Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayernpartei hat am 5. Oktober 1950 den Antrag gestellt, die in der Presse erschienenen Vorwürfe der Bestechung von Abgeordneten in der Hauptstadtfrage durch einen Untersuchungsausschuß prüfen zu lassen, der mit größter Beschleunigung und mit größtem Nachdruck volle Aufklärung schaffen und alle etwa Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen sollte. Der Antrag der Bayernpartei, dem sämtliche Fraktionen gefolgt sind, ist einstimmig angenommen worden, denn jeder Abgeordnete und jeder Demokrat war sich bewußt, daß hier völlige Klarheit geschaffen werden müsse, wenn nicht der Demokratie schwerer Schaden zugefügt werden sollte. Insbesondere für die junge deutsche Demokratie ist es unerläßlich, von Anfang ah für Sauberkeit der wichtigsten demokratischen Einrichtung, nämlich des Bundestages, zu sorgen.
Jedes Volk hat seine guten und seine schlechten Eigenschaften. Auch wir Deutsche haben nicht nur gute, sondern auch gefährliche und unangenehme Eigenschaften. Zu unseren Vorzügen gehörte, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, die Unbestechlichkeit und Sauberkeit des politischen und geschäftlichen Lebens. Wenn auch zwei verlorene Kriege, einige politische und wirtschaftliche Revolutionen, die Entrechtung und Entmachtung ganzer Schichten und die unsägliche Härte und Not der Zeit bei vielen die Ehrbegriffe leider haben laxer werden lassen, so dürfen die Träger eines Regimes, besonders wenn dieses Regime gar nicht so sehr volkstümlich und beliebt ist, diese laxen Ansichten
nicht durchgehen lassen. Die Deutschen würden sonst ihr Gesicht verlieren. Deshalb müssen wir kompromißlos alles ausmerzen, was unsauber ist und was zur Diffamierung, zur Herabsetzung der wesentlichen Institution der Demokratie führen könnte.
Wenn ich von dieser Ansicht ausgehe, dann kann ich meine Ausführungen auch nicht als Parteipolitiker machen, sondern kann dazu nur sprechen mit der Objektivität eines Menschen, der sein Leben lang für Sauberkeit in allen Dingen eingetreten ist und der es bedauert, mit politischem Schmutz auch nur in Berührung zu kommen. Ich darf annehmen, daß auch die anderen Redner im Geiste einer allgemeinen Verantwortung sprechen und nicht etwa versuchen werden, ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Denn die Feinde der Demokratie lauern schon darauf, aus etwaigen Verfehlungen einzelner der Institution der Demokratie als solcher einen Strick zu drehen.
Indem ich von dieser Auffassung ausgehe, stehe ich nicht an zu erklären, daß ich die in dem Bericht gegebene Darstellung der Vorkommnisse als maßvoll betrachte. Ich erkenne an, daß die Mitglieder des Ausschusses die zeitweise bestehende große Gefahr vermieden haben, in zwei Gruppen zu zerfallen und eine Mehrheits- und eine Minderheitsmeinung abzugeben, was die Beurteilung des Ausschußergebnisses sehr beeinflußt hätte.
Es war schon bedauerlich, daß in den Sitzungen des Ausschusses die Abstimmungen in der Regel nach politischen Fraktionen erfolgten.
Wären sie auch quer durch die Fraktionen gegangen, hätte das die Einschätzung der Arbeiten als unpolitisch von Anfang an erleichtert. Wenn der Ausschuß schon mit hohen richterlichen Befugnissen ausgestattet ist und über die politische Qualifikation und die Ehre eines Abgeordneten ein Urteil fällen kann, gegen das es keine Berufung gibt, so mußten sich alle Mitglieder des Ausschusses dieser hohen richterlichen Funktion bewußt sein und durften nicht Iden Ausschuß dadurch in den Verdacht eines politischen Instruments bringen, daß verschiedene Mitglieder 'des Ausschusses, ohne das Endergebnis abzuwarten, einzelne Aussagen im Wahlkamf für ihre politischen Zwecke benutzten.
Dies läßt daran zweifeln, ob in unserer so sehr politisierten Zeit völlig neutrale Untersuchungsausschüsse, wie sie die Verfassung für unser Parlament vorsieht, überhaupt möglich sind und ob es nicht viel besser und viel richtiger wäre, wenn das Parlament das oberste Gericht oder unabhängige Richter mit den Arbeiten eines Untersuchungsausschusses beauftragen würde. Ich begrüße deshalb die Tendenz des Antrages der SPD Drucksache Nr. 2303, der vorsieht, die Verfassung dahingehend zu ergänzen, daß auf Antrag des Bundestages das Bundesverfassungsgericht einem Abgeordneten, der seine Mitgliedschaft im Bundestag gewinnsüchtig mißbraucht, diese Mitgliedschaft aberkennen kann.
Die Mitglieder des Ausschusses hätten sich um so mehr zurückhalten müssen, als ein Teil der Presse trotz meines bei der Einbringung des Antrages an sie gerichteten Appells, an dieser schwierigen Angelegenheit verantwortungsvoll mitzuarbeiten, in den ersten Wochen geglaubt hat, mit
wahrer Lust in politischem Unrat wühlen zu müssen, ohne das Endergebnis abzuwarten, 'das doch nun ganz anders aussieht, als diese teilweise unverantwortlichen Pressemitteilungen haben erwarten lassen.
Die Presse hat die Angelegenheit weitgehend so dargestellt, als ob sie eine Entdeckung des „Spiegel" sei, und meist verschwiegen, daß diese Frage vor über einem Jahr in Regensburg vor allen Bezirksvorsitzenden der Bayernpartei öffentlich verhandelt worden ist
und daß die Bayernpartei geradezu darum gerungen hat, über die Hintergründe einer möglichen finanziellen Beeinflussung von außen her Klarheit zu gewinnen,
ohne die Machtmittel des 44. Ausschusses zu besitzen. Obwohl damals nur ein Teil der Vorkomnisse bekannt wurde, hat die Bayernpartei bereits im Juli einen der betroffenen Abgeordneten aus der Partei ausgeschlossen.
Ich kann insbesondere mit Befriedigung feststellen, daß der Bericht die Integrität der Bayernpartei nicht angreift, 'sie vielmehr ausdrücklich bestätigt, wenn auch manche Methoden des politischen Kampfes mit Recht 'kritisiert werden. Man muß aber unterscheiden zwischen dem Verhalten der Partei als solcher und dem Verhalten einzelner Abgeordneter. Ich wäre nie so unanständig, etwa die jetzigen Millionenskandale in München gemäß der Parteizugehörigkeit der Angeklagten einer Partei in die Schuhe zu schieben.
Bei der Objektivität, die ich angekündigt habe, stehe 'ich aber auch nicht an, zu erklären, daß ich die Kritik des Untersuchungsausschusses an dem
erhalten einiger Abgeordneter, gleichgültig welcher Partei sie angehören, nicht nur billige, sondern als fast allzu zurückhaltend bezeichnen muß.
Was mich an dem Bericht aber nicht befriedigt, ist die Unklarheit über einige Vorgänge, deren Klärung zum Verständnis notwendig ist. Aus den Protokollen muß man nämlich feststellen, daß zu Beginn der Vernehmungen die Inempfangnahme geringfügiger politischer Geldmittel durch Abgeordnete mit Entrüstung zur Kenntnis genommen worden ist und daß man dies zum Anlaß genommen hat, die internen Angelegenheiten einer Partei aufs peinlichste zu erforschen, während das Fragespiel auf einmal versickerte, als die Riesensummen zur Diskussion kamen, die an andere Parteien geflossen sind. Ich gebe allerdings zu, daß diese verschiedene Behandlung bei den Vernehmungen in dem Bericht keinen Niederschlag gefunden hat.
Im übrigen möchte ich auf Einzelheiten des Berichtes nicht eingehen, sondern mich auf diese allgemeinen Betrachtungen beschränken; denn wenn ich den Bericht, der eine Gemeinschaftsarbeit aller im Ausschuß vertretenen Fraktionen ist, akzeptiere, so steht es mir nicht zu, Einzelheiten zu kritisieren. Ich bedaure aber, daß der Ausschuß sich mit Feststellungen begnügt und trotz des Fehlens gesetzlicher Handhaben nicht auch Empfehlungen ausspricht hinsichtlich des Vorgehens des Bundestages gegen betroffene Abgeordnete, sondern dies dem Bundestag selbst überläßt.
Von verschiedenen Fraktionen wurde, in Abstufung schon angeregt, sechs, vier, zwei oder nur
einem der betroffenen Abgeordneten zu empfehlen, das Bundestagsmandat niederzulegen. Wenn ich auch die Auffassung vertrete, daß es eine selbstverständliche Pflicht des Bundestages ist, sich im Interesse einer Selbstreinigung von den eindeutig betroffenen Mitgliedern zu befreien, so erscheint es mir doch bedenklich, auf Grund der Feststellungen des Ausschusses durch ein Votum des Plenums eine Maßnahme zu treffen, ,die das politische Leben der Betreffenden vernichtet, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, vorher noch einmal dazu Stellung zu nehmen, was schon deshalb notwendig ist, weil der „Spiegel"-Ausschuß jede subjektive Wertung bewußt vermieden hat. Ferner bestehen ja keine Berufungsmöglichkeiten. Der Bundestag hat allerdings kein Zwangsmittel gegen die betreffenden Abgeordneten. Er kann sie nur auffordern, ihr Mandat von sich aus niederzulegen.
Ich bitte deshalb, zu erwägen, ob nicht ein ad hoc berufener Ehrenrat nach Anhörung der betroffenen Abgeordneten dem Bundestag die Maßnahmen vorschlagen soll, die er auf Grund der Feststellungen des Untersuchungsausschusses treffen möge und über die dann möglichst ohne Diskussion abgestimmt werden sollte. Der Ehrenrat sollte sich, um diesmal die Erledigung innerhalb von 8 Tagen zu sichern, nur aus wenigen, vielleich einer Gruppe von fünf Mitgliedern, bestehend aus zwei Mitgliedern der CDU/CSU, zweien der SPD und einem der FDP, zusammensetzen. Es ist bedauerlich, daß -meiner Bitte vom 5. Oktober vorigen Jahres, den damals schon längst beschlossenen Ehrenrat durch Fertigstellung einer Ehrenordnung funktionsfähig zu machen, dies bis heute nicht geschehen ist, obwohl ich die Angelegenheit im Ältestenrat wiederholt angemahnt habe. Das 'Vertrauen des Volkes zum Bundestag muß leiden, wenn er nicht einmal in der Lage ist, die für sein eigenes Funktionieren notwendigen Einrichtungen zu schaffen. Man kann deshalb nicht einen schon vorhandenen Ehrenrat damit befassen, sondern muß zu diesem besonderen Zweck diesen vorgeschlagenen Ehrenrat schaffen. Ich behalte mir vor, später noch entsprechende Anträge einzureichen.
Im übrigen kann ich hier mitteilen, daß die Abgeordneten von Aretin und Volkholz, um eine völlig objektive Klärung der Vorwürfe zu ermöglichen, beim Oberstaatsanwalt in Bonn bereits Strafanzeige gegen sich selbst erhoben und dem Präsidenten ein Schreiben überreicht und ihn um Aufhebung der Immunität gebeten haben.
Es erscheint ferner dringend erforderlich, die gesamte Finanzierung der Parteien durchsichtiger zu gestalten. Ich muß hier offen aussprechen, .daß ich die Finanzierung von Parteien durch Interessenverbände nicht für gut halte, weil es unmöglich ist, die Grenzen zu ziehen, in denen eine Beeinflussung der Stimmabgabe ausgeschaltet werden kann. Die Parteien sind nun einmal eine notwendige Einrichtung unserer parlamentarischen Demokratie, und das Staatsvolk wird es, damit solche Zwischenfälle vermieden werden, gerne hinnehmen, wenn ihre Finanzierung in einer Weise erfolgt, daß etwa pro Wähler zum Bundestag ein Betrag von monatlich 2 Pfennig den Parteien zur Verfügung gestellt wird und daß es ihnen verboten wird, andere Gelder anzunehmen.
Wir richten deshalb an die Bundesregierung das dringende Ersuchen, das verfassungsmäßig vorgesehene Parteiengesetz mit größter Beschleunigung vorzulegen. Die Fraktion der SPD hat soeben einen Umdruck eingereicht, in dem Vorschläge in dieser Richtung gemacht werden. Wir sind mit den Punkten 1 und 2 der Anträge der Fraktion der SPD einverstanden.
Darüber hinaus erscheint es uns notwendig, daß — schon zur Abschreckung für künftige Fälle —eine Ergänzung des Strafgesetzbuches hinsichtlich der Bestechung von Abgeordneten eingeführt wird.
Ich glaube, wenn alle diese Maßnahmen getroffen sind, dann ist das getan, was eine Demokratie zu ihrem Selbstschutz tun muß. Dann kann auch die Bevölkerung die Sicherheit haben, daß die politisch verantwortlichen Parteien der Allgemeinheit objektiv und ohne Rücksicht auf Interessengruppen dienen.