Rede von
Hellmut
Kalbitzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß es sich hierbei um die Genehmigung oder Nichtgenehmigung von etwa 800 Millionen DM handelt und eine entsprechende Aufmerksamkeit unter Umständen von Nutzen sein könnte.
Die sozialdemokratische Fraktion hat dem Hause eine Entschließung vorzulegen, die ich Ihnen zunächst vorlesen möchte:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestag stellt fest, daß die Zölle des neuen Zolltarifs, mit Ausnahme der Finanzzölle, wie sie im Zolltarifentwurf bis jetzt von der Bundesregierung gefordert sind , nur aus wirtschaftspolitischen Erwägungen erhoben werden, fiskalische Gründe für die Erhebung ausscheiden und daß bei Inkraftsetzung des neuen Zolltarifs keine weiteren Konsumbelastungen durch Zollerhöhungen eintreten sollen.
Wie Sie daraus ersehen, haben wir aus der Abstimmung nach der zweiten Lesung insofern die Konsequenzen gezogen, als wir uns überzeugt haben, daß die Mehrheit dieses Hauses eindeutig dafür eintritt, daß die Zölle für exotische Gewürze, Kakaobohnen, Mineralöle usw. als Finanzzölle erhoben waren. Obwohl wir dagegen sind, werden wir diese Frage nicht erneut zur Abstimmung stellen, sondern bitten Sie nur, über diese Liste hinausgehend in Zukunft keine weiteren Finanzzölle zu erheben. Wir möchten Ihnen vor allen Dingen den Mitarbeitern des Zolltarifausschusses, damit die Möglichkeit geben, ihrer bisherigen Meinung, daß das Ganze ein wirtschaftspolitisches und kein fiskalisches Gesetzeswerk sei, hierdurch Nachdruck zu verleihen.
Es kommt bei diesem Zolltarif darauf an, ihn der Labilität der gegenwärtigen Weltwirtschaftspolitik anzupassen, d. h. ihn in der zeitweiligen oder dauernden Herabsetzung einzelner Positionen absolut beweglich zu halten.
Dazu dient der § 4 des Gesetzes. Dies war die einmütige Meinung des Zolltarifausschusses, und insofern bestand bis vor wenigen Tagen die Aussicht, daß das Haus das Gesetz mit großer Mehrheit annehmen würde. Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Hartmann in der zweiten Lesung haben unser Zutrauen allerdings völlig erschüttert. Unsere Bedenken gehen dahin, daß Herr Hartmann und mit ihm die ganze Bundesregierung dieses Gesetz mißbrauchen wird zur Deckung fiskalischer Defizite.
Diese Vermutung wird besonders dadurch verstärkt, daß es der Herr Staatssekretär trotz wiederholter Aufforderung ablehnte, genaue Zahlen über das vermutliche Mehraufkommen zu nennen, und zwar mit der Behauptung, er könne keine nennen. Ich möchte darauf hinweisen, daß das bundesstatistische Amt hierüber bereits Nachforschungen angestellt hat, wobei ich zugebe, daß exakte Zahlen nicht zu erreichen sind, wohl aber Schätzungen, die die Größenordnung und ihre Bedeutung durchaus klarstellen. Die Schätzungen gehen nämlich darauf hinaus, daß man, will man den neuen Zolltarif ohne irgendwelche Begünstigungen in Kraft setzen, eine Mehrbelastung von etwa 800 Millionen DM im Jahr errechnen könne. Das' bedeutet, daß man hier mit einem Trick — nicht durch eine Steuerhöhung, sondern durch eine Zollerhöhung — den Ausgleich des Staatshaushalts durchführen will.
Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß der Herr Finanzminister von seinem ursprünglichen Plan der Sonderumsatzsteuer, der noch vor wenigen Wochen bestand, Abstand genommen und daß er ebenso von seinem ursprünglichen Plan, die Umsatzsteuer auf 4 1/2 % zu erhöhen, abgegangen ist und 1/2 % wieder nachgelassen hat. Diese „Nachlässe," die also eine Nichterhöhung der Steuerbelastung bedeuten sollen, werden hier auf dem Umweg über neue Zollbelastungen doch wieder zu einer Bürde für die Konsumenten. Ich meine, daß wir es uns wirtschaftspolitisch — und darauf möchte ich besonderen Nachdruck legen — nicht leisten können, den Zolltarif fiskalisch zu betrachten. Denn wenn wir die Zolltarife fiskalisch festlegen, so können wir natürlich bei wirtschaftspolitischer Notwendigkeit diese Zölle nicht senken, eben weil wir im Etat auf die Einnahmen angewiesen sind. Damit wird das Instrument wirtschaftlich völlig stumpf, und ich gebe wiederholt der Hoffnung Ausdruck, der Herr Bundeswirtschaftsminister werde dagegen Front machen, daß man ihm sein eigenes wirtschaftspolitisches Instrument aus der Hand nimmt, indem man es — entschuldigen Sie — „fiskalisch notzüchtigt."
Wir sind also gegen diese Entwicklung der fiskalischen Festlegung der Zölle und haben es durchaus mit Sympathie gehört, als die Herren Vertreter der Regierungsparteien in der zweiten Lesung mit uns der Meinung waren, wir wollten es beim Zolltarif als einem wirtschaftspolitischen Instrument belassen, daß sie sich also gegen diese fiskalische Umdeutung des Gesetzes entscheiden würden. Leider haben die Herren sich bisher nicht zu der Konsequenz bereit finden können, diesem Antrag, der ihre Beteuerung noch einmal vor die Öffentlichkeit festlegen würde, auch ihre Unterstützung
5972 Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951
zu geben. Ich muß ganz offen sagen: Wenn sich die Regierungsparteien nicht dazu verstehen können, das, was von ihrer Seite in der zweiten Lesung hier im Plenum geäußert wurde, durch eine Entschließung zu akzeptieren, dann können wir unsererseits nicht das Zutrauen haben, daß diese Beteuerungen wirklich ernst gemeint sind. Wir müssen vielmehr mit Nachdruck darauf hinweisen, daß hier in der dritten Lesung eine Zollerhöhung ihren Anfang nimmt, die dahin führen muß, daß der Konsum ungeheuer belastet wird. Das ist eine Belastung, die natürlich genau wie die Umsatzsteuererhöhungen, die vorher hier auf der Tagesordnung standen, zu weiteren Preissteigerungen führen wird, so daß nicht eine Befriedung der PreisLohn-Verhältnisses, wie sie dringend notwendig ist, erreicht wird, sondern an der Preis-Lohn-Spirale weiter nach oben hin gedreht wird.
Deshalb unser Antrag — unter Hintanstellung unserer Auffassung, daß auch die bisher festgelegten Finanzzölle nicht erhoben werden sollten —, um den Regierungsparteien die Gelegenheit zu geben, ihrer Auffassung, wie sie hier bisher bekundet wurde, durch Zustimmung zu unserer Entschließung Nachdruck zu verleihen.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.