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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951 5663 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 5664A, 5705A Änderungen der Tagesordnung . . 5664A, 5706B Eintritt des Abg. Dr. Niklas in den Bundestag 5664B Anfrage Nr. 85 der Zentrumsfraktion betr Überprüfung der Subventionen an die Margarineindustrie (Nrn. 2196 und 2279 der Drucksachen) 5664B Anfrage Nr. 89 der Fraktion der FDP betr Umsatzsteuersatz für Tabakgroßhandel (Nrn. 2243 und 2280 der Drucksachen) . . 5664B Beschlußfassung des Bundesrats zum Gesetz zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei längerer bergmännischer Tätigkeit . . . 5664B Entgegennahme und Besprechung einer Erklärung der Bundesregierung (Saarfrage) in Verbindung mit der Beratung der Interpellation der Abg. Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher u. Gen. betr. Saarfrage (Nr. 2115 der Drucksachen) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Regelung der Saarfrage (Nr. 2114 der Drucksachen) 5664C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5664C Strauß (CSU), Interpellant 5672A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 5677D Dr. Wuermeling (CDU) 5686D Dr. Seelos (BP) 5688D Mayer (Stuttgart) (FDP) 5689D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 5692C Loritz (WAV) 5693D Ewers (DP) 5694D Dr. Ott (BHE-DG) 5696B Goetzendorff (DRP-Hosp.) 5698A von Thadden (DRP) 5696B Niebergall (KPD) 5698D Dr. Hamacher (Z) 5701C zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5702C Unterbrechung der Sitzung . . 5702D zur Abstimmung: Ollenhauer 1 (SPD) 5702D Dr. von Merkatz (DP) 5703A Renner (KPD) 5703B Frau Wessel (Z) 5704B von Thadden (DRP) 5704C Abstimmungen 5704D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Aufhebung von Kriegsvorschriften (Nr. 2093 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses, für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 2236 [neu] der Drucksachen) 5705B Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . 5705B Abstimmungen 5706A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr 2233 der Drucksachen) 5706B Ausschußüberweisung 5706B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verteilung des im Geschäftsjahr 1950 erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder (Nr. 2244 der Druck- sachen) 5706C Scharnberg (CDU) 5706C Ausschußüberweisung 5706C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis (Nr. 2255 der Drucksachen) 5706D Ausschußüberweisung 5706D Antrag des Bundesministers der Finanzen vom 4. Mai 1951 auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung (Nr 2246 der Drucksachen) 5706D Ausschußüberweisung 5706D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene (22. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Wahrung der Interessen der aus dem westlichen Ausland ausgewiesenen Deutschen (Nrn. 2227, 1826 der Drucksachen) 5706D Beratung vertagt Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 184) 5707A Beschlußfassung 5707C Beratung der Übersicht Nr. 28 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 165) 5707C Beschlußfassung 5707C Nächste Sitzung 5707C Schröter (CDU) 5706B Die -Sitzung wird um 14 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und meine Herren! In der Saarfrage hat sich in der letzten Zeit einiges ereignet, was die Bundesregierung zwingt, zu dem gesamten Problem der Saar erneut Stellung zu nehmen. Zu den Tatsachen, die neuerdings eingetreten sind, gehören das Verbot der Einreise von Bundestagsabgeordneten ins Saargebiet, das Verbot der Demokratischen Partei, im Saargebiet und endlich der Brief, den der französische Außenminister Herr Schuman am 9. Mai 1951 an den Ministerpräsidenten Hoffmann gerichtet hat.
    Der Deutsche Bundestag hat sich zuletzt am 10. März 1950 eingehend mit der Saar befaßt. Die Ausführungen, die ich damals machte, faßte ich in folgenden Punkten zusammen: „Die endgültige Regelung der Verhältnisse an der Saar muß in einem mit uns, d. h. mit der Bundesrepublik zu schließenden Friedensvertrag erfolgen. Daraus ergibt sich, daß vor Abschluß des Friedensvertrages an der Saar keine Verhältnisse geschaffen werden dürfen, deren Änderung durch den Friedensvertrag nicht mehr möglich ist.

    (Abg. Rische: Das gilt auch für Westdeutschland!)

    Wir haben den dringenden Wunsch, daß an der Saar die Grundsätze der Freiheit und der Demokratie verwirklicht werden. Wir wünschen eine Regelung der Saarfrage, die den Interessen aller beteiligten Staaten einschließlich Frankreichs und auch des Saargebiets gerecht wird."
    Ich habe aber damals keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Saarfrage unter keinen Umständen zu einer Störung der Bemühungen, , zwischen Deutschland und Frankreich gute Beziehungen herzustellen, und damit zu einer Erschwerung des Aufbaues von Westeuropa führen dürfte.
    An diesen Grundsätzen hat sich für mich nichts geändert, insbesondere auch nicht an dem letzten Grundsatz. So unangenehm und so störend die von mir eingangs erwähnten Vorfälle sind, so sind sie doch letzten Endes zeit- und personenbedingt; sie geben aber keine Veranlassung, von der Linie der für Deutschland, Frankreich, Europa und den Welt- frieden entscheidenden Politik der Integration Europas und der Herstellung eines guten Einvernehmens zwischen Frankreich und Deutschland, das die Grundlage dieser Integration Europas ist, abzugehen. Es sei mir aber gestattet, hier dem dringenden und lebhaften Wunsche Ausdruck zu geben, daß die Weltlage und die Erfordernisse unserer Zeit, die für alle Völker gelten, in Paris das gleiche Verständnis, die gleiche. Würdigung finden wie bei


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    uns, auch gegenüber bagatellhaften Querelen aus Saarbrücken.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Ich werde an der Verfolgung der Europapolitik und der Politik der Herbeiführung eines guten Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich trotz aller Zwischenfälle unbedingt festhalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich lasse mich von der Verfolgung dieser Politik am allerwenigsten durch Herrn Hoffmann aus Saarbrücken abbringen.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)

    Die Frage ist berechtigt, was die Bundesregierung in dem verflossenen Jahr getan hat, um die von mir wiedergegebenen Grundsätze zur Geltung zu bringen. Wir haben gegen die französisch-saarländischen Konventionen vom 3. März 1950 bei der Alliierten Hohen Kommission Verwahrung eingelegt und dabei unter anderem auf folgendes verwiesen. Nach den Erklärungen der Alliierten vom 5. Juni 1945 hat Deutschland nicht aufgehört, als Staat nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937 zu bestehen.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist zwar nur von dem deutschen Volke in elf Ländern geschaffen worden; das deutsche Volk in elf Ländern hat aber zugleich für die Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Das ist der Denkfehler bei Ihnen!)

    Die Bundesregierung, die sich auf freie demokratische Wahlen stützt, ist daher befugt und verpflichtet, die deutschen Rechte und Interessen insgesamt zu wahren. Durch das Potsdamer Abkommen

    (Abg. Rische: Seit wann gilt es denn noch?! — Zuruf des Abg. Renner)

    und andere alliierte Erklärungen wurde grundsätzlich festgelegt, daß der Gebietsstand Deutschlands nur durch einen Friedensvertrag geändert werden kann.

    (Sehr richtig! links. — Abg. Strauß: OderNeiße-Linie!)

    Infolgedessen betrachtet die Bundesregierung die Saar rechtlich als einen Teil Deutschlands.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die alliierten Regierungen, an die diese Note, deren Inhalt ich Ihnen eben mitgeteilt habe, gerichtet war, haben die Note widerspruchslos zur Kenntnis genommen.

    (Zuruf von der KPD: Das ist aber nett!)

    Wir haben darüber hinaus die Genugtuung gehabt, daß das von uns in Anspruch genommene Recht, gesamtdeutsche Interessen international zu wahren, in der Erklärung der alliierten Außenminister zur Deutschlandfrage in New York im September vorigen Jahres beinahe mit den gleichen Worten anerkannt wurde, die sich in unserer Note zur Saarfrage vom 5. Mai finden.

    (Abg. Rische: Das verstößt gegen Potsdam! — Zurufe von rechts: Moskau-Agent! Mund halten! Ruhe!)

    Die französisch-saarländischen Konventionen vom 3. März vorigen Jahres erweckten in ihrem Wortlaut den Eindruck, als sei das das letzte Wort, das die französische Regierung in der Saarfrage zu sprechen habe. Diese Konventionen haben aber dann ein merkwürdiges Schicksal gehabt. Während der saarländische Landtag die Abkommen in einer einzigen Sitzung wenige Tage nach der Unterzeichnung in Bausch und Bogen ratifizierte,

    (Zuruf von der KPD: Der Landtag!)

    hat es sich die französische Regierung bis zum Oktober, also volle sieben Monate, überlegt, ehe sie die Saarkonventionen ihren gesetzgebenden Körperschaften zur Zustimmung vorlegte. Über die Gründe dieser zögernden Behandlung möchte ich hier keine Vermutungen aussprechen.

    (Abg. Rische: Von Washington!)

    Wenn Sie die Saarpresse in dieser Zeit verfolgt haben, so werden Sie die Nervosität, ja die Angst haben feststellen können, die bei der Saarregierung wegen der verzögerten Ratifikation der Saarkonventionen herrschte. Tatsächlich sind sie dann in Kraft gesetzt worden, nämlich am 31. Dezember des vergangenen Jahres; allerdings mit einem sehr beachtlichen Unterschied: Die politischen Konventionen, d. h. die Abkommen, in denen die Separation der Saar vom übrigen Deutschland steckt, sind von der französischen Regierung ohne parlamentarische Ratifikation in Kraft gesetzt worden.

    (Abg. Renner: Haben wir das hier nicht auch schon mal erlebt? Bei uns?)

    Bei der Beratung der Konventionen in der französischen Nationalversammlung am 21. Oktober des vergangenen Jahres sagte Außenminister Schuman hierzu wörtlich:
    Die nicht ratifikationsbedürftigen Abkommen
    können ohne Mitwirkung der Parlamente geändert werden. Es kann notwendig sein, diese Abkommen leicht und schnell ohne Eingreifen
    • des Parlaments den in ständiger Entwicklung befindlichen Bedürfnissen anzupassen.
    Aus diesen Worten, meine Damen und Herren, durften wir entnehmen, daß die Befürchtung, die französische Regierung habe sich endgültig auf die Saarkonventionen festgelegt, nicht zu Recht besteht und daß die französische Regierung unsere Ansicht teilt, daß das letzte Wort über die Saar noch nicht gesprochen ist.
    Hier knüpft der Briefwechsel, der am 18. April dieses Jahres anläßlich der Unterzeichnung des Schumanplans zwischen mir und Außenminister Schuman stattgefunden hat, unmittelbar an. Durch diesen Briefwechsel ist nicht gesagt, daß sich die Bundesregierung und die französische Regierung über eine Lösung der Saarfrage einig wären. Wohl hat die französische Regierung wiederholt erklärt, daß sie den Gedanken einer Annexion des Saargebiets, wie er 1919 bestand und wie er 1945 und später im Saargebiet propagiert wurde, endgültig aufgegeben hat. Wenn wir in diesem Punkt mit der französischen Regierung völlig einig sind — denn, meine Damen und Herren, die Saar ist deutsches Land von jeher gewesen und seine Bevölkerung wird für immer deutsch bleiben —,

    (lebhafter Beifall)

    so sind wir mit der französischen Regierung über die Lösung, die ihr gegenwärtig vorzuschweben scheint, aus verschiedenen Gründen nicht einig.
    Außenminister Schuman ist genötigt gewesen, sehr viel öfter als ich zur Saarfrage zu sprechen: Am 20. Oktober des vergangenen Jahres vor der Assemblée Nationale, am 15. November vor dem


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Rat der Republik, am 20. Februar dieses Jahres anläßlich der Debatte über den Etat des französischen Hohen Kommissars im Saargebiet vor der Assemblée Nationale und am 25. April dieses Jahres noch einmal vor dem Rat der Republik. Aus seinen Ausführungen ist zu entnehmen, daß die französische Regierung gegenwärtig die Lösung der Saarfrage in der Schaffung eines selbständigen, von Deutschland politisch getrennten souveränen Saarstaates, eines zweiten Luxemburg, sucht und daß sie den Wunsch hat, diesem souveränen Saarstaat die internationale Anerkennung zu verschaffen.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Hierzu, meine Damen und Herren, möchte ich vorweg etwas Grundsätzliches vom europäischen Standpunkt aus sagen. Ich würde diese Lösung schon vom europäischen Standpunkte aus unbedingt ablehnen müssen. Wir streben auf ein vereinigtes Europa hin, in dem die Grenzen fallen sollen. Es erscheint mir antiquiert, in diesem Stadium der europäischen Entwicklung noch erst neue europäische Zwergstaaten schaffen zu wollen.

    (Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

    Ich kann mir auch nicht denken, meine Damen und Herren, welchen überzeugenden Grund die französischen Verfechter dieses Gedankens ins Feld führen könnten. Auf die Frage: „Warum soll ein selbständiger Saarstaat geschaffen werden?", gibt es keine Antwort, wenn die Elemente dieser Antwort nicht in den Vorstellungen einer Vergangenheit wurzeln, in denen man sich gegenseitig Landgebiete abnahm oder sich durch Puffer- und Satellitenstaaten schützen zu müssen glaubte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das habe ich vom europäischen Standpunkt aus gesagt.
    Vom deutschen Standpunkt aus ist folgendes zu sagen. Ob das Saargebiet von Frankreich annektiert oder ob es zu einem zweiten Luxemburg gemacht wird, ist von unserem deutschen Standpunkt aus gesehen gleichgültig. Von unserem Standpunkt aus gesehen ist es immer nur die Separation, die Losreißung von Deutschland; und die Saarpolitiker, die sich für diese Lösung stark machen, können sich nicht darüber beklagen, wenn die Verfechter einer solchen Separation in unseren Augen als Separatisten gelten!

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD. — Abg. Renner: Das ist für ihn ein gefährliches Wort!)

    Mit dem Bestreben, dem Saargebiet internationale Anerkennung als Staat zu verschaffen, haben wir uns im vergangenen Jahre auseinandersetzen müssen., Die Saarregierung hat die Aufnahme des Saarlandes als assoziiertes Mitglied in den Europarat und die Zulassung eines Beobachters der Saarregierung zu den Sitzungen des Ministerkomitees in voreiliger Weise als eine Gleichstellung der Saarregierung mit der Bundesregierung und als eine internationale Anerkennung eines selbständigen Saarstaates gedeutet. Ich sagte, daß dies voreilig war. Die Saarregierung hätte gut daran getan, wenn sie sich des Beschlusses des Ministerkomitees vom 3. November 1949 erinnert hätte, der wörtlich lautete:
    Da die Lage in den Besatzungszonen Westdeutschlands dazu geführt hat, daß die Saar augenblicklich nicht im Europarat vertreten ist, und indem es als wünschenswert erachtet wird,
    daß seine Bevölkerung darin vertreten ist, bis ein Friedensvertrag das Statut der Saar endgültig regelt,
    Das heißt ganz klar und deutlich, daß die Bevölkerung des Saargebiets, nicht aber ein Saarstaat im Europarat vertreten sein soll.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich glaube, daß Außenminister Schuman ganz recht hatte, als er sich dem Drängen seines Parlaments, mit der Bundesregierung in eine Diskussion über die Saarfrage einzutreten, am 20. Februar dieses Jahres mit der Bemerkung entzog, er wolle in der Saarfrage keine sterilen Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung führen; in der Politik werde der recht behalten, der die stärkeren Nerven habe. Das dürfen auch wir uns zu Herzen nehmen, meine Damen und Herren, und wir können das um so eher tun, als wir ,bei der Behandlung der Saarfrage bisher jedenfalls bewiesen haben, daß wir Herren unserer Nerven sind.

    (Abg. Renner: Ist ja schön!)

    Wir haben deshalb auch im Europarat die Saarfrage ruhig auf uns zukommen lassen; ausgewichen sind wir ihr nicht. Die Zulassung der Saarregierung als Signatar der Konvention des Europarates über die Menschenrechte und Grundfreiheiten mußte den Verdacht erwecken, daß hier — durch die Hintertür — der Versuch gemacht wurde, die Saarregierung und damit das zweite Luxemburg in den Kreis der europäischen Regierungen einzuführen. Wir haben hierauf mit der gebotenen Deutlichkeit reagiert und dem Generalsekretär des Europarats eine Rechtsverwahrung zugeleitet, in der ausdrücklich festgestellt ist, daß es kein politisches Statut für das Saargebiet gibt, auf Grund dessen dieses Land als völkerrechtlich handlungsfähig legitimiert wäre und daß diese Rechtslage auch durch die Unterzeichnung eines internationalen Abkommens durch das Saargebiet nicht berührt wird. Wir haben diese Rechtsverwahrung auch der Alliierten Hohen Kommission notifiziert, die dagegen ebensowenig Einwendungen erhoben hat wie gegen unsere Saarnote vom 5. Mai. Somit ist auch hier bei diesem Anlaß unser Rechtsstandpunkt voll gewahrt worden.
    Demselben Versuch, die Saar beim Abschluß eines multilateralen internationalen Vertrages als Vertragspartner in den Kreis der europäischen Staaten einzuführen, sind wir bei der Unterzeichnung des Schumanplans begegnet. Die Saarregierung hat bei der französischen Regierung die Forderung gestellt, das Saargebiet müsse als siebtes Land und damit als gleichberechtigter Partner des Schumanplans zugelassen werden. Nach den Erfahrungen, die wir mit den Ansprüchen der Saarregierung in Straßburg gemacht haben, haben wir auf diese Absicht mit der gebotenen Deutlichkeit reagiert. Ein Versuch, die Saarregierung zur Unterzeichnung des Vertrages zuzulassen, hätte ein Scheitern des Vertrags zur Folge gehabt. Hieraus haben wir der französischen Regierung gegenüber kein Hehl gemacht. Schwierigkeiten ähnlichen Ausmaßes hätten sich auch dann ergeben, wenn die französische Regierung den Anspruch erhoben hätte, den Vertrag zweimal — d. h. einmal im eigenen Namen und im Namen der Saarregierung — zu unterzeichnen. Auch durch dieses Verfahren wäre das Saargebiet als eine politische, durch die französische Regierung vertretene völkerrechtliche Einheit anerkannt worden. Als die Saarregierung einsah daß sie mit einer Zulassung als siebter Vertragsstaat nicht rechnen könne, konzentrierten sich


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    ihre Anstrengungen auf diese von mir eben gekennzeichnete Lösung. Auch diesen Gedanken hat die französische Regierung, um den Schumanplan nicht zu gefährden, fallen lassen.
    In dem Ihnen bekannten Briefwechsel, den ich am 18. April dieses Jahres mit dem französischen Außenminister vollzogen habe und der einen integrierenden Bestandteil des Vertrags über die Montanunion bildet, sind die deutsche und die französische Regierung, beide unter Wahrung ihrer eigenen Standpunkte, übereingekommen; daß die endgültige Regelung der Saarfrage nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Ich betone — das scheint mir von besonderer Wichtigkeit zu sein —, daß bisher eine solche vertragliche Abmachung zwischen der deutschen und der französischen Regierung nicht bestanden hat. Eine solche Vereinbarung aber schließt in sich, daß bis zu dieser endgültigen Regelung von keiner Seite Handlungen vorgenommen und Verhältnisse geschaffen werden dürfen, die eine endgültige Regelung durch den Friedensvertrag illusorisch machen würden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Bereits im Frühjahr des Jahres 1950 ist durch einen Kabinettsbeschluß festgelegt worden, daß wir keinen Saarstaat anerkennen. Die Saarregierung — ich stelle das ausdrücklich vor aller Öffentlichkeit fest — ist weder von uns noch von einer anderen als der französischen Regierung anerkannt worden und von dieser, der französischen Regierung, wie der Briefwechsel vom 18. April zweifelsfrei feststellt, nur vorbehaltlich der endgültigen Regelung im Friedensvertrag oder in einem gleichartigen Vertrag.
    Der Herr französische Außenminister hat diese Tatsache auch anerkannt, als er am 24. April dieses Jahres im Rat der Republik sagte:
    Wenn es eine außenpolitische Souveränität für den Saarstaat geben soll, so genügt dazu keine zweiseitige Erklärung. Er muß von dritten Staaten anerkannt werden. Keiner der Signatarstaaten des Schumanplans hat den derzeitigen Zustand an der Saar anerkannt. Keiner hat daran gedacht, einen diplomatischen Vertreter bei der Saarregierung zu akkreditieren.
    Ich darf also zusammenfassend feststellen, daß die Bundesregierung nichts versäumt hat, um den deutschen Rechtsstandpunkt zu wahren. Gegen diesen Rechtsstandpunkt hat die Alliierte Hohe Kommission keine Einwendungen erhoben. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß es durch den Briefwechsel vom 18. April 1951 zum ersten Male, gelungen ist, diesem Rechtsstandpunkt Geltung in einem` internationalen Vertrag zu verschaffen. Besonders wichtig erscheint es mir, daß hierbei zwischen der deutschen und der französischen Regierung, die an der Saarfrage in erster Linie interessiert sind, eine Rechtsgrundlage für die künftige Gestaltung der Verhältnisse an der Saar geschaffen worden ist. Ich betone nochmals, daß dieser Briefwechsel integrierender Bestandteil des Vertrags über die Montanunion ist. Die in ihm dargelegte Rechtsauffassung ist auch von den übrigen Signatarmächten dieses Vertrags anerkannt worden. Darin sehe ich einen Erfolg, der um so größer ist, als er ohne Lärm, ohne Drohung und ohne Geschrei zum Fenster hinaus erreicht worden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn wir auf diesem Weg fortfahren, wenn wir — um das Wort von Herrn Schuman nochmals zu gebrauchen — die ruhigen Nerven behalten, so könnten wir mit einer ebenso ruhig denkenden I französischen Regierung zu einer Einigung über die Saarfrage auch schon' vor dem Friedensvertrag kommen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Diese Einigung kann aber nur nach dem Grundsatz erfolgen, den ich von Anfang an vertreten habe: Frankreich hat wirtschaftliche Interessen im Saargebiet; wir haben wirtschaftliche und nationale Interessen in diesem Lande. Zwischen diesen Interessen muß im Geiste einer ehrlichen und zu Kompromissen bereiten europäischen Zusammenarbeit ein Ausgleich gefunden werden, der allen gerecht wird, insbesondere aber den Wünschen der Saarbevölkerung selber.

    (Abg. Rische: Die Kohlen wollen Sie wohl verschenken?!)

    Die Schwierigkeiten, die uns trotz unseres guten Willens in den Weg gelegt wurden, kamen bisher sehr viel weniger von der französischen Regierung als vielmehr von der Saarregierung,

    (Sehr wahr! irf der Mitte und rechts)

    die die Zeichen der Zeit nicht verstehen will und einen Verzweiflungskampf um ihre Existenz kämpft.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Wenn die deutsche und die französische Regierung
    sich darüber einig sind, daß der gegenwärtige Zustand an der Saar provisorisch ist, so müssen sich
    auch die Herren der Saarregierung dieser Tatsache
    beugen.

    (Abg. Rische: So wie in Westdeutschland! -Gegenrufe rechts: Kommunisten, Schnabel halten! — Abg. Rische: Undemokratische Zwischenrufe!)

    Über die Saarfrage wird im Friedensvertrag oder in einem anderen Vertrag entschieden. Diese Entscheidung muß in Übereinstimmung mit dem Willen der Saarbevölkerung stehen. Die Saarregierung, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als eine Verwaltungsbehörde in einem Lande, über das in einem Vertrage entschieden werden soll,

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr wahr!)

    an dem die Saarregierung sicherlich nicht als Verhandlungs- und Vertragspartner teilnehmen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß sich im Saargebiet durch eine offene und freie Aussprache ein Urteil der öffentlichen Meinung über die im Friedensvertrag oder in einem anderen Vertrag zu findende Endlösung bilden kann.

    (Abg. Rische: Das haben Sie ja gerade hier verboten! — Zuruf rechts: Kommunistische Verräter, schweigen!)

    Ich denke, daß wir uns hier nicht mehr bei der Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit der Wahlen zum saarländischen Landtag von 1947 aufzuhalten brauchen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wir haben uns hierüber an dieser Stelle am 10. März 1950 ausgesprochen. Inzwischen sind aber der Bundesregierung weitere Dokumente bekanntgeworden, die die Machenschaften, die zu diesen Wahlen führten, vollends klarwerden ließen. Ich möchte mich hier auf das Zeugnis der katholischen Geistlichkeit des Saargebietes berufen, die in einer von den Dechanten des Saargebietes einstimmig gefaßten Erklärung vom 26. März 1950, die dem Ministerpräsidenten Hoffmann zugeleitet wurde, folgendes feststellten:


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Wir sehen uns heute genötigt, zur Steuerung der Wahrheit und zur Gewissensberuhigung vieler Katholiken folgendes festzustellen. Der heutige Status des Saargebietes beruht auf dem Ergebnis der Landtagswahl vom 5. Oktober 1947. Bei dieser Wahl standen die Katholiken vor der Entscheidung über christlich oder nichtchristlich orientierte Politik. Mit dieser Entscheidung wurde leider verknüpft eine Entscheidung für oder gegen den wirtschaftlichen Anschluß, der eine Trennung von Deutschland und eine begrenzte Autonomie im Rahmen einer Wirtschaftsunion mit Frankreich zur Folge habe. Die Entscheidung wurde erleichtert durch die Zusicherung, daß der politische Status des Saargebiets erst durch den Friedensvertrag endgültig geregelt werde. Die christlichen Wähler, soweit sie nicht weiße Zettel abgaben, wollten mit ihrer Stimmabgabe an erster Stelle die christlich-kulturellen Forderungen schützen und durchsetzen. Viele waren sich nicht bewußt, viele haben es schweren Herzens auf sich genommen, daß sie sich damit gleichzeitig vom bisherigen Vaterland vorübergehend lossagen müßten.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Diese Wahl war nicht frei von Furcht, von Zwang und von Unwissenheit.

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Zuruf von der KPD: Wo war denn damals Ihr Protest?)

    Dieser Erklärung der Geistlichkeit des Saargebietes ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Wenn es aber geschehen muß, so möchte ich den jetzigen Chef des Presse- und Informationsamtes der Saarregierung zitieren, der als Landtagsabgeordneter im Landtag des Saargebietes am 15. November 1947
    1) über die Wahlen vom Oktober 1947 sagte:
    Die Befragung, die man hier durchgeführt hat,
    ist als sehr problematisch zu bezeichnen, wenn
    ein Volk unter der Peitsche der Not und des
    Hungers seine Entscheidung trifft.

    (Abg. Rische: Das war doch Ihr Wahlsieg damals!)

    Die Saarregierung, meine Damen und Herren, hat bisher so gehandelt, als ob es einen vom übrigen Deutschland getrennten Saarstaat gäbe, der eine endgültige und unabänderliche Einrichtung sei. Sie hat so gehandelt, als ob die Präambel ihrer Verfassung als ein Palladium mit allen Mitteln der Gewalt zu verteidigen wäre. Die Saarregierung tut so, als ob durch die Präambel ihrer Verfassung, die die politische Trennung der Saar von Deutschland ausspricht, ein Rechtszustand geschaffen worden sei, der nicht mehr zur Erörterung gestellt werden dürfe. Aus diesem Grunde hat die Saarregierung die Demokratische Partei des Saargebietes verboten. Die deutsche Öffentlichkeit hat diese von den Kennern der innersaarländischen Kabalen und Intrigen lang erwartete Maßnahme mit der größten Empörung aufgenommen,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    und ich zweifle nicht, daß dieses Hohe Haus mit der
    Bundesregierung in der Verurteilung einer Maßnahme einig sein wird, die mehr als ein Fehler ist.
    Die Auffassung der Saarregierung entbehrt jeder
    Logik. Die endgültige Lösung der Saarfrage kann
    nur durch den Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag herbeigeführt werden, wenn die
    Saarbevölkerung zuvor durch eine gründliche Erörterung Gelegenheit gehabt hat, sich über ihre
    eigenen Wünsche klarzuwerden. Daran, meine Damen und Herren, war die Saarbevölkerung auch 1 während der Zeit der Verwaltung des Gebiets durch den Völkerbund nicht gehindert, der in ähnlicher Weise, wie das heute der Fall ist, eine endgültige Regelung der staatlichen Zugehörigkeit des Gebiets vorbereiten sollte.
    Ich bedaure sehr, daß sich der französische Herr Außenminister durch seinen Brief an den saarländischen Ministerpräsidenten den Vorwurf gegen die Demokratische Partei zu eigen gemacht hat, sie sei verfassungswidrig und sie sei nazistisch. Da wir nach dem Briefwechsel vom 18. April dieses Jahres das gleiche legitime Interesse an der politischen Gestaltung des Saargebiets haben wie die französische Regierung, da wir uns zudem bei der Unterzeichnung des Schumanplans ganz allgemein zur gegenseitigen Konsultation verpflichtet haben, wird uns, wie ich hoffe, die französische Regierung das Material, das ihr gegen die Demokratische Partei vorliegt, zur Kenntnis bringen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Renner.)

    Auf diese Weise wird die erforderliche Klärung auch unter Mitwirkung der hierfür in Frage kommenden Stellen der Bundesregierung unschwer herbeigeführt werden können. Sollte sich dabei zeigen, daß die verfassungsrechtlichen und politischen Vorwürfe gegen die Demokratische Partei unbegründet sind, so zweifle ich nicht daran, daß die französische Regierung ihren Einfluß in Saarbrücken wiederum geltend machen wird, um einen bedauerlichen Mißgriff wiedergutzumachen.

    (Sehr gut! und Bravo! bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der KPD. — Abg. Niebergall: Das glauben Sie?)

    Ich würde also bitten, die Entwicklung dieser Angelegenheit, die die Bundesregierung sicherlich nicht auf sich beruhen lassen wird, mit Ruhe und mit den von Herrn Schuman empfohlenen guten Nerven abzuwarten.
    Ich möchte aber diese Gelegenheit benützen, um zu einigen anderen Aspekten des Saarproblems mich wenigstens kurz zu äußern. Es paßt uns nicht, meine Damen und Herren, wenn Deutsche im Saargebiet auch in der Sprache der Gesetze dieses völkerrechtlich überhaupt nicht als Staat bestehenden Gebiets als Ausländer behandelt werden.

    (Sehr wahr! und Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Wir möchten, daß damit endgültig Schluß gemacht wird. Die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik hat sich mit vollem Recht hierüber und über alles, was aus dieser Konzeption hergeleitet wird, empört.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Es handelt sich aber nicht nur um gefühlsmäßige, sondern in erster Linie um rechtliche Erwägungen. Diese Erwägungen sind in einem Runderlaß des Bundesministers des Innern vom 9. November 1950 niedergelegt, der die Rechtslage hinsichtlich der im Saargebiet auf dem Gebiete der Staatsangehörigkeit erfolgten Regelung eindeutig klarstellt. Solange der Status des Saargebiets im Friedensvertrag nicht anders geregelt ist, als er bei dem Zusammenbruch des Hitlerregimes 1945 bestand, bleiben die Bewohner des Saargebiets, die bei Kriegsende deutsche Staatsangehörige waren, in ihrem Verhältnis zur Bundesregierung deutsche Staatsangehörige.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Das saarländische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 15. Juli 1947 übt auf die deutsche Staatsangehörigkeit der Bewohner des Saargebiets keinen Einfluß aus,

    (Bravo-Rufe in der Mitte)

    gleich unter welchen Umständen und Voraussetzungen von einem Erwerb der saarländischen Staatsangehörigkeit gesprochen wird. Dieser unser Rechtsstandpunkt ist so unanfechtbar, daß einer der französischen Senatoren, die Außenminister Schuman seine ,angebliche Untätigkeit in der Saarangelegenheit zum Vorwurf machen — übrigens, meine Damen und Herren, ganz wie bei uns —,

    (Heiterkeit)

    dazu nur folgendes zu sagen hatte:
    Auch Wenn der deutsche Rechtsstandpunkt juristisch vertretbar ist,. so liegt in ihm eine Feststellung, die wir aus politischen Gründen nicht zulassen dürfen.

    (Abg. Kunze: Hört! Hört!)

    Ich möchte mit diesem Hinweis nicht den Gedanken aufkommen lassen, daß die französische Regierung in der Saarfrage die Politik — mit anderen Worten: die Macht — vor das Recht stellen will. Im Gegenteil, ich bin der Auffassung, daß durch den Briefwechsel vom 18. April der Rechtsboden von beiden Regierungen eindeutig und endgültig bezogen wurde.

    (Abg. von Brentano: Sehr gut!)

    Die Saarregierung wird ihre eigene Konzeption ebenfalls in diesen völkerrechtlich gezogenen Rahmen einbauen müssen. Sie tut das leider nicht, und damit setzt sie sich eben der Gefahr aus, daß sie auch von uns an ihre Pflichten erinnert wird. Ich denke hier in erster Linie an die leidigen AusWeisungen aus dem Saargebiet und an die Diskriminierung der deutschen Bevölkerung des Saargebiets nach politisch Berechtigten und nach politisch Rechtlosen. Nach einer Auskunft, die uns die Alliierte Hohe Kommission gegeben hat, wurden seit Kriegsende 2171 Deutsche aus dem Saargebiet ausgewiesen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ein großer Teil dieser Ausweisungen ist im Laufe der Zeit rückgängig gemacht worden. Zur Zeit sind aber noch 193 saarländische Familien von ihrer Heimat ferngehalten.

    (Pfili-Rufe rechts.)

    Es ist für uns aber nicht entscheidend, ob einer oder ob tausend aus politischen Gründen aus dem Saargebiet ausgewiesen werden.

    (Sehr richtig!)

    Es handelt sich um den Grundsatz! Die Unterscheidung zwischen saarländischen Staatsangehörigen und deutschen Ausländern im Saargebiet ist völlig unzulässig.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte hier daran erinnern, daß sogar im Versailler Vertrag, also zu einer Zeit, als die damalige französische Regierung offen auf die Annexion des Saargebietes hinarbeitete — sie tut das heute nicht, das möchte ich nochmals unterstreichen —,

    (Lachen bei der KPD. — Abg. Renner: Das glauben Sie?!)

    alle Personen im Saargebiet, die am Tage des Inkrafttretens des Vertrages dort ihren Wohnsitz hatten, volle politische Gleichberechtigung genossen, auch hinsichtlich der Beteiligung an der
    Volksabstimmung. Der Versailler Vertrag ließ die deutsche Staatsangehörigkeit der Bewohner des Gebietes völlig unberührt. Die Autoren des Versailler Vertrages sind dabei von dem zutreffenden und in der Natur der Sache liegenden Gedanken ausgegangen, daß es mit einer nur vorläufigen Rechtsstellung eines Gebietes unvereinbar ist, die Staatsangehörigkeitsverhältnisse der in dem Gebiet lebenden Menschen zu ändern.
    Die Saarregierung legt ihrem Staatsangehörigkeitsgesetz die 'Idee des Bestehens einer saarländischen Nation zugrunde, ,die das Staatsvolk für einen Saarstaat liefern soll. Wer eine saarländische Nation konstruiert, meine Damen und Herren, macht sich des saarländischen Nationalismus schuldig. Eine Sünde gegen Europa und dazu noch eine lächerliche Sünde!

    (Sehr gut! und Heiterkeit.)

    Wir haben genug der Nationen! Wer den Nationalismus überwinden will, kann nicht gleichzeitig neue Nationalgefühle züchten.

    (Sehr richtig!)

    Die Saar ist deutsch, und ganz Deutschland einschließlich der Saar wird sich mit Frankreich in Europa zusammenfinden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Hoffmann hat einmal von einem Dreiklang Frankreich —Saar—Deutschland gesprochen. Ich glaube, je weniger wir von dem Mißton Saarstaat hören, desto besser werden wir den E i n klang mit Frankreich herstellen können.

    (Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Saarregierung wird, wenn sie nach dem Geist und Buchstaben des deutsch-französischen Notenwechsels vom 18. April verfahren will, sich verpflichten müssen, daß die Bewohner des Saargebietes keiner Verfolgung und keiner Vergeltungsmaßnahme oder Schlechterstellung wegen der Haltung unterworfen werden, die sie in Beziehung auf Fragen einnehmen, deren Regelung dem Friedensvertrag vorbehalten bleibt.

    (Abg. Rische: Das muß man hier auch tun! — Gegenrufe von der Mitte und rechts. — Abg. Renner: Quatschkopf da drüben!)

    Ich habe diese Forderung bereits am 9. Februar der Alliierten Hohen Kommission gegenüber angemeldet, die unsere Note auch der Saarregierung zur Kenntnis gebracht hat. Leider haben wir bis jetzt kein Anzeichen dafür gespürt, aus dem sich entnehmen ließe, daß die Regierung des Herrn Hoffmann dieser rechtlich wohlbegründeten Forderung eine Folge geben will. Im Gegenteil, durch das Verbot der Demokratischen Partei hat sie die letzte Maske fallen lassen.

    (Zuruf von der KPD: Wie Adenauer!)

    Die Bevölkerung des Saargebietes fordert von ihrer Regierung die volle Freiheit der politischen Meinungsäußerung gerade in den Fragen, die die politische Zukunft des Landes betreffen.

    (Zurufe des Abg. Renner: Dasselbe fordern wir für die Bevölkerung Westdeutschlands.)

    Sie verwahrt sich dagegen, daß diese Freiheit durch
    offenen oder, versteckten Druck eingeengt wird.
    Hier möchte ich noch einen grundsätzlichen Punkt herausstellen. Wenn die Saarfrage im Friedensvertrag gelöst werden soll, so darf die Bun-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    desregierung hinsichtlich der Geltendmachung ihrer Auffassung im Saargebiet nicht schlechter gestellt sein als die französische Regierung.

    (Sehr richtig! Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Die Saarregierung hatte es sich angewöhnt, Zeitungen aus dem Bundesgebiet, die zu Saarfragen in einer ihr unsympathisch erscheinenden Weise Stellung nahmen, entweder zu verbieten oder einfach ihre Verbreitung im Saargebiet zu verhindern.

    (Pfuirufe. — Zurufe von der KPD: Was tun Sie denn hier? Hier verbieten Sie doch auch! — Gegenrufe von der Mitte und rechts. — Zuruf des Abg. Renner. — Abg. Strauß: Moskau, halt's Maul!)

    Wir haben unseren Standpunkt auch hierzu der Alliierten Hohen Kommission dargelegt, und ich möchte hoffen, daß mit dieser Methode nunmehr Schluß gemacht wird.

    (Abg. Rische: Hoffentlich hier auch! — Gegenruf rechts: Hier machen wir Schluß mit euch!)

    Es sind uns leider Fälle bekannt geworden, — —

    (Anhaltende Zurufe von der KPD. — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Ich bitte, ihn nicht ständig zu unterbrechen.

(Abg. Renner: Ach Gott, ach Gott!)

— Herr Abgeordneter Renner! Ich verbitte mir, daß Sie meine Maßnahmen kritisieren. Ich rufe Sie zur Ordnung!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Es sind uns leider Fälle bekanntgeworden, daß Bewohner des Saargebiets, die nach Bonn gekommen sind, schweren Nachteilen ausgesetzt waren.

    (Pfui-Rufe in der Mitte und rechts.)

    Der Chefredakteur der „Saarländischen Volkszeitung" hat deshalb seine Stellung verloren.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf auch auf den Fall eines Angestellten eines saarländischen Landratsamtes hinweisen, dessen Ausweisung damit begründet wurde, er sei mit Dr. -Schumacher im Briefverkehr gestanden.

    (Erneute Rufe von den Regierungsparteien: Hört! Hört!) Demgegenüber möchte ich wünschen, daß der Saarbevölkerung der Weg nach Bonn in Zukunft ebenso offensteht wie der nach Paris.


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer aus dem Saargebiet Gedanken, Wünsche und Vorschläge an uns heranbringen will, der soll das tun, und er soll daran ebensowenig gehindert werden wie der Saarbewohner, der mit seinen Anliegen nach Frankreich geht.

    (Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Ich möchte aber nicht, daß hier nun wieder die gleiche Einseitigkeit entsteht, die das System des Ministerpräsidenten Hoffmann kennzeichnet. Ich würde es nur begrüßen, wenn die saarländischen
    , Politiker, die das tun wollen, das gleiche tun würden, was wir auch tun. Auch sie sollten sich um ein Verhältnis zu Frankreich bemühen, das ihnen eine offene und freie Aussprache nach allen Seiten hin ermöglicht.
    Ich möchte mich vorläufig auf diese Bemerkungen beschränken. Ich habe dabei die Stellung der Saarwirtschaft im Schumanplan mit Absicht nicht erörtert, weil ich möchte, daß die innenpolitische Lage im Saargebiet, die uns zunächst beschäftigt, eine einheitliche Stellungnahme dieses Hauses möglich machen wird, wie dies auch am 10. März des vergangenen Jahres der Fall war. Die Saarfrage kann nur dann 'zu einer guten Lösung gebracht werden, wenn sie nicht zu einer Parteifrage gemacht wird.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Bei der Erörterung des Gesetzentwurfes über die europäische Montanunion, den wir mit tunlichster Beschleunigung einbringen werden, werden sich die partei- und innenpolitischen Gegensätze mit aller Schärfe herausstellen. Hierbei wird selbstverständlich auch auf die Saarfrage zurückgegriffen werden müssen. Bis dahin wird es sich zeigen müssen, ob der durch das Verbot der Demokratischen Partei des Saargebietes ohne unsere Schuld durch die Saarregierung aufgeworfene Konflikt bereinigt werden kann. Wir werden uns auch auf allen uns zur Verfügung stehenden anständigen Wegen darum bemühen. Es wird uns auch eine Gewähr dafür gegeben werden müssen, daß das Recht der freien Meinungsäußerung über alle im Friedensvertrag zu lösenden Fragen für die Saarbevölkerung uneingeschränkt gewährleistet wird und daß damit unsere Auffassung von der Bedeutung des Briefwechsels vom 18. April Anerkennung findet.
    Das Saargebiet wurde in seiner Eigenschaft als assoziiertes Mitglied des Europarates zur Unterzeichnung der Konvention des Europarates über die Menschenrechte und Grundfreiheiten zugelassen. Die Saarregierung ist verpflichtet, diesen Grundrechten in ihrem Bereich Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung wird die Aufmerksamkeit des Europarats auf die Tatsache lenken, daß die Saarregierung gegen diese Grundrechte verstoßen hat.

    (Bravo-Rufe rechts.)

    Auch die Alliierte Hohe Kommission wird gegenüber den Vorgängen im Saargebiet nicht untätig bleiben können.

    (Zuruf rechts: Hoffentlich!)

    Ich habe deshalb gestern dem geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission eine Note zugeleitet, in der unter anderem folgendes ausgeführt ist:
    Die Bundesregierung hält die drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen für verpflichtet, auf die Entwicklung der Saarfrage Einfluß zu nehmen. Nachdem bei der Moskauer Außenministerkonferenz im Jahre 1947 eine Einigung über die von der französischen Regierung erhobenen Forderungen hinsichtlich des Saargebietes nicht erzielt worden war, sind die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und der Französischen Republik übereingekommen, daß das Saargebiet in das französische Zoll- und Währungsgebiet einbezogen werden soll. Sie haben in einem Protokoll vom 20. Februar 1948 die technischen Anordnungen klargestellt, die sich aus der wirtschaftlichen Angliederung der Saar an Frankreich ergeben. Aus diesem Protokoll, das die Alliierte Hohe Kommission der Bundesregierung auf deren Bitte am 12. März dieses Jahres zur Kenntnis gebracht hat, kann die Bundesregierung in


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    keiner Weise entnehmen, daß mit der Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet die politische Abtrennung des Gebietes von Deutschland verbunden sein sollte. Die These, daß die Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet nicht durchgeführt werden könne ohne eine gleichzeitige politische Abtrennung des Gebietes vom übrigen Deutschland, wurde niemals von allen Westalliierten angenommen, sebstverständlich auch nicht von der Bundesregierung. Die Präambel der Saarverfassung enthält zwar Bestimmungen über die politische Abtrennung des Gebietes vom übrigen Deutschland, aber abgesehen von den Tatsachen, die inzwischen über die Umstände, unter denen die Wahlen zum saarländischen Landtag stattgefunden haben, bekanntgeworden sind, kann ein solcher Landtagsbeschluß eines nicht souveränen Territoriums keine völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Wirkungen, die sich auf Deutschland erstrecken sollen, bewirken.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Dieser Ansicht sind offenbar die drei Westalliierten Regierungen ebenfalls, da sie ja trotz dieser Präambel der Bundesregierung immer wieder erklärt haben, daß die endgültige Regelung der Saarfrage dem Friedensvertrag vorbehalten bleibt. Hierüber wurde auch anläßlich der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Paris am 18. April dieses Jahres zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung in einem Briefwechsel ein Einvernehmen erzielt. In diesem Briefwechsel, der einen integrierenden Bestandteil des Vertragswerks bildet, sind die beiden Regierungen übereingekommen, daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Diese Vereinbarung schließt weiter in sich, daß an der Saar nichts geschehen darf, was der Regelung im Friedensvertrag vorgreift und diese so zu einer inhaltlosen Geste macht.
    Die Regierung der französischen Republik
    — so heißt es in dieser Note an die Hohe Kommission zwecks Weitergabe an die westalliierten Regierungen
    die sich in dem Briefwechsel vom 18. April ihren eigenen Standpunkt bewahrt hat, würde nicht nach den Grundsätzen des Briefwechsels vom 18. April handeln, wenn sie die Bestrebungen der Saarregierung unterstützen würde, die darauf hinauslaufen, jede Erörterung über die endgültige Lösung der Saarfrage im Friedensvertrag durch die Bevölkerung des Saargebietes vor dem Zustandekommen des Friedensvertrages zu unterbinden. Selbst wenn man die Vorschriften der Präambel als einen integrierenden Bestandteil der Verfassung des Saargebietes ansehen will, so ist es doch in keinem demokratischen Staat der Welt einzelnen Gruppen oder .Parteien verwehrt, über Wert oder Unwert bestimmter Verfassungsvorschriften, soweit es sich nicht um die demokratische Grundordnung selbst handelt, zu diskutieren ,und auch Vorschläge für die Änderung der Verfassung auf legalem Wege zu machen.

    (Abg. Renner: Wer lacht da? Wie steht's denn damit bei uns, Herr Adenauer?)

    — Ach, Sie alter „Demokrat", seien Sie doch ruhig!

    (Heiterkeit. — Abg. Renner: Sie alter Westrheinländer! Was verstehen Sie schon unter „Demokratie"!)

    Die Saarregierung hat durch zahlreiche Gesetze
    — so fährt die Note fort —,
    die in der Öffentlichkeit vielfach unbemerkt blieben, weil im Saargebiet keine oppositionelle Presse geduldet wird, sich die Mittel zur Unterdrückung jeder ihr nicht genehmen politischen Meinung geschaffen. Hierher gehören die Verordnung über die Regelung des Versammlungswesens im Saarland vom 24. Februar 1948, die Verordnung über die vorläufige Regelung des Pressewesens vom 9. März 1948, das Gesetz über den Aufenthalt im Saarland vom 29. Juli 1948, das Gesetz zur Abänderung des Strafgesetzbuches vom 9. Juli 1950 sowie die zur Zeit dem saarländischen Landtag zur Beratung vorliegenden Gesetze zum Schutz der demokratischen Ordnung des Saarlandes, über die Zulassung politischer Parteien und über den Schutz des saarländischen Arbeitsmarktes. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu wollen, muß im vorliegenden Zusammenhang wenigstens darauf hingewiesen werden, daß im Saargebiet politische Parteien nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Regierung mit Zweidrittelmehrheit des Landtages zugelassen werden können. Dies bedeutet praktisch die Ausschaltung jeder der Regierung nicht genehmen Opposition.

    (Abg. Renner: Die machen wenigstens noch ein Gesetz, wenn sie verbieten!)

    Der politische Druck, unter dem die Saarbevölkerung steht, findet' in der polizeilichen Überwachung aller Versammlungen und in einer mit aller Gründlichkeit durchgeführten Telefon- und Postüberwachung im Hinblick auf das auch in der Saarverfassung anerkannte Grundrecht der Freiheit der politischen Meinungsäußerung

    (Abg. Rische: Genau wie bei uns! — Gegenruf von der Mitte: Genau wie in Moskau! — Zurufe von der KPD.)

    — Manchmal glaube ich, Sie sind Beauftragter des Herrn Hoffmann.

    (Beifall rechts. Abg. Renner: Nein, nein! — Wir sind auch nicht Beauftragte von Herrn Truman!)

    Da es im Saargebiet in den vier Jahren nicht möglich war, eine ordentliche Verwaltungsgerichtsbarkeit zu schaffen, besitzt die Saarbevölkerung auch keine Rechtsmittel zur Wahrung ihrer staatsbürgerlichen Rechte.
    Die Bundesregierung sieht in dem Verbot der Demokratischen Partei eine Schlechterstellung einer politischen Gruppe, die in Hinsicht auf den im Friedensvertrag oder einem gleichartigen Vertrag zu regelnden Status der Saar eine andere Ansicht vertritt als die Saarregierung.
    Die Bundesregierung bittet die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen, die infolge der Besetzung Deutschlands und durch das Abkommen vom 20. Februar 1948 über die Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet die Verantwortung für die Wahrung der demokratischen Grundrechte an der Saar übernommen
    5672 Deutscher Bundestag — 144. Sitzurig. Soria, Mittwoch, den 30. Mai 1951

    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    haben, die geeigneten Schritte zu unternehmen, damit im Saargebiet die uneingeschränkte Freiheit der Meinungsäußerung und der Willensbildung hinsichtlich der Fragen hergestellt wird, die im Friedensertrag ihre endgültige Regelung finden sollen.
    Ich zweifle nicht daran, daß die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen dem Standpunkt der Bundesregierung Verständnis entgegenbringen werden. Wir fordern die Freiheit der politischen Meinungsäußerung und Willensbildung für die Saar und die Beseitigung aller gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Beschränkungen, gen, die dieser Freiheit heute im-Wege st hen.
    Ich hoffe, daß das Hohe Haus der Regierung hierbei seine uneingeschränkte Zustimmung geben wird.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts, teilweise Beifall bei der SPD.)

    Präsident, Dr. Ehlers: Zur Begründung der Interpellation der Abgeordneten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen, Drucksache Nr. 2115, hat das Wort der Abgeordnete, Strauß.
    Strauß (CSU), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorgänge an der Saar im Laufe der letzten Jahre, in zunehmendem Maße im Laufe der letzten Monate und in wesentlichem Maße im Laufe der allerletzten Zeit haben die Berechtigung der Interpellation der Abgeordneten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen, Drucksache Nr. 2115, in vollem Umfange bestätigt.
    Diese Interpellation ging nicht von der Zielsetzung aus, irgendwelche Gegensätze zu verschärfen. Sie diente nicht de Arbsicht, das europäische Gespräch, das bei den Verhandlungen in Paris in erfolgreicher Weise- geführt wurde, auch nur irgendwie zu belasten. Sie hatte in keiner Weise die Absicht vof Augen, etwa das wiedererwachende Vertrauen zwischen dem deutschen Volke und dem französischen Volke in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen oder zu stören. Wohl aber sollte diese Interpellation in der deutschen Öffentlichkeit und auch draußen über die wirklichen Vorgänge an der Saar Klarheit schaffen, und sie sollte als Warnung dienen, um eine Entwicklung zu verhindern, die weder für die Saarbevölkerung noch für Deutschland noch für Frankreich von Vorteil sein kann.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Diese Interpellation ist durch die Erklärung des Herrn Johannes Hoffmann ausgelöst worden, daß der französische Außenminister den Schumanplan nach seiner Vorstellung mit doppelter Unterschrift unterzeichnen werde. Gerade nach dieser Erklärung des Herrn Johannes Hoffmann über die doppelte Unterschrift Frankreichs unter den Schumanplan gewinnt die Tatsache, daß der französische Außenminister nur einmal unterschrieben hat, und erhält der Notenwechsel vorn 18. April im Sinne eines Erfolges der Bundesregierung eine besondere Bedeutung.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!) Außerdem ist diese Interpellation durch die immer stärkeren Anzeichen von undemokratischen und sogar diktatorischen Maßnahmen zur Unterdrückung einer jeden echten Opposition im Saargebiet ausgelöst worden.

    Damit über den Hintergrund der Gesinnung, in der wir uns mit diesen ernsten Sorgen an die Bundesregierung gewandt haben, kein Zweifel auftreten kann, stellen wir in der Rangfolge der Größenordnung unserer Lebensfragen und unserer Schicksalsnotwendigkeiten uns heute ganz -klar vor Augen, daß die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa, vorbereitet durch eine Wirtschaftsunion der europäischen Staaten, für uns den Vorrang Nummer 1 hat.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Die dafür nötigen Vorarbeiten und Voraussetzungen dürfen aber nicht durch die Politik der Saarverwaltung, die sich etwas hochtrabend mit dem Titel „Regierung" bezeichnet, gestört werden.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Auch die sogenannte Saarregierung muß sich der Größenordnung Nummer 1, der Schaffung Europas, beugen und darf nicht aus der treuhänderischen Verwaltung der Saar eine Saarpolitik und aus der Saarpolitik ein politisches und persönliches Saargeschäft machen.
    Am 6. Juni 1947, als in München die Ministerpräsidentenkonferenz begann, traf dort ein Telegramm der damaligen Regierungskommission der Saar, unterzeichnet von dem Generalsekretär Kuchenbecker, ein, daß die saarländische Wirtschaft nach Frankreich orientiert sei und sich immer mehr dorthin orientieren werde. Deshalb sei die Entsendung eines Vertreters zur Münchener Ministerpräsidentenkonferenz zweck- und gegenstandslos. Dies geschah ein halbes Jahr vor dem sogenannten Wirtschaftsanschluß an Frankreich. Uns interessiert an dieser Tatsache in Erinnerung an die damalige Konferenz gerade, daß die Separatisten des Westens überhaupt nicht erschienen sind und die Separatisten des Ostens sich von der Konferenz entfernt haben.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Herr Kuchenbecker ist heute Präsident des saarländischen Verwaltungsgerichtshofes, der mangels Gesetz keine Tätigkeit ausüben kann. Herr Kuchenbecker soll demnächst auch über die Gesetzmäßigkeit des Verbots der Demokratischen Partei des Saarlandes mitentscheiden.
    Zweitens darf ich nun auf die im Oktober 1947 stattgefundenen Landtagswahlen eingehen. Diese Wahlen haben ausschließlich zu dem Zweck stattgefunden, einen Landtag aufzustellen, und dieser Landtag sollte die von einer 20 -Männer-Kommission vorbereitete Verfassung annehmen. Das Ergebnis der Landtagswahlen von 1947 wird heute von der Saarregierung und einigen französischen Persönlichkeiten mehr und mehr zu einem Volksentscheid umgedeutet und mißbraucht, als ob damals gleichzeitig die Abtrennung von Deutschland durch die Bevölkerung gebilligt worden wäre. Diese Wahl stand unter dem Eindruck des Hungers, der an der Saar noch künstlich verschärft worden war, und unter der Hoffnung einer wirtschaftlichen Besserung nach der Abtrennung von Deutschland und dem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich. Die Wahl stand ferner unter dem Druck von mehreren Ausweisungswellen der Jahre 1946 und 1947. Die Wahlen trugen, intern gesehen, gemeindepolitischen Charakter und hatten viellicht kulturpolitische Bedeutung. Sie werden heute umgefälscht als Plebiszit für die Loslösung von Deutschland. Wir müssen dazu ausdrücklich und eindringlich feststellen: Eine Volksabstimmung über eine Volkszugehörigkeit hat nach dem Sinn der Atlantik -Charta im Saargebiet seit 1945 niemals stattgefunden.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)



    (Strauß)

    Eine solche Volksabstimmung, wenn dieses Wort heute hier ausgesprochen wird, kann nur in einer Fragestellung vorgelegt werden, und diese lautet: Bist du für eine Abtrennung von Deutschland? Sie kann nicht in der Fragestellung vorgelegt werden: Bist du für eine Rückkehr oder für einen Wiederanschluß an Deutschland?, weil das Saargebiet völkerrechtlich niemals von Deutschland getrennt worden ist und weil mit einer solchen Fragestellung de jure eine Abtrennung des Saargebiets von Deutschland nachträglich anerkannt würde, obwohl sie nie stattgefunden hat.
    In diesem Zusammenhang darf ich mich auf das Zeugnis eines französischen Professors, Georges Scelle, Direktor des Instituts für internationales Recht und Professor an der Sorbonne in Paris, berufen. Er unterscheidet in seinen Ausführungen bei den. Volksabstimmungen zwischen dem Begriff der Bestätigung und dem Begriff der Entscheidung, und er sagt über die Bestätigung folgendes:
    Die ersteren,
    — die Bestätigungen —,
    welche in der Vergangenheit am häufigsten angewandt worden sind, dienen nur dazu, um Abtrennungen und einseitige Annexionen oder bereits getroffene Maßnahmen zu bestätigen, welche von den Regierungen bereits durchgeführt sind. Es sind dies wirkliche Augentäuschungen, denn die Regierungen greifen zu diesen Volksbefragungen nur, wenn sie ihrer sicher sind, und es gibt kein Beispiel dafür, daß durch sie jemals etwas an bereits vollendeten Tatsachen geändert worden wäre. Am häufigsten werden diese bestätigenden Volksbefragungen von annektierenden Regierungen vorgenommen und ausgeführt unter der Kontrolle ihrer Handlanger, ja selbst unter dem Zwang einer militärischen Besatzung.
    Wenn heute von einer freien Entscheidung des Saarvolkes die Rede ist, dann kann es sich nicht um die Bestätigung einer Maßnahme der Vergangenheit handeln; es , kann sich lediglich um eine freie Entscheidung über die Lösung für die- Zukunft handeln.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Diese freie Entscheidung über eine Lösung für die Zukunft ist im Sinne der Atlantik-Charta auch — und wir wagen das zum Ausdruck zu bringen — ein Präjudiz für den Geist und für den Inhalt, den der Friedensvertrag in dieser Frage haben muß.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Im Zusammenhang mit den Landtagswahlen darf ich auch noch aufs das Schreiben eingehen, das bereits in der Regierungserklärung erwähnt worden ist, das Schreiben, welches der katholische 'Dechant Braun im Auftrage sämtlicher Dechanten und Pfarrer des Saargebietes an die Regierung gerichtet hat. Er stellt im letzten Absatz der Erklärung ausdrücklich fest — und dieses Schreiben stammt erst vom 26. März 1950 —:
    Bis heute ist das Saarvolk — wie auch Léon - Blum ausdrücklich bekannte — noch nicht klar und eindeutig über seinen außenpolitischen Willen befragt worden, so daß die übliche amtliche Auslegung der bisherigen drei Wahlergebnisse als politische Willenskundgebung des Saarvolkes nicht einer objektiven Interpretation entspricht.
    Um zu verhindern, daß die Politik einer kleinen Clique um Herrn Hoffmann herum an der Saar zu einer Trübung des deutsch-französischen Verhältnisses und für persönliche Zwecke im klaren Widerspruch zum Willen der Bevölkerung mißbraucht wird, haben wir in dieser Interpellation die dort aufgeführten Fragen gestellt.
    Ich darf zur Frage. Nr. 1 folgendermaßen Stellung nehmen. Im Saargebiet ist bis heute keine echte Gewaltenteilung eingeführt, wie es in einer normalen Demokratie üblich ist. Freiheit der Presse, Freiheit der Versammlung, Freiheit der Vereinigung, Freiheit der Meinung, Freiheit der Person, Wahrung des Fernsprech-, Post- und Telegrafengeheimnisses sind in der saarländischen Verfassung formal niedergelegt, werden aber. bis zur gegenwärtigen Stunde häufig und in schwerwiegenden Fällen immer wieder gebrochen. Die Verwaltung nimmt dort Vollmachten der Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch, indem sie z. B. — ohne dafür zuständig zu sein — Parteiverbote erläßt und Haussuchungen vornimmt. Die Gesetzgebung übernimmt Aufgaben der Gerichtsbarkeit, indem nach dem Gesetz betreffend die Bildung einer Verfassungskommission über die Erklärung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen sowie über die Auslegung und Interpretation von Verfassung und Gesetzen eine Kommission entscheidet, in der ausschließlich Abgeordnete Stimmrecht haben. Das heißt doch nichts anderes, als daß man den Teufel bei seiner Großmutter verklagt

    (Heiterkeit)

    oder daß der Delinquent über die Frage „schuldig oder nicht" selbst zu Gericht sitzen kann. Ich darf mich bei dieser Frage auf das Zeugnis eines saarländischen Landtagsabgeordneten selbst berufen, der bei der Debatte über die Bildung dieser Verfassungskommission folgende Äußerung gebraucht hat:
    Meine Damen und Herren, machen Sie, was Sie I wollen. Das Schlimmste neben der Diktatur der Einzelpersönlichkeit ist die Parteidiktatur. Daran gehen Staaten genauso zugrunde wie an einer Diktatur des Einzelnen.
    Und er sagte in diesem Zusammenhang weiter: Wenn so selbst die Verfassungskommission gegen die Verfassung gebildet werden kann, dann Gnade Gott der Demokratie, die wir erst schaffen wollen, und der Verfassung, die wir dem Volk geben.
    Es gibt im Saargebiet keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wohl besteht ein Verwaltungsgerichtshof, der aber bis jetzt nicht tätig werden kann, weil bisher kein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann nur in Wahlangelegenheiten tätig werden. Dieser Verwaltungsgerichtshof soll jetzt ohne gesetzliche Grundlage über etwas entscheiden, was ihm unter Berücksichtigung der Natur einer echten Demokratie in keinem Falle zustehen kann. Er soll über die Rechtmäßigkeit des Verbotes der Demokratischen Partei des Saarlandes entscheiden. Darüber kann nur ein Verfassungsgerichtshof entscheiden. Herr Hoffmann will nun einen- Verfassungsgerichtshof einrichten — der Antrag dafür ist im saarländischen Landtag eingebracht worden —, er soll aber mit drei Nichtparlamentariern und vier Parlamentariern besetzt werden. Die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die Verfassungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Anordnungen der Regierung kann nur durch einen echten Verfassungsgerichtshof festgestellt werden.
    Wir haben im Saargebiet eine vorläufige Presseordnung vom Jahre 1948. Sie enthält Lizenzzwang, stäidige Verbote, Es gibt keine Rechtsmittel da-
    5674 Deutscher ,Bundestag — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951

    (Strauß)

    1 gegen, da bisher kein Verwaltungsgerichtshof für solche Fragen zuständig ist. Darum kann die Opposition an der Saar keine Zeitung erhalten. Die SPS, die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes, stellt in unseren Augen auch keine echte Opposition in diesem Sinne dar, sondern in den meisten Fragen eine seiner Majestät gehorsamst untertänige Opposition, die den Mund nur so weit aufmachen darf, wie vorher abgesprochen worden ist und wie es ausreicht, um bei Naiven den Glauben an die Existenz einer Opposition hervorzurufen.
    Diese Opposition hat bisher genau so Verfassungs-
    und Verwaltungsmaßnahmen der Regierung gebilligt. Für die echte Opposition gibt es keinen Zugang zum Rundfunk, der von der Regierung und ihrer Partei ständig gebraucht wird.
    Theoretisch haben wir im Saargebiet die Versammlungsfreiheit. Jede Versammlung muß angemeldet werden. Sie wird von uniformierter und Kriminalpolizei vor und hinter dem Vorhang überwacht. Reden werden mitstenographiert, Autos, die vorfahren, werden notiert. Die Versammlung der DPS ist am 6. Mai wegen Beunruhigung der Bevölkerung verboten worden.
    Wir haben im Saargebiet formal auch die Vereinsfreiheit. Das Verbot der DPS ist auf Grund von angeblicher Verfassungswidrigkeit verhängt worden, weil durch sie vor Abschluß eines Friedensvertrages eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes angestrebt worden sei. Der MRS, die Bewegung zum Anschluß des Saarlandes an Frankreich — was ja auch eine Vorwegnahme der endgültigen Regelung bedeuten würde —, ist nicht verboten worden, obwohl er offen den politischen Anschluß des Saargebietes an Frankreich propagiert hat. Der MRS braucht nicht verboten zu werden. Er hat Schiffbruch erlitten trotz des Gewissenszwanges, der bezüglich der Mitgliedschaft ausgeübt worden ist.
    Als wir — Abgeordnete der CDU/CSU, der FDP und des Zentrums — am Abend des 5. Mai zum Besuch der Kundgebung der Demokratischen Partei des Saarlandes in das Saargebiet einreisen wollten, wurden wir trotz Vorhandenseins aller benötigten Papiere durch saarländische Kriminalpolizei angehalten und mit einem Aufenthaltsverbot von 48 Stunden belegt. Für den ganz hinterhältigen Fall, daß einer dieser Teilnehmer über ein französisches Visum verfügen und unter dem Vorwand einreisen sollte, nur durchreisen und nach Frankreich weiterreisen zu wollen, hat man vorsorglich motorisierte Verkehrsstaffeln bereitgestellt, um uns das Geleit bis zur französischen Grenze zu geben!

    (Abg. Dr. von Brentano: Wie aufmerksam!)

    Bei einem meiner früheren Aufenthalte im Saargebiet hat mich ein Beamter um folgendes gebeten: Wenn eines Tages wiederum die Grenze zwischen dem Bundesgebiet und dem Saargebiet fallen sollte, die Grenze, die von Separatisten gegen den Willen des Volkes errichtet worden ist, dann möge man ja nicht die Zugehörigkeit zum MRS, zur Anschlußbewegung an Frankreich, bei saarländischen Beamten zu Maßnahmen gegen sie verwerten, weil sie durch ihre Vorgesetzten dazu gezwungen worden seien.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Er hat damit die Bitte ausgesprochen, ihnen vor einer eventuellen Spruchkammer später nicht die Zugehörigkeit zum MRS formal oder praktisch zur Last zu legen, und er hat mich noch dringlicher gebeten, ja nicht etwa seinen Namen zu nennen.
    Nach der saarländischen Verfassung besteht auch I das Postgeheimnis. Das Postgeheimnis ist dort nicht mehr als ein paar Worte ohne jeden Begriff und ohne jeden Inhalt. Noch wird nach wie vor im Saargebiet jedes interessante Telefongespräch abgehört, noch werden Briefe zensiert. Selbstverständlich ist, daß das Telegrafengeheimnis nicht gewahrt wird. Es geht hier in diesem Zusammenhang auch nicht um die Frage, ob das durch saarländische Beamte oder durch französische Organe geschieht. Wesentlich ist die Tatsache, daß dieser Bruch des Postgeheimnisses in der Hauptsache deshalb ausgeübt wird, um alle Beziehungen und Verbindungen zwischen dem Saargebiet und Deutschland zu unterbrechen, so schwierig wie möglich zu machen, sie unter eine stille, latente Drohung zu stellen und letzten Endes damit politische Wirkungen zu erzielen.
    Wir hören auch, daß an der Saar die Freiheit der Person gelten soll. Ich sagte schon vorhin im Zusammenhang mit den Landtagswahlen, daß die Ausweisungswelle im Jahre 1946 und 1947 bereits dazu gedient hat, die Landtagswahlen vorzubereiten. Wir haben bei der Abfassung unserer Interpellation ganz besonders an diesen Punkt, die Freiheit der Person, gedacht. Der hoffmannhörige Chefredakteur, der Verbreiter von Hoffmanns Erzählungen und Phantasien in der „Saarländischen Volkszeitung", Herr Dorscheid, hat dieser Interpellation entgegengehalten, daß wir falsch informiert seien, daß nur Kommunisten und Funktionäre des sowjetzonalen Sicherheitsdienstes ausgewiesen worden seien.

    (Hört!, Hört! in der Mitte.)

    Zu dieser Behauptung der saarländischen, Regierungsstimme, als die man die SVZ wohl bezeichnen kann, darf ich nur zwei Dinge verlesen, einmal eine. Bekanntmachung der Militärregierung. Sie stammt vom 6. Juli 1946. Dort heißt es:
    Am Dienstag wurde im Saargebiet eine Polizeiaktion von nicht unerheblichen Ausmaßen durchgeführt. Diese Maßnahmen hatten den Zweck, eine gewisse Anzahl Familien nicht saarländischer Herkunft, deren Mitglieder in der Nazipartei eine wichtige Rolle spielten, aus dem Saargebiet zu entfernen. Diese Familien wurden angewiesen, sich in der Provinz Württemberg niederzulassen. Sie sind nicht Gegenstand einer Internierungsmaßnahme und haben ferner die Möglichkeit, in aller Freiheit Nachrichten nach der Saar zu übermitteln.
    Zu dieser Ausweisung nimmt das State Department der USA im Jahre 1948 in folgender Weise Stellung:
    Diejenigen, welche sich der gegenwärtigen Tendenz am entschiedensten feindselig zeigten, — der Tendenz der Saarregierung —
    wurden aus dem Saarland ausgewiesen. Diese Aktion kam auf ihren Höhepunkt im Juni 1947, als ungefähr 1500 Familien aus der Saar vertrieben und in andere Teile der französischen Besatzungszone zerstreut wurden.
    Ein Opfer dieser Ausweisung, die angeblich nur Kommunisten und sowjetzonale Sicherheitsleute erfaßt hat, ist unter anderem auch der katholische Pastor Burgarten geworden. Pastor Bungarten hat zu der Behauptung des Herrn Dorscheid, daß nur Kommunisten und Sicherheitsorgane der sowjetzonalen Institutionen ausgewiesen worden seien, Stellung genommen. Er hat wegen der Behauptung des Herrn Dorscheid angefragt. Herr Dorscheid schreibt nämlich:


    (Strauß)

    Uns wäre es interessant, einmal zu erfahren welche deutschgesinnten Staatsbürger ausgewiesen oder der Freiheit beraubt wurden. Er wird uns die Antwort schuldig bleiben.
    Gemeint bin damit ich, der Abgeordnete Strauß. Die Antwort darauf gibt der katholische Pastor Bungarten. Pastor Bungarten, der vom Gauleiter Bürckel im „Dritten Reich" wegen seiner Einstellung gegen das Regime des Dritten Reiches bereits zweimal aus dem Saargebiet ausgewiesen wurde, der im Laufe des Dritten Reiches wegen seines Kampfes gegen die Diktatur, gegen den Nationalsozialismus, ständig unter Polizeimaßnahmen litt und unter Polizeidruck lebte, fragt die Saarregierung:
    Wollen Sie behaupten, daß ich ausgewiesen wurde als kommunistischer Funktionär oder als Angehöriger des SSD? Wollen Sie im Ernst weiterhin behaupten, daß keine deutschgesinnten Saarbürger ausgewiesen wurden, sondern nur kriminell belastete oder bolschewistische Elemente?
    Stufen Sie mich aber nicht in die Gruppe der kriminellen oder bolschewistischen Ausgewiesenen ein, dann frage ich Sie folgendes: Sind Sie bereit, nun einmal endlich in aller Offentlichkeit die realen Gründe meiner Ausweisung vom 6. Januar 1948 bekanntzugeben? Sind Sie bereit, in aller Öffentlichkeit zu bekennen, ob Sie oder jemand anderes die Verantwortung für meine Ausweisung aus dem Saarland trägt? Sind Sie bereit, mir, dem 76jährigen, endlich das elementarste Recht eines Staatsbürgers zu gewähren, wieder in das Saargebiet, die Stätte meiner 23jährigen Seelsorgertätigkeit zurückzukehren, um dort zu verweilen, oder wollen Sie in die Fußtapfen des NSDAP- Gauleiters Bürckel treten, der mich zweimal aus der Saar entfernen ließ, dessen Unrecht verewigen und dessen Brutalität noch übertreffen?
    Mit dieser ausführlicheren Darstellung des Falles Bungarten wollte ich nur einmal beweisen, daß die Antwort der Regierung des Saarlandes in der. SVZ auf unsere Interpellation nichts anderes ist als ein ganz kläglicher Versuch, sich um eklatante Tatsachen herumzudrücken und ebenso eklatante Lügen zu verbreiten.
    Es gibt noch eine Reihe von Fällen, deren Darstellung hier zu weit führen würde. Erst im November 1950 ist auch der Diözesan -Jugendseelsorger des Bistums Trier ausgewiesen worden. Wir sind wohl darüber informiert, warum Pastor Bun-garten ausgewiesen wurde. Es geschah deshalb, weil er an den Heiligen Vater wegen des Verbleibs bei den angestammten Bistümern Trier und Speyer einen von mehr als 300 Priestern unterschriebenen Brief gerichtet hat. Aus diesem und aus keinem anderen Grunde ist Pastor Bungarten ausgewiesen worden. Wenn wir dafür noch eine Bestätigung bräuchten, würden wir sie finden, indem wir einmal die Stimme eines französischen Abgeordneten, der dort der Vorkämpfer der französischen Saarpolitik antiquierten Stiles ist, vernehmen. Am 20. Oktober 1950 erklärte dieser Abgeordnete Jaques Bardoux, Präsident der Französisch-Saarländischen Vereinigung von vor 1935, Präsident der franco-saarländischen Freundschaftsgruppe, führender Saarpolitiker Frankreichs in der Nationalversammlung:
    Die Saar hat noch keinen Bischof. Auf Grund
    der Intervention der französischen Regierung
    hat der Heilige Stuhl einen Apostolischen Visitator ernannt; aber es handelt sich um einen Visitator, nicht um einen Apostolischen Administrator. Indessen üben die Bischöfe jenseits d?r saarländischen Grenze ihre Autorität auf kirchlichem Gebiet noch frei aus. Es ist für niemand ein Geheimnis, daß diese Autorität sich auch auf politischem Gebiet auswirkt, und zwar in 'einem der saarländischen Autonomie und der franco-saarländischen Zusammenarbeit feindlichen Sinne. Die Einsetzung eines saarländischen Bischofs muß deshalb die erste Voraussetzung einer saarländischen Selbständigkeit sein. Sie muß durch den saarländischen Ministerpräsidenten mit Unterstützung der französischen Regierung vom Vatikan gefordert werden.
    Meine Damen und Herren, nach dem im Saarland geltenden Strafprozeßrecht bedarf es zu jeder Haussuchung eines richterlichen Untersuchungsbefehls. Beim Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes haben sich die Herren geweigert, in die Haussuchung einzuwilligen. Sie wurden unter Androhung der sofortigen Verhaftung gezwungen, die Haussuchung bei sich vornehmen zu lassen. Mir ist beim Lesen dieser Nachricht ein Vorgang in Erinnerung gekommen, der sich bei uns in Bayern in den letzten Tagen ereignet hat. Dort haben 600 Polizisten auf Grund eines richterlichen Untersuchungsbefehls das Ausländerlager, das sogenannte Valka-Lager in Nürnberg durchsucht. Dieses Lager ist eine Unterbringungsstätte von vielen politischen Flüchtlingen aus der Tschechoslowakei, es ist aber auch Asyl für eine Reihe von schwer kriminellen Elementen und gleichzeitig ein Unterschlupf für Waffen geworden, mit denen Verbrechen gegen Leben und Eigentum begangen werden. Die amerikanische Militärregierung in Bayern hat das Vorgehen der Polizei als verfassungs- und gesetzwidrig bezeichnet, weil nicht jeder der 600 Polizisten einen Durchsuchungsbefehl bei sich in der Tasche gehabt hat.

    (Abg. Fisch: Weil die Insassen ihre Freunde sind!)

    — Ich glaube, die waren längere Zeit Ihre Freunde, Herr Kollege.

    (Abg. Fisch: Da sind Sie falsch informiert!)

    — Wenn Sie mir Ihren Informationsdienst zur Verfügung stellten, wäre ich genau so gut informiert wie Sie.
    Im Zusammenhang mit dem Verbot der DPS und den darauf folgenden Maßnahmen darf ich wohl noch einmal kurz auf die eigenartige Angelegenheit zu sprechen kommen, die mit dem sogenannten Schuman-Brief zusammenhängt. Am 5. Juni dieses Jahres hat Herr Hoppe, der gegenwärtige Leiter des saarländischen Informationsamtes, ehemaliger kommunistischer Landtagsabgeordneter, erklärt, daß enge Beziehungen zwischen der Demokratischen Partei des Saarlandes und der Sozialistischen Reichspartei bestünden. Am 6. Mai wurde die Kundgebung der Demokratischen Partei des Saarlandes verboten. Am 7. Mai wurden in Straßburg durch eine unbekannte Dame Abschriften eines Telegramms in englischer Sprache an die gesamte Presse mit Ausnahme der deutschen Presse verteilt, eines Telegramms, das Herr Dr. Dorls und Herr Remer im Namen der Sozialistischen Reichspartei an den Generalsekretär des Europarats geschickt haben sollen und in dem sie gegen das Verbot der DPS protestiert und ihre


    (Strauß)

    Solidarität mit der Demokratischen Partei des Saarlandes erklärt haben sollen. Die sofort aufgenommenen Nachforschungen haben ergeben, daß dieses Telegramm niemals beim Generalsekretär des Europarats eingetroffen ist. Herr Dr. Doris hat sich bereit erklärt, in einer vor dem Notar aufgenommenen eidesstattlichen Versicherung zu erklären, daß dieses Telegramm nie abgesandt worden sei, daß zwischen ihm und seiner Partei auf der einen Seite und der Demokratischen Partei des Saarlandes auf der anderen Seite keine Beziehungen bestünden oder jemals bestanden hätten. Mit dieser plumpen Telegrammfälschung — es ist ganz gleich, wer sie begangen hat — wollte man auch diejenigen deutschen Politiker diffamieren, die sich zum deutschen Gedanken an der Saar bekennen und schon bisher dafür eingetreten sind. Noch am 7. .Mai gab der saarländische Rundfunk dieses Telegramm durch. Interessant ist nur, daß die Telegrammabschriften auf einem Papier angefertigt sind -- man kann ja nie genau nachweisen, welches Papier jemand benutzte —, das genau dem Papier entspricht, das der saarländische Rundfunk im allgemeinen verwendet. Am 8. Mai hat das saarländische Informationsamt dieses Bärentelegramm der saarländischen Presse zur Verfügung gestellt, die es gerne übernommen hat. Am 8 und 9. Mai weilten Monsieur Grandval, der Hohe Kommissar des Saargebiets, und Herr Ministerpräsident Johannes Hoffmann in Paris, um sich dort angeblich über den Austausch von Gesandtschaften zu unterhalten. Am 8. und 9. Mai! Das Datum des 8. Mai trägt auch der Brief des Herrn Schuman an die Saarregierung, in dem er empfiehlt, gegen die DPS wegen ihrer Tätigkeit die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen oder sie in diesem Sinne zu betrachten und zu behandeln.
    Wenn auch niemals faktisch ein Kausalzusammenhang nachgewiesen werden kann, der Sinnzusammenhang zwischen diesen vorläufigen Ereignissen, zwischen dem Besuch des Herrn Hoffmann sowie dem Besuch des Herrn Grandval in Paris und dem Datum, das der Brief des Außenministers Schuman an die Saarregierung trägt, ist gegeben, wenn auch Außenminister Schuman heute erklärt, es sei ihm Material zur Verfügung gestellt worden, das ihn zu diesem Schritt veranlaßt habe. Wir wollen ihm auf der anderen Seite aber ruhig zugute halten, daß die Herren, die das Telegramm für die Weltöffentlichkeit gefälscht haben, mit diesem Telegramm auch hausieren gegangen sind und es benutzt haben, damit ihnen der geeignete Brief zur Verfügung gestellt wurde.
    Diese Methoden, meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnern verzweifelt an Vorgänge, wie sie bei uns einmal stattgefunden haben, Vorgänge aus einem Geiste, gegen den die Saarregierung heute angeblich zu kämpfen vorgibt.
    2. Im Europarat sitzen heute saarländische Delegierte neben deutschen Delegierten. Das Saarland ist gegen unseren Willen assoziiertes Mitglied geworden. Der Deutsche Bundestag hat die Konvention der Menschenrechte ebenso wie der saarländische Landtag ratifiziert. Die Deutsche Bundesregierung und der Deutsche Bundestag halten sich an diese feierliche Verpflichtung. Im Saargebiet ist bisher die Konvention der Menschenrechte nicht mehr gewesen als ein Fetzen Papier. Wir legen feierlich Verwahrung dagegen ein, weil wir uns mit aller Kraft dagegen wehren, daß die Entwertung, die Verzerrung und der Mißbrauch der Begriffe von Freiheit und Recht damit auch seinen
    Einzug in den Westen halten würde, nachdem uns im Osten schon seit Jahren dieses Beispiel der Verzerrung vorexerziert worden ist.
    3. Wir haben uns in dieser Interpellation auch gegen die Maßnahmen der Endgültigkeit gewendet. Zu diesen Maßnahmen der Endgültigkeit sollte auch die Schaffung eines Begriffes der saarländischen Staatsangehörigkeit und der saarländischen Nationalität gehören. Der Deutsche ist Ausländer; der Franzose kann gleichzeitig Saarländer sein. Der Saarländer kann Franzose, nicht aber Deutscher sein. Wir stellen mit aller Deutlichkeit fest: Wenn auch nach dem saarländischen Staatsangehörigkeitsgesetz die deutsche Staatsangehörigkeit der Saarländer im Verhältnis zur Saarregierung erloschen ist — die deutsche Staatsangehörigkeit der Saarländer im Verhältnis zur Bundesregierung und zur Bundesrepublik ist nicht erloschen!

    (Sehr richtig!)

    Es gibt kein Vaterland, das von Homburg an der Saar bis nach St. Wendel an der Saar geht, wie es Herr Hoffmann in der Antwort auf den Hirtenbrief vom 15. März 1947 von sich bekannt hat. Es gibt nur eine Lüge von der saarländischen Nationalität, und von ihr ist es nur ein Schritt zur saarländischen Ideologie und damit zu einem Mikronationalismus, auf bayerisch: einem Nationalismus aus der Pinscherperspektive.

    (Heiterkeit.)

    Wirtschaftlich ist das Saargebiet vor allem nach Frankreich orientiert. Französische Normenvorschriften sollten übernommen werden; unter dem Widerstand der Wirtschaft sind sie fallengelassen worden. Alle Exportverträge gehen über die Hohe Kommission nach Paris zur Entscheidung. Wir haben auch von Maßnahmen gehört, die auf Endgültiges in allen Angelegenheiten der Kulturpolitik, im besonderen der Erziehung, hinzielten. Bei der Aufführung deutscher Stücke müssen Tantiemen bis zu 28 0/o der Einnahmen gezahlt werden, bei der Aufführung französischer Stücke werden diese Tantiemen erlassen.
    Wir haben das gleiche bei der Personalpolitik. Der Direktor der Universität Saarbrücken ist Franzose, ebenso zwei Drittel der Lehrkräfte; die Lehrsprache ist zum Teil französisch, wogegen gar nichts einzuwenden ist, z. B. aber auch für deutsche Rechtsgeschichte. Französisch sind aber auch der Direktor der Schule für Kunst und Handwerk, der Direktor des staatlichen Konservatoriums, sämtliche maßgebenden Leute der Régie des Mines, der Direktor des Landesamtes Saar, der Generaldirektor der Vereinigten Saarländischen Elektrizitätswerke, der Saareisenbahn, der Generaldirektor von Völklingen und Neunkirchen, die Generaldirektoren aller Großbanken und Versicherungen, ebenso Innenminister Hektor, Spezialminister für Ausweisungen, Verbote und Haussuchungen, ebenso der Landespolizeipräsident in Saarbrücken. Diese Liste kann noch beliebig ergänzt werden.
    Wir haben aus französischem Munde gehört, daß das Saarland verpflichtet ist, seine Bevölkerung, die europäische Einheit und die europäische Sicherheit mitverteidigen zu helfen, aber als saarländische Division unter französischen Fahnen.
    Am Tage nach der Paraphierung des Schumanplans und wenige Stunden vor der Abreise des französischen Staatspräsidenten nach Paris kam die Nachricht, daß saarländische und französische Gesandtschaften ausgetauscht werden sollen. Das Haus der Saarregierung ist in Paris gekauft. Haus


    (Strauß)

    und Diensträume für den französischen Gesandten in Saarbrücken werden von der Saarregierung zur Verfügung gestellt. Gesandtschaften sind im allgemeinen ein völkerrechtlicher Anerkennungstatbestand. In diesem Falle stellen wir fest: Ganz gleich, welchen Titel man diesen Vertretungen gibt, ob sie Konsulate, Gesandtschaften oder Botschaften sind, gleichgültig, welche Begriffe und welche Namen verwendet werden, der Austausch solcher Vertretungen kann kein völkerrechtlicher Anerkennungstatbestand sein. Nach dem Notenwechsel Schuman —Adenauer wurden die französischen Kreisdelegationen im Saargebiet in konsularische Agenturen umgewandelt.
    5. Wir haben aus diesem Grunde in unserer Interpellation bei der Regierung die Entsendung eines deutschen Bevollmächtigten ins Saargebiet angeregt. Wir stellen im Zusammenhang damit — und um keinen Irrtum aufkommen zu lassen — ausdrücklich fest, daß es sich bei der Entsendung eines solchen Bevollmächtigten und bei diesem Wunsch nicht um die Anerkennung des Saarstaates handelt, sondern um das Recht, durch einen deutschen Bevollmächtigten dort Informationen einzuholen und durch diesen Bevollmächtigten, demgegenüber die Saarregierung auskunftspflichtig ist, zuverlässig über die Vorgänge an der Saar informiert zu werden. Wir wollen damit nur die gleiche Basis für den Ausgang bei den Friedensverhandlungen oder einem ähnlichen Vertrage für uns sichern. Bei diesem -Bevollmächtigten handelt es sich in keiner Weise um irgendeine diplomatische Vertretung, die auf diplomatischem Wege mit der Saarregierung zu verkehren hat.
    Wir möchten zum Schluß zusammenfassend unsere Forderungen bekanntgeben:
    1. Deutschland hat politische und wirtschaftliche Interessen an der Saar. Frankreich hat wirtschaftliche Interessen an der Saar und sollte, um diese zu sichern, keine politischen haben.
    2. Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der Saar werden durch die Herauslösung von Kohle und Stahl aus den nationalen Wirtschaftseinheiten infolge des Schumanplans in einer höheren europäischen Einheit gesichert. Darum sollte Frankreich seine politische Hand aus dem Saargebiet zurückziehen, um Herrn Hoffmann und seinen separatistischen Mitarbeitern keinen Rückhalt für eine Störenfried-Politik zwischen Deutschland und Frankreich und für ihre antieuropäische Tätigkeit abzugeben. Das Saarproblem soll und darf keine Erschwerung für die Schaffung eines vereinigten Europas und keine Vorbelastung für eine deutsch -französische Verständigung sein.
    3. Wir können Herrn Hoffmann und sein Kabinett nicht als die Regierung eines autonomen Staates betrachten und demgemäß behandeln. Deshalb sind auch alle Versuche Herrn Hoffmann, sich auf dieser Grundlage an Bonn zu wenden und dort zu ' verhandeln, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wir warnen aber die Saarbevölkerung vor dem falschen Glauben, der ihr durch eine verlogene Propaganda aufgezwungen wird, daß die deutsche Bundesrepublik kein Interesse an den Verhältnissen an der Saar habe, weil sie nicht bereit und in der Lage ist, mit Herrn Hoffmann zu verhandeln. Wir fordern Herrn Hoffmann auf, das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes als ernstete Erschwerung des Gesprächs zwischen Deutschland und Frankreich und als eine Erschwerung für die endgültige Regelung der Verhältnisse zurückzunehmen, Wir fordern ihn auf, sein Amt zur Verfügung zu stellen, damit eine unbelastete Persönlichkeit die Verwaltung an der Saar im Geiste der demokratischen Grundrechte und in der Gesinnung der Atlantik -Charta bis zur endgültigen Klärung in einem Friedensvertrage oder einem ähnlichen Vertrage führt. Johannes Hoffmann hat gezeigt, daß er unfähig oder unwillig war, gegenüber Frankreich Gefühl und Einstellung der deutschen Bevölkerung an der Saar in richtiger Weise zu interpretieren.
    4. Wir stellen deshalb fest, daß der Kampf um die politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands an der Saar weder gegen Europa noch gegen Frankreich gerichtet ist. Wir lehnen die bewußten Zweck- und Propagandalügen mit aller Schärfe ab, daß dieser Kampf nationalsozialistischem Geiste entspringe. Es ist ein Kampf um das Selbstbestimmungsrecht eines deutschen Bevölkerungsteils, es ist ein Kampf gegen den Chauvinismus und gegen einen gezüchteten Kleinnationalismus und es ist damit ein Kampf für die Grundsätze, um derentwillen von den Demokratien der letzte Krieg geführt worden ist. Die Saarländer wollen und sollen ehrliche Deutsche und damit gute Europäer sein, aber nicht halbe oder schlechte Franzosen.
    Wir haben als besten Grundsatz für das friedliche Zusammenleben der Völker und für die Beseitigung aller Konflikte aus der Vergangenheit den Grundsatz gelernt, dessen Verwirklichung wir auch hier fordern: Recht und Freiheit sollen vor Macht und Vorteil gehen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)