Meine Damen und Herren! Das vorliegende Zolltarifgesetz ist nicht von den Verhandlungen und den Abschlüssen in Torquay zu trennen. Man sprach während der zweiten Lesung davon, daß es sich bei diesem Zolltarifgesetz um ein autonom, in deutscher Zuständigkeit zu verabschiedendes Gesetz handele. In Wirklichkeit ergibt sich aber aus der Begründung dieses Gesetzes, aus der Vorlage des Ausschusses, daß dieses Zolltarifgesetz identisch ist mit den wesentlichen Grundsätzen der Konferenz von Torquay. Diese Konferenz entsprach den Wünschen des amerikanischen Finanzkapitals auf handels- und zollpolitischem Gebiet. Der westdeutsche Handel unterliegt dem Diktat der Marshall-Plan-Behörde in Paris, der ECA, die von amerikanischen Finanzkapitalisten gesteuert wird. Infolgedessen handelt es sich nicht um ein freies, vorn Bundestag autonom zu beschließendes Zolltarifgesetz, sondern um ein Zolltarifgesetz, das eben dem amerikanischen Handel und den amerikanischen Freibeutern dient. Das ergibt sich auch schon aus der Tatsache, daß man die Liberalisierung fortsetzt. In dem Zolltarifgesetz werden nicht etwa schwere Schädigungen für unsere Landwirtschaft verhindert; im Gegenteil, ganz deutlich sagt man, daß diese Unsicherheitsmomente eben hingenommen werden müssen.
Des weiteren ist an diesem Zolltarifgesetz sehr interessant, daß es — wie auch im Ausschußbericht gesagt wurde — keinen Zoll für die Einfuhr von Kriegsgerät vorsieht. In dem Bericht des Ausschusses heißt es nämlich:
Die Regierungsvorlage hatte entgegen dem Vorschlage des Regierungsausschusses für Kriegsgerät Zollfreiheit vorgesehen. Die Unterkommission Zolltarif des Bundestages war der Meinung, daß hier wesentliche politische Gesichtspunkte hineinspielen und es richtig sei, wenn das Parlament eine Entscheidung überhaupt ablehnte.
Wir sehen also, daß die Adenauer-Regierung für die Einfuhr von Angriffswaffen gegen die Völker des Ostens und von Waffen für das Unterdrükkungsinstrument, nämlich ihre Bereitschaftspolizei, Zollfreiheit will. Es ist sehr bedauerlich, daß sich der Unterausschuß Zolltarif diesen Gedanken der Regierung nicht widersetzte. Das ist um so bedauerlicher, als — wie bereits bekannt — in dieser Kommission auch Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei tätig waren.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen dieses Zolltarifgesetz, weil es nicht den Interessen des deutschen Volkes und der Wahrung unserer wirtschaftlichen Entwicklung dient, sondern den kriegerischen Absichten des amerikanischen Monopolkapitals und den reaktionären volksfeindlichen Absichten der Adenauer-Regierung. Mit diesem Zolltarif und mit den Verhandlungen über die Handelspolitik der Bundesrepublik sind die handelspolitischen Sperrmaßnahmen gegen den Han-
Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951 5973
del mit den Völkern des Ostens und mit der Deutschen Demokratischen Republik verbunden. Die Bundesregierung hat sich auch in dieser Frage willfährig den Befehlen des amerikanischen Finanzkapitals gebeugt. Sie hat das Warenembargo einfach hingenommen und sogar von sich aus noch Maßnahmen getroffen, die den Handel mit unseren Schwestern und Brüdern in der Deutschen Demokratischen Republik und mit den Völkern des Ostens restlos abschnüren sollen. Das geschieht, obschon es Handelsvereinbarungen gab, die von der Bundesregierung bindend unterzeichnet wurden.
Wie diese von den Amerikanern uns aufgezwungene Handelssperre selbst von bürgerlicher Seite beurteilt wird, zeigt ein Artikel in der „Deutschen Wirtschaftszeitung". Dort wird gesagt:
Die bisherige Entwicklung hat das bestätigt. Die Kontrolle der deutschen Ausfuhr nach dem Osten erfolgte bisher weniger unter dem Gesichtswinkel einer Stärkung des Rüstungspotentials der Oststaaten, sondern vielmehr in der Absicht, unliebsame Konkurrenten von diesen Märkten auszuschalten und niederzuhalten.
Weiter wird in dem Artikel gesagt:
Anderen westeuropäischen Ländern mag es leicht fallen, mit Exporten nach Westeuropa kurzzutreten, vor allem nachdem sie mit Erfolg Deutschland auf diesen Märkten aus dem Felde geschlagen haben.
In diesem Artikel, den nachzulesen ich jeden bitte, ist an Hand von Tatsachen bewiesen, wie sich England, Amerika und Frankreich aktiv in den Osthandel eingeschaltet haben und wie man andererseits einen Druck ausübt, um diesen Handel Westdeutschlands mit Ostdeutschland und mit den östlichen Völkern zu unterbinden Diese Handelspolitik ist es, gegen die wir uns auch im Rahmen der Debatte über diesen Zolltarif wehren. Das deutsche Volk braucht einen Handel mit den Völkern des Ostens. Westdeutschland braucht einen ungehinderten innerdeutschen Handel. Es liegt nicht im Interesse des deutschen Volkes, wenn deutsche Politiker sich bereit finden, den Wünschen und Befehlen des Petersbergs in dieser entscheidenden Lebensfrage unseres Volkes einfach nachzukommen. Deutschland ist auf die Märkte des Ostens angewiesen. Der kapitalistische Weltmarkt ist übersetzt. Seien Sie sich darüber im klaren: Wenn der Rüstungs-Boom zu Ende geht, dann werden die Wirtschaft und der Handel Westdeutschlands gefährliche Rückschläge erleben. Wenn es bestimmte Leute in Westdeutschland gibt, die glauben, durch die wahnsinnige Rüstungspolitik, die in den Atlantikpaktstaaten betrieben wird, diese Verluste ausgleichen zu können, dann irren sie. Sie leisten unserem Volke einen Bärendienst, schädigen das Gesamtinteresse unseres Volkes und gefährden damit gleichzeitig den Frieden.
Die sozialen Auswirkungen dieses Zolltarifs wurden bereits behandelt. Wenn der Vertreter der CDU während der Debatte in der zweiten Beratung dieser Gesetzesvorlage erklärte, es handle sich bei diesem Zolltarifgesetz um Festsetzungstarife, die Vertragstarife sähen ganz anders aus, dann muß ich Ihnen dazu folgendes sagen: Die in diesem Zolltarif festgelegten Zollsätze sind Richtsätze, die auch bei den kommenden Verhandlungen mit anderen Staaten in der Frage des Handels zugrunde gelegt werden. Aus diesem Grunde muß man sich auch aus sozialen Gesichtspunkten gegen diese Gesetzesvorlage wehren. Ich wundere mich allerdings über die Inkonsequenz der sozialdemokratischen Fraktion, die in der dritten Lesung ihre Anträge aus der zweiten Lesung nicht wieder aufgenommen hat. Sie hat durch ihre Entschließung versucht, eine Brücke zur Adenauer-Regierung zu bauen. Damit beweist sie wiederum, daß ihre Oppositionspolitik
keine grundsätzlich den Interessen der Arbeiterschaft und des werktätigen Volkes entsprechende
Oppositionspolitik ist, sondern daß hier nur eine
Scheinopposition betrieben wird. In den Grundsatzfragen geht, wie auch dieser Fall wieder beweist,
die sozialdemokratische Fraktion mit den Regierungsparteien konform. Wir als Kommunistische
Partei, das kann ich hier erklären, lehnen den Zolltarif ab, weil er nicht den Interessen unseres Volkes, sondern den amerikanischen Freibeutern dient.