Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der eben verabschiedete Fall erlaubt es, einen kleinen Vergleich mit den Dingen zu ziehen, die Gegenstand des Antrages des Ausschusses — Drucksache Nr. 2076 vom 31. Mai dieses Jahres — sind. Das Hohe Haus wird sich daran erinnern, daß es wiederholt Gelegenheit nehmen mußte, sich mit ganz kleinen Angelegenheiten zu befassen, in denen auch eine Aufhebung der Immunität von Bundestagsabgeordneten verlangt wurde. Es hat sich herausgestellt, daß das Parlament in dieser Weise mit Bagatellangelegenheiten, mit ganz kleinen Verkehrsdelikten, mit Verkehrssünden behelligt wird. Das hat vielfach den Wunsch laut werden lassen, eine Änderung herbeizuführen. Es hat sich aber auch herausgestellt, daß die Abgeordneten im Vergleich zu anderen Staatsbürgern insofern wesentlich schlechter gestellt sind, als auf der Tagesordnung des Parlaments solche Anträge auf Aufhebung der Immunität am laufenden Band erschienen sind, ohne daß der eigentliche Grund, der zu diesen Anträgen auf Aufhebung der Immunität führte, genannt wurde. Dabei handelte es sich wirklich nur um kleinlichsten Kram.
Ich darf aus der reichen Praxis des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität an zwei Fälle erinnern. Ein Abgeordneter, der seinen Wagen an einer Stelle parkt, an der es nicht erlaubt ist, setzt sich nach einer entsprechenden Anzeige der Gefahr aus — das ist Praxis —, daß auf der Tagesordnung des Hauses ein Antrag auf Aufhebung seiner Immunität erscheint.
Ein anderer Ihnen vielleicht noch in Ihrer Erinnerung haftender Fall betraf einen Abgeordneten dieses Hauses, der auf der Autobahn zwischen Köln und Bonn über den weißen Strich gefahren ist und den Ärger eines Polizisten erregt hat, der eine Anzeige einreichte, die den Effekt hatte, daß das Haus die Aufhebung der Immunität beschließen mußte. Und dergleichen Dinge gibt es mehr.
Das gab seinerzeit Veranlassung zu der ersten Drucksache Nr. 2076, in der eine Delegierung des Rechts dieses Hauses, die Immunität aufzuheben oder nicht aufzuheben, vorgesehen war. Gegen eine solche Delegierung eines Rechts des Parlaments erhoben sich Bedenken. Es fand eine Reihe von Besprechungen statt. Das Ergebnis derselben ist der einstimmige Beschluß des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, wie er Ihnen in der Drucksache Nr. 2076 vorliegt.
Der Inhalt dieser Drucksache läßt sich mit wenigen Sätzen kurz darstellen: Es ist geplant, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität in allen Angelegenheiten, die Verkehrsdelikte betreffen, und in allen Angelegenheiten, die nach Auffassung einer Zweidrittelmehrheit des Ausschusses als Bagatellsachen angesehen werden können, generell als vom Parlament beauftragt gilt, eine Vorentscheidung zu treffen. Die bisherige Praxis soll beibehalten werden; beispielsweise soll in allen Verkehrsdelikten rücksichtslos die Immunität aufgehoben werden. Wenn der Ausschuß mit Zweidrittelmehrheit zu einer Entscheidung gekommen ist, soll durch den Ausschußvorsitzenden dem Präsidenten des Hauses Mitteilung davon gemacht werden. Der Präsident teilt das Ergebnis dieser Vorentscheidung dem Hohen Hause schriftlich mit. Wenn innerhalb von drei Tagen das Hohe Haus keinen Einspruch erhebt und nicht verlangt, daß die Sache auf die Tagesordnung gesetzt und hier diskutiert wird, gilt diese Vorentscheidung als Entscheidung des Parlaments. Es kann dann entsprechend der Aktenlage verfahren werden.
Das ist der Sinn und Inhalt des Ausschußantrags Drucksache Nr. 2076 , den ich im Namen des Ausschusses Ihrer Zustimmung empfehle.