Es sind uns leider Fälle bekanntgeworden, daß Bewohner des Saargebiets, die nach Bonn gekommen sind, schweren Nachteilen ausgesetzt waren.
Der Chefredakteur der „Saarländischen Volkszeitung" hat deshalb seine Stellung verloren.
Ich darf auch auf den Fall eines Angestellten eines saarländischen Landratsamtes hinweisen, dessen Ausweisung damit begründet wurde, er sei mit Dr. -Schumacher im Briefverkehr gestanden.
Demgegenüber möchte ich wünschen, daß der Saarbevölkerung der Weg nach Bonn in Zukunft ebenso offensteht wie der nach Paris.
Wer aus dem Saargebiet Gedanken, Wünsche und Vorschläge an uns heranbringen will, der soll das tun, und er soll daran ebensowenig gehindert werden wie der Saarbewohner, der mit seinen Anliegen nach Frankreich geht.
Ich möchte aber nicht, daß hier nun wieder die gleiche Einseitigkeit entsteht, die das System des Ministerpräsidenten Hoffmann kennzeichnet. Ich würde es nur begrüßen, wenn die saarländischen
, Politiker, die das tun wollen, das gleiche tun würden, was wir auch tun. Auch sie sollten sich um ein Verhältnis zu Frankreich bemühen, das ihnen eine offene und freie Aussprache nach allen Seiten hin ermöglicht.
Ich möchte mich vorläufig auf diese Bemerkungen beschränken. Ich habe dabei die Stellung der Saarwirtschaft im Schumanplan mit Absicht nicht erörtert, weil ich möchte, daß die innenpolitische Lage im Saargebiet, die uns zunächst beschäftigt, eine einheitliche Stellungnahme dieses Hauses möglich machen wird, wie dies auch am 10. März des vergangenen Jahres der Fall war. Die Saarfrage kann nur dann 'zu einer guten Lösung gebracht werden, wenn sie nicht zu einer Parteifrage gemacht wird.
Bei der Erörterung des Gesetzentwurfes über die europäische Montanunion, den wir mit tunlichster Beschleunigung einbringen werden, werden sich die partei- und innenpolitischen Gegensätze mit aller Schärfe herausstellen. Hierbei wird selbstverständlich auch auf die Saarfrage zurückgegriffen werden müssen. Bis dahin wird es sich zeigen müssen, ob der durch das Verbot der Demokratischen Partei des Saargebietes ohne unsere Schuld durch die Saarregierung aufgeworfene Konflikt bereinigt werden kann. Wir werden uns auch auf allen uns zur Verfügung stehenden anständigen Wegen darum bemühen. Es wird uns auch eine Gewähr dafür gegeben werden müssen, daß das Recht der freien Meinungsäußerung über alle im Friedensvertrag zu lösenden Fragen für die Saarbevölkerung uneingeschränkt gewährleistet wird und daß damit unsere Auffassung von der Bedeutung des Briefwechsels vom 18. April Anerkennung findet.
Das Saargebiet wurde in seiner Eigenschaft als assoziiertes Mitglied des Europarates zur Unterzeichnung der Konvention des Europarates über die Menschenrechte und Grundfreiheiten zugelassen. Die Saarregierung ist verpflichtet, diesen Grundrechten in ihrem Bereich Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung wird die Aufmerksamkeit des Europarats auf die Tatsache lenken, daß die Saarregierung gegen diese Grundrechte verstoßen hat.
Auch die Alliierte Hohe Kommission wird gegenüber den Vorgängen im Saargebiet nicht untätig bleiben können.
Ich habe deshalb gestern dem geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission eine Note zugeleitet, in der unter anderem folgendes ausgeführt ist:
Die Bundesregierung hält die drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen für verpflichtet, auf die Entwicklung der Saarfrage Einfluß zu nehmen. Nachdem bei der Moskauer Außenministerkonferenz im Jahre 1947 eine Einigung über die von der französischen Regierung erhobenen Forderungen hinsichtlich des Saargebietes nicht erzielt worden war, sind die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und der Französischen Republik übereingekommen, daß das Saargebiet in das französische Zoll- und Währungsgebiet einbezogen werden soll. Sie haben in einem Protokoll vom 20. Februar 1948 die technischen Anordnungen klargestellt, die sich aus der wirtschaftlichen Angliederung der Saar an Frankreich ergeben. Aus diesem Protokoll, das die Alliierte Hohe Kommission der Bundesregierung auf deren Bitte am 12. März dieses Jahres zur Kenntnis gebracht hat, kann die Bundesregierung in
keiner Weise entnehmen, daß mit der Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet die politische Abtrennung des Gebietes von Deutschland verbunden sein sollte. Die These, daß die Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet nicht durchgeführt werden könne ohne eine gleichzeitige politische Abtrennung des Gebietes vom übrigen Deutschland, wurde niemals von allen Westalliierten angenommen, sebstverständlich auch nicht von der Bundesregierung. Die Präambel der Saarverfassung enthält zwar Bestimmungen über die politische Abtrennung des Gebietes vom übrigen Deutschland, aber abgesehen von den Tatsachen, die inzwischen über die Umstände, unter denen die Wahlen zum saarländischen Landtag stattgefunden haben, bekanntgeworden sind, kann ein solcher Landtagsbeschluß eines nicht souveränen Territoriums keine völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Wirkungen, die sich auf Deutschland erstrecken sollen, bewirken.
Dieser Ansicht sind offenbar die drei Westalliierten Regierungen ebenfalls, da sie ja trotz dieser Präambel der Bundesregierung immer wieder erklärt haben, daß die endgültige Regelung der Saarfrage dem Friedensvertrag vorbehalten bleibt. Hierüber wurde auch anläßlich der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Paris am 18. April dieses Jahres zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung in einem Briefwechsel ein Einvernehmen erzielt. In diesem Briefwechsel, der einen integrierenden Bestandteil des Vertragswerks bildet, sind die beiden Regierungen übereingekommen, daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Diese Vereinbarung schließt weiter in sich, daß an der Saar nichts geschehen darf, was der Regelung im Friedensvertrag vorgreift und diese so zu einer inhaltlosen Geste macht.
Die Regierung der französischen Republik
— so heißt es in dieser Note an die Hohe Kommission zwecks Weitergabe an die westalliierten Regierungen
die sich in dem Briefwechsel vom 18. April ihren eigenen Standpunkt bewahrt hat, würde nicht nach den Grundsätzen des Briefwechsels vom 18. April handeln, wenn sie die Bestrebungen der Saarregierung unterstützen würde, die darauf hinauslaufen, jede Erörterung über die endgültige Lösung der Saarfrage im Friedensvertrag durch die Bevölkerung des Saargebietes vor dem Zustandekommen des Friedensvertrages zu unterbinden. Selbst wenn man die Vorschriften der Präambel als einen integrierenden Bestandteil der Verfassung des Saargebietes ansehen will, so ist es doch in keinem demokratischen Staat der Welt einzelnen Gruppen oder .Parteien verwehrt, über Wert oder Unwert bestimmter Verfassungsvorschriften, soweit es sich nicht um die demokratische Grundordnung selbst handelt, zu diskutieren ,und auch Vorschläge für die Änderung der Verfassung auf legalem Wege zu machen.
— Ach, Sie alter „Demokrat", seien Sie doch ruhig!
Die Saarregierung hat durch zahlreiche Gesetze
— so fährt die Note fort —,
die in der Öffentlichkeit vielfach unbemerkt blieben, weil im Saargebiet keine oppositionelle Presse geduldet wird, sich die Mittel zur Unterdrückung jeder ihr nicht genehmen politischen Meinung geschaffen. Hierher gehören die Verordnung über die Regelung des Versammlungswesens im Saarland vom 24. Februar 1948, die Verordnung über die vorläufige Regelung des Pressewesens vom 9. März 1948, das Gesetz über den Aufenthalt im Saarland vom 29. Juli 1948, das Gesetz zur Abänderung des Strafgesetzbuches vom 9. Juli 1950 sowie die zur Zeit dem saarländischen Landtag zur Beratung vorliegenden Gesetze zum Schutz der demokratischen Ordnung des Saarlandes, über die Zulassung politischer Parteien und über den Schutz des saarländischen Arbeitsmarktes. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu wollen, muß im vorliegenden Zusammenhang wenigstens darauf hingewiesen werden, daß im Saargebiet politische Parteien nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Regierung mit Zweidrittelmehrheit des Landtages zugelassen werden können. Dies bedeutet praktisch die Ausschaltung jeder der Regierung nicht genehmen Opposition.
Der politische Druck, unter dem die Saarbevölkerung steht, findet' in der polizeilichen Überwachung aller Versammlungen und in einer mit aller Gründlichkeit durchgeführten Telefon- und Postüberwachung im Hinblick auf das auch in der Saarverfassung anerkannte Grundrecht der Freiheit der politischen Meinungsäußerung
— Manchmal glaube ich, Sie sind Beauftragter des Herrn Hoffmann.
Da es im Saargebiet in den vier Jahren nicht möglich war, eine ordentliche Verwaltungsgerichtsbarkeit zu schaffen, besitzt die Saarbevölkerung auch keine Rechtsmittel zur Wahrung ihrer staatsbürgerlichen Rechte.
Die Bundesregierung sieht in dem Verbot der Demokratischen Partei eine Schlechterstellung einer politischen Gruppe, die in Hinsicht auf den im Friedensvertrag oder einem gleichartigen Vertrag zu regelnden Status der Saar eine andere Ansicht vertritt als die Saarregierung.
Die Bundesregierung bittet die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen, die infolge der Besetzung Deutschlands und durch das Abkommen vom 20. Februar 1948 über die Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet die Verantwortung für die Wahrung der demokratischen Grundrechte an der Saar übernommen
5672 Deutscher Bundestag — 144. Sitzurig. Soria, Mittwoch, den 30. Mai 1951
haben, die geeigneten Schritte zu unternehmen, damit im Saargebiet die uneingeschränkte Freiheit der Meinungsäußerung und der Willensbildung hinsichtlich der Fragen hergestellt wird, die im Friedensertrag ihre endgültige Regelung finden sollen.
Ich zweifle nicht daran, daß die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen dem Standpunkt der Bundesregierung Verständnis entgegenbringen werden. Wir fordern die Freiheit der politischen Meinungsäußerung und Willensbildung für die Saar und die Beseitigung aller gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Beschränkungen, gen, die dieser Freiheit heute im-Wege st hen.
Ich hoffe, daß das Hohe Haus der Regierung hierbei seine uneingeschränkte Zustimmung geben wird.
Präsident, Dr. Ehlers: Zur Begründung der Interpellation der Abgeordneten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen, Drucksache Nr. 2115, hat das Wort der Abgeordnete, Strauß.
Strauß , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorgänge an der Saar im Laufe der letzten Jahre, in zunehmendem Maße im Laufe der letzten Monate und in wesentlichem Maße im Laufe der allerletzten Zeit haben die Berechtigung der Interpellation der Abgeordneten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen, Drucksache Nr. 2115, in vollem Umfange bestätigt.
Diese Interpellation ging nicht von der Zielsetzung aus, irgendwelche Gegensätze zu verschärfen. Sie diente nicht de Arbsicht, das europäische Gespräch, das bei den Verhandlungen in Paris in erfolgreicher Weise- geführt wurde, auch nur irgendwie zu belasten. Sie hatte in keiner Weise die Absicht vof Augen, etwa das wiedererwachende Vertrauen zwischen dem deutschen Volke und dem französischen Volke in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen oder zu stören. Wohl aber sollte diese Interpellation in der deutschen Öffentlichkeit und auch draußen über die wirklichen Vorgänge an der Saar Klarheit schaffen, und sie sollte als Warnung dienen, um eine Entwicklung zu verhindern, die weder für die Saarbevölkerung noch für Deutschland noch für Frankreich von Vorteil sein kann.
Diese Interpellation ist durch die Erklärung des Herrn Johannes Hoffmann ausgelöst worden, daß der französische Außenminister den Schumanplan nach seiner Vorstellung mit doppelter Unterschrift unterzeichnen werde. Gerade nach dieser Erklärung des Herrn Johannes Hoffmann über die doppelte Unterschrift Frankreichs unter den Schumanplan gewinnt die Tatsache, daß der französische Außenminister nur einmal unterschrieben hat, und erhält der Notenwechsel vorn 18. April im Sinne eines Erfolges der Bundesregierung eine besondere Bedeutung.
Außerdem ist diese Interpellation durch die immer stärkeren Anzeichen von undemokratischen und sogar diktatorischen Maßnahmen zur Unterdrückung einer jeden echten Opposition im Saargebiet ausgelöst worden.
Damit über den Hintergrund der Gesinnung, in der wir uns mit diesen ernsten Sorgen an die Bundesregierung gewandt haben, kein Zweifel auftreten kann, stellen wir in der Rangfolge der Größenordnung unserer Lebensfragen und unserer Schicksalsnotwendigkeiten uns heute ganz -klar vor Augen, daß die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa, vorbereitet durch eine Wirtschaftsunion der europäischen Staaten, für uns den Vorrang Nummer 1 hat.
Die dafür nötigen Vorarbeiten und Voraussetzungen dürfen aber nicht durch die Politik der Saarverwaltung, die sich etwas hochtrabend mit dem Titel „Regierung" bezeichnet, gestört werden.
Auch die sogenannte Saarregierung muß sich der Größenordnung Nummer 1, der Schaffung Europas, beugen und darf nicht aus der treuhänderischen Verwaltung der Saar eine Saarpolitik und aus der Saarpolitik ein politisches und persönliches Saargeschäft machen.
Am 6. Juni 1947, als in München die Ministerpräsidentenkonferenz begann, traf dort ein Telegramm der damaligen Regierungskommission der Saar, unterzeichnet von dem Generalsekretär Kuchenbecker, ein, daß die saarländische Wirtschaft nach Frankreich orientiert sei und sich immer mehr dorthin orientieren werde. Deshalb sei die Entsendung eines Vertreters zur Münchener Ministerpräsidentenkonferenz zweck- und gegenstandslos. Dies geschah ein halbes Jahr vor dem sogenannten Wirtschaftsanschluß an Frankreich. Uns interessiert an dieser Tatsache in Erinnerung an die damalige Konferenz gerade, daß die Separatisten des Westens überhaupt nicht erschienen sind und die Separatisten des Ostens sich von der Konferenz entfernt haben.
Herr Kuchenbecker ist heute Präsident des saarländischen Verwaltungsgerichtshofes, der mangels Gesetz keine Tätigkeit ausüben kann. Herr Kuchenbecker soll demnächst auch über die Gesetzmäßigkeit des Verbots der Demokratischen Partei des Saarlandes mitentscheiden.
Zweitens darf ich nun auf die im Oktober 1947 stattgefundenen Landtagswahlen eingehen. Diese Wahlen haben ausschließlich zu dem Zweck stattgefunden, einen Landtag aufzustellen, und dieser Landtag sollte die von einer 20 -Männer-Kommission vorbereitete Verfassung annehmen. Das Ergebnis der Landtagswahlen von 1947 wird heute von der Saarregierung und einigen französischen Persönlichkeiten mehr und mehr zu einem Volksentscheid umgedeutet und mißbraucht, als ob damals gleichzeitig die Abtrennung von Deutschland durch die Bevölkerung gebilligt worden wäre. Diese Wahl stand unter dem Eindruck des Hungers, der an der Saar noch künstlich verschärft worden war, und unter der Hoffnung einer wirtschaftlichen Besserung nach der Abtrennung von Deutschland und dem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich. Die Wahl stand ferner unter dem Druck von mehreren Ausweisungswellen der Jahre 1946 und 1947. Die Wahlen trugen, intern gesehen, gemeindepolitischen Charakter und hatten viellicht kulturpolitische Bedeutung. Sie werden heute umgefälscht als Plebiszit für die Loslösung von Deutschland. Wir müssen dazu ausdrücklich und eindringlich feststellen: Eine Volksabstimmung über eine Volkszugehörigkeit hat nach dem Sinn der Atlantik -Charta im Saargebiet seit 1945 niemals stattgefunden.
Eine solche Volksabstimmung, wenn dieses Wort heute hier ausgesprochen wird, kann nur in einer Fragestellung vorgelegt werden, und diese lautet: Bist du für eine Abtrennung von Deutschland? Sie kann nicht in der Fragestellung vorgelegt werden: Bist du für eine Rückkehr oder für einen Wiederanschluß an Deutschland?, weil das Saargebiet völkerrechtlich niemals von Deutschland getrennt worden ist und weil mit einer solchen Fragestellung de jure eine Abtrennung des Saargebiets von Deutschland nachträglich anerkannt würde, obwohl sie nie stattgefunden hat.
In diesem Zusammenhang darf ich mich auf das Zeugnis eines französischen Professors, Georges Scelle, Direktor des Instituts für internationales Recht und Professor an der Sorbonne in Paris, berufen. Er unterscheidet in seinen Ausführungen bei den. Volksabstimmungen zwischen dem Begriff der Bestätigung und dem Begriff der Entscheidung, und er sagt über die Bestätigung folgendes:
Die ersteren,
— die Bestätigungen —,
welche in der Vergangenheit am häufigsten angewandt worden sind, dienen nur dazu, um Abtrennungen und einseitige Annexionen oder bereits getroffene Maßnahmen zu bestätigen, welche von den Regierungen bereits durchgeführt sind. Es sind dies wirkliche Augentäuschungen, denn die Regierungen greifen zu diesen Volksbefragungen nur, wenn sie ihrer sicher sind, und es gibt kein Beispiel dafür, daß durch sie jemals etwas an bereits vollendeten Tatsachen geändert worden wäre. Am häufigsten werden diese bestätigenden Volksbefragungen von annektierenden Regierungen vorgenommen und ausgeführt unter der Kontrolle ihrer Handlanger, ja selbst unter dem Zwang einer militärischen Besatzung.
Wenn heute von einer freien Entscheidung des Saarvolkes die Rede ist, dann kann es sich nicht um die Bestätigung einer Maßnahme der Vergangenheit handeln; es , kann sich lediglich um eine freie Entscheidung über die Lösung für die- Zukunft handeln.
Diese freie Entscheidung über eine Lösung für die Zukunft ist im Sinne der Atlantik-Charta auch — und wir wagen das zum Ausdruck zu bringen — ein Präjudiz für den Geist und für den Inhalt, den der Friedensvertrag in dieser Frage haben muß.
Im Zusammenhang mit den Landtagswahlen darf ich auch noch aufs das Schreiben eingehen, das bereits in der Regierungserklärung erwähnt worden ist, das Schreiben, welches der katholische 'Dechant Braun im Auftrage sämtlicher Dechanten und Pfarrer des Saargebietes an die Regierung gerichtet hat. Er stellt im letzten Absatz der Erklärung ausdrücklich fest — und dieses Schreiben stammt erst vom 26. März 1950 —:
Bis heute ist das Saarvolk — wie auch Léon - Blum ausdrücklich bekannte — noch nicht klar und eindeutig über seinen außenpolitischen Willen befragt worden, so daß die übliche amtliche Auslegung der bisherigen drei Wahlergebnisse als politische Willenskundgebung des Saarvolkes nicht einer objektiven Interpretation entspricht.
Um zu verhindern, daß die Politik einer kleinen Clique um Herrn Hoffmann herum an der Saar zu einer Trübung des deutsch-französischen Verhältnisses und für persönliche Zwecke im klaren Widerspruch zum Willen der Bevölkerung mißbraucht wird, haben wir in dieser Interpellation die dort aufgeführten Fragen gestellt.
Ich darf zur Frage. Nr. 1 folgendermaßen Stellung nehmen. Im Saargebiet ist bis heute keine echte Gewaltenteilung eingeführt, wie es in einer normalen Demokratie üblich ist. Freiheit der Presse, Freiheit der Versammlung, Freiheit der Vereinigung, Freiheit der Meinung, Freiheit der Person, Wahrung des Fernsprech-, Post- und Telegrafengeheimnisses sind in der saarländischen Verfassung formal niedergelegt, werden aber. bis zur gegenwärtigen Stunde häufig und in schwerwiegenden Fällen immer wieder gebrochen. Die Verwaltung nimmt dort Vollmachten der Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch, indem sie z. B. — ohne dafür zuständig zu sein — Parteiverbote erläßt und Haussuchungen vornimmt. Die Gesetzgebung übernimmt Aufgaben der Gerichtsbarkeit, indem nach dem Gesetz betreffend die Bildung einer Verfassungskommission über die Erklärung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen sowie über die Auslegung und Interpretation von Verfassung und Gesetzen eine Kommission entscheidet, in der ausschließlich Abgeordnete Stimmrecht haben. Das heißt doch nichts anderes, als daß man den Teufel bei seiner Großmutter verklagt
oder daß der Delinquent über die Frage „schuldig oder nicht" selbst zu Gericht sitzen kann. Ich darf mich bei dieser Frage auf das Zeugnis eines saarländischen Landtagsabgeordneten selbst berufen, der bei der Debatte über die Bildung dieser Verfassungskommission folgende Äußerung gebraucht hat:
Meine Damen und Herren, machen Sie, was Sie I wollen. Das Schlimmste neben der Diktatur der Einzelpersönlichkeit ist die Parteidiktatur. Daran gehen Staaten genauso zugrunde wie an einer Diktatur des Einzelnen.
Und er sagte in diesem Zusammenhang weiter: Wenn so selbst die Verfassungskommission gegen die Verfassung gebildet werden kann, dann Gnade Gott der Demokratie, die wir erst schaffen wollen, und der Verfassung, die wir dem Volk geben.
Es gibt im Saargebiet keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wohl besteht ein Verwaltungsgerichtshof, der aber bis jetzt nicht tätig werden kann, weil bisher kein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann nur in Wahlangelegenheiten tätig werden. Dieser Verwaltungsgerichtshof soll jetzt ohne gesetzliche Grundlage über etwas entscheiden, was ihm unter Berücksichtigung der Natur einer echten Demokratie in keinem Falle zustehen kann. Er soll über die Rechtmäßigkeit des Verbotes der Demokratischen Partei des Saarlandes entscheiden. Darüber kann nur ein Verfassungsgerichtshof entscheiden. Herr Hoffmann will nun einen- Verfassungsgerichtshof einrichten — der Antrag dafür ist im saarländischen Landtag eingebracht worden —, er soll aber mit drei Nichtparlamentariern und vier Parlamentariern besetzt werden. Die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die Verfassungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Anordnungen der Regierung kann nur durch einen echten Verfassungsgerichtshof festgestellt werden.
Wir haben im Saargebiet eine vorläufige Presseordnung vom Jahre 1948. Sie enthält Lizenzzwang, stäidige Verbote, Es gibt keine Rechtsmittel da-
5674 Deutscher ,Bundestag — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951
1 gegen, da bisher kein Verwaltungsgerichtshof für solche Fragen zuständig ist. Darum kann die Opposition an der Saar keine Zeitung erhalten. Die SPS, die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes, stellt in unseren Augen auch keine echte Opposition in diesem Sinne dar, sondern in den meisten Fragen eine seiner Majestät gehorsamst untertänige Opposition, die den Mund nur so weit aufmachen darf, wie vorher abgesprochen worden ist und wie es ausreicht, um bei Naiven den Glauben an die Existenz einer Opposition hervorzurufen.
Diese Opposition hat bisher genau so Verfassungs-
und Verwaltungsmaßnahmen der Regierung gebilligt. Für die echte Opposition gibt es keinen Zugang zum Rundfunk, der von der Regierung und ihrer Partei ständig gebraucht wird.
Theoretisch haben wir im Saargebiet die Versammlungsfreiheit. Jede Versammlung muß angemeldet werden. Sie wird von uniformierter und Kriminalpolizei vor und hinter dem Vorhang überwacht. Reden werden mitstenographiert, Autos, die vorfahren, werden notiert. Die Versammlung der DPS ist am 6. Mai wegen Beunruhigung der Bevölkerung verboten worden.
Wir haben im Saargebiet formal auch die Vereinsfreiheit. Das Verbot der DPS ist auf Grund von angeblicher Verfassungswidrigkeit verhängt worden, weil durch sie vor Abschluß eines Friedensvertrages eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes angestrebt worden sei. Der MRS, die Bewegung zum Anschluß des Saarlandes an Frankreich — was ja auch eine Vorwegnahme der endgültigen Regelung bedeuten würde —, ist nicht verboten worden, obwohl er offen den politischen Anschluß des Saargebietes an Frankreich propagiert hat. Der MRS braucht nicht verboten zu werden. Er hat Schiffbruch erlitten trotz des Gewissenszwanges, der bezüglich der Mitgliedschaft ausgeübt worden ist.
Als wir — Abgeordnete der CDU/CSU, der FDP und des Zentrums — am Abend des 5. Mai zum Besuch der Kundgebung der Demokratischen Partei des Saarlandes in das Saargebiet einreisen wollten, wurden wir trotz Vorhandenseins aller benötigten Papiere durch saarländische Kriminalpolizei angehalten und mit einem Aufenthaltsverbot von 48 Stunden belegt. Für den ganz hinterhältigen Fall, daß einer dieser Teilnehmer über ein französisches Visum verfügen und unter dem Vorwand einreisen sollte, nur durchreisen und nach Frankreich weiterreisen zu wollen, hat man vorsorglich motorisierte Verkehrsstaffeln bereitgestellt, um uns das Geleit bis zur französischen Grenze zu geben!
Bei einem meiner früheren Aufenthalte im Saargebiet hat mich ein Beamter um folgendes gebeten: Wenn eines Tages wiederum die Grenze zwischen dem Bundesgebiet und dem Saargebiet fallen sollte, die Grenze, die von Separatisten gegen den Willen des Volkes errichtet worden ist, dann möge man ja nicht die Zugehörigkeit zum MRS, zur Anschlußbewegung an Frankreich, bei saarländischen Beamten zu Maßnahmen gegen sie verwerten, weil sie durch ihre Vorgesetzten dazu gezwungen worden seien.
Er hat damit die Bitte ausgesprochen, ihnen vor einer eventuellen Spruchkammer später nicht die Zugehörigkeit zum MRS formal oder praktisch zur Last zu legen, und er hat mich noch dringlicher gebeten, ja nicht etwa seinen Namen zu nennen.
Nach der saarländischen Verfassung besteht auch I das Postgeheimnis. Das Postgeheimnis ist dort nicht mehr als ein paar Worte ohne jeden Begriff und ohne jeden Inhalt. Noch wird nach wie vor im Saargebiet jedes interessante Telefongespräch abgehört, noch werden Briefe zensiert. Selbstverständlich ist, daß das Telegrafengeheimnis nicht gewahrt wird. Es geht hier in diesem Zusammenhang auch nicht um die Frage, ob das durch saarländische Beamte oder durch französische Organe geschieht. Wesentlich ist die Tatsache, daß dieser Bruch des Postgeheimnisses in der Hauptsache deshalb ausgeübt wird, um alle Beziehungen und Verbindungen zwischen dem Saargebiet und Deutschland zu unterbrechen, so schwierig wie möglich zu machen, sie unter eine stille, latente Drohung zu stellen und letzten Endes damit politische Wirkungen zu erzielen.
Wir hören auch, daß an der Saar die Freiheit der Person gelten soll. Ich sagte schon vorhin im Zusammenhang mit den Landtagswahlen, daß die Ausweisungswelle im Jahre 1946 und 1947 bereits dazu gedient hat, die Landtagswahlen vorzubereiten. Wir haben bei der Abfassung unserer Interpellation ganz besonders an diesen Punkt, die Freiheit der Person, gedacht. Der hoffmannhörige Chefredakteur, der Verbreiter von Hoffmanns Erzählungen und Phantasien in der „Saarländischen Volkszeitung", Herr Dorscheid, hat dieser Interpellation entgegengehalten, daß wir falsch informiert seien, daß nur Kommunisten und Funktionäre des sowjetzonalen Sicherheitsdienstes ausgewiesen worden seien.
Zu dieser Behauptung der saarländischen, Regierungsstimme, als die man die SVZ wohl bezeichnen kann, darf ich nur zwei Dinge verlesen, einmal eine. Bekanntmachung der Militärregierung. Sie stammt vom 6. Juli 1946. Dort heißt es:
Am Dienstag wurde im Saargebiet eine Polizeiaktion von nicht unerheblichen Ausmaßen durchgeführt. Diese Maßnahmen hatten den Zweck, eine gewisse Anzahl Familien nicht saarländischer Herkunft, deren Mitglieder in der Nazipartei eine wichtige Rolle spielten, aus dem Saargebiet zu entfernen. Diese Familien wurden angewiesen, sich in der Provinz Württemberg niederzulassen. Sie sind nicht Gegenstand einer Internierungsmaßnahme und haben ferner die Möglichkeit, in aller Freiheit Nachrichten nach der Saar zu übermitteln.
Zu dieser Ausweisung nimmt das State Department der USA im Jahre 1948 in folgender Weise Stellung:
Diejenigen, welche sich der gegenwärtigen Tendenz am entschiedensten feindselig zeigten, — der Tendenz der Saarregierung —
wurden aus dem Saarland ausgewiesen. Diese Aktion kam auf ihren Höhepunkt im Juni 1947, als ungefähr 1500 Familien aus der Saar vertrieben und in andere Teile der französischen Besatzungszone zerstreut wurden.
Ein Opfer dieser Ausweisung, die angeblich nur Kommunisten und sowjetzonale Sicherheitsleute erfaßt hat, ist unter anderem auch der katholische Pastor Burgarten geworden. Pastor Bungarten hat zu der Behauptung des Herrn Dorscheid, daß nur Kommunisten und Sicherheitsorgane der sowjetzonalen Institutionen ausgewiesen worden seien, Stellung genommen. Er hat wegen der Behauptung des Herrn Dorscheid angefragt. Herr Dorscheid schreibt nämlich:
Uns wäre es interessant, einmal zu erfahren welche deutschgesinnten Staatsbürger ausgewiesen oder der Freiheit beraubt wurden. Er wird uns die Antwort schuldig bleiben.
Gemeint bin damit ich, der Abgeordnete Strauß. Die Antwort darauf gibt der katholische Pastor Bungarten. Pastor Bungarten, der vom Gauleiter Bürckel im „Dritten Reich" wegen seiner Einstellung gegen das Regime des Dritten Reiches bereits zweimal aus dem Saargebiet ausgewiesen wurde, der im Laufe des Dritten Reiches wegen seines Kampfes gegen die Diktatur, gegen den Nationalsozialismus, ständig unter Polizeimaßnahmen litt und unter Polizeidruck lebte, fragt die Saarregierung:
Wollen Sie behaupten, daß ich ausgewiesen wurde als kommunistischer Funktionär oder als Angehöriger des SSD? Wollen Sie im Ernst weiterhin behaupten, daß keine deutschgesinnten Saarbürger ausgewiesen wurden, sondern nur kriminell belastete oder bolschewistische Elemente?
Stufen Sie mich aber nicht in die Gruppe der kriminellen oder bolschewistischen Ausgewiesenen ein, dann frage ich Sie folgendes: Sind Sie bereit, nun einmal endlich in aller Offentlichkeit die realen Gründe meiner Ausweisung vom 6. Januar 1948 bekanntzugeben? Sind Sie bereit, in aller Öffentlichkeit zu bekennen, ob Sie oder jemand anderes die Verantwortung für meine Ausweisung aus dem Saarland trägt? Sind Sie bereit, mir, dem 76jährigen, endlich das elementarste Recht eines Staatsbürgers zu gewähren, wieder in das Saargebiet, die Stätte meiner 23jährigen Seelsorgertätigkeit zurückzukehren, um dort zu verweilen, oder wollen Sie in die Fußtapfen des NSDAP- Gauleiters Bürckel treten, der mich zweimal aus der Saar entfernen ließ, dessen Unrecht verewigen und dessen Brutalität noch übertreffen?
Mit dieser ausführlicheren Darstellung des Falles Bungarten wollte ich nur einmal beweisen, daß die Antwort der Regierung des Saarlandes in der. SVZ auf unsere Interpellation nichts anderes ist als ein ganz kläglicher Versuch, sich um eklatante Tatsachen herumzudrücken und ebenso eklatante Lügen zu verbreiten.
Es gibt noch eine Reihe von Fällen, deren Darstellung hier zu weit führen würde. Erst im November 1950 ist auch der Diözesan -Jugendseelsorger des Bistums Trier ausgewiesen worden. Wir sind wohl darüber informiert, warum Pastor Bun-garten ausgewiesen wurde. Es geschah deshalb, weil er an den Heiligen Vater wegen des Verbleibs bei den angestammten Bistümern Trier und Speyer einen von mehr als 300 Priestern unterschriebenen Brief gerichtet hat. Aus diesem und aus keinem anderen Grunde ist Pastor Bungarten ausgewiesen worden. Wenn wir dafür noch eine Bestätigung bräuchten, würden wir sie finden, indem wir einmal die Stimme eines französischen Abgeordneten, der dort der Vorkämpfer der französischen Saarpolitik antiquierten Stiles ist, vernehmen. Am 20. Oktober 1950 erklärte dieser Abgeordnete Jaques Bardoux, Präsident der Französisch-Saarländischen Vereinigung von vor 1935, Präsident der franco-saarländischen Freundschaftsgruppe, führender Saarpolitiker Frankreichs in der Nationalversammlung:
Die Saar hat noch keinen Bischof. Auf Grund
der Intervention der französischen Regierung
hat der Heilige Stuhl einen Apostolischen Visitator ernannt; aber es handelt sich um einen Visitator, nicht um einen Apostolischen Administrator. Indessen üben die Bischöfe jenseits d?r saarländischen Grenze ihre Autorität auf kirchlichem Gebiet noch frei aus. Es ist für niemand ein Geheimnis, daß diese Autorität sich auch auf politischem Gebiet auswirkt, und zwar in 'einem der saarländischen Autonomie und der franco-saarländischen Zusammenarbeit feindlichen Sinne. Die Einsetzung eines saarländischen Bischofs muß deshalb die erste Voraussetzung einer saarländischen Selbständigkeit sein. Sie muß durch den saarländischen Ministerpräsidenten mit Unterstützung der französischen Regierung vom Vatikan gefordert werden.
Meine Damen und Herren, nach dem im Saarland geltenden Strafprozeßrecht bedarf es zu jeder Haussuchung eines richterlichen Untersuchungsbefehls. Beim Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes haben sich die Herren geweigert, in die Haussuchung einzuwilligen. Sie wurden unter Androhung der sofortigen Verhaftung gezwungen, die Haussuchung bei sich vornehmen zu lassen. Mir ist beim Lesen dieser Nachricht ein Vorgang in Erinnerung gekommen, der sich bei uns in Bayern in den letzten Tagen ereignet hat. Dort haben 600 Polizisten auf Grund eines richterlichen Untersuchungsbefehls das Ausländerlager, das sogenannte Valka-Lager in Nürnberg durchsucht. Dieses Lager ist eine Unterbringungsstätte von vielen politischen Flüchtlingen aus der Tschechoslowakei, es ist aber auch Asyl für eine Reihe von schwer kriminellen Elementen und gleichzeitig ein Unterschlupf für Waffen geworden, mit denen Verbrechen gegen Leben und Eigentum begangen werden. Die amerikanische Militärregierung in Bayern hat das Vorgehen der Polizei als verfassungs- und gesetzwidrig bezeichnet, weil nicht jeder der 600 Polizisten einen Durchsuchungsbefehl bei sich in der Tasche gehabt hat.
— Ich glaube, die waren längere Zeit Ihre Freunde, Herr Kollege.
— Wenn Sie mir Ihren Informationsdienst zur Verfügung stellten, wäre ich genau so gut informiert wie Sie.
Im Zusammenhang mit dem Verbot der DPS und den darauf folgenden Maßnahmen darf ich wohl noch einmal kurz auf die eigenartige Angelegenheit zu sprechen kommen, die mit dem sogenannten Schuman-Brief zusammenhängt. Am 5. Juni dieses Jahres hat Herr Hoppe, der gegenwärtige Leiter des saarländischen Informationsamtes, ehemaliger kommunistischer Landtagsabgeordneter, erklärt, daß enge Beziehungen zwischen der Demokratischen Partei des Saarlandes und der Sozialistischen Reichspartei bestünden. Am 6. Mai wurde die Kundgebung der Demokratischen Partei des Saarlandes verboten. Am 7. Mai wurden in Straßburg durch eine unbekannte Dame Abschriften eines Telegramms in englischer Sprache an die gesamte Presse mit Ausnahme der deutschen Presse verteilt, eines Telegramms, das Herr Dr. Dorls und Herr Remer im Namen der Sozialistischen Reichspartei an den Generalsekretär des Europarats geschickt haben sollen und in dem sie gegen das Verbot der DPS protestiert und ihre
Solidarität mit der Demokratischen Partei des Saarlandes erklärt haben sollen. Die sofort aufgenommenen Nachforschungen haben ergeben, daß dieses Telegramm niemals beim Generalsekretär des Europarats eingetroffen ist. Herr Dr. Doris hat sich bereit erklärt, in einer vor dem Notar aufgenommenen eidesstattlichen Versicherung zu erklären, daß dieses Telegramm nie abgesandt worden sei, daß zwischen ihm und seiner Partei auf der einen Seite und der Demokratischen Partei des Saarlandes auf der anderen Seite keine Beziehungen bestünden oder jemals bestanden hätten. Mit dieser plumpen Telegrammfälschung — es ist ganz gleich, wer sie begangen hat — wollte man auch diejenigen deutschen Politiker diffamieren, die sich zum deutschen Gedanken an der Saar bekennen und schon bisher dafür eingetreten sind. Noch am 7. .Mai gab der saarländische Rundfunk dieses Telegramm durch. Interessant ist nur, daß die Telegrammabschriften auf einem Papier angefertigt sind -- man kann ja nie genau nachweisen, welches Papier jemand benutzte —, das genau dem Papier entspricht, das der saarländische Rundfunk im allgemeinen verwendet. Am 8. Mai hat das saarländische Informationsamt dieses Bärentelegramm der saarländischen Presse zur Verfügung gestellt, die es gerne übernommen hat. Am 8 und 9. Mai weilten Monsieur Grandval, der Hohe Kommissar des Saargebiets, und Herr Ministerpräsident Johannes Hoffmann in Paris, um sich dort angeblich über den Austausch von Gesandtschaften zu unterhalten. Am 8. und 9. Mai! Das Datum des 8. Mai trägt auch der Brief des Herrn Schuman an die Saarregierung, in dem er empfiehlt, gegen die DPS wegen ihrer Tätigkeit die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen oder sie in diesem Sinne zu betrachten und zu behandeln.
Wenn auch niemals faktisch ein Kausalzusammenhang nachgewiesen werden kann, der Sinnzusammenhang zwischen diesen vorläufigen Ereignissen, zwischen dem Besuch des Herrn Hoffmann sowie dem Besuch des Herrn Grandval in Paris und dem Datum, das der Brief des Außenministers Schuman an die Saarregierung trägt, ist gegeben, wenn auch Außenminister Schuman heute erklärt, es sei ihm Material zur Verfügung gestellt worden, das ihn zu diesem Schritt veranlaßt habe. Wir wollen ihm auf der anderen Seite aber ruhig zugute halten, daß die Herren, die das Telegramm für die Weltöffentlichkeit gefälscht haben, mit diesem Telegramm auch hausieren gegangen sind und es benutzt haben, damit ihnen der geeignete Brief zur Verfügung gestellt wurde.
Diese Methoden, meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnern verzweifelt an Vorgänge, wie sie bei uns einmal stattgefunden haben, Vorgänge aus einem Geiste, gegen den die Saarregierung heute angeblich zu kämpfen vorgibt.
2. Im Europarat sitzen heute saarländische Delegierte neben deutschen Delegierten. Das Saarland ist gegen unseren Willen assoziiertes Mitglied geworden. Der Deutsche Bundestag hat die Konvention der Menschenrechte ebenso wie der saarländische Landtag ratifiziert. Die Deutsche Bundesregierung und der Deutsche Bundestag halten sich an diese feierliche Verpflichtung. Im Saargebiet ist bisher die Konvention der Menschenrechte nicht mehr gewesen als ein Fetzen Papier. Wir legen feierlich Verwahrung dagegen ein, weil wir uns mit aller Kraft dagegen wehren, daß die Entwertung, die Verzerrung und der Mißbrauch der Begriffe von Freiheit und Recht damit auch seinen
Einzug in den Westen halten würde, nachdem uns im Osten schon seit Jahren dieses Beispiel der Verzerrung vorexerziert worden ist.
3. Wir haben uns in dieser Interpellation auch gegen die Maßnahmen der Endgültigkeit gewendet. Zu diesen Maßnahmen der Endgültigkeit sollte auch die Schaffung eines Begriffes der saarländischen Staatsangehörigkeit und der saarländischen Nationalität gehören. Der Deutsche ist Ausländer; der Franzose kann gleichzeitig Saarländer sein. Der Saarländer kann Franzose, nicht aber Deutscher sein. Wir stellen mit aller Deutlichkeit fest: Wenn auch nach dem saarländischen Staatsangehörigkeitsgesetz die deutsche Staatsangehörigkeit der Saarländer im Verhältnis zur Saarregierung erloschen ist — die deutsche Staatsangehörigkeit der Saarländer im Verhältnis zur Bundesregierung und zur Bundesrepublik ist nicht erloschen!
Es gibt kein Vaterland, das von Homburg an der Saar bis nach St. Wendel an der Saar geht, wie es Herr Hoffmann in der Antwort auf den Hirtenbrief vom 15. März 1947 von sich bekannt hat. Es gibt nur eine Lüge von der saarländischen Nationalität, und von ihr ist es nur ein Schritt zur saarländischen Ideologie und damit zu einem Mikronationalismus, auf bayerisch: einem Nationalismus aus der Pinscherperspektive.
Wirtschaftlich ist das Saargebiet vor allem nach Frankreich orientiert. Französische Normenvorschriften sollten übernommen werden; unter dem Widerstand der Wirtschaft sind sie fallengelassen worden. Alle Exportverträge gehen über die Hohe Kommission nach Paris zur Entscheidung. Wir haben auch von Maßnahmen gehört, die auf Endgültiges in allen Angelegenheiten der Kulturpolitik, im besonderen der Erziehung, hinzielten. Bei der Aufführung deutscher Stücke müssen Tantiemen bis zu 28 0/o der Einnahmen gezahlt werden, bei der Aufführung französischer Stücke werden diese Tantiemen erlassen.
Wir haben das gleiche bei der Personalpolitik. Der Direktor der Universität Saarbrücken ist Franzose, ebenso zwei Drittel der Lehrkräfte; die Lehrsprache ist zum Teil französisch, wogegen gar nichts einzuwenden ist, z. B. aber auch für deutsche Rechtsgeschichte. Französisch sind aber auch der Direktor der Schule für Kunst und Handwerk, der Direktor des staatlichen Konservatoriums, sämtliche maßgebenden Leute der Régie des Mines, der Direktor des Landesamtes Saar, der Generaldirektor der Vereinigten Saarländischen Elektrizitätswerke, der Saareisenbahn, der Generaldirektor von Völklingen und Neunkirchen, die Generaldirektoren aller Großbanken und Versicherungen, ebenso Innenminister Hektor, Spezialminister für Ausweisungen, Verbote und Haussuchungen, ebenso der Landespolizeipräsident in Saarbrücken. Diese Liste kann noch beliebig ergänzt werden.
Wir haben aus französischem Munde gehört, daß das Saarland verpflichtet ist, seine Bevölkerung, die europäische Einheit und die europäische Sicherheit mitverteidigen zu helfen, aber als saarländische Division unter französischen Fahnen.
Am Tage nach der Paraphierung des Schumanplans und wenige Stunden vor der Abreise des französischen Staatspräsidenten nach Paris kam die Nachricht, daß saarländische und französische Gesandtschaften ausgetauscht werden sollen. Das Haus der Saarregierung ist in Paris gekauft. Haus
und Diensträume für den französischen Gesandten in Saarbrücken werden von der Saarregierung zur Verfügung gestellt. Gesandtschaften sind im allgemeinen ein völkerrechtlicher Anerkennungstatbestand. In diesem Falle stellen wir fest: Ganz gleich, welchen Titel man diesen Vertretungen gibt, ob sie Konsulate, Gesandtschaften oder Botschaften sind, gleichgültig, welche Begriffe und welche Namen verwendet werden, der Austausch solcher Vertretungen kann kein völkerrechtlicher Anerkennungstatbestand sein. Nach dem Notenwechsel Schuman —Adenauer wurden die französischen Kreisdelegationen im Saargebiet in konsularische Agenturen umgewandelt.
5. Wir haben aus diesem Grunde in unserer Interpellation bei der Regierung die Entsendung eines deutschen Bevollmächtigten ins Saargebiet angeregt. Wir stellen im Zusammenhang damit — und um keinen Irrtum aufkommen zu lassen — ausdrücklich fest, daß es sich bei der Entsendung eines solchen Bevollmächtigten und bei diesem Wunsch nicht um die Anerkennung des Saarstaates handelt, sondern um das Recht, durch einen deutschen Bevollmächtigten dort Informationen einzuholen und durch diesen Bevollmächtigten, demgegenüber die Saarregierung auskunftspflichtig ist, zuverlässig über die Vorgänge an der Saar informiert zu werden. Wir wollen damit nur die gleiche Basis für den Ausgang bei den Friedensverhandlungen oder einem ähnlichen Vertrage für uns sichern. Bei diesem -Bevollmächtigten handelt es sich in keiner Weise um irgendeine diplomatische Vertretung, die auf diplomatischem Wege mit der Saarregierung zu verkehren hat.
Wir möchten zum Schluß zusammenfassend unsere Forderungen bekanntgeben:
1. Deutschland hat politische und wirtschaftliche Interessen an der Saar. Frankreich hat wirtschaftliche Interessen an der Saar und sollte, um diese zu sichern, keine politischen haben.
2. Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der Saar werden durch die Herauslösung von Kohle und Stahl aus den nationalen Wirtschaftseinheiten infolge des Schumanplans in einer höheren europäischen Einheit gesichert. Darum sollte Frankreich seine politische Hand aus dem Saargebiet zurückziehen, um Herrn Hoffmann und seinen separatistischen Mitarbeitern keinen Rückhalt für eine Störenfried-Politik zwischen Deutschland und Frankreich und für ihre antieuropäische Tätigkeit abzugeben. Das Saarproblem soll und darf keine Erschwerung für die Schaffung eines vereinigten Europas und keine Vorbelastung für eine deutsch -französische Verständigung sein.
3. Wir können Herrn Hoffmann und sein Kabinett nicht als die Regierung eines autonomen Staates betrachten und demgemäß behandeln. Deshalb sind auch alle Versuche Herrn Hoffmann, sich auf dieser Grundlage an Bonn zu wenden und dort zu ' verhandeln, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wir warnen aber die Saarbevölkerung vor dem falschen Glauben, der ihr durch eine verlogene Propaganda aufgezwungen wird, daß die deutsche Bundesrepublik kein Interesse an den Verhältnissen an der Saar habe, weil sie nicht bereit und in der Lage ist, mit Herrn Hoffmann zu verhandeln. Wir fordern Herrn Hoffmann auf, das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes als ernstete Erschwerung des Gesprächs zwischen Deutschland und Frankreich und als eine Erschwerung für die endgültige Regelung der Verhältnisse zurückzunehmen, Wir fordern ihn auf, sein Amt zur Verfügung zu stellen, damit eine unbelastete Persönlichkeit die Verwaltung an der Saar im Geiste der demokratischen Grundrechte und in der Gesinnung der Atlantik -Charta bis zur endgültigen Klärung in einem Friedensvertrage oder einem ähnlichen Vertrage führt. Johannes Hoffmann hat gezeigt, daß er unfähig oder unwillig war, gegenüber Frankreich Gefühl und Einstellung der deutschen Bevölkerung an der Saar in richtiger Weise zu interpretieren.
4. Wir stellen deshalb fest, daß der Kampf um die politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands an der Saar weder gegen Europa noch gegen Frankreich gerichtet ist. Wir lehnen die bewußten Zweck- und Propagandalügen mit aller Schärfe ab, daß dieser Kampf nationalsozialistischem Geiste entspringe. Es ist ein Kampf um das Selbstbestimmungsrecht eines deutschen Bevölkerungsteils, es ist ein Kampf gegen den Chauvinismus und gegen einen gezüchteten Kleinnationalismus und es ist damit ein Kampf für die Grundsätze, um derentwillen von den Demokratien der letzte Krieg geführt worden ist. Die Saarländer wollen und sollen ehrliche Deutsche und damit gute Europäer sein, aber nicht halbe oder schlechte Franzosen.
Wir haben als besten Grundsatz für das friedliche Zusammenleben der Völker und für die Beseitigung aller Konflikte aus der Vergangenheit den Grundsatz gelernt, dessen Verwirklichung wir auch hier fordern: Recht und Freiheit sollen vor Macht und Vorteil gehen.