Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich die bisherige Debatte in mich aufnahm, da habe ich meine Rede -- zu meiner
Schande muß ich gestehen: meine vorbereitete Rede --- beiseite geschoben,
und ich habe mir gesagt: Das Saarproblem besteht doch nicht bloß aus einer Aufzählung von Fakten, aus juristischen Deduktionen mit fast Vorlesungscharakter, sondern man muß in dieser wichtigen Sache hier das Herzblut spüren, das uns alle durchpulst, wenn man zu dieser Frage spricht.
Hier muß man die Wärme spüren, die das ganze deutsche Volk erfüllt, wenn wir uns zu unseren Brüdern an der Saar bekennen.
Man hätte uns viel von dem, was in den juristischen Darlegungen gesagt worden ist, ersparen können, vor allem dem Volke draußen, das ja das nicht alles versteht, wenn man hier, wie es in demokratisch -parlamentarischen Einrichtungen üblich ist, den auswärtigen Ausschuß damit befaßt und dort das Wesentliche und das Unwesentliche auseinandergeschieden hätte. So kann ich nur eines sagen: Das, was hätte gesagt werden müssen, hat bisher voll und ganz nur die Regierungserklärung getroffen, die bei aller erforderlichen Sachlichkeit und Nüchternheit eine tiefe Wärme in der Beurteilung des Problems spüren ließ
und die — auch das mußte man durchfühlen — noch viel mehr sagen wollte, als sie eben in einer Lage, wie sie die Regierung zu berücksichtigen hat, sagen konnte.
Wir freuen uns, daß das Leitmotiv der Regierungserklärung der Wille blieb, die Beziehungen zu Frankreich nicht abreißen zu lassen, sondern immer weiter auf diesem Gebiet im positiven Sinne zu arbeiten; und wir freuen uns auch darüber, daß die europäische Idee das Leitmotiv der Regierungserklärung blieb. Wir betrachten all das, was von der Regierung angeführt worden ist — wie die Ablehnung der Gleichberechtigung der Saar in Straßburg, die Ablehnung des Wunsches, das Saarland als siebtes Land in den Schumanplan aufzunehmen, die Reaktion der Saarvertreter in Straßburg, die Reaktion von Herrn Grandval, die Reaktion des Ministerpräsidenten Hoffmann in Paris auf die Schritte der deutschen Regierung —, als ganz große positive Fakten, als Tatsächlichkeiten und nicht als Hypothesen, wie sie der Vertreter der SPD geschildert hat. Wir billigen daher auch die Schritte, die die Bundesregierung bei der Hohen Kommission zu unternehmen gewillt ist.
Ich glaube, daß ein stärkerer Eindruck von der Saardebatte im Inland und im Ausland erzielt worden wäre, wenn wir zu einer gemeinsamen Erklärung gekommen wären. Aber es ist auch so erfreulich, daß von allen Sprechern aller Parteien — auch der Opposition — gute, wesentliche Argumente vorgebracht worden sind. Man soll es der Oppositon nicht verübeln, wenn sie manches mehr sagt, als eine Regierung sagen kann. Ich muß sogar sagen, daß ich die Rede von Herrn Professor Schmid als einen durchaus konstruktiven Beitrag zu der Lösung des Problems ansehe, wenn auch starke Bedenken in dieser Rede angemeldet worden sind.
Ich möchte zu Einzelheiten nicht weiter Stellung nehmen, sondern meine Ausführungen in drei Appellen zusammenfassen. Den ersten Appell richte ich an den französischen Außenminister, Herrn Schuman, der schon einmal in einem Zeitpunkt, als die deutsch-französischen Beziehungen Anfang des vorigen Jahres auf einem toten Punkt angelangt waren, die Initiative ergriffen und durch seinen wirklich genialen Akt des Vorschlages des Schumanplans im Mai vorigen Jahres einen wesentlichen Schritt zur Überwindung dieses toten Punktes getan hat. Herr Schuman hat sich ja ausdrücklich noch vor wenigen Wochen — im April — dazu bekannt, daß die große Mehrheit der Franzosen davon überzeugt sei, daß sie nicht mehr in den Irrtum ihrer Politk nach dem ersten Weltkrieg zurückfallen dürften. Dem entspricht auch die geradezu ergreifende Formulierung der Präambel im Schumanplan, die davon spricht, daß endlich die alten Rivalitäten beseitigt werden müssen und daß durch neue schöpferische Ideen endlich Friede in die Welt kommen soll. Ich bin der Überzeugung und spreche die Hoffnung aus, daß auch diesmal Herr Schuman, nachdem er schon seinen unklugen Brief an den saarländischen Ministerpräsidenten geschrieben hat, zu dem Entschluß kommen kann, wieder einen gewissen schwierigen Punkt, einen neuralgischen Punkt in dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland zu beseitigen. Wir hoffen, daß es endlich möglich sein wird, bald Wahlen im Saargebiet abzuhalten, die unter internationaler oder deutschfranzösischer Aufsicht und Kontrolle stattfinden können und die den klaren Willen der Saarbevölkerung zum Ausdruck bringen sollen.
Einen zweiten Appell möchte ich an dieses Haus richten. Diese Abstimmung wird erleichtert, wenn die Saarländer das Gefühl haben, daß sie sich im Rahmen der Bundesrepublik wohlfühlen und daß sie in ihrem Lande so handeln und leben können, wie es ihnen gefällt. Denken Sie daran, wenn hier dauernd Versuche gemacht werden, den föderalistischen Charakter des Bundes in Richtung auf einen zentralistischen Einheitsstaat zu ändern.
Dann noch einen Appell an die Welt. Die Welt hat zum ersten Male wieder Deutschland Wohlwollen und Sympathie entgegengebracht, als sich Berlin in der Verteidigung der Menschenrechte und in der Abwehr gegen undemokratische östliche Diktaturen mannhaft und mutig zeigte und als ganz Westdeutschland in diesem Abwehrkampf gegen den Osten, dem Kampf für die Demokratie, hinter Berlin stand.
Die Welt soll uns jetzt, da wir das sehr undemokratische Verhalten der Saarregierung kritisieren und darauf bestehen, daß auch an der Saar die Menschenrechte in ihrem vollen Umfang gelten müssen, ebenso ihre Unterstützung gewähren.