Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie keine Angst: auf engere bayerische Verhältnisse gehe ich nicht ein. Mich veranlaßt etwas ganz anderes, das Wort zu ergreifen, nämlich die Sorge um unsere Demokratie. Heute haben hier Auseinandersetzungen stattgefunden, die teilweise auf der Höhe waren. Wenn ich auch den Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt kritisch gegenüberstehe, so hat er sich doch in Formen bewegt, die noch auf der demokratischen Ebene liegen wie auch die Rede des Abgeordneten Seelos. Ich habe auch die Rede des Herrn Kollegen Mayer von der FDP bewundert.
Ich habe aber den größten Horror in meiner Seele vor anderen Reden, die heute hier gehalten worden sind. Diese Reden haben nicht zum Ansehen der Demokratie beigetragen.
Ich habe schon längst hier im Hause einmal sagen wollen, was ich im Bayerischen Landtag öfters gesagt habe: Wenn wir nicht — in der Vornehmheit der Gesinnung und der Ausdrucksweise — die Wegbereiter der Demokratie werden, sondern uns in die Parterreakrobatik der Demokratie hinunterbegeben, dann verlieren wir alle miteinander an Gewicht in den Augen des Volkes.
Daß muß ich hier zum Ausdruck bringen: Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß wir das für die Betrachtung der Verhältnisse nötige Augenmaß gewinnen.
Das trifft auch auf diesen Fall zu. Ich möchte nicht als Parteipolitiker der CSU/CDU sprechen, sondern als ein Mann, dem daran liegt, die demo-
kratische Staatsform auszubauen und zu fördern. Ich wehre mich dagegen, daß durch solche Ausführungen wie die des Herrn Goetzendorff und des Herrn Loritz das Parlament in seiner Gesamtheit verallgemeinert wird und wir vor dem Volk so hingestellt werden, als gehörten wir alle miteinander mehr oder minder in einen Korruptionstopf.
— Herr Kollege Loritz, ich habe Ihnen heute auch keine solchen Zwischenrufe gemacht. Ich bitte, mich in Ruhe zu lassen. Ich komme auf Sie schon noch zu sprechen! Ich bin nicht da, um mit Ihnen hier Theater zu spielen.
Ich habe hier etwas anderes zu erledigen. Ich
wende mich gegen die Verallgemeinerungen, die
hier von einzelnen Rednern gemacht worden sind.
Es ist ein Fehler von uns gewesen, daß man die schriftlichen Berichte zwar hier im Hause verteilt, daß aber die Zuhörer von ihrem Inhalt nichts wissen. In den schriftlichen Berichten steht etwas ganz Wesentliches, und das möchte ich zum Schluß nachholen. Der Ausgangspunkt der Untersuchungen ist für die Beurteilung der gesamten Lage wesentlich. Da ist das berühmte Gedächtnisprotokoll des Herrn Dr. Baumgartner. In diesem heißt es folgendermaßen:
Es ist an Abgeordnete aller Fraktionen ein Betrag von insgesamt etwa 2 Millionen DM gezahlt worden. Etwa hundert Abgeordnete seien bestochen worden mit Beträgen zwischen 20 000 DM, 10 000 DM und 1000 DM, erklärte
Aumer, 20 000 DM für diejenigen, die mitzureden haben, 10 000 DM für diejenigen, die ein Gewicht haben, und 1000 DM für diejenigen, die nur ihre Stimme hergegeben haben.
Und was stellt der Ausschuß in seinen Untersuchungen einstimmig fest?
Nach eingehender Beweisaufnahme über die Entstehung des Gedächtnisprotokolls ist der Ausschuß einhellig zur Überzeugung gekommen, daß dem Protokoll kein Beweiswert zukommt. Das Originalschriftstück ist von Dr. Baumgartner trotz mehrfacher Zusage und trotz Mahnungen des Ausschusses nicht vorgelegt worden.
Das ist der Tatbestand. Daraus geht hervor, daß die in der Presse so sensationell aufgemachten Verallgemeinerungen — in bezug auf eine große Korruption des Parlaments — bei der Untersuchung in sich zusammengebrochen sind.
Jetzt kommt der zweite: der „harmlose" WAV-Schmidt.
Der Abgeordnete Schmidt von Bayern — er tut mir ja leid; er ist ja sehr zahm und ruhig geworden, und ich hätte ihn gar nicht mehr erwähnt, wenn der Herr Loritz nicht so freundlich gewesen wäre — hat nach seiner Aussage eines Tages dem Abgeordneten Eichner im Restaurant des Bundestages erzählt, ein bestimmtes Schriftstück, das er bei sich habe, sei eine namentliche Liste von Abgeordneten, die Bestechungsgelder erhalten hätten. Diese Behauptung — das hat der Ausschuß einstimmig festgestellt — war frei erfunden. Meiner Überzeugung nach ist das kein Witz und kein
Scherz mehr, sondern das ist eine totale Beleidigung des Parlaments, wie sie schlimmer nicht erfolgen kann.
Dagegen muß eingeschritten werden. Das ist etwas, was wir vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit feststellen müssen.
Dann kommt die weitere gemeinsame Feststellung des Ausschusses:
Nach den Feststellungen des Ausschusses ist jedoch an der Behauptung nichts Wahres, es hätten gelegentlich der Hauptstadtabstimmung etwa 100 Abgeordnete Beträge zwischen je 1000.— DM bis 20 000.— DM erhalten. Das Aufkommen dieses Gerüchtes,
— so sagt der Bericht —das das Ansehen des Bundestags und der Demokratie in der Bundesrepublik auf das schwerste zu schädigen geeignet war und geschädigt hat, ist offensichtlich auf das nicht zu entschuldigende Verhalten des Abgeordneten Schmidt — WAV —, darüber hinaus auch auf die unverantwortliche Art und Weise zurückzuführen, wie eine solche Behauptung weitergegeben und auch zu politischen Zwecken verwandt wurde.
Nun der dritte Tatbestand: der große Unbekannte, die Fata Morgana, die nur in einem Gehirn entstanden sein kann, dessen Windungen so sind, daß es nicht immer klar und rechtzeitig in die Wirklichkeit und in das Tageslicht zurückfindet.
Der große Unbekannte, das ist nur ein Reklametrick und ein Agitationstrick, berechnet auf die Zuhörer,
und dagegen wenden wir uns. Wir können uns bloß mit Tatsachen abgeben und nicht mit idem, was sich der einzelne wünscht.
Ich bin sicher nicht dagegen — und jeder, der sich zur Demokratie rechnet, wird bereit sein —, daß wir alle miteinander Organisationsfehler aufdecken und Korruptionsfälle untersuchen und der Öffentlichkeit preisgeben, ganz anders als die Diktatur, hinter deren Mauern es so sehr gestunken hat, deren Gestank aber deshalb nicht weiter in die Bevölkerung dringen konnte, weil das Terrorsystem in der Bevölkerung die Aufdeckung der damaligen Skandale verhindert hat. So ist die Lage, und wir wollen in der Demokratie ehrlich miteinander zusammenarbeiten und danach streben, daß die Fälle, die verfolgt werden müssen, auch wirklich verfolgt werden. Wir wollen aber auch in der Beziehung zusammenhalten, daß wir so etwas objektiv tun und keine parteipolitische Sache daraus machen. Wir wollen miteinander dafür sorgen, daß die Demokratie aus solchen Untersuchungen als Sieger hervorgeht, daß die Demokratie nicht bereit ist, in ihrer Mitte und in ihren Reihen Korruption zu dulden. Das ist unsere Aufgabe!