Rede von
Paul
Harig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur wenige Bemerkungen. Das war die Visitenkarte unserer Regierung.
Es gibt eben Leute, die können sich nur auf diese Art und Weise interessant machen. Jedenfalls ist von dem Bundesjustizminister nicht bestritten worden, daß er diese Äußerung getan hat, die eine Beleidigung der gesamten Arbeiterschaft, insbesondere der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter bedeutet, eine reine Provokation der Arbeiter, deren Fleiß er und seine — wie er selbst sagt — „Freunde" ihr Hiersein verdanken. Man spricht ganz offen aus, brutale Rechtlosigkeit sei die Streikandrohung der Gewerkschaften gewesen. Ich will Ihnen sagen, was brutale Rechtlosigkeit ist.
Brutale Rechtlosigkeit ist, wenn man den Gewerkschaften,
wenn man dem Arbeiter das Mitbestimmungsrecht vorenthält! Das ist brutale Rechtlosigkeit!
Dann macht man den Arbeiter — und zwar auf brutale Art und Weise — dadurch rechtlos, daß einige wenige über die Wirtschaft einfach diktatorisch bestimmen.
Das Koalitionsrecht für die Besitzenden — das ist Wirtschaftsdiktatur und hat mit Demokratie nichts zu tun!
Und dann kommen Sie her, Herr Justizminister, und sagen, die Gewerkschaftler gehörten ins Zuchthaus. Ich will Ihnen sagen, wer ins Zuchthaus gehört: diejenigen, die zwei Weltkriege verschuldet haben und dabei sind, einen dritten zu organisieren! Die gehören ins Zuchthaus!
Und nicht allein die gehören ins Zuchthaus; ins Zuchthaus gehören auch diejenigen, die es ihnen mit Hilfe der Gesetzgebung gestatten, daß sie das wiederholen können. Die gehören ins Zuchthaus!
Man kann uns nicht nachsagen, daß wir diesem Mitbestimmungsrecht, das hier über die Bühne gegangen ist, irgendwelches Vertrauen entgegenbringen. Wir sagen ganz offen: dieses Mitbestimmungsrecht ist kein wirkliches Mitbestimmungsrecht; dieses Mitbestimmungsrecht ist ein Aushandeln des Burgfriedens gegen Positionen in den Aufsichtsräten der Betriebe. Aber trotzdem: was von dem Bundesjustizminister gesagt wurde, ist eine Provokation, eine Gemeinheit.
Das sind Angriffe auf die Demokratie, das sind Angriffe auf die Rechte der Arbeiterschaft, die den größten Teil des Volkes ausmacht; das sind Angriffe auf die Koalitionsfreiheit, das sind Angriffe auf das Streikrecht; denn was wäre die Koalitionsfreiheit für die Arbeitnehmer ohne das Streikrecht?
Das sind dieselben Methoden, die schon früher angewandt wurden: die Methoden, Versammlungen zu verbieten. Zeitungen, Volksbefragungen zu verbieten, Streiks zu verbieten, die Koalitionsfreiheit zu verbieten. Das sind Meilensteine auf einem gewissen Wege, den wir alle schon einmal hinter uns haben.
Ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie nur so
weiter, unterstützen Sie von der Opposition diese
Regierung, die einen solchen Justizminister hat,
nur so weiter; unterstützen Sie weiter, und Sie
werden sehr bald wieder einen 30. Januar erleben!
Was hat Legien einmal gesagt? „Keine Regierung kann länger als 24 Stunden an der Macht bleiben, wenn es die Gewerkschaften nicht wollen!" Wohlan denn, Gewerkschaften, beseitigt diese Regierung, die einen solchen Justizminister nicht zum Teufel jagt! Fegt sie hinweg!
Was steht geschrieben in der „Welt der Arbeit"? „Herrlich weit haben wir es gebracht!" — Und damit möchte ich schließen.