Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident, Sie haben diesen Teil der Tagesordnung nicht präsidiert. Ich habe Sie damit nicht persönlich gemeint.
Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Besatzungshaushalt kann in zweierlei Hinsicht als typisch für die amerikanische Politik auf .deutschem Boden angesprochen werden, einmal deshalb, weil er der Ausdruck des Herrenstandpunktes ist, den die amerikanische Politik und die amerikanische Armee im besetzten Gebiet vertritt. Er ist zweitens auch darum typisch, weil die Höhe der Belastungen in keinem Verhältnis zu den wirklichen Bedürfnissen unseres Landes steht. Man kann hinzufügen, daß auch die Methode. mit der die Forderungen eingetrieben werden, ganz dem Sinn der amerikanischen Politik entspricht. Diese
Methode besteht darin; den wahren Inhalt geheimzuhalten, zu tarnen, mit schönen Redensarten zu verdecken, die Forderungen aber gleichzeitig in ultimativer Form als Befehl zu präsentieren.
Um den Wahrheitsgehalt klarzustellen, muß man die Zahlen nennen, die der Wirklichkeit entsprechen. Es hat keinen Sinn, bei den 4.5 Milliarden DM zu verweilen, die der gegenwärtige Haushaltsplan 1950 ausweist. Der Finanzminister hat uns in einer Pressekonferenz vor einigen Tagen andere Zahlen mitgeteilt. Demnach sind die Ausgaben auf Konto Besatzungskosten auf nicht weniger als 9,7 Milliarden DM einzuschätzen. Zu den 6,6 Milliarden DM offizieller Besatzungskosten kommen hinzu die sogenannten Auslaufkosten des Etats 1950/51, die jederzeit auf das nächste Haushaltjahr übertragen werden können, die jederzeit für irgendwelche anderen Zwecke im Rahmen der Besatzungspolitik angefordert werden können. Es kommen hinzu vorläufig 800 Millionen DM für Ausgaben, die die Besatzungsherren nicht als Besatzungskosten anerkennen, und zwar solche, wie sie in § 5 des Überleitungsgesetzes umschrieben sind. In diesem Paragraphen sind eine ganze Reihe solcher besonderer Ausgabenpunkte aufgezählt. Einer von ihnen wird bezeichnet als „Aufwendungen für Bau von strategischen Anlagen und Einrichtungen".
Diese Kosten sind uns zugewiesen; wir sollen die Mittel für ihre Deckung aufbringen. Aber die Besatzungsmächte lassen nicht zu, daß diese Leistungen für ihre Besatzungs-, ihre Kriegspolitik als das bezeichnet werden, was sie in Wirklichkeit sind. Man kann sich vorstellen, daß Ausgaben dieser Art nicht auf dem gegenwärtigen Stand bleiben. sondern die Tendenz der ständigen Erhöhung und Ausweitung in sich tragen.
Vorerst haben wir also eine Summe von 9,7 Milliarden DM, für die wir in einem Jahr nicht weniger als 970 000 Wohnungen errichten könnten. Es ist kein Wunder, daß der Finanzminister es für nötig hält, uns angesichts dieser Lage fast wöchentlich mit Klageliedern zu beschenken. Er sprach jetzt von einem voraussichtlichen Kassendefizit von 5 Milliarden DM. Wir vermissen aber im Klagelied des Finanzministers die Darstellung der wirklichen Ursachen dieser schwierigen Finanzsituation. Nicht die Soziallasten, nicht all die anderen Lasten, die er heute aufgezählt hat, haben die schwierige Lage hervorgerufen. Der wesentlichste Punkt des Haushalts der Bundesrepublik, diese 9,7 Milliarden DM, bringen unser Volk in diese schwierige Lage.
Darum kann man der Lage auch nicht mit Entschließungen begegnen, wie sie uns heute von allen Fraktionen des Hauses mit Ausnahme der KPD vorgelegt werden. Was für einen praktischen Sinn soll es haben, zu beschließen, der Bundestag „sehe sich außerstande, über die vorgelegten Haushalte sachlich zu beschließen". Was für einen Sinn soll es haben, zu erklären, man könne die Verantwortung dafür nicht übernehmen? Meine Damen und Herren, in dem Maße, wie Sie sich zur amerikanischen Politik in Europa und speziell in Deutschland bekennen, in dem Maße tragen Sie die Verantwortung für diesen Besatzungskostenhaushalt, ob Sie das nun von sich weisen oder nicht.
Es gibt angesichts einer solchen Lage nur eine Konsequenz. Diese besteht darin, daß man beschließt: Wir weigern uns, die befohlenen Milliardenzahlungen zu leisten, wir weigern uns, den
Haushaltsplan für die Besatzungskosten anzunehmen. Weil dies die entscheidende Frage ist und die Beantwortung dieser Frage allein ins Gewicht fällt und sich nicht mit leeren Redensarten abtun läßt, darum legt meine Fraktion den Antrag zur Debatte vor, in dem verlangt wird, daß Einzelplan XXIV und Einzelplan XXV gestrichen werden.
Es handelt sich ja nicht nur um rein finanzielle Belastungen. Wenn man alle Belastungen in Zahlen ausdrücken wollte, müßte man hinzurechnen, welche Lasten durch andere als finanzielle Maßnahmen für unser Volk durch die Besatzungspolitik entstanden sind: die Maßnahmen der Rohstoffhortung, des Zwangsexports von Rohstoffen für das westliche Rüstungspotential, die dadurch hervorgerufene Teuerung, die Auswirkungen im Bereich unserer zivilen Industrie, im Bereich des Außenhandels usw.
Heute vormittag fiel hier die Redewendung, daß es nötig sei, den Kommunisten das Privileg zu nehmen, allein als Befürworter des Friedens aufzutreten.
Es sollte uns freuen, wenn sich die Politik anderer Parteien so ändern würde, daß man auch diese Parteien als konsequente Vertreter einer Friedenspolitik ansprechen dürfte.
Zu der jetzt zur Diskussion stehenden Frage aber möchte ich sagen: in der ganzen sogenannten westlichen Welt mehren sich die Stimmen der Vernunft, die sagen, an der amerikanischen imperialistischen Politik gehen wir alle zugrunde, auch diejenigen, die berechnenderweise als „Verbündete" angesprochen werden. Auch in den Reihen der britischen Regierungspartei hat sich eine Anzahl von warnenden Stimmen erhoben, die erklären: Wir können es nicht weiter verantworten, daß durch die für die amerikanische Rüstung uns aufgezwungene Politik unsere nationale Wirtschaft zugrunde geht und die primitivsten sozialen Bedürfnisse unseres Volkes mit Füßen getreten werden. Es ist höchste Zeit, daß sich auch hier in diesem Hause solche vernünftigen Stimmen erheben, die erklären: Wir können es angesichts der Not unseres Volkes nicht länger verantworten, uns im Schlepptau der amerikanischen Rüstungspolitik, im Schlepptau der amerikanischen Herrenmenschentheorie, im Schlepptau der amerikanischen Aggressionspläne zu bewegen.
Meine Damen und Herren, die „Einwände", die gegen den uns vorgelegten Besatzungskostenhaushalt von den verschiedenen Seiten erhoben worden sind, wiegen nicht schwer. Sowohl der Bundesfinanzminister als auch die Sprecher der Fraktionen haben sich heute über die Methode der einseitigen Festsetzung der Summe beschwert und erklärt, diese Methode sei mit dem Besatzungsstatut nicht vereinbar. Herr Schäffer erklärte am 19. März auf der Bundespressekonferenz, er wolle erst prüfen, ob diese Methode völkerrechtlich, finanzpolitisch und haushaltsrechtlich zu verantworten sei; dann erst wolle er der Alliierten Hohen Kommission den Standpunkt der Bundesregierung mitteilen. Ich möchte den Herrn Finanzminister fragen, zu welchem Ergebnis seine völkerrechtlichen und haushaltsrechtlichen Studien geführt haben. Wenn diese Methoden mit den Grundsätzen einer demokratischen Haushaltsführung r icht vereinbar sind, gibt es doch nur eine Konsequenz, nämlich die, das uns
vorgelegte, das uns aufgezwungene Machwerk des Besatzungskostenhaushalts abzulehnen und zu erklären: wir zahlen keinen Pfennig. Aber aus dem Munde des Finanzministers hört man nicht. daß er diese Konsequenz ziehen will. Man bestellt sich gelegentlich von seinen bayerischen Parteifreunden einige Protestreden gegen den provozierenden Luxus der Besatzungsangehörigen. Das alles kann nicht ernst genommen werden, solange die Politik der gleichen Herren darauf abzielt, die Politik der Besatzungsmacht in Schutz zu nehmen, sich der Politik der Besatzungsmacht anzuschließen. sich ihr zu unterwerfen.
Ich möchte nicht auf alle Einzelheiten des Haushaltsplans eingehen. Die Herren Vorredner haben sich in sogenannter Kritik, die ja modern geworden ist, über diesen und jenen Posten des Haushaltsplans genügend ausgesprochen, ob es sich nun um die Neubauten für die Besatzung im Betrage von über 400 000 000 DM oder um andere Posten im Betrage von Hunderten von Millionen handelt, die uns in keiner Weise näher umschrieben werden. Man könnte auch über andere, zusätzliche Kosten sprechen, die den Gemeinden, den Städten aufgeladen werden, die in keinem Besatzungskostenhaushalt zu finden sind und die nach oberflächlicher Berechnung Hunderte von Millionen ausmachen.
Gestatten Sie mir nur einige Schlußfolgerungen. Immer dann, wenn die Herren Kritiker an solchen ,.Schönheitsfehlern" der Besatzungspolitik zum entscheidenden Punkt gelangen, nämlich zu der Frage: Ja oder Nein, Bewilligung oder Ablehnung, dann ziehen sie die alte Platte aus der Tasche: man sei zur Leistung von Opfern gezwungen, weil uns die Gefahr aus dem Osten drohe.
Von der Gefahr aus dem Osten hat auch ein anderer gesprochen, der mit diesen Phrasen nur seine eigenen Aggressionsabsichten tarnen wollte.
In der Geschichte der Sowjetunion im Verhältnis zu Deutschland hat es zweimal Überfälle gegeben: 1918/1919 und 1941. Beide Male sind die Überfälle von deutscher Seite ausgegangen. Wer heute die Lüge von der Aggressionsabsicht der Sowietunion wiederholt, der tritt nicht nur in die Fußstapfen Hitlers, sondern er will dasselbe. er treibt dieselbe Politik wie Hitler, und wenn man ihn gehen ließe, würde er unser Volk in eine noch schlimmere Katastrophe führen als Hitler.
Darum: wer diese verwirrenden Agitationsreden aus der alten Goebbels-Vergangenheit heute neu auftischt, der macht sich mitschuldig nicht nur an der großen lebensbedrohenden Gefahr für den Bestand unseres Volkes, sondern auch mitschuldig an all den Vorleistungen, die heute von unserem Volke für die amerikanische Kriegspolitik abverlangt werden. Die Besatzungslasten mit Tausenden von Millionen, wie sie uns heute vorliegen, sind solche Vorleistungen. Die Sprecher fast aller Fraktionen haben zum Ausdruck gebracht. es sei ihr Wunsch, Beiträge für die Verteidigung des Westens zu liefern. Sie haben damit erklärt, daß sie sich nur gegen die Methode des Befehls wehren, aber daß sie bereit sind, aus freiem Entschluß Tausende von Millionen für die amerikanische Kriegsvorbereitung zu zahlen. Sie haben erklärt, sie wehren sich gegen „unrationelle" Leistungen,
und sie wollen rationelle Leistungen für die Kriegsvorbereitungen. Wir sagen: ob rationell oder unrationell, so oder so, es geht zu Lasten unseres Volkes! Es ist ein Beitrag zum Niedergang, ein Beitrag zur Organisierung der Katastrophe unseres Volkes.