Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel unseres Antrages ist ein begrenztes. Es soll bei seiner Begründung nicht wieder das schon oft besprochene Problem der Handels- und Gewinnspannen im allgemeinen erörtert werden, sondern nur die Frage, wie sich die Handelsspannen bei den Waren, die mit Verbrauchsteuern belegt sind, auswirken. Es ist insbesondere nicht die Frage, ob der Handel allgemein zu viel oder zu wenig verdient. Das sind Dinge, die sich bei der Überprüfung der Handelsspannen einer einzelnen Warengattung gar nicht erörtern lassen und auch bei der Beratung unseres Antrages nicht erörtert werden sollen. Der unmittelbare Zweck des Antrages ist die Feststellung, ob die Höhe der Verbrauchsteuern über ihren unmittelbaren Einfluß auf die Preisgestaltung dieser Warengattung noch einen weiteren, sekundären Einfluß durch die Einrechnung der Verbrauchsteuern in die Kosten-
rechnung hat und dadurch eine zusätzliche Preissteigerung eintritt. Als Warengattungen, die mit Verbrauchsteuern belegt sind, kommen in Frage Kaffee und Tee, die mit Zoll und Verbrauchsteuer belegt sind, Zucker, Bier, Branntwein, die mit Steuer belegt sind, Zigarren und Zigaretten, bei denen Zoll, Tabak- und Verbrauchsteuern auf den Waren liegen, für die aber gleichzeitig - das ist die Besonderheit bei dieser Warengattung - ein fester Endpreis festgesetzt ist. Dann kommen noch sonstige Erzeugnisse wie Salz, Zündwaren, Leuchtmittel und Lotterielose in Frage.
Ich möchte Ihnen am Beispiel des Kaffees einmal darlegen, wie außerordentlich die Verbrauchsteuern über ihren unmittelbaren Einfluß auf den Preis durch ihre Höhe noch einen weiteren preissteigernden Einfluß durch die Art der Kalkulation haben. Bei Kaffee ergibt sich eine Steuerbelastung von 40 % des Endverbraucherpreises. Bei einer Gesamtbelastung von 13,81 DM an Zoll, Umsatzausgleichsteuer und Verbrauchsteuer sowie Verlust aus Einbrand dürfte sich unter Zugrundelegung einer normalen Vorkriegskalkulation beim Einstandspreis des Kaffees von 2,50 DM je Kilo nur ein Endverbraucherpreis von 19,61 DM je Kilo ergeben.
Die Einzelkalkulation ist aber folgende:
Einstandspreis des Importeurs DM 2,50 je kg
Unkosten des Importeurs = 11 % DM 0,28
DM 2,78
Einstandspreis des Großrösters
Zoll = DM 1,60 + Umsatzausgleichsteuer DM 1,70
Verbrauchsteuer DM 10,-
Versicherung und Transportkosten DM 0,25
DM 14,73
Einbrand 18 % DM 2,65
DM 17,38
Rösterspanne einschließlich
3 % Umsatzsteuer = 18 % DM 3,12
DM 20,50
Einstandspreis des Großhandels Großhandelsspanne einschließlich 3/4 % Umsatzsteuer = 10 % DM 2,05
DM 22,55
Einstandspreis des Einzelhandels Einzelhandelsspanne einschließlich 3 % Umsatzsteuer
= 25 % DM 5,64
Verbraucherpreis DM 28,19
Demgegenüber muß man, wenn man die richtige Kalkulation zugrunde legt, indem man die Spannen nur auf den Warenpreis, nicht aber auch auf die Steuerbelastung berechnet, zu folgender Kalkulation kommen:
Einstandspreis des Importeurs ca. kg-Preis DM 2,50
Unkosten des Importeurs
ca. 11 % DM 0,28
Versicherung und Transportkosten DM 0,25
DM 3,03 Übertrag DM 3,03
Zoll = DM 1,60 + Umsatzausgleichsteuer DM 1,70
Verbrauchsteuer DM 10,-
Einbrand 18 % DM 0,55 0,31 1,80
Verdienst einschließlich
3 % Umsatzsteuer = 18 % DM 0,64
DM 4,22 2,01 11,80
Großhandelsspanne einschließlich 3/4 % Umsatzsteuer = 10 % DM 0,42
DM 4,64 2,01 11,80
Einzelhandelsspanne einschließlich 3 % Umsatzsteuer = 25 % DM 1,16
Verbraucherpreis DM 5,80 + 2,01 + 11,80
= DM 19,61
Es ergibt sich eine Verdienstspanne des Rösters von 0,64 DM im Vergleich zu 3,12 DM, die sich ergeben, wenn die 18 % auch noch auf die Steuern gerechnet werden, eine Verdienstspanne des Großhändlers von 0,42 DM verglichen mit einer Verdienstspanne von 2,05 DM, die sich ergibt, wenn die Handelsspanne auch noch auf die Steuern gerechnet wird, und eine Einzelhandelsspanne von 1,16 DM bei der richtigen Kalkulation im Vergleich zu einer Einzelhandelsspanne von 5,64 DM, die sich ergibt, wenn die Kalkulation so durchgeführt wird, wie es jetzt der Fall ist, daß nämlich kalkulatorische Zuschläge auch auf die Steuern berechnet werden. Das würde also bedeuten, daß nur dadurch, daß die Zuschläge auch noch auf die Steuer aufgerechnet werden, der Unterschied im Preis beim Endverbraucher von 19,61 DM - das ist die Kalkulation unter Zugrundelegung der Vorkriegsspannen auf den vereinbarten Warenwert - auf 28,19 DM steigt. Um 10 DM steigt der Preis je Kilo Röstkaffee also nur deshalb, weil die kalkulatorischen Zuschläge des Verteilerapparates noch zusätzlich von den Verbrauchsteuersätzen berechnet werden. Das ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Man muß sich nun fragen: Was kann dagegen gemacht werden? Die Ursache dieser überhöhten Handelsspannen ist die brancheübliche Zuschlagskalkulation, diese Zuschlagskalkulation durch Prozentsätze, ein Kalkulationsverfahren, das seit eh und je im Handel üblich ist. Man kann dadurch, daß man nun die Steuer auf einen Umsatzvorgang legt, nicht erwarten, daß der Handel dieses System ändern wird. Dieses Zuschlagssystem ist in Deutschland allgemein verbreitet, und es ist nicht anzunehmen, daß der Handel jemals davon abgehen wird. Nach den Preis-Strafrechtsverordnungen, insbesondere nach den §§ 19 und 20 des Wirtschaftsstrafgesetzes, könnte zwar eine Bestrafung erfolgen. In § 19 Abs. 2 des Wirtschaftsstrafgesetzes heißt es wörtlich:
Bei gestiegenen Anschaffungskosten ist unangemessen auch ein Entgelt, wenn die nach
Hundertsätzen berechnete Gewinn- und Handelsspanne nicht angemessen gesenkt ist.
Aber trotz dieser im Gesetz verankerten klaren
Vorschrift hat bisher weder eine Behörde eingegriffen, noch ist zu erwarten, daß der Handel seine
seit langem gebräuchliche Kalkulationsmethode
ändert. Die Erfahrung hat eben gelehrt, daß Gesetze auf dem Papier stehenbleiben, wenn sie mit
den alten Handelsbräuchen und Gewohnheiten nicht übereinstimmen.
Ob die Regierung durch Anwendung des Preisgesetzes etwas machen könnte, ist zweifelhaft. Man muß wahrscheinlich einen anderen Weg gehen. Dieser andere Weg soll gleich von mir aufgezeigt werden.
Die gleiche üble Entwicklung — und das ist der tiefere Grund, weshalb wir den Antrag zu diesem Zeitpunkt eingebracht haben — ist zu befürchten, wenn wir die Sonderumsatzsteuer bekommen. Die Sonderumsatzsteuer ist der Höhe nach nichts anderes als eine Verbrauchsteuer. Wenn beispielsweise zur Kaffeesteuer, die 40 °/o des Endverbraucherpreises beträgt, eine Sonderumsatzsteuer von 33 °/o träte, dann würde damit praktisch eine Verbrauchsteuer auf die Ware gelegt. Das würde nichts anderes bedeuten, als daß durch das übliche Zuschlagssystem, das wir in Deutschland haben, die Handelsspannen diese Steuersätze um mehr als das Doppelte und Dreifache hinauftreiben. Wenn also zu der Sonderumsatzsteuer noch diese in den Verteilergewohnheiten begründeten Zuschlagskalkulationen hinzugerechnet würden, würde das Preisniveau eine Steigerung ins Unerträgliche erfahren, wie ich am Beispiel der Kaffeekalkulation nachgewiesen habe, aber auch am Beispiel der Bierpreiskalkulation und an anderen Beispielen, die darzulegen mir die Zeit fehlt, ohne weiteres nachweisen könnte. Kommt eine derartige Besteuerung auf breiter Basis, dann müssen wir mit einem kaninchenhaften Emporwachsen der Preise rechnen.
— Elefantenhaft ist noch besser.
Wenn im Einzelhandelsgeschäft dem Publikum die Ware zu teuer wird, dann wird der Einzelhändler die Höhe des Preises immer auf die Umsatzsteuer zurückführen. Kein Mensch kann feststellen, wieviel dabei anteilig auf die Steuer und wieviel tatsächlich auf die gestiegenen Kalkulationszuschlagssätze zurückzuführen ist. Eine Anhebung der Preise auch der nicht von der Sonderumsatzsteuer ergriffenen Waren wird erfolgen, da die Preise der nichtbelasteten Waren sich ebenfalls dem höheren Preisniveau anpassen werden. Das ganze Preisniveau muß sich ruckartig nach oben bewegen. Die Existenz- und Lebensfrage unserer Wirtschaft ist aber die Stabilhaltung des Preisniveaus. Erhard selber hat am 14. März hier erklärt, daß stabile Preise die Grundlage sozialer Befriedung, organischer Spartätigkeit und politischer Ordnung seien. Die Bank deutscher Länder hat darauf hingewiesen, daß zur Zeit die Preisfestsetzung in weitem Umfange psychologisch bedingt ist, daß Preise gegriffen werden und daß eine echte Marktpreisbildung nicht erfolgt. Deshalb ist es für uns von größter Wichtigkeit, daß eine Preisstabilität durch Verzicht auf derartige Steuern erreicht wird. Wir könnten dies erreichen, wenn an Stelle dieser Steuerbelastung die Rohgewinnabgabe eingeführt würde. Die Industrie hat bei ihren Vorschlägen zur Investitionsabgabe selbst den Vorschlag der Rohgewinnabgabe gemacht. Die Industrie, ich muß sagen: die gewerbliche Wirtschaft weiß selbst am besten, wo tatsächlich ihre Reserven sitzen. Die Einführung einer Rohgewinnabgabe würde alle diese Sorgen, die wir bei den beabsichtigten Steuern haben müßten, daß nämlich das Preisniveau uns weglaufen würde, beseitigen, weil durch die Rohgewinnabgabe tatsächlich nur der Gewinnanteil erfaßt würde und nur auf die Dinge Steuern gelegt würden, die auch Steuern vertragen könnten und bei denen eine Abwälzung nicht in Frage käme.
Der von uns gestellte Antrag soll in letzter Stunde der Öffentlichkeit beweisen, daß der eingeschlagene Weg falsch ist und uns in die größten finanziellen Gefahren bringen muß. Nach den Informationen, die wir bekommen haben, hat der Bundesfinanzminister hierüber eingehende Unterlagen gesammelt. Er hat deshalb vorgeschlagen, daß die Sonderumsatzsteuer beim Einzelhändler gesondert ausgewiesen werden muß. In einem heftigen Kampf zwischen Bundeswirtschaftsminister und Bundesfinanzminister hat offenbar das durch den Bundeswirtschaftsminister vertretene Gewinnstreben den Sieg über die volkswirtschaftlich richtigen Erkenntnisse des Bundesfinanzministers davongetragen. Es wäre sehr interessant, einmal vom Bundesfinanzminister die Unterlagen zu erhalten, die auch ihm bewiesen haben, daß ohne eine Offenlegungspflicht hier eine verhängnisvolle Entwicklung eingeschlagen werden müßte.
Durch Festlegung von Festpreisen wie bei den Tabakerzeugnissen kann man es natürlich bei den verbrauchsbesteuerten Waren erreichen, daß die uferlose Zuschlagskalkulation unterbunden wird. Die Voraussetzung dafür, daß bei den mit einer Verbrauchsteuer belegten Waren die fehlerhafte Kalkulation beseitigt wird, wäre also die Festlegung von Festpreisen. Man komme uns nicht mit dem Argument, das sei nicht marktkonform. Ein Preis, der wie bei Kaffee und Tee in seiner Höhe durch Verbrauchsteuern beeinflußt wird, ist kein marktkonformer Preis. Er bildet sich eben nicht nach den Geschehnissen des Marktes, sondern er wird entscheidend durch die Steuern gebildet. Dann hat aber auch der Staat die Pflicht, durch Festlegung von Festpreisen dafür zu sorgen, daß nicht noch auf die Steuern unangemessen hohe Zuschläge gemacht werden und dadurch unangemessen hohe Teile des Volkseinkommens in die Hände einiger weniger fließen. Wir glauben, daß durch die Festlegung von Festpreisen bei verbrauchsbesteuerten Waren eine erhebliche Verbilligung eintreten könnte, daß damit mehr Absatz herbeigeführt werden könnte und eine Verbesserung des Handelsverkehrs insbesondere in unseren Beziehungen mit Brasilien und Griechenland eintreten und damit unserem Export Schleusen und Wege geöffnet werden könnten, die ihm jetzt verschlossen sind, weil der gegenseitige Umsatz nicht erzielt wird.
Meine Damen und Herren, das Problem ist tatsächlich so ernst — ob wir nämlich auf dem Wege der indirekten preissteigernden Verbrauchsteuer und Umsatzsteuer fortschreiten oder aber ob wir den Weg der Rohgewinnabgabe und der Ausschöpfung der Einkommensteuer beschreiten wollen —, daß es gerade hier im Bundestage behandelt und in einem Ausschuß darüber beschlossen werden müßte. Es kann nicht richtig sein, daß diese lebenswichtige Frage im Schoße der Regierung, im Schoße der verschiedenen Beratungsgremien — ich glaube, es sind sieben verschiedene Beratungsgremien —, besprochen wird, daß aber die Volksvertretung, die über diese lebenswichtige Frage zu befinden hätte, nicht über sie befinden kann. Ich glaube, wenn unser Antrag im zuständigen Ausschuß behandelt werden würde, würden wir sehr schnell darüber Klarheit gewinnen, daß
der eingeschlagene Weg falsch ist und daß ein anderer Weg beschritten werden muß. Ich beantrage deshalb Ausschußüberweisung.