Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde bei der Sachlichkeit, die nun einmal das Kennzeichen von Haushaltsdebatten sein soll, selbstverständlich nicht das gleiche politisch-kämpferische Temperament wie der Herr Abgeordnete Staatsrat Dr. Seelos aufbringen. Ich habe nur die Bitte an ihn — eine Bitte, die wir ja leider untereinander immer austauschen müssen —, daß er nicht eine Frage der
Staatsorganisation schlechthin mit meiner Person
in Verbindung- bringt, daß er hier also nicht Sache
und Person in einen Topf wirft. Das ist das eine.
Die zweite Bitte ist, daß er sich darauf besinnt, wie sehr wir alle, die wir im politischen Kampf stehen, immer wieder darunter leiden, wenn unsere politischen Nachbarn oder Gegner plötzlich sehr komprimierte Presseauszüge zur Beurteilung politischen Handelns oder zum politischen Urteil selbst heranziehen. Ich werde also sehr wohl Gelegenheit nehmen -- allerdings auf Grund dessen, was wirklich ist —, einmal zu den Pressemeldungen Stellung zu nehmen, und zwar sehr deutlich und sehr offen, die zu dem gestrigen Artikel im Bayerischen Staatsanzeiger geführt haben. Sie werden nämlich dann bei dem, was ich expressis verbis sagen werde und was im übrigen in einer schriftlichen Niederlegung meiner Gedanken in all den letzten Jahren reichlich und oft seinen Ausdruck gefunden hat, den Ausgangspunkt zu einer sachlichen Auseinandersetzung finden, auf die ich mich um der Sache willen freue, wobei es selbstverständlich ist, daß z. B. bestimmte Dinge mich wirklich nachdenklich stimmen müssen. Ich denke z. B. an die Verschiedenheit der Grundschule, der Volksschule, an die Verschiedenheiten des Berechtigungswesens, in die wir hineinwachsen, so daß ich mich durchaus berechtigt fühle, da ein Minister nun immer noch nicht — gerade deswegen, weil er Bundesminister ist — als politisch sterilisiert zu gelten hat, auch einmal auf die ungeheure Gefahr hinzuweisen, die durch eine oberflächliche Betrachtung von Länderreservaten oder Bundesrechten entsteht.
Ich habe noch immer das Gefühl, daß es einem Vater und einer Mutter nicht gleichgültig sein kann, daß das Schulwesen, das Ausbildungswesen, das Berechtigungswesen in Deutschland in Gefahr sind, atomisiert zu werden.
Also: hinc illae lacrimae, Herr Kollege Seelos! — Es ist mir lieb, daß das so deutlich geworden ist.
Nun aber doch zur Sache. Ich bedauere, daß ich das Hohe Haus nach diesen sehr langen Sitzungen nicht in den Besitz eines schriftlichen Berichtes über das Ministerium bringen kann, was mir an sich mit Rücksicht auf Ihre Zeit lieber gewesen wäre.
— Herr Kollege Reismann, seien Sie der Überzeugung, daß ich ohnedies diesem Hohen Hause heute ein sehr ernstes Wort gesagt hätte über den beispiellosen Zustand meiner Beamten und Angestellten, die nun wirklich in einer Weise zur Arbeit herangeholt werden, daß ich oft genug die schwersten Bedenken habe.
— Herr Kollege Reismann, Sie gehören doch erfreulicherweise sonst zu den Verteidigern demokratischer Auseinandersetzungen; halten Sie es denn für opportun, dieses Haus nun plötzlich mit einem Saal zu verwechseln, in dem man einen Oppositionsredner totmachen will?
Meine Damen und Herren! Ich darf also zunächst einmal zusammenfassend über die Aufgaben meines Hauses berichten. Ich nehme hierzu die Beratung des Hohen Hauses über den Haushalt zum Anlaß. Am 31. Mai vorigen Jahres ver-
abschiedete das Hohe Haus das Gesetz betreffend das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Bereits- kurz vor Abschluß dieses Abkommens, am 15. Dezember 1949, war die Bundesrepublik als vollberechtigtes Mitglied der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris beigetreten. Entsprechend der Pariser Konvention und dem deutsch-amerikanischen Abkommen hat sich die Bundesregierung ebenso wie die übrigen Teilnehmerländer am Marshallplan verpflichtet, für die Durchsetzung für alle verbindlicher wirtschaftspolitischer Ziele des europäischen Wiederaufbauwerkes Sorge zu tragen. Dieses Ziel ist insbesondere: den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa durch Steigerung von Produktion und Beschäftigung zu fördern, den Wirtschaftsaustausch mit den Partnerländern und den Lebensstandard der Bevölkerung in allen Ländern zu steigern und gleichzeitig die innere finanzielle Stabilität zu wahren.
Infolgedessen vertreten wir die Bundesrepublik bei der amerikanischen Marshallplanverwaltung und bei der OEEC. Das Ministerium hat dabei die Aufgabe, einerseits die Zielsetzungen des ERP in Deutschland zu vertreten und andererseits durch Austausch von Informationen und Beratungen mit den übrigen Teilnehmerländern die deutsche Wirtschaftspolitik unter Wahrung der deutschen Belange mit dem Vorhaben einer europäischen wirtschaftlichen Integration zu koordinieren. Dabei ist ein besonderes Anliegen dieses Ministeriums, zugleich durch Zusammenarbeit mit allen übrigen Ressorts den zweckmäßigen Einsatz der amerikanischen Hilfe zu gewährleisten.
Infolge der durch die weltwirtschaftliche Entwicklung bedingten Verschärfung der deutschen Devisensituation gewannen die Dollarzuteilungen der ECA für den Warenimport im Haushaltsjahr 1950/51 an Bedeutung. Diese Zuwendungen erhöhten sich im Berichtsjahr um fast 1,5 Milliarden DM auf nunmehr insgesamt 5 Milliarden DM. Von den im Jahre 1950 abgewickelten Mashallplaneinfuhren entfallen auf Nahrungsmittel über 700 Millionen DM und auf Einfuhren gewerblicher Erzeugnisse, insbesondere Rohstoffe, annähernd 800 Millionen DM. - Die für die deutsche Wirtschaft notwendigsten Rohstoffe wurden zu mehr als 50 % aus Marshallplanmitteln beschafft, so Rohöl mit rund 50 °/o, Baumwolle mit annähernd 80 %, Hanf und synthetischer Kautschuk mit fast .100 %. An Nahrungsmitteln wurden Zucker zu 42 %, Futtergetreide zu 59 °/o, Brotgetreide zu 61 % durch Marshallplangelder finanziert. Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge sind für das amerikanische laufende Fiskaljahr noch weitere Dollarzuweisungen zu erwarten, die zuammen mit den bisher noch nicht ausgenützten Zuteilungen eine für weitere Importe verfügbare Summe von insgesamt 670 Millionen DM darstellen. Die Verknappungserscheinungen auf dem Weltmarkt und die Lenkungsmaßnahmen der amerikanischen Regierung beeinflußten die Verwaltungstätigkeit meines Ministeriums stark. Es kam alles darauf an, die meist ohne Vorankündigung erfolgenden Dollarzuweisungen sofort auszunützen -und dabei den dringendsten Bedarf zu berücksichtigen.
Meine Mitarbeiter haben in engster Verbindung mit anderen Ministerien und in laufender Fühlungnahme mit der ECA-Sondermission in Frankfurt sowie über unsere Bundesvertretung in Washington mit der dortigen ECA diese Arbeit geleistet. Dabei — und ich sage das mit Rücksicht auf den letzten Zwischenruf — zählte das meinem Ministerium nachgeordnete ERP-Kontor allein im vergangenen Jahr 20 000 überprüfte Lieferkontrakte.
Die Verknappung des Schiffsraums verursachte der Frachtenabteilung unserer Vertretung in Washington — das sage ich auch auf den letzten Zwischenruf — erhebliche zusätzliche Arbeit. Die Verschiffungen konnten ohne nennenswerte Verzögerungen oder sonstige Schwierigkeiten durchgeführt werden. Dabei gelang es nach Überleitung entsprechender Befugnisse auf das ERP-Kontor, die Verschiffungen mehr und mehr unter deutscher oder anderer europäischer Flagge vorzunehmen, so daß unter deutscher Flagge allein in der Zeit vom 1. Juli 1950 bis zum 31. März 1951 über 21 Millionen DM an Fracht eingefahren werden und ein etwa gleichhoher Betrag statt in Dollar in europäischer Währung bezahlt werden konnte.
Eine der hauptsächlichsten Aufgaben meines Hauses bestand und besteht darin, der amerikanischen Verwaltung gegenüber nicht nur die Notwendigkeit einer Hilfe derartigen Ausmaßes nachzuweisen, sondern bei ihr auch die Überzeugung zu begründen, daß die gewährte Hilfe zur Erreichung des gesetzten Zieles voll wirksam wird. Im Rahmen der deutschen Bundesregierung mußte es daher mein besonderes Anliegen sein, alle Bemühungen der deutschen Wirtschaftspolitik zur Wiedergewinnung einer Lebensfähigkeit zu stärken, die aktive Mitwirkung an der Herbeiführung einer wirtschaftlichen europäischen Integration zu fördern und durch beides einen solchen Beitrag zur inneren Sicherheit wie zur Sicherung der westlichen freien Welt zu ermöglichen, wie er der besonderen deutschen Situation nach Art und Umfang angemessen ist. Die erfolgreiche deutsche Mitarbeit an den gemeinsamen europäischen Wirtschaftsaufgaben führte dazu, daß Deutschland bereits wenige Monate nach seinem Eintritt in das Exekutivkomitee der Pariser Organisation gewählt wurde, ein sinnfälliger Beweis für die hier erreichte deutsche Gleichberechtigung.
— Davon verstehen Sie noch nichts; ich werde
darüber nachher von selbst sprechen, Herr Paul.
Die deutschen Bemühungen um das Zustandekommen eines möglichst universalen Systems der Europäischen Zahlungsunion fanden ebenfalls nach außen ihre Anerkennung in der Berufung eines deutschen Vertreters in das leitende Direktorium dieser Union. Die wachsende Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit denjenigen der Partnerländer schuf die sachliche Voraussetzung für die Anerkennung der Notwendigkeit der Gewährung eines Sonderkredits. Dieser Kredit wurde vor allem dazu verwendet, den Zeitraum zu überbrücken, bis innerdeutsche Maßnahmen zur Meisterung der Situation wirksam werden konnten. Es ist Ihnen allen bekannt, daß es uns mühelos möglich sein wird, den Kredit entsprechend den getroffenen Abmachungen fristgerecht zurückzuzahlen.
— Verzeihen Sie, Sie dürfen von mir gern — aber nicht in offener Rede — eine deutliche Bilanz haben; es wird mir eine Freude sein, sie zu geben.
— Nein, verzeihen Sie! Ich möchte wirklich sagen, daß das im Interesse der deutschen Kreditwürdigkeit nicht ausgesprochen werden sollte, und ich könnte Ihnen, Herr Kollege, jeden Tag beweisen, wie sich in den zweieinhalb Monaten die Situation von Tag zu Tag gebessert hat, obwohl die Einfuhren,- wie Sie wissen; gestiegen sind.
Die Verhandlungen in Paris, die entsprechend der Zielsetzung dieser Organisation nicht allein der Behebung einer akuten deutschen Krise gelten können, sondern auch Rückwirkungen eines deutschen Importrückganges auf andere Teilnehmerstaaten nach Möglichkeit mildern sollten, boten mir bei der letzten Sitzung Anlaß, entsprechend dem Beschluß dieses Hohen Hauses die Frage der Erhöhung der deutschen Quote bei der EZU zur Diskussion zu stellen. Ich rechne damit, daß bereits im Laufe der nächsten Wochen eine entsprechende Entscheidung zu erzielen sein wird, wobei ich nicht übersehe, daß jede Quote ihrer Natur nach lediglich zur Überwindung temporärer Spannungen dienen kann, die strukturellen deutschen Wirtschaftsschwierigkeiten aber durch entsprechende langfristige zusätzliche Maßnahmen im Innern wie durch eine angemessene Fortsetzung der amerikanischen Wiederaufbauhilfe überwunden werden müssen.
Bei der Verfolgung dieser Ziele fallen meinem Ministerium sehr umfangreiche Arbeiten zu. Insbesondere müssen im Zusammenwirken mit den übrigen Ressorts von Zeit zu Zeit umfangreiche Berichte über die wirtschaftliche Lage und die Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden. Der im Februar erstattete Bericht, der die Entwicklungsmöglichkeiten bis zum Jahre 1952/53 untersucht, lag dem ERP-Ausschuß dieses Hauses vor. Ein Bericht über die Sicherung der inneren finanziellen Stabilität befindet sich zur Zeit in Ausarbeitung, und ich darf mir, um hier abzukürzen, die Aufzählung des nun an Bedeutung und Umfang dauernd wachsenden Schrifttums, das hier noch aufzuführen wäre, ersparen, weil es fortlaufend den zuständigen Ausschüssen zugeleitet wird. Alle diese Dinge sind in enger und kollegialer Zusammenarbeit nicht nur mit den übrigen Ressorts erreicht worden, sondern es ist mir immer gelungen, bei allen Arbeiten sehr nahe mit den Gewerkschaften und mit den privaten Organisationen der Wirtschaft zusammenzustehen. Ich darf weiter sagen, daß auch die deutsche Presse wirkungsvoll ihren Anteil an der Unterstützung der Arbeit dieses Teils der Regierung genommen hat.
Ich muß nun ein Thema anschneiden, das in seiner Bedeutung wenig bekannt ist, obwohl es dabei um eine außerordentlich wichtige und vor allen Dingen auch vertrauenerweckende Arbeit geht. Ich meine die Kontrolle der ordnungsmäßigen Verwendung der Einfuhren durch die Warenrevisionsstelle. Hier dürften einige Zahlen interessieren. Diese Institution stellt fest, welche Marshallplanwaren tatsächlich geliefert sind, und sorgt dafür, daß der Bundesrepublik nur wirklich gelieferte Waren in Rechnung gestellt werden. Sie ermittelt Gewichtsdifferenzen und Qualitätsmängel; sie prüft, ob bei Weiterverkauf und Weiterbearbeitung diese Waren zweckentsprechend für den Wiederaufbau verwendet werden. Seit Anfang 1950 hat diese Stelle annähernd 30 000 ECA-Kontrakte im Werte von fast 2 Milliarden DM erfaßt. Reklamationen wegen Minderlieferungen und Qualitätsmängeln führten zu Rückzahlungsansprüchen im Betrage von über 6 Millionen DM. Auf ihren Endverbrauch hin wurden Warenlieferungen aus fast 3000 Kontrakten überprüft. Im Rahmen dieser Endverbrauchskontrolle wurden insgesamt 900 Importeure aufgefordert, den Verbleib der eingeführten Güter zu melden. Die Zahl der Abnehmer dieser Waren belief sich auf etwa 18 000. 630 Prüfungen an Ort und Stelle bei 450 Betrieben wurden von der Warenrevisionsstelle seit Mitte vorigen Jahres vorgenommen. Diese Prüfungen haben vor allem den Zweck, sicherzustellen, daß Marshallplanwaren — verarbeitet oder unverarbeitet — nicht weiter exportiert werden und daß vor allem verhindert wird, daß mit den Ergebnissen dieser Hilfe jene internationalen Kräfte gestärkt werden, deren Ziel gerade die Beeinträchtigung der Sicherheit des freien Deutschland ist.
Bekanntlich hat jeder r Empfänger von Marshallplanwaren oder Dienstleistungen den Gegenwert zugunsten der Bundesrepublik in D-Mark einzuzahlen. Um das Aufkommen dieser D-Mark-Gegenwerte für die Marshallplanlieferungen restlos zu erfassen, wurde in meinem Ministerium die auch vom Herrn Berichterstatter sehr ausführlich erwähnte Verwaltung für das ERP-Sondervermögen eingerichtet.
Sie hat auch die Aufgabe, die Forderungen und Verbindlichkeiten aus der Zeit vor der Übernahme der Gegenwertkonten durch die Bundesrepublik zu klären, zu realisieren und zu liquidieren; sie überwacht die Verwendung der Gegenwertmittel im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung öffentlicher Mittel. Ich darf mir den weiteren Bericht mit Rücksicht auf die sehr ausführlichen Darlegungen des Herrn Berichterstatters wohl ersparen.
Einige sehr wesentliche Zusammenfassungen, die sich aus dem Sonderhaushalt ergeben, möchte ich noch nennen, nämlich, daß für den Wiederaufbau von Berlin aus den ERP-Mitteln rund 635 Millionen DM verwendet wurden, mehr als eine halbe Milliarde DM für Energieprojekte, 450 Millionen DM für Kohlenbergbau und Bergarbeiterwohnungen, 200 Millionen DM für den allgemeinen Wohnungsbau, etwa 90 Millionen DM für Investitionen im Bereich von Eisen und Stahl, über 86 Millionen DM für Schiffsbaufinanzierung, 540 Millionen DM für die verarbeitende Industrie und 300 Millionen DM für die Landwirtschaft. Wenn Herr Kollege Dr. Seelos am Anfang seiner kurzen Rede seinen Dank für diese Hilfe ausgesprochen hat, so wird uns hier erst recht deutlich, von welchem Gewicht sie für uns alle gewesen ist.
Es ist selbstverständlich, daß ich das Hohe Haus nicht mit einer Einzelschilderung bekannter Tatsachen über das Zustandekommen der Investitionszusagen aufhalten will. Sie wissen alle, daß sämtliche wirtschaftlichen Fachressorts in den Ländern in Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Fachressort in der Bundesregierung die letzte Einzelheit der Mittelverwendung prüfen und daß anschließend die gesamtwirtschaftliche Richtigkeit der Verteilung der Investitionen, die von den Fachministern der Länder und den Fachministern in der Bundesregierung gemeinsam beraten worden sind, von den zentralen ERP-Ausschüssen doppelt über-
prüft wird, in denen die Ressorts, die Bank deutscher Länder, die produktive Wirtschaft, der Handel, die Gewerkschaften usw. vertreten sind, so daß mir in diesem Falle nichts anderes bleibt als eine besonders sorgfältige Überprüfung der Befolgung aller technischen, finanzpolitischen und sonstigen Erwägungen, die weiterhin mit der Investitionsmittelhergabe verbunden sind.
Meine Damen und Herren, ich will immer wieder versuchen, etwas abzukürzen; aber ich möchte doch einmal etwas über die Größenordnung sagen, was nicht ganz bekannt ist. Ich darf darauf hinweisen, daß z. B. die rund 20 Millionen DM für die Forschung in mehreren Hunderten von Einzelbeträgen auf Grund von Beratungen mit Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft usw. vergeben worden sind. Ich darf weiter sagen, was interessieren dürfte, daß von den verausgabten Krediten ca. 3000 in der Größenordnung von mehr als 100 000 DM und 11 000 zwischen 5000 und 100 000 DM liegen, woraus die sehr breite Streuung der Kredite ersichtlich wird.
Ich bedauere die sehr knappe Zeit. Es hätte mir sonst sehr daran gelegen, ausführlich über Berlin und die Hilfe für Berlin zu sprechen. Ich will versuchen, es knapp zusammenzufassen. Ich habe schon den Betrag von 635 Millionen DM Gegenwertmitteln, die bisher auf Berlin entfallen, genannt. Ich darf darauf hinweisen, daß die Berliner Investitionsprogramme immer in gemeinschaftlicher Arbeit zwischen den Berliner Dienststellen und meinem Hause aufgestellt worden sind, und ich kann feststellen, daß diese Arbeit nicht nur nach außen hin, sondern auch in bezug auf Haltung, Zielsetzung und Stimmung eine gemeinsame war. Ich darf weiter an die Ausarbeitung und Durchführung der bekannten Sonderprogramme erinnern. Ich darf darauf hinweisen, daß ich das besondere Bestreben gehabt habe, mit der allmählich beginnenden Ausweitung der Berliner gewerblichen Arbeit auch die Liquidität des Berliner Kreditwesens zu verstärken, und daß ich einen Weg hierfür darin fand, Teile meiner Guthaben auf lange Zeit bei den Berliner Kreditinstituten zu unterhalten. Ich habe dann mit den unter meine Verwaltung gestellten Mitteln dazu beitragen können, einen Bürgschaftssicherheitsfonds aus GARIOA-Mitteln bei der Berliner Zentralbank anzulegen, — alles Maßnahmen, die selbstverständlich in ihrer Vielgestaltigkeit im einzelnen vielleicht nicht sehr umfangreich, in der gesamten Wirkung aber gerade von Berlin dankbar empfunden worden sind.
Es wäre an der Zeit — und ich behalte mir deswegen doch einmal einen langen schriftlichen Bericht vor —, über eine weitere sehr arbeitsreiche Tätigkeit meines Hauses zu sprechen, und das ist das, was sich als „technical assistance", also wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Erfahrungsaustausch zwischen uns, Amerika und den europäischen Ländern und umgekehrt abgewickelt hat. Hier sind Hunderte von Reisen vorbereitet worden, und wir haben dazu beigetragen, in immer lebhafteren Austausch von Erfahrung und Lehre einzutreten. Auch das ist eine Arbeit, die gerade wegen ihrer Bedeutung nicht nur für die deutsche Wirtschaft, sondern auch für die Wirklichkeit europäischen und eines vielleicht noch weiter zielenden Denkens von Bedeutung ist, die sich aber eben bei uns aus der gewonnenen Erfahrung unmittelbar nutzbar machen läßt, vor allem nachdem wir vorher so lange Zeit von der Welt abgeschnitten gewesen sind. Ich wiederhole: ich will bestrebt sein, sobald wie möglich dem Haus darüber einen schriftlichen Bericht zu erstatten, weil vielleicht manche Möglichkeit zu solchem Erfahrungsaustausch und zu
solcher Reise nicht genützt wird, weil die Dinge
in ihrer Technik nicht ausreichend bekannt sind.
Ich möchte dann aber doch noch ein Wort zu dem sagen, was der Herr Berichterstatter über das Personal und den Personalbestand ausgeführt hat. Ich möchte auch zu dem gestern dem Hohen Hause vorgelegten Antrag der Fraktion der SPD einige sachliche Anmerkungen machen. Meine Damen und Herren, das Haushaltsjahr 1949 hat keine Tätigkeit eines Ministeriums gesehen wie die, die von uns in zunehmendem Maße verlangt wurde. Das Haushaltsjahr 1949 hat — und daran haben Sie auf allen Seiten des Hauses mit Recht Kritik geübt — noch einen Marshallplan im Zeichen der Herrschaft sehr engstirnigen nationalwirtschaftlichen Denkens gesehen. Ende 1949 ist es dann allmählich dazu gekommen — und damit begann unsere große Arbeit —, daß die Arbeit der Marshallplanverwaltungen und die Arbeit der OEEC nicht mehr darin bestand, sich um die Verteilung der Mittel zu raufen, sondern daß man von dem Negativen zu Positivem überging, nämlich dazu, mit allen Mitteln danach zu streben, Europa mit der Tat zu verwirklichen, anstatt nur immer das Wort Europa zu gebrauchen.
Hier ist nun der Punkt, wo auch die Wirtschaft diesen Weg zu gehen hat. Ob das nun das Wort „Europäische Zahlungsunion" in seiner ganzen Bedeutung ist, ob das die schrittweise Erreichung eines Zustandes des praktisch unbehinderten Verkehrs gewisser Waren im ganzen europäischen Raum ist, der durch gemeinschaftliche, für ganz Europa geltende Freilisten von Waren geschaffen werden soll, ob das die gegenwärtige gewaltige Arbeit an der Integration der europäischen Landwirtschaft in Produktion und Verteilung ist, vor allen Dingen aber auch in der Überlegung, was produziert werden soll, ob das die Frage eines pfleglichen Austauschs der Arbeitskräfte, ob das die Frage einer Integration der europäischen Jugend im Sinne freier Beweglichkeit ist — all das, was irgendwie mit der Integration Europas im wirtschaftlichen Sinne zu tun hat, ist erst in jenem Jahre auf uns zugekommen, über das Sie hier den Haushaltsplan meines Ministeriums vorliegen haben. Daher ist es sicherlich bedauerlich, daß ich eben die schweren Bedenken wegen der Überlastung meiner Mitarbeiter äußern mußte. Aber ich mußte dies Bedauern eben äußern. Ich könnte Ihnen noch Dutzende neuer Aufgaben im Rahmen der europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit aufzählen, die von meinem Ministerium bewältigt werden müssen.
Aber lassen Sie mich um der Objektivität willen gerade zu dieser Personalpolitik noch ein Wort sagen. Es wird gesagt, es handele sich hier um 54 neue Beamte und Angestellte. Dazu muß ich sagen: Von diesen 54 befinden sich in den Gruppen TOA VI b und darunter, also in den untersten Gruppen, allein 19. Weitere 13 dieser 54 sind das, was nach der Terminologie der Behörden Arbeiter genannt wird, so daß von diesen 54 allein 32 nach TOA VI b und darunter besoldet werden bzw. Arbeiter sind. Lassen Sie mich weiter sagen, daß an höheren Beamten unter diesen 54 überhaupt nur 15 sind und daß die restlichen 18 sich auch auf die Assistentenstellen usw. verteilen, 3 TOA IV, 3 TOA III usw. Es liegt hier also keine Aufblähung in der Spitze, sondern nur eine starke Vermehrung der Angestellten und Arbeiter und besonders der Nachwuchskräfte vor.
Ich wiederhole eines: ich habe keinen Anlaß, zu der Frage des Bestandes des Marshallplanministeriums an sich Stellung zu nehmen. Das ist nicht Aufgabe des einzelnen Ministers, sondern das ist eine Sache der gesamten Regierung, die also auch nur von dem Regierungschef vertreten werden könnte. Ich hatte nur die eine Aufgabe, Ihnen eine grobe Übersicht über eine Arbeit zu geben, die von Tag zu Tag angewachsen ist, die aber doch sehr erheblich zur Sicherung unserer Versorgung, die auch dazu beigetragen hat, daß Deutschland sein Stück Arbeit bei der wirtschaftlichen Integration Europas leistet, die ungeheure Beträge eingespart hat durch die allmählich auf deutsche oder europäische Schiffe nach unserer Wahl übergeführten Verschiffungen; eine Arbeit im übrigen, der wir uns schlechthin gar nicht entziehen können, wenn wir einmal den Marshallplan ausführen, zum andern die Aufgabe der Mitarbeit an der Herstellung der europäischen wirtschaftlichen Einheit erfüllen wollen.
Noch ein Wort. Es stimmt nicht, daß es in anderen Ländern für diese Aufgaben keine besonderen Ministerien gibt. Es gibt Länder, die eine sehr viel größere Zahl von Ministerien haben. Wenn z. B. von England entweder der Schatzkanzler oder der Außenminister oder der President of the Board of Trade kommt, so liegt das eben daran, daß sie neben dem eigentlichen Budgetminister noch einen Schatzkanzler und neben dem Schatzkanzler und neben dem Wirtschaftsminister noch einen eigenen Handelsminister haben. Infolgedessen ist es vielleicht nicht nötig, daß sie ihm eigens den Namen „Marshallplanminister" geben. Jedenfalls haben andere Länder einen solchen Minister.
Wie gesagt, der Gesamtbestand dieses Ministeriums liegt mir weder am Herzen noch habe ich ihn zu vertreten. Das ist eine Sache der Gesamtorganisation. Daß ich mich aber vor meine Leute stellen muß, die mit sehr großem Eifer gearbeitet und es erreicht haben, daß wir nach außen immer wieder dasselbe Ziel vertraten und daß Deutschland ein sehr lebendiger Teilhaber an der europäischen wirtschaftlichen Einheit wurde, ist meine Pflicht als Chef dieses Ministeriums, die ich so lange zu erfüllen habe, wie ich ihm vorstehe.