Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Materie der Änderung des Erbschaftsteuergesetzes verdient es ja eigentlich nicht, daß wir uns so lange damit aufhalten. Nachdem dieser Punkt wiederholt von der Tagesordnung abgesetzt worden ist, bin ich der Meinung, Herr Kollege Kneipp, wir sollten nun nicht mehr zögern, dieses Gesetz jetzt endlich zu verabschieden.
Das Gesetz paßt sich in seinen materiellen Änderungen weitgehend den Bedürfnissen der Gegenwart an, entspricht also im wesentlichen einem juristischen Sauberkeitsbedürfnis des Herrn Bundesfinanzministers. Darüber hinaus ist durch die zur Diskussion stehende Sonderregelung der Erbschaftsteuer für die Landwirtschaft eine nicht unwesentliche materielle Änderung beabsichtigt. Der Herr Kollege Horlacher hat seinen Antrag von gestern etwas modifiziert in der Hoffnung, daß er nun angenommen werden könnte. Ich hoffe ebensosehr, daß Sie den Antrag nicht annehmen werden; denn er geht über das, was die Landwirtschaft billigerweise erwarten kann, hinaus.
Ich habe gestern ausgeführt, daß es uns darauf ankommt -- und darin sind wir uns ja auch einig, Herr Kollege Horlacher —, den bäuerlichen Familienbetrieb zu erhalten und bei Erbübergängen einer Zersplitterung vorzubeugen. Die Grenze des bäuerlichen Familienbetriebes liegt im allgemeinen bei 30 000 DM Einheitswert, jedenfalls was Mittel-und Süddeutschland anbetrifft. Ich habe ferner ausgeführt, daß sich durch den Krieg die Bedeutung der Verwandtschaftsgrade geändert hat, daß an Stelle des oft einzigen gefallenen Sohnes im bäuerlichen Betrieb der Neffe, der Schwiegersohn oder der Vetter tritt. Für diese Fälle scheint mir der Ausschußbeschluß nicht weit genug zu gehen, weil er die nach den Steuerklassen IV oder III zu besteuernden Erbübergänge nur nach der Steuerklasse II versteuert wissen will. während man bei Anerkennung meiner Ausführungen über die Verschiebung der Bedeutung der Verwandtschaftsgrade folgerichtig beim Erbübergang eines bäuerlichen Betriebes bis zu einem Einheitswert von 30 000 DM den Erwerber nur nach der Steuerklasse I heranziehen dürfte. Das ist der Inhalt unseres Antrages, den ich nunmehr erneut einbringe.
Zum zweiten aber habe ich — das will ich jetzt noch einmal kurz wiederholen, weil das Haus besser besetzt ist als gestern abend — folgendes dargelegt: Für die Verhältnisse Mittel- und Süddeutschlands genügt meines Erachtens die Regelung bis zu einem Einheitswert von 30 000 DM; für die Verhältnisse Norddeutschlands würde es außerordentlich schädlich sein, wenn wir den Ausschußantrag oder den Antrag Horlacher annehmen würden. Ich darf Ihnen das noch einmal mit ein paar Zahlen belegen. Nach der Statistik der Einheitswerte haben wir in Schleswig-Holstein rund 160 000 Landwirte mit rund 2,5 Millionen ha. Von diesen 160 000 landwirtschaftlichen Anwesen liegen 84% unter 20 000, 89% unter 30 000 DM Einheitswert. Diese 89% aller landwirtschaftlichen Anwesen nehmen 39% der landwirtschaftlich genutzten Fläche ein. Nehme ich nun die etwas größeren Landwirte, nämlich die mit Höfen von 30- bis 50 000 DM Einheitswert, dazu, so sind das nochmal 5%. Dann besitzen 94% aller Landwirte 52% der Fläche. Gehe ich jetzt aber noch eine Gruppe höher und berechne den Flächenanteil der landwirtschaftlichen Betriebe mit über 50 000 DM Einheitswert, so ergibt sich die überraschende Tatsache, daß knapp 6°/o aller Landwirte, nämlich die. welche Besitztümer mit einem Einheitswert von über 50 000 DM haben, 48% der gesamten landwirtschaftlichen Fläche Schleswig-Holsteins besitzen; Sib sehen also: eine enorme Steigerung des Flächenanteils in diesen Größenklassen.
Würde man nun den Ausschußbericht annehmen, in dem ja sogar der Begriff der wirtschafts- oder bauernfähigen Person fehlt, so daß also im Erbgang auch jeder Nichtlandwirt in den Genuß einer derartigen Steuerbegünstigung kommen würde, dann würden wir dem Zusammenhalt des landwirtschaftlichen Großgrundeigentums Vorschub leisten und würden der gesamten Agrar- und Siedlungspolitik des Bundes und der Länder zuwiderhandeln. Das kann nicht im Sinne des Bundestags sein. .
Um aber nun noch zu einem erträglichen Ergebnis zu kommen, sind wir bereit, in der zweiten Gruppe die Grenze von 50 000 auf 80 000 DM Einheitswert heraufzusetzen. Dann würden auch unsere Vollbauern in Norddeutschland — in Niedersachsen liegen die Verhältnisse nicht anders als in Schleswig-Holstein —
— Niederbayern meinetwegen auch —, deren Betriebe etwa bei einer Größe von 45, 50, 55 ha liegen, mit in den Genuß der Steuervergünstigung kommen. Ich reiche also den Antrag meiner Fraktion lediglich mit der Änderung in der fünften Zeile der Ziffer 1 von unten: „DM 80 000" statt „DM 50 000", im übrigen ungeändert, wieder ein und bitte, diesem Antrage zuzustimmen.
Zum Schluß noch ein kurzes Wort zu etwas anderem. Ich habe gestern abend eine Rüge des Herrn Kollegen Kneipp einstecken müssen, weil mir etwas zugestoßen ist, was einem Gelehrten nicht zustoßen darf: ich habe nämlich unzulänglich zitiert! Ich habe über Nacht mein Gedächtnis geordnet
und habe festgestellt, daß es sich um folgendes handelt — leider ist die Bibliothek hier noch nicht so vollständig, daß ich es dokumentarisch belegen kann —: Bei der Tagung der Friedrich-List-Gesellschaft im Jahre 1928., auf der es um Kapitalbildung and Steuersystem ging
— ja, da waren Sie auch dabei! —, hat der Redner zur Erbschaftsteuer sein Referat mit der Bemerkung eingeleitet: Wenn man sich die Bedeutung der Erbschaftsteuer klarmachen will, dann muß man sich an Professor Jastrow erinnern. der zu sagen pflegte: „Meine lieben Kommilitonen, wenn Sie sich die Bedeutung der Einkommen über 3000 Mark klarmachen wollen, so merken Sie sich als Faustregel: Es gibt keine Einkommen über 3000 Mark, denn sie liegen statistisch unter 1%" Und so sei es auch bei der Erbschaftsteuer! Das also schwebte mir gestern vor, daß das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer nicht so gewaltig ist, daß man darüber viel zu reden brauchte. Und dabei fiel mir, wie gesagt, das Beispiel ein, das ich nunmehr berichtigt habe. Ich hoffe, Herr Kollege Kneipp, daß wir uns nun einig sind; denn ich wußte selbst, daß die Erbschaftsteuer vor dem ersten .Weltkrieg für die Landwirtschaft bedeutungslos war.
Ich bitte also, nunmehr den Antrag Horlacher abzulehnen — er ist ja selbst auch damit einverstanden —,
und ich bitte, unserem Antrag mit der von mir vorgeschlagenen Änderung zuzustimmen;