Zur Begründung des Antrages der Fraktion der Bayernpartei Nr. 2169 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Etzel .
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gegenstand unseres Antrages bildet eine Teil- und Sonderfrage der Gesamtprobleme, die heute beide, wenn sich die erforderliche Zahl von 50 Mitgliedern des Hauses für die Beratung auch der Interpellation findet, zur Debatte anstehen, nämlich der Restriktion der Kredite und der Bekämpfung und Beseitigung der Grenzlandnot. Die alte Frage, die sich hier erhebt, ist die, ob leichtes oder knappes Geld geboten werden soll. Diese Streit- und Kampffrage ist zu verschiedenen Zeiten immer wieder verschieden beantwortet worden. Die Verfechter des leichten Geldes sind die Anhänger des Gedankens, daß die Währung und die Kreditregelung maßgebend unter dem Einfluß der politischen Gewalt zu stehen haben. Die Anhänger des knappen Geldes dagegen sind die Verfechter der Unabhängigkeit des Zentralbanksystems, der Währungsbank. Den schmalen Weg zwischen diesen beiden äußersten Möglichkeiten zu gehen, ist die hohe Kunst der Kredit-, Geld-, Kapital- und Wirtschaftspolitik im allgemeinen. Wir sehen heute — in besonderer Schärfe in den Grenzgebieten — unter den Auswirkungen eines' Schematismus der Kreditpolitik, der sozusagen mit Stock und Exerzitium und überfallartigen Einschränkungen hingegebener Kredite arbeitet, ein flaues Gefühl sich in der Wirtschaft ausbreiten. Wir beobachten eine wachsende Illiquidität der Betriebe, eine nur langsame Entlastung des Arbeitsmarkts und das Zögern der Preise, mit der durch die Kreditrestriktionen gewollten Abwärtsentwicklung zu beginnen.
Bei der Entscheidung darüber, ob leichtes oder knappes Geld herrschen soll, wird sich das Zentralbanksystem daran erinnern müssen, daß nur eine pflegliche, behutsame und individuelle Behandlung der Kreditnehmer zu einem Erfolg führen kann. Mit einer schematisierenden Handhabung würden auch gesunde Unternehmungen zum Erliegen gebracht. Unter dem doppelten Stoß und Druck einer ungeheuren, ständig wachsenden Steuerlast und der Einschnürung der Kredite gerät die Wirtschaft in Gefahr, und es könnte sein, daß man, indem man zwar die Scylla der Inflation vermeidet, in die Charybdis der Deflation gerät.
Für die Grenzlandwirtschaft hat diese Frage und ihre Lösung eine besondere Dringlichkeit. Es gilt hier, mit noch behutsamerer, pfleglicherer Hand die Krediteinschränkungen vorzunehmen, also nur solche, die wirklich begründet sind, begründet, weil sie den Ausgangspunkt und Grundgedanken der Kreditrestriktionen verwirklichen sollen. Im ganzen bedeutet — dies möchte ich hier einschalten — die Festsetzung der rechtgläubigen Ziffer von 1 Milliarde DM eine willkürliche Entscheidung. Für uns geht es darum, vor allem die Anweisung der Bank deutscher Länder an die Landeszentralbanken, wonach die Kreditrückführung nicht nach
einem allgemeinen Schema, sondern individuell unter angemessener, pfleglicher Berücksichtigung der Verhältnisse und Aufgaben eines Betriebes erfolgen soll, dahin zu ergänzen, daß auf die besondere Bedeutung und Stellung eines Betriebes in der Grenzlandwirtschaft jeder Bedacht genommen wird. Es erscheint weiterhin notwendig, daß in besonderen Ausführungsvorschriften der Bank deutscher Länder und der Landeszentralbanken den Geschäftsbanken der Grenzgebiete genügende Bewegungsfreiheit gegeben wird, um den dortigen Kreditbedarf unter allen Umständen zu befriedigen. Drittens muß Wert darauf gelegt werden, daß die Bank deutscher Länder und die Landeszentralbanken darauf verzichten, die entgegenkommendere Handhabung der Kreditlinie gegenüber der Grenzlandwirtschaft durch eine Verschärfung der Kreditpraxis gegenüber berechtigten Kreditbedürfnissen und -ansprächen anderer Wirtschaftsgebiete auszugleichen.
Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat heute morgen das Gesamtproblem der besonderen Nöte und Schwierigkeiten der Grenzlandwirtschaft erörtert. Einen Teil davon — aber unabhängig von dem in interministeriellen Konferenzen festgelegten Sanierungsplan — bildet diese Frage. Die Bank deutscher Länder würde meines Erachtens gut daran tun, sich von Zeit zu Zeit in angemessenen Abschnitten darüber zu vergewissern, ob nicht der Punkt erreicht ist, an dem zwar die inflatorische Entwicklung abgestoppt, gleichzeitig aber mit einer deflatorischen Entwicklung begonnen wird. Deflation des Kredits und der Währung bedeutet Arbeitslosigkeit, Inflation den Anfang der Enteignung der Bürger. Als der schlaue und einfallsreiche Odysseus auf seiner zehnjährigen Irrfahrt in die Nähe der Symplegaden kam, hat er, diese
überlistend, eine Taube losgelassen, um mit seinen Genossen hindurchzukommen. Es gelang ihnen, und es blieben den Symplegaden nur einige Schwanzfedern dieser Taube. Wenn die Bank deutscher Länder diese Taube nicht rechtzeitig entläßt, um sich zu vergewissern, wie die Verhältnisse sind, dann befürchte ich, daß es sich nicht nur um einige Schwanzfedern der Wirtschaft in der Bundesrepublik handeln wird.
An sich sind wir der Ansicht, daß der Antrag in unmittelbarer Abstimmung erledigt werden könnte. Für den Fall, daß das Hohe Haus dieser Form der Erledigung nicht zustimmt, möchten wir uns den Vorschlag erlauben, den Antrag dem Ausschuß für Geld und Kredit — federführend — zu überweisen und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik mitzubeteiligen. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags kennt keine Dringlichkeitsanträge. Angesichts der Dringlichkeit des Problems glaube ich gleichwohl, daß es zweckmäßig Und wirksam wäre, wenn das Hohe Haus für den Fall der Überweisung zum Ausdruck brächte, daß die Ausschüsse das Problem mit der größten Promptheit angehen und beraten möchten.