Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen, der von der Frau Abgeordneten Dr. Steinbiß hier vertreten worden ist.
Der Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Möglichkeit einer Hilfe für Indien zu prüfen und dem Bundestag darüber zu berichten.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 2265. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Hilfsmaßnahmen für Ostbayern .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Kohl!
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Kommunistischen Partei hat mit diesem Antrag versucht, dem Bundestag in konkreter Form Vorschläge zu unterbreiten, die über, die Grenzen hinausgehen, die bisher im allgemeinen hier im Bundestag für Notstandsgebiete galten. Wir ließen uns bei der Stellung dieses Antrages von der Erwägung leiten, daß mit rein platonischen Erklärungen der Bevölkerung im Grenzgebiet nicht geholfen ist und daß ihr ebensowenig geholfen ist, wenn wir für eine Reihe von Notstandsgebieten, so wie es im Bundestag geschehen ist, insgesamt nur die Summe von 100 Millionen DM zur Verfügung stellen. Es kommt uns vielmehr darauf an, mit dem Aufzeigen bestimmter konkreter Vorschläge den Weg klar erkenntlich zu machen und sicherzustellen, der bei der Behandlung dieses ganzen Fragenkomplexes unter Zugrundelegung wirtschaftlicher sowohl wie finanzieller Betrachtung real möglich ist.
Wenn wir in diesem Antrag Hilfsmaßnahmen für Ostbayern verlangen, so wissen wir, daß sich die Gebiete des Bayrischen Waldes in einer Situation befinden, die durch die koloniale Abhängigkeit Westdeutschlands, durch die Tatsache bedingt ist, daß die Bundesregierung ohne Genehmigung der Hohen Kommissare weder Verträge mit der Tschechoslowakei abschließen noch solche Verträge realisieren kann.
Entscheidend ist hierbei — und das muß man feststellen! — nicht das deutsche Interesse, sondern das politische Interesse der Amerikaner, die neben ihrer politischen Abgrenzung noch eine wirtschaftliche Drosselung und die Durchführung bestimmter wirtschaftlicher Maßnahmen als nötig erachten. Daß sich die Bundesregierung diesen Wünschen des Petersbergs nur allzu willfährig fügt, liegt in ihrer ganzen politischen Haltung begründet. Wir haben schon einmal im Bundestag Gelegenheit gehabt, einen Antrag einzubringen, der damals einstimmig angenommen worden ist und nach dem die Bundesregierung beauftragt werden sollte, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission die Lieferung tschechoslowakischer Kohle gerade für das bayerische Grenzgebiet sicherzustellen. Die Antwort des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer an dieses Haus spricht eindeutig davon, daß die deutsche Regierung keine Möglichkeit dazu hat, daß die Bestimmungen der Alliierten Kommission derartige Lieferungen verbieten, daß die Embargobestimmungen verschärft worden sind und damit zwangsläufig die Möglichkeit genommen worden ist, mit der Tschechoslowakei wieder in normale Handelsbeziehungen einzutreten. Die Folge davon ist im bayerischen
Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951 5951
Grenzgebiet eine ungeheure Arbeitslosigkeit, die bereits seit langer Zeit einen Stand erreicht hat, der nach unserer Auffassung nicht mehr verantwortet w erden kann.
Die Zukunftsaussichten für die dort ansässige Bevölkerung sind bei Fortbestehen der politischen Haltung der Bundesregierung als katastrophal zu bezeichnen, auch deshalb, weil im Zuge der Schaffung einer toten Zone die Bundesregierung bisher jede Maßnahme vermissen ließ, um die Abwanderung von Industriebetrieben aus diesem Gebiet zu verhindern. So plant beispielsweise die Farbenglasfabrik in Zwiesel, ihren 'Betrieb nach Mainz zu verlegen, wobei ca. 700 Arbeiter brotlos werden, ohne daß sie die Möglichkeit haben, jemals wieder in diesem Gebiet einen Arbeitsplatz zu erhalten. Das Schreiben der Stadtverwaltung Passau, das sicher allen Fraktionen zugegangen ist, spricht über dieses bayerische Notstandsgebiet Bände, wenn sie feststellt, das sich allein im Arbeitsamtsbezirk Passau gegenwärtig 18 000 Arbeitslose befinden, nicht gerechnet die Wohlfahrtsunterstützungsempfänger.
Der Grenzlandausschuß des Bundestags hat vor sehr langer Zeit eine Reise in den Bayrischen Wald unternommen, ohne daß dem Bundestag bisher in irgendeiner Form praktische Vorschläge zur Behebung der Notlage im Bayrischen Wald gemacht worden sind. Nach Mitteilung der Stadtverwaltung Passau sind zu allen Schwierigkeiten auf Anweisung der Amerikaner jetzt noch Kreditsperren gekommen, die zwangsläufig eine Reihe von Unternehmen zum Erliegen bringen und die Arbeitslosigkeit erheblich steigern werden. Bezeichnend ist dabei allerdings, daß diese Maßnahmen leider durchaus gesunde Betriebe treffen, die für die normale Friedenswirtschaft arbeiten. Für kriegswirtschaftliche Betriebe hat man ein viel weitergehendes Interesse als für Betriebe der Friedensindustrie.
Die Holz- und Steinindustrie, die auch im Bayrischen Wald zu Hause ist, steht angesichts der Kreditsperre und der damit zusammenhängenden Fragen vor außerordentlichen Gefahren. Hilfsmaßnahmen für Ostbayern sind nicht nur eine rein bayerische Angelegenheit. Die Tatsache, daß die Wirtschaft des Bundes mit der Wirtschaft des Bayrischen Waldes eng verzahnt ist, müßte die Bundesregierung eigentlich zwingen, entscheidende Maßnahmen für dieses Gebiet in die Wege zu leiten.
Meine Damen und Herren! Es hat wirklich wenig Sinn, wenn der bayerische Ministerpräsident bei einem Besuch dieses Gebietes mit Vertretern der Industrie- und Handelskammern, mit einigen Landräten, mit einigen Bürgermeistern Fühlung aufnimmt und über eventuell zu treffende Maßnahmen diskutiert. Man muß, um der Not in diesem Gebiet Herr zu werden, bis tief hinunter auf die untersten Verwaltungsebenen gehen, also zu den Landräten, zu allen Bürgermeistern, zu den Gemeindevertretungen, unter Hinzuziehung der Gewerkschaften, und muß mit den dort ansässigen Menschen deren Notlage und die Wege, die aus ihr herausführen können, diskutieren. Die Verlagerung von Wirtschaftsbetrieben muß unter allen Umständen verhindert werden, da hier nicht das private Profitstreben bestimmter Wirtschaftskreise, auch nicht der Amerikaner, entscheidend sein kann, sondern die Not der Bevölkerung in erster Linie zur Debatte steht.
Wer die Verhältnisse einigermaßen kennt, der weiß, daß in den Gemeinden und Kreisen eine unerhörte Wohnungsnot besteht und daß Schulräume und Krankenhäuser, von den notwendigen Kulturstätten ganz zu .schweigen, dort praktisch nicht vorhanden sind. Die Straßen und Brücken befinden sich in einem verheerenden Zustand, ausgenommen einige wesentliche Hauptstraßen, die im Zuge der Vorbereitung eines neuen Krieges sehr gut instand gehalten werden.
Wir verlangen deshalb bewußt in Abs. 5 eine Verbesserung der zusätzlichen Hilfsmaßnahmen für die langfristig Erwerbslosen, die Kriegsopfer, die Invaliden und die Wohlfahrtsunterstützungsempfänger, weil die Not gerade in diesen Kreisen nicht mehr zu verantworten ist. Dadurch, daß die Finanzpolitik des Bundesfinanzministers und seiner Regierung darauf abgestellt ist, einen Teil der Ländereinnahmen für den Bund mit Beschlag zu belegen, gestaltet sich die finanzielle Lage der dortigen Gemeinden, vor allem in Ostbayern, noch viel katastrophaler. Die damit auftauchenden Fragen und ihre Realisierung interessieren die Bevölkerung viel mehr als die Sorge des Bundesfinanzministers und der Regierung, woher die Mittel für die Besatzungsleistungen genommen werden sollen.
— Sie haben recht, uns interessiert in erster Linie die Not des deutschen Volkes. Wir haben heute noch Gelegenheit, über diese Frage zu sprechen und Ihnen einige Tatsachen anzuführen.
Die Frage der Lieferung tschechoslowakischer Braunkohle ist durch den Einspruch des Petersbergs bis heute noch nicht geklärt, und die kritische Lage, in der sich die Glasindustrie befindet, ist durch diesen Zustand noch 'bedeutend verschärft worden. Die Arbeiterschaft des dortigen Gebietes muß die Kosten einer Politik bezahlen, die die koloniale Abhängigkeit Westdeutschlands deutlich unter Beweis stellt.
Ostbayern, besonders der Bayrische Wald, ist von guten Handelsbeziehungen zur Tschechoslowakei weitgehend abhängig. Durch den Austausch von Erzeugnissen fanden Tausende von Menschen Beschäftigung. Die von den Amerikanern herbeigeführte Einschränkung der Handelsbeziehungen mit der Tschechoslowakei ist eine der wesentlichen Ursachen für die Verschärfung des Notstandes in Ostbayern. Deshalb ist es um so unverständlicher, daß die entscheidenden deutschen Stellen nicht mit aller Kraft gegen diese Abdrosselung ankämpfen. Die Schaffung einer toten Zone und die damit zusammenhängende wirtschaftliche Abdrosselung dieses Gebietes ist — das ist unbestritten — eine Folge der Kriegsvorbereitungen.
Bereits Ende 1949 wurde dem bayerischen Ministerpräsidenten Ehard anläßlich eines Besuches eine Reihe von Vorschlägen übermittelt. Diese Vorschläge sind bis heute nicht realisiert. Dem amerikanischen Landeskommissar, Mr. Shuster, wurde, ebenfalls am 7. November 1950 eine Reihe von Vorschlägen übermittelt. Auch diese Vorschläge wurden zwar zur Kenntnis genommen; geschehen ist jedoch nichts. Wir sind der Auffassung, — —
- Das bestimmen wir!
Wir sind der Auffassung, daß die in unserem Antrag niedergelegten Grundsätze bei einigermaßen gutem Willen realisierbar sind, und wir ersuchen Sie deshalb, unserm Antrag die Zustimmung zu geben.
5952 Deutscher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951