Rede von
Franz
Höhne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den eigentlichen Gegenstand der Beratung eingehe, d. h. auf die Behandlung des Antrags Drucksache Nr. 2269, möchte ich eine notwendige Bemerkung machen. Ich habe nicht nur durch persönliche Gespräche mit Abgeordneten dieses Hauses, sondern auch bei der Behandlung bayerischer Angelegenheiten den Eindruck erhalten, als ob man glaube, daß Bayern Sonderinteressen verfolgen wollte und als ob Bayern nicht die erforderliche würdige Vertretung in diesem Hause hätte. Die Vorgänge der letzten Zeit waren allerdings geeignet, Bayern und seine Bevölkerung auf das schwerste zu diffamieren. Wir anderen Abgeordneten des Landes Bayern distanzieren uns auf das schärfste von den Leuten, die Bayern in eine solche Schmach gestürzt haben, so daß es aussieht, als ob es in Bayern lauter Korruptionserscheinungen und dergleichen gäbe. Das bayerische Volk rückt von diesen Korruptionserscheinungen auf das schärfste ab und bedauert, daß Abgeordnete dieser Qualitäten das Interesse Bayerns hier im Bundestage vertreten.
Und nun, meine sehr verehrten Anwesenden, zum Antrag Drucksache Nr. 2269. Wer die besondere Lage von Ostbayern kennt, der muß
5954 Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den . Juni 1951
empört sein über die Frechheit der Kommunistischen Partei,
einen Antrag zur Hilfe für Ostbayern einzureichen. Wer hat denn dieses ostbayerische Elend verschuldet, und wer versucht, dieses ostbayerische Elend zu verewigen?
Wer dieses Gebiet vom Augenschein her kennt und sieht, daß die westdeutschen Bewohner mit ihrem Anwesen bis hart an die Zonengrenze reichen und dann über die Grenze hinaus in totes Gebiet mit zerstörten Ortschaften, brachliegender Landwirtschaft bis tief in das tschechische Land hineinsehen,
und zwar in einer Breite von 5 km von Passau bis nach dem Norden ein totes Land, das wie nichts anderes geeignet ist, aufzuzeigen, wer denn die Trennung Ost- und Westdeutschlands will; wer dann die daraus resultierende Not sieht, der ist einfach empört über diese schaumschlägerische Art, Propanganda zu machen.
Wer noch dazu weiß, daß Menschen, die aus dem
Osten evakuiert sind oder flüchten mußten, in
Sichtweite ihrer alten Heimat leben und des
Nachts versuchen müssen, aus ihren verlassenen
und zerstörten Häusern noch einen Balken zu
retten; wer weiß, daß diese Menschen Leib und
Leben riskieren — z. B. in Bernau bei Tirschenreuth sind drei Flüchtlinge, die versucht haben, aus
ihren alten Häusern noch Dachbalken zu retten,
von den Kommandotürmen der tschechoslowakischrussischen Grenzposten aus erschossen worden —,
wer diese erschütternden Tatsachen aus eigener Anschauung kennt, der weiß, daß etwas anderes notwendig ist, als hier in diesem Bundestage durch die Kommunistische Partei einen Antrag betreffend Hilfe für das ostbayerische Gebiet loszulassen.
Warum, so frage ich, sind denn unsere Menschen dort so hoffnungslos? — Nicht allein wegen der wirtschaftlichen Not, sondern weil dieser Status verewigt werden soll! Warum haben Sie, meine Herren Kommunisten, nicht Ihren Beitrag zur Einheit Deutschlands geleistet, indem Sie die freien und geheimen Wahlen auch da drüben in Ihren Freundeskreisen mit propagiert haben?
Es ist billig, hier Anträge zu stellen und auf der anderen Seite das Elend verewigen zu lassen. Wir sind der Meinung, daß sich die Kommunistische Partei mit ihrem Antrag an die falsche Adresse gerichtet hat;
denn wenn ein echter Beweis für den Willen zur Vereinigung Deutschlands und damit für die Linderung der Not der Grenzlande erbracht werden sollte, dann müßte dieser Antrag doch an die Grotewohl und Genossen in der DDR gesandt werden.
Vielleicht kämen wir dann, wenn Sie solchermaßen geschlossen an der Herstellung einer echten Einheit Deutschlands mitarbeiten würden, zu einem besseren Erfolge.
Wir beantragen deshalb, weil dieser Antrag nicht ernst zu nehmen ist, Übergang zur Tagesordnung.
Meine Damen und Herren! Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Wir, die wir gezwungen sind, in diesem Rest-Westdeutschland zu leben, und die wir gezwungen sind, allen Menschen Arbeit und damit Einkommen zu verschaffen, haben alle Veranlassung, jede Situation nach Möglichkeit auszunützen, um den verkehrsfernen Grenzgebieten hilfreich unter die Arme zu greifen. Wir haben also die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um denen, die aus den politischen Verhältnissen der Vergangenheit heraus ins Elend gestürzt worden sind, eine wirkliche Hilfe angedeihen zu lassen; denn das Gespenst der Dauerarbeitslosigkeit weist auf ein furchtbares Erbe. Wir müssen entsprechende Maßnahmen treffen, um diese Dauerarbeitslosigkeit zu beseitigen, und nicht nur das, sondern wir müssen auch Hoffnungen für die Zukunft erwecken.
Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen sage, daß in dem Gebiete Ostbayern nicht nur neue Industrieansätze nicht zustande kommen, sondern daß aus diesem Gebiet, hervorgerufen durch die aussichtslose Lage, nun dort seit langem bestehende Industriebetriebe wegziehen, so werden Sie zugeben, das sind Alarmzeichen. Es zieht dort weg: die altbekannte Firma Witt, Weiden, die es auf Grund der Verkehrsferne und der damit verbundenen Tarifschwierigkeiten als 'wirtschaftlich unerträglich bezeichnet, dort noch weiter zu wirken; es entfernen sich aus diesem Gebiete die Farbglaswerke Zwiesel, Maizena in Regensburg. Meine Damen und Herren, sind das nicht Alarmzeichen? Wollen wir nach dem Muster in Ostdeutschland, eine tote Zone zu schaffen, daß durch die Entindustrialisierung unseres Gebietes auch ein wirtschaftlich totes Land geschaffen wird? — Hier Einhalt zu gebieten und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten, ist allerhöchste Zeit. Wir haben in unserem Gebiet Braunkohle liegen, aufgeschlossene Braunkohle, die nur abgebaut werden müßte. Es fehlen die Mittel dazu. Wenn wir bedenken, daß die Kohlennot doch gerade in unserem verkehrsfernen Gebiet besonders in Erscheinung tritt, dann ergibt sich doch, daß uns daraus die Verpflichtung erwächst, hier schnellstens einzugreifen, um diese wertvolle Kohle dort der Bevölkerung und der Wirtschaft zugänglich zu machen.
Es müßte noch etwas anderes in Erwägung gezogen werden, und zwar gerade jetzt, wo wir daran sind, Sanierungsprogramme für die Notstandsgebiete auszuarbeiten. Die Forderungen des Bundestages sind von der Regierung bisher insofern erfüllt worden, als nun ein Sanierungsprogramm für die Notstandsgebiete des gesamten Bundes ausgearbeitet wird. Ich möchte dringend empfehlen, daß gerade die Nutzbarmachung von Rohstoffvorkommen in dieses Sanierungsprogramm so mit eingebaut wird, daß schnell und nachhaltig geholfen wird. Wenn wir dieses Sanierungsprogramm mit allem Ernst der Stunde bearbeiten und durchführen, dann ist diesem Notstandsgebiet Ostbayern, glaube ich, geholfen. Es bedarf aber mehr als nur deklamatorischer Zusicherungen. Wir haben eine Reihe von Anträgen durch den Bundestag gehen sehen — sie sind auch angenommen worden —, fünf an der Zahl, in denen von dieser strukturellen Not die Rede war. Daneben laufen Dutzende einzelner Kleinanträge, bei denen es aber zum größten Teil bei Wünschen geblieben ist.
Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951 5955
Wenn nun das Sanierungsprogramm tatsächlich einen Erfolg haben soll, dann darf es nicht bei den 25 Millionen DM bleiben, die das Finanzministerium zur Verfügung stellen will. Der Bundestag hat erst vor kurzem, und zwar am 12. April 1951, für diese Notstandsgebiete 100 Millionen DM aus dem ordentlichen Haushalt gefordert. Wir sind der Meinung, daß derartige ernste Forderungen auch entsprechend ernst genommen werden müssen.
Wir können es nicht hinnehmen, daß aus den 100 beschlossenen Millionen auf dem Verwaltungswege 25 gemacht werden. Wenn wir helfen wollen, und zwar aus eigener Kraft, die uns in Westdeutschland zur Verfügung steht, helfen wollen, dann müssen wir schnell helfen, und wir müssen alles daransetzen, um dieses Sanierungsprogramm so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.
Deshalb bitte ich Sie, den Antrag vom 12. April 1951 zu erneuern und mit allem Nachdruck in die Wirklichkeit umzusetzen.