Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In mancher Beziehung bedaure ich, daß die Diskussion so verlaufen ist, wie es bisher geschehen ist.
Ich glaube nicht, daß der Anspruch, das Versicherungsaufsichtsamt in die Nähe des Mittelmeers zu verlegen,
im deutschen Volk eine große Resonanz finden wird.
Ich kann mir auch nicht recht vorstellen, daß, wie Herr Etzel soeben gesagt hat, diese Verlegung nach München als ein Akt innerdeutscher Wiedergutmachung aufgefaßt werden sollte. Ich glaube, es gibt in Deutschland ganz andere Dinge, die wiedergutgemacht werden müssen.
Ich bedaure auch die Rede des Herrn .Abgeordneten Brönner und ganz besonders den Hinweis auf die Tatsache, daß in Berlin etwas mehr als 2% der Versicherten und, wie er sagt, hier über 97% der Versicherten leben. Meine Damen und Herren, dieser Unterschied zwischen hier und Berlin mit den Prozentsätzen wirkt doch etwas peinlich.
Es ist doch nicht so, daß da eine kleine Minderheit von Deutschen lebt, die irgendwelche Ansprüche an eine gewaltige Mehrheit stellt, sondern es ist doch so: es leben nicht 2,7%, oder wieviel Prozent es sein sollen, Deutsche in Berlin und 97% hier, sondern es leben 100% in Deutschland,
und davon ist die Bundesrepublik ein Teil, und Berlin ist auch ein Teil, und alles andere verbitten wir uns im Namen Berlins und im Namen der 20 Millionen, die in, der sowjetischen Besatzungszone heute noch wohnen.
Ferner, meine Damen und Herren, möchten wir, wenn hier immer wieder — unglücklicherweise immer wieder, sage ich — der Gesichtspunkt der Sicherheit ausgesprochen wird, doch die Herren, die das tun, ergebenst darauf hinweisen, daß die sowjetische Macht nicht an der Elbe. nicht in Berlin, sondern an der Werra steht und daß alle Fragen der Sicherheit von da aus beurteilt werden müssen und daß unter diesem Gesichtspunkt, wie Herr Kollege Tillmanns und Herr Kollege Brandt schon gesagt haben, die Frage der Sicherheit entweder überhaupt nicht gegeben ist, oder wenn, dann ist Berlin genau so sicher wie Bonn oder irgendeine andere Stadt in Deutschland. Bilde sich doch niemand ein, meine Damen und Herren, daß ein Zugriff auf Berlin ohne Krieg denkbar isst und daß im Falle eines russischen Angriffes etwas anderes denkbar wäre, als daß Berlin Etappe ist und der Angriff von der Linie der Werra aus nach Westen vorgetragen wird. Etwas anderes ist doch überhaupt nicht denkbar. Infolgedessen sind alle diese Fragen der politischen und militärischen Sicherheit vollkommen dilettantisch.
Meine Damen und Herren, die Kostenfrage! Es ist einwandfrei festgestellt worden, daß doch zum mindesten die großen Erstaufwendungen, die etwa in Hamburg oder in München gemacht werden müssen — wobei es volkswirtschaftlich vollkommen gleichgültig ist, ob die daran interessierten Versicherungsunternehmen ein Gebäude errichten oder nicht, denn auch 'das würde ja aus dem Gelde der Versicherten bezahlt werden müssen —, es ist, sage ich, gar kein Zweifel darüber, daß die Investierungen, die notwendig sind, wenn das Amt in Berlin errichtet wird, höchstens ein Fünftel dessen betragen — ach, noch nicht einmal ein Fünftel —,
' was in Hamburg notwendig wäre. Was die Frage der laufenden Kosten anlangt — darüber haben ja der Herr Kollege Tillmanns und auch der Herr Kollege Brandt gesprochen —: lassen wir uns 'doch nicht jetzt, nachdem es ursprünglich nicht gebraucht wurde, das Argument aufdrängen, als sei der unmittelbare Publikumsverkehr für die Versicherungsaufsicht wesentlich. Es ist immer noch so gewesen, daß die am Ort des Versicherungsaufsichtsamts ansässigen Versicherten nun in der Tat, weil es bequemer war, das Amt aufgesucht haben, die übrigen haben es im Grunde nie getan, sondern haben sich vertreten lassen, und das wird auch in Zukunft so sein.
Aber, meine Damen und Herren. Herr Kollege Tillmanns hat mit Recht daran erinnert. daß hier ein Versprechen der Bundesregierung vorliegt, ein Versprechen, das mit der Frage des Sitzes des Bundesverfassungsgerichtes verkoppelt war. Mancher in Berlin und auch in der sowjetischen Besatzungszone, wo man ja immer darauf sieht, was in Berlin und mit Berlin geschieht, ist in seinem Vertrauen etwas müde geworden. Aber dieses Schwinden des Vertrauens richtet sich nicht gegen den Deutschen Bundestag, sondern entsteht dadurch, daß man immer wieder feststellt. daß entgegen den ausdrücklichen Wünschen und Beschlössen des Bundestags die Forderungen, die im Interesse einer nationalen Realpolitik hinsichtlich Berlins anerkannt werden, nachträglich nicht erfüllt werden. Also, meine Damen und Herren, wir Berliner und die Menschen im Osten, die darauf warten, was für Berlin geschieht, haben ein sehr großes Vertrauen zu ,diesem Bundestag. Ich bin auch überzeugt, daß im Bundestag in diesem Falle eine sehr große Mehrheit für den Sitz Berlin zustande kommt, wobei es ja gar keine Rolle spielt, ob sich diese Mehrheit für die Änderung oder besser gesagt für die Regelung im § 1 oder für ein eigenes Gesetz entscheidet. Ich möchte diejenigen, die in diesem Hohen Hause glauben, sachliche Bedenken haben zu müssen, doch bitten, die Eindruck dieser Entscheidung nicht abzuschwächen. Die Entscheidung wird für Berlin fallen. Es ist auch eine Frage unserer Politik nach dem Osten hin, daß diese Entscheidung mit ganz großer Mehrheit gefällt wird, und darum möchte ich Sie bitten.