Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die Regierung Johannes Hoffmann von Gnaden der Wallstreet und des Comité des Forges hat den seitherigen antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung des Saargebiets eine neue hinzugefügt. Im Auftrage des Herrn Außenministers Schuman wurde die Demokratische Partei des Saargebiets verboten und aufgelöst. Dieser Vorgang zeigt unter anderem in aller Deutlichkeit, was von dem Schumanplan und den sogenannten Vereinigten Staaten von Europa und dem Abkommen des Europarats über die Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu erwarten ist.
Herr Außenminister, Herr Bundeskanzler, Sie sind von Paris zurückgekehrt und haben davon gesprochen: Nun haben wir endlich die Gleichberechtigung! — Das, was sich jetzt im Saargebiet abspielt, ist eine Antwort auf die Gleichberechtigung. Wer den Krieg vorbereitet, wer den Krieg
will, der kann keine demokratische Entwicklung, keine Pressefreiheit, keine Versammlungsfreiheit und keine Meinungsfreiheit dulden!
Es erhebt sich die Frage: Wie war eine solche Entwicklung im Saargebiet möglich? Niemand kann bestreiten: Das Saargebiet ist ein kerndeutsches Land, und die Mehrheit seiner Bevölkerung ist deutsch.
Abgesehen von einer ganz kleine Clique nach 1918 gab es im Saargebiet nie eine separatistische Basis. Selbst nach der Machtübernahme Hitlers haben die Parteien, die für den status quo eintraten, niemals daran gedacht, ein autonomes, separates Saargebiet zu schaffen, sondern sie forderten damals eine zweite Abstimmung für den Fall, daß Hitler gestürzt würde. Ihre Parole war damals: für Deutschland, gegen Hitler!
Und nicht nur das! Ih einer Denkschrift der Zeitung „Neue Zeit" vom 9. September 1949 zur Lage im Saargebiet und der sogenannten Saarkonvention wird richtig festgestellt:
Diesen Standpunkt
— damals, 1935! —
vertrat nicht nur die Leitung der Kommunistischen Partei und die Führung der Sozialdemokratie, sondern auch der heutige Ministerpräsident des Saargebiets, Johannes Hoffmann, in dessen Zeitung „Neue Saarpost" am 12. Januar 1935 ein Aufruf erschien, in dem es hieß: „Wir bekennen uns zu unserem Deutschtum und zur unlöslichen Verbindung mit unserem deutschen Vaterland, zur deutschen Volksgemeinschaft, zur deutschen Ehre und Freiheit."
Der Aufruf schloß damals: „Für Christus und Deutschland — gegen Hitler!"
Aus eigener Erfahrung ist mir bekannt, daß Herr Johannes Hoffmann Ende 1945 in einer Unterredung mit mir erklärte — allerdings war es damals noch fragwürdig, ob er Ministerpräsident werden würde —: „Ich werde nie meine Hand geben für die Abtrennung des Saargebiets".
Das zeigt, was Hoffmannsche Worte und Hoffmannsche Erzählungen wert sind.
Zutreffend wird weiter in der bereits genannten Denkschrift über den staatsrechtlichen Zustand des Saargebietes nach 1945 festgestellt:
Die staatsrechtliche Zugehörigkeit des Saargebiets zum deutschen Reichsverband ändert sich auch mit der Kapitulation Deutschlands im Jahre 1945 nicht. Nach dem Einzug der amerikanischen 15. Armee bildete es einen Teil der Verwaltungshoheit des Oberregierungspräsidiums Saar-Pfalz-Hessen. Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli 1945 gehört das Saargebiet weiterhin zu Deutschland. Die von dem alliierten Kontrollrat als Rechtsnachfolger der deutschen Reichsregierung erlassenen Gesetze hatten auch für das Saargebiet Gültigkeit und bestätigen damit die Tatsache, daß das Saargebiet, weiterhin zum Reichsgebiet gehört.
Deshalb brauchen wir nicht bis zum Friedensvertrag zu warten, weil das Saargebiet deutsch war und deutsch ist und deutsch bleiben wird. Im Gegensatz zur Oder /Neiße gibt es über die Abtrennung des
Saargebiets weder ein internationales Abkommen noch ein Statut der Alliierten.
— Das eine Tatsache; an der können S nicht vorbeigehen.
Was wir seit 1945 im Saargebiet an antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen der Herren Hoffmann, Kirn und Hektor sahen und erlebten, ist nichts anderes als die konsequente Fortsetzung dessen, was bereits im Jahre 1944 im Auftrage einer Gruppe des amerikanischen Imperialismus von einer antideutschen separatistischen Clique Braun, Hektor, Levi und anderen in Frankreich ausgeheckt wurde. Nach der Befreiung von Paris hat diese antideutsche, antidemokratische Gruppierung, damals genannt MLS, Mouvement pour la Liberation de la Sarre, die weder am Kampf gegen Hitler noch am Kampf des französischen Volkes teilgenommen hat, bereits in einer Denkschrift erklärt:
Die Industrie des Saargebietes und seine Bodenschätze können ein wesentlicher Bestandteil, ein Reservoir in den kommenden Auseinandersetzungen zwischen Ost und West sein. Die Voraussetzung aber dazu ist die politische und wirtschaftliche Abtrennung des Saargebiets von Deutschland und die rücksichtslose Ausschaltung aller jener im Saargebiet, die nicht mit dieser Lösung einverstanden sind.
Soweit die Denkschrift der Saarseparatisten aus dem Jahre 1944. — Aber diese Clique hätte auch im Bunde mit dem Herrn General de Gaulle ihre Pläne nicht durchführen können, wenn sie nicht die Unterstützung bestimmter Gruppen in England und I Amerika gehabt hätte, die ihre Pläne im Saargebiet gefördert haben. Das Saargebiet wurde von allem Anfang an von dem amerikanischen Imperialismus als Pfandobjekt gegenüber dem französischen Imperialismus benutzt, um Frankreich in den antisowjetischen Atlantikblock zu zwängen, und zum andern, um sich wertvollen billigen Anteil an der Saarindustrie und den Bodenschätzen des Saargebiets zu sichern.
Im Gegensatz zur Sowjetunion stimmten im April 1947 die Regierungen der USA und Großbritanniens der de-facto-Annexion des Saargebiets durch den französischen Imperialismus zu. Lediglich die Sowjetunion war es, die damals zweimal schärfsten Protest gegen diese kalte Annexion einlegte. Mit dem Einzug der französischen Besatzungstruppen am 6. Juli 1945 wurde schrittweise — entgegen dem Potsdamer Abkommen und dem Willen der Bevölkerung des Saargebiets — eine Maßnahme nach der andern zur Herauslösung des Saargebiets aus der deutschen Verwaltungshoheit eingeleitet und durchgeführt. Von Anfang an konnte sich die Militärregierung im Saargebiet nur auf eine kleine Clique von Separatisten aus der Zeit von 1918 bis 1935 und auf ähnliche Elemente stützen, die in der französischen Emigration zu Separatisten oder französischen Staatsbürgern geworden waren.
Die Loslösung des Saargebiets begann mit dem Einsatz von 1200 französischen Zollinspektoren am 22. Dezember 1946, die eine Zollgrenze zwischen dem Saargebiet und dem übrigen Deutschland errichteten. Das französische Außenministerium erklärte damals, man verfolge mit dieser Maßnahme nur das Ziel, zu verhüten, daß die Lebensmittel, die Frankreich liefere, nach Deutschland verschoben
5700 Deutscher Bundestag — 144. Sitzurig. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951
werden würden. Außerdem wolle man den Zustrom von deutschem Geld in Anbetracht der Währungsreform, die im Saargebiet bevorstände, verhindern. In Wirklichkeit war das die erste Maßnahme zur Loslösung des Saargebiets von Deutschland. Eng auf dem Fuß erfolgte dann der Aufkauf von Grundstücken Wohnblöcken, Geschäftshäusern und Industrieanlagen durch ausländische Kapitalisten. Dabei ging man nicht wählerisch vor. Mit Drohungen und Erpressungen wurden Deutsche gezwungen, ihr Hab und Gut für einen Spottpreis abzustoßen.
Diese Politik der Schaffung vollendeter Tatsachen, der Abtrennung des Saargebiets und der Ausschaltung des Willens der Bevölkerung fand in der sogenannten Saarkonvention eine Krönung. In dieser Saarkonvention wurde unter anderem festgelegt, daß die Saargruben für 50 Jahre an das Comité des Forges auszuliefern seien. Durch den Schumanplan wurde der ganze Westen an die amerikanischen Kapitalisten und Imperialisten ausgeliefert.
Mir scheint, daß die Saarkonvention und der Schumanplan toute la méme chose sind, ein und dieselbe Sache.
— Ich weiß, warum Sie sich aufregen, ich komme noch dazu.
Für diese Politik tragen die CVP und die SPS und in einem bestimmten Maße auch die DPS die volle Verantwortung. Sie tragen deshalb die Verantwortung, weil sie all die antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen angeregt, beschlossen und auch durchgeführt haben. Es tragen aber auch die Verantwortung die westlichen Alliierten, die diese Pläne unterstützt haben, und ebenso sind jene westdeutschen Politiker, die damals zu diesen Maßnahmen aus Gründen, die den westlichen Besatzungsmächten genehm waren, geschwiegen haben, mit dieser Verantwortung belastet.
Die Führer der CVP und der SPS haben keinerlei Recht, sich dabei auf den Willen des Saarvolkes zu berufen. Im Gegenteil, bis zur Stunde wurde die Bevölkerung im Saargebiet weder Ober ihre Meinung zur Abtrennung noch über die Verfassung noch über die sogenannte Saarkonvention befragt. Weder die Kommunalwahlen im Jahre 1946 noch die Wahlen im Jahre 1947 zum Landtag waren freie, demokratische Wahlen. Sie können keinesfalls als eine Entscheidung der Wähler des Saargebiets für den politischen und wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich, wie es fälschlicherweise Herr Hoffmann behauptet, gewertet werden.
Der wahre Charakter dieser Wahlen und der Regierung Johannes Hoffmann sind gekennzeichnet durch die fortgesetzte Verletzung des Brief- und Telefongeheimnisses, durch Drohungen, Verhaftungen, Ausweisungen, Fälschungen und Erpressungen gegenüber all jenen, die nicht mit der separatistischen Politik des Herrn Hoffmann einverstanden sind. Es gibt kein Land in Europa, wo der Spitzeldienst so ausgebaut ist wie im Saargebiet. MRS, Sûreté, Militärpolizei, politische Polizei und dazu noch die Agenten von Herrn Hoffmann sind die Träger dieses Systems.
— Unsere Freunde im Saargebiet haben seit 1918 für Deutschland gekämpft und kämpfen auch morgen dafür, damit Sie das wissen!
Auf Betreiben dieser Instanzen wurden allein im Jahre 1947 mehr als 464 Familien und insgesamt mehr als 1500 Personen aus dem Saargebiet ausgewiesen. Es ist keine Übertreibung, wenn behauptet wird, daß von 1947 bis 1951 mehr als 3500 Menschen aus dem Saargebiet ausgewiesen wurden. Dabei handelt es sich nicht um Kriegsverbrecher oder um Gestapo-Agenten oder SD-Leute; im Gegenteil, diese Leute sind im Dienst des Herrn Hoffmann und werden als Büttel gegenüber der deutschen Bevölkerung im Saargebiet benutzt. Bei den Ausweisungen aus dem Saargebiet handelt es sich um Katholiken, Sozialisten, Kommunisten und Parteilose. Darunter sind namhafte Widerstandskämpfer gegen den Hitlerismus, aufrechte Deutsche, die für die Einheit ihres Vaterlands und für den Frieden eingetreten sind und sich eingesetzt haben.
Für einige dieser Ausweisungen wie die des Herrn Pastor Bungarten und die des verstorbenen Bundestagsabgeordneten Ernst Roth trägt die unmittelbare Verantwortung Herr Johannes Hoffmann; denn er war derjenige, der sowohl Roth wie Bungarten beim Hohen Kommissar angezeigt hat. Dabei hat man mit gefälschten Dokumenten gearbeitet.
Über 40 000 Personen wurde im Saargebiet das Wahlrecht entzogen. Sie sind ständig von der Ausweisung bedroht. Man versucht sie mit dieser Methode für die Politik des Herrn Johannes Hoffmann zu erpressen.
Alle öffentlichen Zusammenkünfte und Mitgliederversammlungen der Opposition sind verboten. Flugblätter werden beschlagnahmt. Die „Neue Zeit" ist fast mehr beschlagnahmt oder verboten, als sie erscheint. Die Pressefreiheit des Herrn Johannes Hoffmann ist durch folgende Tatsachen gekennzeichnet. Seit dem Bestehen der Zeitung „Neue Zeit" von 1947 bis 1951 wurden folgende Verbote, Beschlagnahmen und Einschränkungen vorgenommen: 41 Verbote insgesamt für 359 Tage, 3 Nummern wurden beschlagnahmt, 84 Artikel wurden durch die Vorzensur ganz gestrichen, 173 Artikel wurden teilweise gestrichen und 6 Artikel wurden zurückgestellt. Das ist die Pressefreiheit des Herrn Johannes Hoffmann! Uns ging gestern abend die Mitteilung zu, daß die Zeitung „Neue Zeit" erneut für vier Wochen verboten ist.
Vor einigen Tagen begann ein Prozeß gegen 13 deutsche Patrioten im Saargebiet. Was haben sie getan? Sie sind eingetreten für den Frieden und die Einheit Deutschlands und haben die schwarz-rot-goldene Fahne mit sich geführt. Das ist die Demokratie des Herrn Johannes Hoffmann.
Die einzige Partei, die im Saargebiet getreu ihrer Tradition von 1918 her gegen diese anti-
deutschen und antidemokratischen Maßnahmen des Herrn Hoffmann den Kampf ohne Rücksicht auf Verfolgung geführt hat, war die Kommunistische Partei. Sie war es, die als erste gegen die Abtrennung, gegen die Verbote und Ausweisungen Stellung genommen hat. Sie war es, die nach den ersten Bestrebungen zur Lostrennung des Saargebietes, bei den ersten Verboten und Ausweisungen auf die Folgen der Politik Johannes Hoffmanns hingewiesen hat. Ich kann mir heute noch Herrn Becker vorstellen, wie er damals laut lachte, als ich ihm nach einer Stadtratssitzung in Saarbrücken sagte: Erst sind es die Kommunisten, dann sind es die Demokraten und am Ende alle Menschen, die nicht mit der Politik Johannes Hoffmanns einverstanden sind. — Heute ist der Beweis erbracht, wohin der Kurs im Saargebiet geht. Wo waren damals die Proteste der Herren Adenauer, Blücher, Erhard, als es galt der Saaropposition den Rücken zu stärken? -
Da hat man es den Kommunisten überlassen und einigen fortschrittlichen Politikern in Westdeutschland und den Politikern der Demokratischen Republik und den demokratischen Parteien in der Demokratischen Republik.
Herr Adenauer hat zu den Vorkommnissen im Saargebiet eine Erklärung abgegeben. Er sagte, das Verbot der DPS an der Saar sei ein Zeichen außerordentlicher Schwäche der Saarregierung:
Es ist immer ein Zeichen von Schwäche, wenn eine Regierung zu Gewaltmitteln gegenüber dem Volk greifen muß. Die Bevölkerung muß sich gegen die undemokratischen Maßnahmen empören.
Gut gesprochen, Herr Bundeskanzler Adenauer! Ich möchte dazu feststellen: Das, was Herr Bundeskanzler hinsichtlich des Verbotes der DPS und des Regimes Johannes Hoffmann gesagt hat, trifft in vollem Maße auch auf Westdeutschland zu.