Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich darf 'annehmen, daß die Herren Interpellanten die Beantwortung der Interpellation als mit der Erklärung der Bundesregierung erfolgt ansehen.
Ich darf weiter unterstellen, daß eine Besprechung der Interpellation im Zusammenhang mit der Besprechung der Erklärung der Bundesregierung erfolgen soll.
Der Abgeordnete Dr. Schmid wünscht, die Begründung des Antrages der SPD mit deren Beitrag zur Aussprache zu verbinden. Ich darf damit die Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung, die Interpellation und den Antrag der Fraktion der SPD eröffnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Dr. Schmid (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen der Fraktion der SPD den von ihr eingereichten Antrag zu begründen und gleichzeitig zu der soeben vom Herrn Bundeskanzler abgegebenen Regierungserklärung Stellung zu nehmen.
Der Herr Bundeskanzler hat in dieser Regierungserklärung im wesentlichen zum Ausdruck gebracht, daß die Regierung der Bundesrepublik die Saar als einen Bestandteil des deutschen Staatsgebietes betrachtet; daß sie der Auffassung ist, daß eine endgültige Regelung dessen, was man das Saarproblem nennt, erst in einem Friedensvertrage oder in einem gleichwertigen Vertrage erfolgen könne, und sie hat uns mitgeteilt, daß die französische Regierung durch eine an sie gerichtete Note sich zu der gleichen Auffasung bekannt habe. Sie hat uns zu verstehen gegeben, daß sie aus diesen Gründen eine auf Schaffung vollendeter Tatsachen
ausgehende französische Politik an der Saar nicht für loyal halten könne. Weiter haben wir von der Regierung vernommen, daß sie auf Grund sicheren Materials behaupten könne, daß an der Saar keine rechtsstaatlichen Verhältnisse bestehen, wie es insbesondere das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes ausweise. Freilich hat uns die Regierung hierzu gesagt, daß sie zwar den Vorfall aufs höchste bedauern müsse, daß man diesen Vorfall aber wohl nicht Paris zur Last legen dürfe, sondern Herrn Hoffmann und seinen Helfershelfern in Saarbrücken.
Schließlich, wenn ich recht verstanden habe, hat die Bundesregierung erklärt, daß sie bei allem festen Willen, an ihrer bisherigen Außenpolitik festzuhalten, nun doch gewisse Zusicherungen verlange, Zusicherungen bezüglich der Saar, ehe sie den Vertrag über die Montanunion diesem Parlament zur Ratifikation vorlegen könne.
Habe ich richtig verstanden, Herr Bundeskanzler?
— Dann tut es mir leid, mich geirrt zu haben.
Schließlich ist uns dann weiter noch gesagt worden, daß in einer Note an die westlichen Besatzungsmächte diese gebeten worden sind, dafür zu sorgen, daß an der Saar rechtmäßige Zustände eintreten; und letzten Endes hat uns der Herr Bundeskanzler ermahnt, die Nerven zu behalten, und hat seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, daß dies auch in Paris und anderswo der Fall sein möge. Dann werde schließlich alles gut gehen.
Nun, meine Damen und Herren, das Zutrauen des Herrn Bundeskanzlers in die politische Heilwirkung guter Nerven in allen Ehren — gute Nerven sind eine gute Sache; aber die Hoffnung daß alle, auf die es ankommen könnte, überall gute Nerven haben werden, scheint mir doch reichlich hypothetisch zu sein; und im Bereiche der Politik genügen Hypothesen so wenig wie gute Absichten.
Gute Absichten wie Hypothesen werden erst von dem Augenblick an politisch erheblich, von dem an sie eine gute Politik auslösen; und Politik ist immer nur dort am Werk, wo Tatsächlichkeiten geschaffen werden, d. h. wo man sich so verhält, daß der Partner vor Entscheidungen gestellt wird, deren Folgen ihm nicht gleichgültig sein können. Nach der Tauglichkeit ihrer Maßnahmen und nicht nach ihren Absichten ist zu entscheiden, ob sich eine Regierung politisch richtig, d. h. zweckmäßig verhalten hat.
Nun, Rechtsverwahrungen haben ihren Wert, einen großen Wert und sie sind wichtig. Aber wenn sie allein bleiben, haben sie nicht mehr Wert als ein Alarmsignal, und wenn nichts auf sie folgt, werden alle Rechtsverwahrungen wirkungslos — jedenfalls dort, wo es sich nicht nur um Randerscheinungen, sondern um politische Grundverhältnisse handelt. Sie werden dann in der Welt der Tatsachen . nur so ernst genommen wie ein Nachtusch oder wie das Sichsträuben eines Mannes, der entschlossen ist, schließlich doch mitzugehen, wenn die Respektsfrist, die man sich schuldig ist, einmal abgelaufen sein wird.
Rechtsverwahrungen sind politisch nur dann erheblich — und es handelt sich bei den Dingen, von denen wir hier sprechen, um Politik und ;nicht darum, Handakten für einen künftigen Zivilprozeß anzulegen —,
wenn auf die Rechtsverwahrung ein Verhalten im
Bereich der Tatsächlichkeiten folgt, ein Verhalten, das geeignet ist, den in der Rechtsverwahrung angesprochenen Rechtszustand tatsächlich herzustellen oder seine Herstellung wenigstens zu begünstigen. Die Bundesregierung hat in ihrer bisherigen Politik nicht immer nach diesen Grundsätzen gehandelt. Ich werde das des Näheren auszuführen haben.
Zunächst ein Wort über die Rechtslage an der Saar. Was der Herr Bundeskanzler hierüber als die Meinung der Regierung ausgeführt hat, ist richtig und bedarf keiner Ergänzung. Ebenso richtig ist, was der Kollege Strauß gesagt hat. Ich glaube, daß ich es mir schenken kann, weitere Rechtsausführungen über dieses Thema zu machen. Ich stelle fest: Das Saargebiet ist völkerrechtlich betrachtet nichts anderes als ein Teil der französisch besetzten Zone Deutschlands, und zwar ein Teil, der von der Besatzungsmacht einem Sonderregime unterworfen worden ist;
denn einseitige Maßnahmen vermögen nirgends auf der Welt Völkerrecht zu schaffen.
Wenn die Hohen Kommissare mit ihrer in der Note vom 23. Oktober 1950 vertretenen Auffassung recht haben, daß die Bundesrepublik das alleinige Recht habe, die Rechte des früheren Deutschen Reiches bis zur Friedensregelung zu übernehmen und bis zur Wiedervereinigung Deutschlands das deutsche Volk in internationalen Angelegenheiten zu vertreten, dann hat die Bundesregierung auch das Recht, international in Angelegenheiten aufzutreten, die das Saargebiet betreffen, und sich intern und nach außen der Rechte der Deutschen anzunehmen, die — nur durch Wirkung von Tatsachen ihrer Jurisdiktion entzogen —, an der Saar leben. Sie mischt sich damit nicht in fremde Angelegenheiten ein, sondern macht damit ein legitimes eigenes Recht geltend. Eine klarere Aktivlegitimation, als sie in der zitierten Note der Hohen Kommissare zum Ausdruck kommt, kann es nicht geben.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung. Auch bei uns in Deutschland hat sich ein Sprachgebrauch eingebürgert, der geeignet ist, die Klarheit dieser rechtlichen Situation zu verwischen In der Note der Bundesregierung vom 18. April 1951 findet sich dieser Sprachgebrauch auch, der etwa besagt, daß die „endgültige Regelung des Status der Saar" nur durch den Friedensvertrag erfolgen könne. Wird damit nicht dem Mißverständnis Raum gegeben, daß die Saar heute noch keinen klaren rechtlichen Status habe?
Die Saar hat einen rechtlichen Status, der eindeutig ist: sie ist ein Bestandteil des deutschen Staatsgebiets.
Wenn etwas einer rechtlichen Regelung bedürfte, so wäre das nicht der heutige rechtliche Status der Saar, sondern eine etwaige Veränderung dieses rechtlichen Status, der dann nach den Vorschriften des Völkerrechts durch einen neuen zu ersetzen wäre. Wäre es nicht gut, meine Damen und Herren, wenn wir unseren Sprachgebrauch ein bißchen sorgfältiger wählten? Wir laufen sonst Gefahr — was ich hier sage, gilt für uns alle —, etwas als zweifelhaft erscheinen zu lassen, das keinen Zweifel leidet!
Und noch eine Bemerkung: Man spricht so oft von Völkerrecht, das auf Grund alliierter Vereinbarungen für uns geschaffen worden sei. Nun,
alliierte Vereinbarungen und ihre Dignität in allen Ehren; sie vermögen aber kein Recht für Deutschland zu schaffen. Deutschland können rechtlich nur Vereinbarungen entgegengehalten werden, die es selber mit getroffen hat!
Nun sagt man in Paris und auch anderswo: Ja, das ist alles richtig, aber inzwischen hat sich doch an der Saar einiges vollzogen, das man nicht wegdisputieren kann. Man sagt, das Saarvolk habe sich doch durch einen eigenen freien Entschluß von Deutschland losgesagt, und es habe sich eine Verfassung gegeben. Man sagt weiter: Völkerrecht hin, Völkerrecht her: Staaten entstehen originär; sie bestehen auch dann, wenn ihre Entstehung nicht von völkerrechtlichen Akten begleitet wird. Wenn sie sich durchgesetzt hätten, sagt man, hätten sie Anspruch auf Anerkennung durch dritte Staaten, auch durch den Altstaat, von dem sie sich etwa separiert haben sollten. Nun ja, es gibt eine Saarverfassung vom 15. Dezember 1947. Ja — in der Präambel dieser Verfassung wird „die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom deutschen Reich" erklärt. So heißt es wörtlich. Was ist das politisch, moralisch und juristisch wert, und wie ist das zustande gekommen?
Der Wille eines Volkes wird überall in der Welt durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Volksabstimmung mit klarer, eindeutiger Fragestellung ermittelt. An der Saar ist nie ein Plebiszit erfolgt. Man hat sich damit begnügt, einen Landtag wählen zu lassen. Glaubt man denn wirklich, daß man mit Anspruch auf politische, moralische und juristische Beachtung die Frage, ob sich mehr als 900 000 Menschen endgültig von ihrem Mutterlande loslösen wollen, so nebenher beantworten lassen kann? Ich habe da einen Artikel des Herrn Johannes Hoffmann vor mir liegen, den er im Jahre 1930 geschrieben hat. Darin spricht er — und er meint uns — von „unseren Brüdern, die zu uns gehören und zu denen wir gehören; nur eine Grenze ist dazwischen, eine lächerliche Grenze, eingezeichnet auf den Karten, nicht aber in unseren Herzen." Das sagt der Stifter der Saarnation,
und er fährt fort:
Will man in Frankreich wahren Frieden mit Deutschland, will man der Saarbevölkerung ihr Recht geben, will man eine ehrliche wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auch im wohlverstandenen Interesse Frankreichs liegt -- nun gut, wir sind dazu bereit. Dann gebe man uns aber erst unser einziges politisches Recht: die freie, unbeeinflußte Abstimmung, je eher, um so lieber. Sie ist die Waffe und Hoffnung, daß wir heimkehren dürfen ins Vaterhaus als freie Söhne eins freien, einigen, zu neuer Größe erstehenden deutschen Vaterlandes.
So schrieb Herr Hoffmann im Jahre des Heils 1930. Warum denkt er heute, seit er von der Besatzungsmacht zum Ministerpräsidenten in Saarbrücken erkoren worden ist, anders? Warum wagt er denn heute dieses Plebiszit nicht, und warum erklärt er heute — vielleicht indem er die Worte eines seiner Vorgesetzten nachredet —, daß es an der Saar kein Plebiszit geben werde, denn ein Plebiszit sei undemokratisch?
Der Entwurf dieser Verfassung ist von einer Verfassungskommission von 20 Mitgliedern ausgearbeitet worden. Diese 20 Männer wurden von der Verwaltungskommission des Saarlandes, also von den Beauftragten und Vertrauensleuten des Hohen Kommissars an der Saar ernannt. Ernst Roth, der in Straßburg Verstorbene, der von seiner Partei vorgeschlagen worden war, wurde abgelehnt. Man wußte schon, was für Leute man zu delegieren hatte.
Der Entwurf der Verfassung durfte vor der Wahl zum Landtag, der diese Verfassung zu beschließen hatte, nicht publiziert werden. Die Ausgabe der „Volksstimme", der sozialdemokratischen Zeitung in Saarbrücken, in der die gesamte Verfassung abgedruckt war, wurde verboten, genauer gesagt, die Zensur nahm die schon gesetzte Verfassung heraus, und der verbliebene Raum mußte mit Feld-, Wald-und Wiesenartikeln ausgefüllt werden. Ein von Ernst Roth verfaßter Artikel über die Präambel durfte nicht erscheinen. Der Text der Verfassung wurde einige Tage vor der Wahl zum Landtag auf den Rathäusern ausgelegt. Dort sollte die Bevölkerung die Verfassung einsehen, und großmütigerweise hat man für die 900 000 Bewohner des Saargebietes 10 000 Exemplare drucken lassen, die sie auf den Rathäusern abholen konnten. Als der erweiterte Vorstand der Sozialdemokratischen Partei im Saargebiet mit 18 :3 Stimmen beschloß, eine Volksabstimmung über die Verfassung zu verlangen, wurde ein Teil seiner Mitglieder einzeln zu Herrn Grandval geholt und dort einzeln „aufgeklärt".
Ein paar Tage später erklärte sich dasselbe Gremium mit 20 : 4 Stimmen gegen eine Volksabstimmung. Das heiße ich Regierungskunst!
Als der Landtag gewählt war und über die Verfassung abstimmen sollte, ließ Herr Grandval fünf sozialdemokratische Abgeordnete, die erklärt hatten, gegen die Präambel der Verfassung — also gegen die Separations -Präambel — stimmen zu wollen, zu sich kommen. Einer von ihnen hat mir persönlich berichtet, daß Herr Grandval den fünfen damals summa summarum gesagt habe, wenn die Abstimmung nicht so ausgehe, wie vorgesehen, werde Frankreich von den liberalen Verwaltungsmethoden von heute zu den Methoden der Besatzungsmacht zurückkehren,
und sie würden das zu verantworten haben.
Und was hat man der Bevölkerung selber gesagt? Man hat ihr gesagt — es gibt ja tausend Sprachrohre, vermittels derer man so etwas in eine Bevölkerung hineinflüstern kann —, wenn das Saargebiet bei Deutschland verbleiben wolle, würden die Kohlengruben als Reparationen in Anspruch genommen; würden die Industriewerke nach der Methode Morgenthau demontiert; würden die Lebensmittellieferungen aus den übrigen Ländern der französischen Zone wegfallen — denn von dort kamen die Lebensmittellieferungen nach dem Saargebiet, und nicht aus Frankreich —,
und dann würde auch die Saarbevölkerung die erdrückenden Reparationszahlungen leisten müssen, die die Deutschen zu erwarten hätten, und es
werde das Saargebiet dann einen recht schlechten Umrechnungskurs zum französischen Franc bekommen.
Die Bevölkerung stand dem Sog dieser Propaganda hilflos gegenüber, sie war einseitiger Propaganda ausgesetzt, sie war abgeschnitten vom Verkehr mit dem übrigen Deutschland und seiner Presse. Die Rundfunksender wurden damals unter alliierter Aufsicht betrieben. Im Saargebiet hungerte mari mehr als sonstwo in Deutschland, und schließlich hat man dem Volke dort das Märchen eingetrichtert, Deutschland existiere nicht mehr. Die Saarverfassung — so mußte jeder denken — ist die logische Konsequenz der Verhältnisse, in denen wir nun einmal leben müssen, wenn wir nicht physisch untergehen wollen. Uns kann nur noch der wirtschaftliche Anschluß an Frankreich helfen; dann erhalten wir wenigstens die Möglichkeit, physisch zu existieren. — Ist es denn da ein Wunder, daß die Bevölkerung an der Saar eben die Listen wählte, die man ihr präsentierte —andere hatte sie ja nicht vor sich liegen —, diese Listen, auf die die Dienststellen des Herrn Grandval einen recht maßgeblichen Einfluß genommen haben? Und ist es ein Wunder, daß das so geschaffene Gebilde eine Monstrosität geworden ist?
Im allgemeinen sind Verfassungen der Ausdruck des Freiheitswillens eines Volkes und nicht seines Willens zur Selbsterniedrigung.
Verfassungen wollen Instrumente der Selbstbestimmung und nicht der Unterwerfung sein. In der Saarverfassung aber setzt sich das Saarvolk selbst einen Landvogt, und sogar in der Präambel, an dem Ort der Verfassung, in den man sonst das Pathos einer Verfassung zu legen pflegt.
Dieser Landvogt soll das letzte Wort in allen
Dingen haben — und er hat dieses letzte Wort in allen Dingen. Und glaubt man denn, daß so etwas in den Gehirnen der 900 000 Menschen an der Saar gewachsen sein kann?
Die angebliche Autonomie des Saargebiets ist eine Protektoratsverfassung, die man — weil sich das heutzutage besser macht —, von einem eingeschüchterten Landtag beschließen ließ. In der ganzen Welt gehen die politischen Methoden und die völkerrechtlichen Formen des klassischen Kolonialismus zurück. An der Saar wurden sie in der Form dieser Verfassungskomödie neu eingeführt.
Und warum hat man das getan? Man hat es getan, um die Saarkonventionen aus der Taufe heben zu können, diese Konventionen, die die Bergwerke auf die Dauer von 50 Jahren Frankreich zur unkontrollierten Ausbeutung überlassen, die der Besatzungsmacht die Verwaltung der Eisenbahnen praktisch in die Hände spielen, und das für dauernd, die dazu Frankreich über die Sequesterbetriebe die Produktion der Hütten sicherten, die, weiter die Banken und Versicherungen in französische Hände gaben und damit auch die Spargelder der Saarbevölkerung großenteils dem französischen Kapitalmarkt zuleiteten — von den Zolleinnahmen und anderem ganz zu schweigen. In allen Kommissionen, die in diesen Konventionen vorgesehen sind, hat Frankreich die ausschlaggebende Stimme. Das ist keine gute Sache, und man berufe sich nicht auf den Vertragscharakter dieser Konventionen. Kontrahieren mit Herrn Johannes Hoffmann ist doch für die französische Republik ein Kontrahieren mit sich selbst..
Und was ist das für eine Autonomie, bei der entscheidende innerpolitische Maßnahmen wie Parteiverbote und vieles andere durch Briefe des französischen Außenministers ausgelöst werden können, bei der. der Hohe Kommissar erklären kann, daß er' die Einführung des Mitbestimmungsrechts in der Industrie der Saar nicht dulden werde, denn die Saar könne keine anderen Gesetze haben als Frankreich.
Und was ist das für eine Autonomie, bei der ein fremder Hoher Kommissar das erste und das letzte Wort in allen politischen Angelegenheiten hat? Man lese doch die Artikel 2 bis 4 der allgemeinen, der politischen Saarkonvention, und vor allen Dingen: man lese die beiden geheimen Zusatzprotokolle, in denen dem Hohen Kommissar das entscheidende Recht bei der Ernennung der wichtigen Beamten, in Polizeiangelegenheiten und letzten Endes allem, was politisch interessant ist, zuerkannt wird. Die Saarkonventionen und die geheimen Zusatzprotokolle — das ist die wahre Verfassung der Saar!
Was ist das für eine seltsame Union, bei der kein einziger Franzose einem Saarländer unterstellt ist, weder in der Wirtschaft noch in der Verwaltung, aber Zehntausende von Saarländern einigen Franzosen?
Und was ist das für eine Autonomie, im Namen derer die neugegründete Universität Saarbrücken einem französisch beherrschten Verwaltungsrat unterstellt ist und einem französischen Rektor, einem Rektor, der gestern 45 Studenten, die mit dem Omnibus nach Bonn fahren wollten, bedeutet hat, das gehe nicht!
Man spricht so gern von der europäischen Universität Saarbrücken. Aber eine solche Universität ist noch keine europäische Universität.
Ich bin für eine Europäisierung und Entnationalisierung aller Universitäten, überall,
aber nicht im Wege einseitiger Maßnahmen und Auflagen.
Die Verfassung des Saarlandes ist sonst — man muß es sagen — wunderschön; sie enthält nicht weniger als 59 Grundrechtsartikel. Was waren wir daneben, die wir das Grundgesetz der Bundesrepublik schufen, für armselige Wichte!
Welch ein Rekord an Menschenrecht ist an der Saar aufgestellt worden! Und was ist daneben die Verfassungswirklichkeit? Nun, diese Verfassungswirklichkeit ist die Karikatur eines Rechtsstaates. Die Wirklichkeit an der Saar weist wenig von lebendig gewordenen Grundrechten auf, aber dafür alle Merkmale des Polizeistaates.
Politische Parteien bedürfen der Genehmigung durch die Regierung — was doch nichts anderes heißt, als daß eine der Regierung nicht genehme
Politik nicht betrieben werden kann. Die Post wird überwacht -- das hat Herr Strauß näher ausgeführt —; die Presse der Bundesrepublik wird ferngehalten, wenn sie Artikel bringt, die den Herren in Saarbrücken nicht gefallen. Politisch unerwünschte Personen werden ausgewiesen. Noch 1948 wurde Ernst Roth ausgewiesen und vor einigen Wochen der frühere Abgeordnete und französische Staatsangehörige Danzebrink, der nur das „Verbrechen" begangen hat, die Innenpolitik Johannes Hoffmanns zu mißbilligen. Kundgebungen oppositioneller Gruppen werden verboten. Bundestagsabgeordneten wird die Einreise unmöglich gemacht —
von einem entsprechenden Verbot für französische
Abgeordnete hat man bisher noch nichts gehört ...
Herr Hoffmann verfügt über einen Fonds von 60 Millionen Francs für die Propaganda für das Saarland,
über einen Dispositionsfonds in Höhe von 20 Millionen Francs und über einen Fonds von 30 Millionen Francs, euphemistisch „Fonds zur Unterstützung der Europabewegung" genannt, zusammen rund 1,2 Millionen DM für das Jahr 1951. Und über diesen Fonds kann er verfügen, ohne daß der Rechnungshof seine Verfügungen nachprüfen könnte.
Der Landespolizeipräsident Lackmann ist französischer Staatsangehöriger ebenso wie sein Chef, der Innenminister Hektor.
Die Krönung der polizeistaatlichen Praxis ist das Verbot der UPS vom 21. Mai dieses Jahres. Bei dieser Partei handelt es sich um eine ordnungsmäßig von der seinerzeitigen Militärregierung zugelassene und lizenzierte Partei. Ihr Programm lautet: Bis zum Friedensvertrag soll die Saarfrage entpolitisiert werden, d. h, das bisherige Protektoratssystem soll dadurch ersetzt werden, daß ein Beobachter der Bundesrepublik und ein Beobachter der französischen Republik eine unpolitische, neutrale und rein fachliche Verwaltung des Saargebiets überwachen. Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen beiden Beobachtern soll ein Kontrollorgan des Europarates schlichten. Die Bundesrepublik 'wie auch Frankreich sollen auf die politische, kulturelle und sonstige Durchdringung des Saargebiets verzichten und diese Frage dem Willen der Bevölkerung überlassen. Das Programm sieht dann weiter vor,_ daß die Regierung in eine Verwaltung umgewandelt und daß der deutsche Markt wieder geöffnet werden solle. Als erstrebenswertes Ziel wird die Wiedereinführung des Wirtschafts- und Zollsystems angesehen, das in der Zeit von 1920 bis 1935 bestanden hat.
Und mit welcher Begründung wurde diese Partei verboten? Einmal: ihr Programm widerspreche den Grundgedanken der Verfassung. Und weiter: die Partei störe die ruhige wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Saargebiet, sie erschwere die deutsch-französische Verständigung und mache eine europäische Lösung der Saarfrage unmöglich. Außerdem habe sie laufend unwahre Behauptungen über die Saarregierung verbreitet und mache das Saarland, seine Verfassung und seine staatlichen Einrichtungen verächtlich. Zu diesem Verbot
hat sich jüngst hier in Bonn der Präsident der Beratenden Versammlung des Europarates, Henri Spaak, geäußert. Er hat gesagt, wie man denn in Zukunft noch von westlicher Demokratie sprechen könne, wenn man politische Argumente mit Polizeigewalt beantworte.
Offenbar tut' man es deswegen, weil man gegen die Wahrheit kein anderes Mittel zu haben glaubt als eben Polizei.
Was heißt denn „gegen die Grundgedanken der Verfassung verstoßen?" Der Justizminister in Saarbrücken, Braun, hat im Jahre 1947 vor der Verfassungskommission des Saargebietes ausgeführt:
Die verfassungsmäßige demokratische Grundordnung des Staates ist das, was wir schützen
wollen. Das bedeutet nicht, daß ich, wenn ich
—wiedasMRS
das ist das Mouvement pour le Rattachement de _ la Sarre à la France —
für den politischen Anschluß
— in Klammern: natürlich an Frankreich — bin, einen Angriff auf die demokratische Grundordnung der Verfassung unternehme. Denn was ich anstrebe, nämlich den Anschluß an einen demokratischen Staat, ist niemals undemokratisch.
Er hatte recht, der Herr Minister Braun. Will man heute behaupten, die Bundesrepublik sei etwa ein undemokratischer Staat, und man habe deswegen die Demokratische Partei des Saarlandes leider verbieten müssen? Oder gilt an der Saar nicht gleiches Recht für alle Nachbarn?
Nein, diese Partei ist verboten worden, weil sie eine Auffassung über die Grundlegung des deutschfranzösischen Verhältnisses vertritt, die der französischen Politik nicht gefällt. Durch den Brief des Außenministers Schuman an Herrn Hoffmann vom 9. Mai wurde kundgetan, daß es über diese Frage an der Saar nur eine Auffassung geben darf. Und, meine Damen und Herren: wenn die Propaganda gegen die Schaffung vollendeter Tatsachen, die die endgültige Regung präjudizieren sollen, verfassungswidrig ist, d wenn eine Partei, die solches betreibt, verboten werden kann, warum wurde dann nicht seinerzeit, ehe sie aus Mangel an Masse einging, die Bewegung zum Anschluß der Saar an Frankreich verboten, dieses Mouvement, das ja zu keinem anderen Zweck gegründet worden ist, als um den Anschluß des Saargebiets an Frankreich und damit die Vernichtung der Autonomie des Saargebietes vorzubereiten?
Und warum wird denn heute nicht die Kommunnistische Partei an der Saar verboten,
die offen die Herren in Saarbrücken des Landesverrats zeiht? Wohl verstanden, nur in Saarbrücken, nicht entsprechend in Leipzig.
Aber Herr Johannes Hoffmann hat sich noch in seiner Rede am 21. Mai dieses Jahres, in der er auf dieses Treiben hinweist, wohlweislich gehütet, die Auflösung der Kommunistischen Partei anzukündigen.
— Warum denn, Herr Rische? Ich will es Ihnen sagen; Sie kommen von sich aus doch nicht darauf:
Herr Hoffmann braucht einen Popanz,
im Hinblick auf den er sagen kann: „Wer deutsch denkt, fördert die Kommunisten." Das ist der Grund, weswegen er sie braucht und weswegen er sie nicht verbietet.
Warum das Verbot der DPS? Nun, man hat sie verboten, weil man die kommenden Wahlen fürchtet, weil man an tausend Anzeichen erkannt hat, daß das Volk an der Saar sich wieder gefangen hat. Ich will hier auf die Symptome nicht näher eingehen. Sie kennen ja diese Dinge, sogar aus unserer Presse. Durch das Verbot dieser Partei will man die Opposition einschüchtern, auch die Opposition, die sich in anderen Parteien, insbesondere in der Sozialdemokratischen Partei des Saargebietes immer lebendiger regt. Darum scheut man sich nicht, ein in der Konvention der Menschenrechte — die der Europarat angenommen hat — verbrieftes Recht, das da heißt „Freiheit der demokratischen Meinungsäußerung" aufzuheben. Man but es, weil man weiß, daß dieses Regime nur gerettet werden kann, wenn man Neuwahlen ohne oppositionelle Parteien und ohne eine ernst zu nehmende oppositionelle Presse durchführt.
Es ist für mich besonders schmerzlich, feststellen
zu müssen, daß dies alles auf einen Brief hin geschehen ist, der die Unterschrift Robert Schumans
trägt. — Herr Kollege Strauß, ich glaube nicht, daß Ihre Hypothese richtig ist, daß der französische Außenminister durch ein Stückchen gelben Durchschlagpapiers zu seinem Briefe hätte bewogen werden können.
Dazu schätze ich nun doch die Ernsthaftigkeit seines Denkens zu hoch ein.
Ich glaube nicht, daß die Kunststücke, die man an der Saar versucht, viel nützen werden, auch wenn man oppositionelle Parteien nicht zuläßt. Die Bevölkerung an der Saar kann ja bei der Wahl weiße Zettel abgeben und damit zum Ausdruck bringen, was sie von dem Regime hält. Sie hat schon bei den letzten Wahlen da und dort weiße Zettel abgegeben. Bisher haben es 10 % der Wähler so gehalten. Bei der nächsten Wahl könnten es 80 % werden, wenn es sich einmal herumgesprochen hat, wie man auch wählen kann.
Diese Zustände an der Saar entsprechen nicht dem, was die Art. 3, 4 und 5 des Statuts des Europarates als Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Europarat bestimmen. Für diese Mitgliedschaft ist danach Voraussetzung — ich spreche noch gar nicht von der Menschenrechtskonvention —, daß auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates jede seiner Jurisdiktion unterworfene Person im Genuß der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sein muß. Im Saargebiet ist das nicht der Fall.
Nun frage ich die Regierung, ob sie glaubt oder ob sie nicht glaubt, es den Menschen an der Saar schuldig zu sein, im Ministerrat des Europarates die Frage .der Unvereinbarkeit der Zustände an der
Saar mit diesen Artikeln des Europarat-Statuts aufzuwerfen und geeignete Folgerungen zu ziehen, wenn sie damit nicht gehört werden sollte.
Noch eines zum Brief Robert Schumans vom 9. Mai. Es heißt dort, der verbotenen Partei sei vorzuwerfen, daß sie in dem Saarstatut ein Regime substituieren wolle, das die Existenz einer autonomen Saar leugnet und damit „par anticipation", das heißt im Wege der Vorwegnahme, die endgültige Regelung der Saarfrage bestimmen wolle. Nun, das scheint mir, doch nicht ganz folgerichtig gedacht zu sein. Wer hat denn etwas zu antizipieren versucht? Jener, der die Saarkonventionen geschaffen hat, oder jener, der die Dinge an der Saar politisch neutralisieren will, um auf diese Weise eine einwandfreie Gesamtregelung möglich zu machen? Wenn schon durch die Forderung der Freiheit der politischen Meinungsäußerung das endgültige Schicksal der Saar vorweggenommen wird, auf welch schwachen Füßen muß dann die These stehen, die Saarländer stünden mit überwältigender Mehrheit auf dem Baden der heutigen de-facto-Regelung!
Und wie nimmt sich eine solche Feststellung bei einem Manne aus, der am 20. Februar dieses Jahres vor dem Senat in Paris ausgeführt hat, daß die französische Politik nach wie vor darauf angelegt sei, auch durch Maßnahmen im Saargebiet selbst — und dabei wurden die Saar-Konventionen als Maßnahmen zitiert, die die Staatlichkeit des Saargebiets konsolidieren sollten — die Abtrennung dieses Gebietes von Deutschland praktisch zu vollziehen?
Es steht doch fest — und hier nützt doch kein Versuch, über die Tatsachen hinwegzublicken —: trotz Europa-Politik, trotz Schumanplan ist die Loslösung der Saar von Deutschland ein integrierender Hauptbestandteil der französischen Außenpolitik geblieben. Und es steht fest — Sie sehen es doch jede Woche —, daß die französische Regie- rung keine Gelegenheit vorübergehen läßt, die erhofften Endresultate dieser Politik durch Schaffung vollendeter Tatsachen vor einer endgültigen rechtlichen Regelung vorwegzunehmen. Immer wieder können wir beobachten, daß sie mit viel Geschick und viel Beharrlichkeit darauf ausgeht, solche Gelegenheiten zu schaffen.
Ich stelle die Frage: Wie hat die Regierung der Bundesrepublik auf diese französische Politik reagiert? Diese Frage ist nicht von der Beantwortung der Frage zu trennen, welche Rolle die Saar innerhalb der politischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung spielt und spielen muß. Ist für sie die Saar-Politik nur ein Punkt unter vielen anderen, wohl eine sehr wichtige Sache, aber doch nur ein relativ bedeutsames Anliegen, dem andere vorgehen könnten? Oder ist der endgültige Verbleib der Saar bei Deutschland für die Bundesregierung im Rahmen ihrer politischen Gesamtkonzeption ein prinzipales Anliegen, etwas, das der Relativierung nicht fähig ist, etwas, dem die Priorität vor anderen auch höchst bedeutsamen politischen Zielsetzungen zukommen muß? Dies muß so sein; denn sonst wird es nicht möglich sein, irgend etwas Großes und Europäisches wirksam und mit Aussicht auf dauernden Bestand zu schaffen.
Wenn es sich nur um Kohle, nur um Eisenhütten handelte — nun, dann könnte man vielleicht streiten. Aber es handelt sich um Menschen, es handelt sich um mehr als 900 000 Menschen,
denen man das Recht verwehren will, sich in Freiheit als Glieder des Volkes zu bekennen, zu dem sie nach ihrer Gedankenwelt und ihrer Geschichte seit je gehören. Da geht es um Absolutes. Da gibt es kein halb und halb, sondern da gibt es nur ja und nein und den Willen zur Konsequenz nach außen und nach innen.
Der Kampf um die Einheit Deutschlands, der doch ein Kampf um die Einheit Europas ist, kann nur geführt werden, wenn Recht überall Recht und Unrecht überall Unrecht ist und wenn die Regierungen diesem Wissen entsprechend handeln. Wenn wir uns dem Geschehen an der Saar gegenüber im Prinzip anders verhalten als gegenüber dem Geschehen im Osten — welche politische, juristische und moralische Legitimation haben wir dann noch für unseren Kampf um die geraubten Ostgebiete?
Dabei ist das Prinzip entscheidend. Ist dieses aufgegeben, kann man für die Sache selber nicht mehr streiten. Ich brauche hier nicht darzulegen — Ihnen gesagt, meine Herren da drüben ' —, daß die Lebensverhältnisse der Menschen an der Saar mit denen der Menschen im Osten nicht vergleichbar sind und daß ich hier keinen Vergleich ziehen oder auch nur anregen will.
Darum handelt die Bundesregierung nur dann richtig, wenn sie der Erhaltung der Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland innerhalb ihrer Politik eine zentrale Stellung einräumt — auch um Europas willen, das nur auf dem Fundament des Rechts aufgebaut werden kann, und weil man sich an Europa versündigt, wenn man — und sei es auch nur durch Unterlassen — die Hand dazu böte, daß sich durch blindes Verschulden drüben im Westen eine neue Irredenta bildet. Wir sollten nicht vergessen, welches Unglück über die Welt gekommen ist, weii man einmal einen Freistaat Danzig geschaffen hat!
Ich habe aus der Regierungserklärung den Eindruck gewonnen — und ich hoffe, daß ich mich diesmal nicht getäuscht habe —, daß die Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland für die Bundesregierung etwas Unabdingbares ist, demgegenüber es nichts ins Feld zu führen gibt. Ich freue mich, daß die Regierung dieser Meinung Ausdruck verliehen hat.
Eine solche Politik kann natürlich wie jede Politik nur im Rahmen der Mittel getrieben werden, die man hat.
— Aber, Herr Kollege, Politik ist nicht nur die
Kunst des Möglichen. Hinter diesem Satz kann
sich manchmal Phantasielosigkeit und Freude an
Untätigkeit verstecken. Politik ist vielmehr auch
die Aufgabe, das Notwendige möglich zu machen,
zum mindesten aber nichts dazu beizutragen, daß das Notwendige unmöglich werden könnte.
Nun, hat die Bundesregierung immer nach dieser Erkenntnis gehandelt? Sie sagt es.
Sie hat gewissen Warnungen gegenüber, die wir ausgesprochen haben, erklärt, daß sie die Maßnahmen, vor denen wir warnten, gerade um der` Saar willen treffe, deren Lage sie so bessern wolle und werde. Die Bundesregierung hat geglaubt, der Eintritt Deutschlands in den Europarat gleichzeitig mit Vertretern der Saar-Bevölkerung werde der französischen Politik an der Saar die Grundlage und die Intensität nehmen. Man sagte uns: Nun, sobald wir Deutschen in Straßburg sind, verliert auch die Frage der Zugehörigkeit des Saargebietes zu Deutschland jedes politische Interesse für die Franzosen. Wir hatten soviel Glauben nicht und haben gewarnt, die Franzosen würden diesen Schritt vielleicht dahin auswerten, daß die Bundesrepublik sich mit dem an der Saar geschaffenen Zustand abgefunden hätte. Man hat uns der Kleingläubigkeit dem Geiste Straßburgs gegenüber geziehen, und es fiel damals häufig das böse und törichte Wort von unserem angeblichen Nationalismus. Nun, am 20. Februar 1951 hat der französische Außenminister vor dem Senat erklärt, zwar habe die Bundesregierung das Saarland und die Saarregierung nicht anerkannt, aber das Bestehen des de-facto-Zustandes an der Saar sei unter anderem tatsächlich — nicht de iure, aber tatsächlich — durch die Bundesrepublik dadurch anerkannt worden, daß ihre Vertreter neben denen des Saargebiets auf den Bänken des Europarats Platz genommen haben.
Das ist deutlich, und es ist klar, daß der französische Außenminister damit etwas sagen wollte. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, daß er der Meinung sei, daß aus diesem Umstand, etwas ausgehe, wenn nicht Rechtswirkungen, so doch mindestens politische Wirkungen.
— Ich komme darauf noch zu sprechen, Herr Kollege Euler.
— Herr Kollege Kunze, ich habe Sie nicht verstanden; es tut mir leid, Ihnen darum nicht antworten zu können.
Übrigens eine Frage: Warum hat man denn auf diese Rede, die doch ein politisches Ereignis ersten Ranges war, ein Ereignis, das der Aufmerksamkeit der Bundesregierung nicht entgangen sein dürfte, nicht geantwortet?
Ich meine, dazu hätte man etwas sagen müssen,
etwas, das vielleicht wirksamer gewesen wäre,
Herr Euler, als nachträgliche Rechtsverwahrungen.
Und nun frage ich weiter: Will die Bundesregierung nicht im Hinblick auf Art. 26 des Europarat-Statuts, der davon spricht, daß die assoziierten Mitglieder Staaten sind, im Ministerrat Protest dagegen einlegen, daß dieser einen Beobachter der Saarregierung zugelassen hat? Sie kann das tun; denn als man uns eingeladen hatte, war nur davon die Rede, daß die Saar„ bevölkerung" vertreten werden sollte, und niemand sprach davon, daß man eine Saar„ regierung" in die Gremien des Europarats aufnehmen wolle.
Die Bundesregierung hat weiter geglaubt, durch die Unterzeichnung des Schumanplans die französischen Absichten auf die Saar dämpfen zu können. Man sagte: Wenn schon Kohle und Stahl in Europa gemeinsam verwaltet werden, welche praktische Bedeutung kann es dann für die Franzosen noch haben, daß die Saar zu Deutschland gehört? So sagte man uns, als wir warnten und darauf hinwiesen, was ein solcher Schritt alles zu präjudizieren vermöchte.
Unter anderem hatten wir gesagt, man werde durch die Unterschrift nicht umhin können, das Recht Frankreichs auf völkerrechtliche Vertretung des Saargebiets als eines selbständigen Landes zum mindesten faktisch anzuerkennen. Art. 79 des Montan-Vertrages nennt die Saar — in einer, wie ich glaube, unverfänglichen Weise; vielleicht ' aber hätte dieser Artikel besser anders formuliert werden sollen. Wir sagten, man werde so einen völkerrechtlichen Vertrag mit einem Teile des deutschen Staatsgebietes abschließen, der dabei durch einen Staat vertreten wird, der es von Deutschland loslösen will.
Als der Herr Bundeskanzler und sein Staatssekretär nach dem 18. April nach Bonn zurückkehrten, sagten sie uns, es sei ein großer Erfolg erzielt worden. Der Herr französische Außenminister habe nicht als völkerrechtlicher Vertreter des Saargebiets unterzeichnet, sondern — ich erinnere mich noch einigermaßen — die wirtschaftlichen Hauptinteressenten an der Saarwirtschaft hätten gewissermaßen gemeinsam die Montanindustrie der Saar in den gemeinsamen Pool eingebracht. Kurz darauf sagte der Außenminister Schuman: natürlich habe er mit Wirkung für das „Saarland" als französischer Außenminister unterschrieben, und es habe doch nicht anders sein können, denn es gehe doch bei der Montanunion um die Übertragung von Hoheitsrechten; und natürlich werde darum das Saarparlament die Montanunion zu ratifizieren haben!
Auch diese Erklärung ist, glaube ich, deutlich. Sie kam in Bonn manchem unerwartet; aber das konnte doch nur geschehen, weil man die Rede des französischen Außenministers vor dem Senat offenbar nicht gelesen hatte. Dort hat er am 20. Februar erklärt: „Auch wenn wir im Namen der französisch-saarländischen Wirtschaftsunion handeln, handeln wir im Namen zweier unterschiedener und unabhängiger Staaten."
Was dies an Bedrohlichem alles beinhaltet, brauche ich hier nicht auszuführen. Diese Erklärung kannte man oder mußte man kennen — und man hat trotzdem unterschrieben. Und nun frage ich, was man denn tun wird, wenn einmal die Ratifikationsurkunden hinterlegt werden, und wenn dann in der von dem französischen Außenminister vorgelegten Urkunde steht, daß das französische Parlament zugestimmt hat und daß nach Artikel soundso der Verfassung des Saarlandes auch das Saarparlament zugestimmt hat und daß infolgedessen die Montanunion nunmehr in Rechtswirksamkeit getreten sei. Wird denn durch einen solchen Akt nicht die völkerrechtliche Subjektivität des Saargebiets zum mindesten postuliert?
Und wie stand es mit der Meinung, durch die Unterstützung der Wirtschaftsunion verbessere man die deutsche Position an der Saar vom Wirtschaftlichen her? Am 13. Juni hat der Herr Bundeskanzler noch erklärt — ich lese nur den letzten Satz vor —: „Das Saarproblem verliert durch den Schumanplan in ganz großem Maße seine Bedeutung."
Nun, einige Tage nach der Unterzeichnung hat der französische Außenminister kundgetan, das Ziel der französischen Außenpolitik bleibe dasselbe; es sei nach wie vor auf die Schaffung eines unabhängigen Saarstaates gerichtet.
Und am 9. Mai, am Tage nach unserer Debatte in der Beratenden Versammlung über den Schuman-plan, hat. Herr Minister Robert Schuman den Brief an Johannes Hoffmann geschrieben, den Brief, auf Grund dessen die Partei verboten worden ist, von der wir heute so oft gesprochen haben, und auf Grund dessen das Recht auf freie politische Willensbildung an der Saar aufgehoben worden ist.
Das, meine Damen und Herren, sind die Realitäten. In der Politik gelten nicht unsere Vorstellungen von den Dingen, sondern die Tatsachen; denn diese und nicht jene bestimmen die Wirklichkeit, in der wir leben müssen.
Eine Zeitung, die unserer Partei im allgemeinen nicht wohlwill, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", hat zu diesen Dingen am 25. Mai geschrieben:
Die französische Regierung hat erst abgewartet, bis ihr die Unterzeichnung des Schumanplans sicher erschien, und dann hat sie im Saargebiet zugeschlagen, um jede Gegnerschaft gegen
. die Hineinführung in die französische Schutzherrschaft unmöglich zu machen.
Angesichts dieser Tatbestände kann man doch wohl nicht gut behaupten, daß die Außenpolitik der Regierung, daß die Art, wie sie geführt wurde, eine Verbesserung der deutschen Position an der Saar herbeigeführt habe.
Man weist gern auf den Notenwechsel hin, der dem Vertrag über die Montanunion beigegeben worden ist. Nun, was enthält dieser Notenwechsel? Er enthält die gegenseitige Erklärung, daß der endgültige Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag fixiert werden könne, und die gegenseitige Feststellung, daß die Unterschrift der deutschen Regierung nicht als juristische Anerkennung der Loslösung der Saar von Deutschland gewertet werden dürfe.
Nebenbei gesagt: In Saarbrücken — und nach der Presse zu schließen wohl auch da und dort in Paris — legt man diesen Briefwechsel anders aus als wir das in Bonn tun.
Dort legt man den Briefwechsel so aus, daß die deutsche Regierung durch diesen Notenwechsel verpflichtet sei, den jetzigen Status an der Saar bis zum Friedensvertrag — bis zum Friedensvertrag nur! — als Rechtszustand anzuerkennen. Herr Braun hat in einer der letzten Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates diesen Standpunkt vertreten. Ich halte diesen Standpunkt für unsinnig. Aber man sieht, auf welche Weise und aus was allem man Kapital zu schlagen versuchen kann.
Dieser Notenwechsel ist natürlich etwas und er hat seine Bedeutung; aber letzten Endes bringt er doch politisch nichts, was nicht schon mehrmals erklärt worden wäre. Aber wird denn. durch diese Rechtsverwahrungen das eigentliche Problem überhaupt getroffen? Das Problem ist doch nicht so sehr, daß man Rechtsansprüche nicht verschweigen darf — natürlich darf man das nicht, natürlich muß man deswegen Rechtsverwahrungen erheben —; aber das Problem ist doch: Handelt eine deutsche Regierung politisch richtig, wenn sie für die Dauer von 50 Jahren mit einem Staate eine so enge Bindung eingeht wie sie die Montanunion darstellt, mit einem Staate, der ihr offen erklärt ein wesentliches
Ziel seiner Politik sei, ein lebenswichtiges Stück aus dem Volkskörper Deutschlands herauszuschneiden,
und der heute schon alles tut, um durch Schaffung vollendeter Tatsachen gegen das Völkerrecht und gegen jeden echten Geist einer europäischen Politik, ja gegen den vorgegebenen Zweck der Montanunion sich der Erreichung dieses Ziels zu versichern.
Was kann nach dem Beitritt Deutschlands zum politischen System des Europarats denn das Ziel einer solchen Politik Frankreichs sein? Doch nicht mehr politische Sicherung gegen einen deutschen . Angriff; doch nicht mehr Sicherung des Bezugs von Kohle aus der Saar, die man angeblich für die Minette in Lothringen braucht; doch offenbar etwas anderes, etwas rein Politisches, das ich nicht anders deuten kann als Schwächung Deutschlands an und für sich, selbst eines Deutschland, das die Verfügung über seine Montanindustrie einer internationalen hohen Behörde übergeben hat, in der Deutschland von neun Mitgliedern zwei stellt. Will man da noch behaupten, daß diese Außenpolitik richtig gewesen sei und daß es heute noch richtig sei, sie fortzusetzen?
Ich weiß, man übt einen starken Druck aus, auch einen moralischen Druck. Auch in Straßburg wurde das getan, und André Philip iat uns dort gesagt: noch seien die Tränen der Mütter nicht trocken und wir sprächen von der Saar!
Nun: Glaubt man französischerseits, die Saar zur Befriedigung von Reparationsansprüchen fordern zu müssen? Aber: die Herauslösung von 900 000 Deutschen aus ihrem Vaterland hat mit Reparationen nichts zu tun!
Was Deutschland schuldet, hat Gesamtdeutschland zu leisten und dies in Geld und in Sachwerten, aber nicht in Menschen!
Und was die moralische Seite anlangt: ohne Zweifel, es gibt da eine moralische Seite und ein moralisches Problem, an dem wir schwer zu tragen haben und das wir nie außer acht lassen dürfen. Aber Unrecht macht man nicht durch Unrecht gut, und Unrecht wird nicht durch den Hinweis .auf größeres Unrecht zu Recht gemacht. Man wird sich drüben fragen müssen: Will man Deutschland gegenüber dem Bedürfnis nach Sühne, nach noch so gerechter Sühne Raum geben, oder will man ein tragfähiges Fundament für eine bessere Zukunft bauen? Wenn man dies will, nun, — dann muß man eben Politik machen, d. h. seine Maßnahmen im Hinblick auf ihre Auswirkungen in der Zukunft auswählen und nicht mit dem Blick auf die Vergangenheit.
Wir wissen, daß man der Bundesregierung gut zuredet. Vielleicht hat man ihr auch in Aussicht gestellt, daß nach den französischen Wahlen anderslautende Erklärungen abgegeben werden könnten. Wir hoffen nicht, daß die Bundesregierung glaubt, allein durch Zuschauen, durch gutes Zureden, durch Wiederholen ihres Rechtsstandpunktes, durch den Ausspruch ihres Bedauerns über das Geschehene, durch Noten, in denen man darum bittet, vertragsmäßige Zustände herzustellen, eine Politik umlenken zu können, deren Ziele und Methoden so eindeutig ein Kernstück einer so traditionsgebundenen Politik ausmachen, wie es die französische leider Gottes ist.
Und schließlich hat es ja etwas zu bedeuten, daß die Rücktrittsgesuche Monsieur Grandvals nicht angenommen worden sind und daß er, statt im Departement Moselle für die Partei des General de Gaulle zu kandidieren, weiter die französische Politik an der Saar zu betreiben haben wird.
Immer wieder versichert man uns, Frankreich wolle keine Annexion der Saar. Sicher will es das nicht.
Es wäre auch sehr ungeschickt, das zu wollen. Heute erzielt man denselben Effekt, zu dem man früher das schwerfällige Instrument der Annexion brauchte, auf andere Weise. Man separiert, macht autonom und setzt einen Hohen Kommissar ein.
Wenn dann noch Wirtschaftskonventionen dazukommen, was braucht man da noch viel zu annektieren? Ja, was kann man da noch viel annektieren?
Ich möchte darauf hinweisen, welche Haltung die französische Regierung eingenommen hat, als das Deutsche Reich der Weimarer Republik mit osterreich die Konvention über die Zollunion abgeschlossen hat.
Damals hat die französische Regierung erklärt; wenn ein kleiner Staat mit einem großen Staat in ein so enges wirtschaftliches Verhältnis trete, dann komme das praktisch dem politischen Anschluß gleich, auch wenn er nicht expressis verbis ausgesprochen sei.
Noch in seinem Brief vom 9. Mai hat der französische Außenminister gesagt, daß durch die Zoll- und Währungsunion mit Frankreich die politische Loslösung des Saargebietes von Deutschland vollzogen worden sei.
Was ist zu tun? Die Bundesregierung muß ihren Rechtsverwahrungen und ihrer Note ein Verhalten folgen lassen, das in der Logik dieser Rechtsverwahrungen liegt. Genügt es denn wirklich festzustellen, daß alle die Dinge, von denen wir heute sprechen, zeit- und personenbedingt seien? Was ist denn nicht zeit- und personenbedingt in der Geschichte? Genügt es wirklich zu sagen, man lasse sich durch diese Dinge von dem Bemühen, ein gutes Einvernehmen zwischen Deutschland und Frankreich herzustellen, nicht ablenken? Ja, wer von uns will denn nicht ein gutes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich?
Wer will denn nicht die Integration des Westens in den Vereinigten Staaten von Europa? Die Frage ist doch: Wie soll das geschehen? Die Frage ist doch: Was muß getan werden, damit dieses Werk wirklich gelingt und daß das Gebäude hält,
daß nicht nur ein Kartenhaus aufgebaut wird; die Frage ist doch, daß man von den Deutschen nicht Unterwerfung verlangen darf, eine Unterwerfung, die sich böse rächen müßte, wenn irgendeiner in Deutschland auf den Gedanken käme, man müsse drohen. Man kann doch wirklich nach all dem, was wir wissen, nicht mehr davon sprechen, daß man in Paris so sehr viel Verständnis für das habe, was an der Saar nötig sei. Nach dem Brief vom 9. Mai kann man das doch nicht mehr sagen. Man kann da doch nicht mehr sagen, daß der böse Jo-
hannes Hoffmann nur die guten Absichten störe, die man in Paris habe. Die Saarregierung kann doch nur tun, was Paris genehmigt oder vorschreibt.
Auch der Appell an unsere guten Nerven genügt nicht. Auch die besten Nerven können reißen. Es ist Sache der Politik einer Regierung, Verhältnisse zu schaffen oder vorzubereiten, die unsere Nerven nicht auf diese Zerreißprobe stellen. Es hat doch auch wenig Sinn, darauf hinzuweisen, daß man in Paris sieben Monate mit der Ratifizierung gewartet habe. Nun, ich glaube, da gibt es doch sehr deutliche Äußerungen der verantwortlichsten Männer in Paris, die sehr viel eindeutiger zu interpretieren sind als diese Sieben-Monats-Pause in den Arbeiten des französischen Parlaments. Wenn der französische Herr Außenminister in Paris gesagt hat, gewisse Saar -Konventionen — die politischen —'brauche man nicht zu ratifizieren und solle man nicht ratifizieren, denn man müsse in der Lage sein, sie durch einfache Vereinbarungen ohne Beteiligung der Parlamente rasch zu ändern, damit man sie rasch der Entwicklung anpassen könne, — wer erlaubt uns denn, nach all dem, was geschehen ist, davon auszugehen, der französische Herr Außenminister habe damit gemeint, es könne sich einmal darum handeln, sich an eine im deutschen Sinne gehenden Entwicklung anzupassen?
Ich glaube, er hat doch wohl eher gemeint, man müsse schnell handeln können, wenn die Entwicklung im Sinne der französischen politischen- Ziele geht.
Natürlich wird die Bundesregierung immer versuchen müssen, auf normalem Wege durch Vereinbarungen zu regeln,
was zwischen zwei Nachbarstaaten geregelt werden muß. — Daß ich das sage, Herr Kollege, sollte Sie nicht wundern!
Aber wenn Sie sich nicht endgültig der Möglich keit begeben wollen, eines Tages den Endkampf an der Saar mit Aussicht auf Erfolg zu kämpfen, dann müssen Sie künftig davon absehen, politische Bindungen von höchster Tragweite einzugehen, solange an der Saar nicht die Meinungsfreiheit und die politische und sonstige Koalitionsfreiheit hergestellt sind; und solange nicht durch solide Garantien sichergestellt ist, daß Frankreich seine endgültige Haltung von dem Ergebnis einer freien, unbeeinflußten Volksabstimmung abhängig machen wird,
und solange man in Paris nicht bereit ist, Fragen, die das Saargebiet betreffen, mit Bonn zu verhandeln, so' wie es das Völkerrecht verlangt.
Nur, wenn man dieses Junktim herstellt, wird es einen Sinn haben, die Mächte, die es angeht, um Verhandlungen zu bitten. Das zu fordern ist der Inhalt und Sinn unseres Antrags, den wir aus deutscher und aus europäischer Verantwortung heraus gestellt haben.
Der Herr Bundeskanzler hat einmal gesagt, wir müssen uns zentimeterweise vorwärts kämpfen. Das ist richtig, wenn man die Betonung nicht nur auf das Längenmaß, sondern auch auf das Verbum, nämlich auch auf „kämpfen" legt.
Wir müssen kämpfen. Kämpfen heißt eben, leider Gottes, zuweilen nein sagen, um den Platz für das gute Ja freimachen zu können.
Daß wir den Krieg verloren haben, ist eine Binsenwahrheit. Ihre Erkenntnis entbindet uns nicht von der Verpflichtung, den Bestand Deutschlands auch und gerade im Zuge einer europäischen Politik. zu wahren. Europa kann ja nur aus heilen Gliedern bestehen, wenn es dauern soll. Mit verstümmelten Gliedern wird es nie gedeihen:
Auch ein geschlagenes Volk hat Mittel: die Kräfte, die von seinem Willen zur Selbstachtung und Selbsterhaltung ausgehen. Und auch ein geschlagenes Volk hat Waffen: das Recht und die Festigkeit in der Verfolgung des Rechts. Nur durch sie schafft man dem Frieden und dem guten Willen der Menschen eine dauerhafte Stätte auf dieser Welt. Und auch einem geschlagenen Volk wird es nicht abgenommen, sich zu entscheiden. Die Entscheidungen, vor denen wir Deutsche noch lange stehen werden, werden von uns fast immer auch fordern, daß wir zwischen dem breiten bequemen und dem steilen schmalen Weg wählen. Immer wird die Versuchung an uns herantreten, den breiten Weg dem schmalen vorzuziehen. Hüten wir uns davor, eine Politik zu betreiben, bei der man gerade durch die Vorteile, die man am jeweils heutigen Tage einzuheimsen glaubt, das verlieren muß, worum es am Tage der Schicksalsentscheidung für Europa und für Deutschland gehen wird!