Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Antrag schon in der zweiten Lesung wiederholt. Ich will mich deshalb kurz fassen und Ihnen nur die wesentlichen Gründe noch einmal darlegen, die für die Beibehaltung der sogenannten Warenhaussteuer, d. h. der Steuer, die die Großbetriebe des Einzelhandels betrifft, sprechen.
Zunächst einmal ist zu sagen, daß es sich um ein ganz erhebliches steuerliches Objekt handelt. Der Umsatz der betreffenden Steuerpflichtigen, den sie selbst ermittelt haben, betrug im Jahre 1947 6,7 Milliarden RM. Wir müssen damit rechnen, daß bei diesen Betrieben im laufenden Finanzjahr ein Umsatz von wenigstens 9 Milliarden DM erreicht wird. Bei Aufrechterhaltung der gleichen Spanne, wie sie bisher zwischen der allgemeinen Umsatzsteuer und der Großbetriebsumsatzsteuer bestand, nämlich der Spanne von 3 zu 3 3/4 % — jetzt also 4 zu 5 % — würde sich ein Steuerausfall in einer Größenordnung von über 100 Millionen DM ergeben.
Es handelt sich also um einen ganz erheblichen Betrag.
Es wird eingewendet, diese Steuer führe dazu, daß Preissenkungen nicht möglich seien. Dieser Einwand trifft in keiner Weise zu, wie die bisherige Preisgestaltung der betroffenen Wirtschaftskreise bewiesen hat. Es ist einfach nicht wahr, daß durch eine Veränderung des' Verhältnisses zwi-
5968 Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951
sehen Steuern des allgemeinen Einzelhandels und denen der hier betroffenen Warenbetriebe auch nur der geringste Einfluß in Richtung auf eine sozialere Preisgestaltung herbeigeführt würde; ganz im Gegenteil: diese Steuer hat sich durch zwanzig Jahre hindurch eingespielt und ein gewisses wirtschaftliches Gleichgewicht herbeigeführt. Bei einer Aufhebung — denn darum handelt es sich — würde dieses eingespielte wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten der Großkapitalbetriebe im Einzelhandel verändert werden. Das Gleichgewicht würde also gestört werden. Wir haben keinerlei Veranlassung, durch eine solche Steuerermäßigung einen volkswirtschaftlichen Zustand des Gleichgewichts zu stören.
Die Konsumgenossenschaften weisen darauf hin, daß auch sie unter diesen erhöhten Steuersatz fallen. Dagegen ist zunächst zu sagen, daß die Konsumgenossenschaften diesen Steuersatz bisher bezahlt und trotzdem floriert haben. Zweitens ist zu sagen, daß in dieser neuen Umsatzsteuervorlage den Konsumgenossenschaften insofern ein ganz erheblicher Vorteil geboten ist, als die sozialkalkulierten Lebensmittel, die bisher mit 3 3/4 % zu versteuern waren, in Zukunft nur noch mit 1 1/2 % und 3 % zu versteuern sind. Wenn also die Konsumgenossenschaften einen Umsatzanteil von 45 % an sozialkalkulierten Lebensmitteln haben und diese Steuern von 3 3/4 auf 1 1/2 bzw. 3 % herabgesetzt werden, so ergibt sich nach der von uns vorgeschlagenen Fassung- gegenüber dem bisherigen Zustand bereits jetzt ein erheblicher Vorteil für die Konsumgenossenschaften.
Meine Damen und Herren, das Entscheidende ist ja immer, daß die Umsatzsteuer ein bestimmtes volkswirtschaftliches Gleichgewicht herbeigeführt hat. Jede Änderung bedeutet eine Störung dieses Gleichgewichts. Glauben Sie bitte nicht, daß eine Änderung im Sinne der Regierungsvorlage irgend etwas für die Preisentwicklung Günstiges hervorrufen würde. Ich habe Ihnen in der letzten Lesung die Bilanz der Karstadt-AG. vorgetragen und habe darauf hingewiesen, daß diese beispielsweise den ausgewiesenen Rohgewinn — das ist sicherlich nur ein ganz kleiner Teil des effektiven Rohgewinns — von 1949 bis 1950 von 110 000 auf 3,4 Millionen DM hat steigern können und dann noch freie Rücklagen in einer Größenordnung von 8 Millionen DM gemacht hat. Das beweist eindeutig, daß die Preisgestaltung dieser Betriebe nicht von der Umsatzsteuer her erfolgt, sondern daß die Preise sich danach ausgerichtet haben, welche Gewinne erzielt werden konnten. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Ich bitte Sie deshalb, nicht durch den Fortfall einer solchen Steuer den Mittelstand in größte Bedrängnis zu bringen, ohne daß tatsächlich für die gesamte Konsumpreisbildung etwas erreicht werden würde.