Niemand kommt auf die Idee, weil sie nun etwa zusammen eine Gemeinschaft bilden, sie doppelt zu besteuern. Bei Mann und Frau wird aber die Progression des Steuersatzes angewendet; das Einkommen wird zusammengerechnet, und der höhere Steuersatz, der sich durch die Zusammenrechnung ergibt, wird auf dieses Einkommen angerechnet.
Ein Beispiel: jeder der Ehepartner mag jährlich 6000 DM Einkommen haben, und zwar einer aus freiberuflicher Arbeit und der andere aus unselbständiger Arbeit. Vor der Ehe müssen die beiden —jeder für sich — zusammen etwa 2000 DM an Steuer bezahlen. Nach der Heirat ist es nach der geltenden Rechtslage bzw. nach dem Antrag, der im Ausschuß angenommen worden ist, so: Ist die Frau etwa als Lehrerin Gehaltsempfängerin, dann werden die Eheleute individuell besteuert und zahlen 350 DM Einkommensteuer weniger. Verdient die Frau aber selbständig, beispielsweise als Ärztin, dann zahlen die Eheleute trotz der besseren Steuergruppe — sie sind aus der Steuergruppe I in die Steuergruppe II gekommen — 1300 DM mehr, als sie vor der Heirat einzeln bezahlt haben.
Diese Zusammenveranlagung bringt einen Schaden, der erheblich größer ist als der Vorteil durch das Hinüberrücken aus der Steuergruppe I in die Steuergruppe II.
Es handelt sich hier um ein Vielfaches; es ist ein sehr großer Unterschied!
Die Begründung, die das Bundesfinanzministerium seinem Vorschlag gegeben hat, gliedert sich in zwei Punkte. Einmal behauptet das Finanzministerium, es sei ideell durch das Wesen der Familiengemeinschaft begründet, so zu verfahren. Ich darf fragen: Seit wann unterstützt man ideell das
Wesen der Familiengemeinschaft dadurch, daß man diese mit erheblichen Steuerstrafen belastet, wenn die Partner einmal zur Ehe gekommen sind? Wenn man das Wesen der Familie ideell richtig erfaßt hat und die Familie unterstützen will, darf man die Leute, nachdem sie geheiratet haben, nicht höher besteuern, als vorher; ich könnte mir vorstellen, daß man sie steuerlich begünstigt. Wir aber tun in Deutschland genau das Gegenteil. Wir belasten beide Ehegatten erheblich höher, als sie einzeln vor der Ehe mit Steuern belastet waren.
Weiter wird behauptet, die Ehe sei billiger, die Leistungsfähigkeit sei höher. Meine Damen und Herren, wenn sich zwei Menschen zur Ehe zusammentun, dann sind sie doch kein Leistungsverband
wie eine Handelsgesellschaft, die dem Erwerb dient. Auf die Handelsgesellschaft, die dem Erwerb dient, läßt sich dieser Gesichtspunkt wohl anwenden. Daß aber Mann und Frau in der Ehe zusammenleben, ist doch kein steuerlicher Gesichtspunkt, der es rechtfertigen würde, deshalb etwa eine höhere Steuer zu nehmen. Sie wissen alle, daß dieser Gedanke an die Leistungsfähigkeit keine Anwendung auf die Ehe finden kann.
Der dritte Gesichtspunkt, der hier hervorgehoben wird, ist der, daß die Steuer erheblich vereinfacht würde. Das mag zutreffen. Aber in anderen Ländern hat man ja -dies Problem auch. In den Vereinigten Staaten ist das so geregelt, daß auf Antrag beider Ehegatten ihr Einkommen zusammengerechnet wird; es wird halbiert, und jeder der beiden zahlt für die Hälfte die normale Einkommensteuer, die er als Einzelperson zu zahlen hätte. Das ist eine gerechte Lösung, und einzig und allein diese Lösung würde auch unserem Grundgesetz entsprechen.
Meine Damen und Herren! Es wird behauptet, diese Regelung sei 1941 durch die Nationalsozialisten eingeführt worden, und damit wird ein kleines Mäntelchen um eine ungerechte Maßnahme gelegt. Das ist zunächst formell richtig. Die Begründung vergißt aber zu erwähnen, daß diese Regelung bereits 1925 bis 1934 gegolten hat, daß die Nationalsozialisten sie erst 1934 beseitigt und damit ein großes Unrecht begangen haben und daß 1941 dieses Unrecht der Nationalsozialisten wieder aufgehoben worden ist, was wir jetzt im Sinne der Leute von 1934 wieder einführen wollen. So erst wird die Sache richtig dargestellt. Man muß sich eben auch einmal die ganze Geschichte vergegenwärtigen.
Wenn das Grundgesetz vorschreibt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind, dann bedeutet das doch, daß für das Steuergesetz, für die Fragen der Besteuerung nur steuerliche Gesichtspunkte herangezogen werden können. Als steuerliche Gesichtspunkte sind Art und Höhe des Einkommens anerkannt, und daß die Art und die Höhe des Einkommens deswegen, weil zwei Menschen heiraten, nicht unterschiedlich berücksichtigt werden können, liegt auf der Hand.
Man könnte sich noch fragen, ob als steuerlich beachtlicher Gesichtspunkt etwa in Betracht käme, daß sich durch die Ehe eine höhere Leistungsfähigkeit, d. h. die Möglichkeit der Erzielung eines höheren Arbeitseinkommens ergäbe. Das ist keineswegs der Fall; im Gegenteil: das Arbeitseinkommen als solches sinkt.
— Wenn Mann und Frau heiraten, dann werden sie allenfalls erreichen, daß ihr Einkommen zusammen der Summe ihres vorherigen Einkommens gleich ist; meist werden sie beide zusammen aber weniger verdienen, weil die Frau den Haushaltstag hat und auch- noch sonstige Ausfälle an Arbeitslohn hinnehmen muß. Auf keinen Fall wird durch die Heirat eine höhere steuerliche Leistungsfähigkeit erzielt.
— Aber wenn Sie sich beispielsweise als Polizist kasernieren lassen, dann leben Sie auch billiger,
— und dem Steuergesetzgeber fällt es nicht ein, dem kasernierten Steuerpflichtigen etwa eine höhere Steuerlast aufzubrummen, weil er billiger lebt. Das ist doch nicht der Gesichtspunkt der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Es gibt noch andere Fälle, in denen es ein Steuerpflichtiger versteht, seinen Lebensunterhalt besonders billig zu gestalten. Das ist aber doch kein steuerrechtlicher Gesichtspunkt, der hier überhaupt beachtet werden könnte. Die Frage der billigen Lebenshaltung — und das ist in Wirklichkeit der hier vorgeschobene Grund
— ist steuerlich überhaupt nicht beachtlich, sondern nur die echte steuerliche Leistungsfähigkeit, und bei ihr liegt eben eine Erhöhung durch die Eheschließung nicht vor. Hier kommt nur eine möglicherweise billigere Lebenshaltung in Betracht. Infolgedessen verstößt die Haushaltsbesteuerung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, denn es werden hier unsachliche Gesichtspunkte in die Frage der Besteuerung hineingebracht.
Wir haben deshalb eine Regelung beantragt, nach der die beiden Eheleute auf übereinstimmenden Antrag getrennt veranlagt werden können, und zwar nach der Steuerklasse I, weil sie dann natürlich die Vorteile der Steuerklasse II nicht mehr in Anspruch nehmen können.
— Die Kinderermäßigung kann sich dann auswirken, wenn sich die Eheleute ausrechnen, daß sie sich bei einer getrennten Besteuerung ihres Einkommens schlechter stehen.
— Kinder arbeiten ja im allgemeinen nicht. Ich habe den Antrag auf Grund zahlreicher Beschwerden gestellt. Daß das Arbeitseinkommen der Kinder dem Arbeitseinkommen der Eltern zugerechnet wird, ist außerordentlich selten. Wenn es sich um Einkommen von Angestellten oder von Lohnempfängern handelt, dann darf es ja nach der bisher gültigen Regelung dem Elterneinkommen sowieso nicht zugerechnet werden, sondern ist gesondert zu versteuern. Unter diesen Umständen ist, das gebe ich zu, die Frage der Zurechnung der Einkommen der Kinder tatsächlich nicht aktuell. Deshalb ist sie aus unserem Antrag herausgelassen worden. Die grundsätzliche Frage muß hier aber geklärt werden. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.