungsmitteln.
Sagen Sie bitte nicht, daß dies infolge der Finanzlage notwendig sei. Heute vor einer Woche haben Sie hier in diesem Hause das sogenannte Exportförderungsgesetz beschlossen. Dieses Gesetz sichert der Exportindustrie und dem Exporthandel rund 400 Millionen DM Steuervergünstigung für das bereits bestehende Exportvolumen, nicht für Exportausweitung. Was man also auf der einen Seite den Verbrauchern nimmt, schenkt man auf der anderen Seite Handel und Industrie. Wo und wie man das verantworten will, bleibt mir schleierhaft.
Beim Zuckerpreis ist es ähnlich. Man behaupte nicht, die Zuckerpreiserhöhung sei nicht beabsichtigt. Nach Mitteilung des Vertreters des Herrn Finanzministers erst vorgestern im Ernährungsausschuß sind ab 1. Juli 1951 im Haushalt keine Mittel mehr für Zuckersubventionen vorgesehen. Solange die Zuckersteuer besteht, kann man wohl überhaupt nicht von einer echten Subvention sprechen. Die Verbraucher bringen die für die Herabschleusung des Preises für eingeführten Zucker auf den Inlandspreis notwendigen Mittel durch die Zuckersteuer um ein Vielfaches wieder herein. Sogar die Rübenpreiserhöhung könnte noch in ihr laufgefangen werden. Aber mit der einen Hand zu nehmen, was man mit der anderen gegeben hat, das scheint ja nach und nach geradezu zum allgemeinen Brauch der Regierungspolitik zu werden. Ich darf Sie nur auf die momentane Situation in der Dieselkraftstoffverbilligung für die Landwirtschaft aufmerksam machen.
Die Folgen der beabsichtigten Preiserhöhungen für Lebensmittel, dazu die Auswirkungen der heute beschlossenen Umsatzsteuererhöhung, dazu die Auswirkungen der Zollgesetzgebung usw. sind schlechthin unabsehbar. Mein Fraktionsfreund Dr. Koch hat heute schon einen Brief des DGB an den Herrn Bundeskanzler verlesen, der sich mit den Folgen dieser beabsichtigten Erhöhungen befaßt. Sie haben, meine Herren und Damen, bis jetzt nicht verhindert, daß bei uns Produktion und Handel und ein groß Teil der liberalisierten Einfuhr nicht auf den berechtigten Bedarf der Bevölkerung, sondern auf den Gewinn der beteiligten Wirtschaftskreise abgestellt sind. Wenn Sie nun auch noch Ihre Hand zum Abbau der letzten Verbrauchersubventionen geben würden, dann müßten Sie sich allerdings die Feststellung gefallen lassen: Die Bundesregierung und die rechte Bundestagsmehrheit machen eine verbraucherfeindliche Preispolitik; sie regieren
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gegen die Hausfrauen und ihre vornehmste Aufgabe, die bestmögliche Versorgung der Familien. Eine sichere Versorgung aller ihrer Angehörigen mit den wichtigsten Nahrungsmitteln ist dem größten Teil der Hausfrauen einfach nicht mehr möglich, wenn diese Preislawine über sie hereinbricht. Hätte die Bundesregierung die Eigenschaften einer guten Hausfrau, die vorsorgen, einteilen und sparsam wirtschaften muß, rechtzeitig in der Wirtschaftspolitik und vor allen Dingen im Außenhandel gezeigt, dann wären wir nicht in das gegenwärtige Dilemma hineingeraten.
Wir wehren uns aber mit aller Entschiedenheit dagegen, daß all die gemachten Fehler sowohl als auch alle Folgen der Weltmarktsituation ausschließlich auf dem Rücken des Verbrauchers ausgetragen werden sollen. Zum Schutze des Verbrauchers vor weiteren Preiserhöhungen haben wir den bereits genannten Änderungsantrag vorgelegt. Ich bitte Sie dringend, diesen Antrag an den Haushaltsausschuß und an den Ernährungsausschuß zu überweisen, ihn dort dann allerdings sofort zu behandeln.