Meine Herren und Damen! Ich habe nicht die Absicht, allzuviel zu diesem Thema zu sagen. Aus den Reden der beiden Kollegen ist bereits hervorgegangen, daß sich zwei Ausschüsse mit diesem Antrag beschäftigt und ihn der Regierung als Material überwiesen haben, und zwar in erster Linie deswegen, weil gerade der Hauptinhalt dieses Antrages, der Landflucht auf dem Wege über den Versorgungsschein zu begegnen, in beiden Ausschüssen keine Gegenliebe gefunden hat. Ich möchte nicht auf all die Gründe eingehen, aus denen man einen solchen Vorschlag
unter allen Umständen ablehnen muß. Ich möchte vielmehr sagen: Es besteht gar nicht die Gefahr, daß dieser Antrag durch die Ausschußüberweisung begraben wird; denn der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat ja beschlossen, das Problem unabhängig von der Überweisung in einem Unterausschuß für Erzeugungsfragen eingehend zu behandeln.
Dieser Ausschuß hat sich zur Aufgabe gestellt, all die von den beiden Vorrednern angesprochenen Probleme, die ohne Zweifel vorhanden sind, nicht nur in einer eingehenden Debatte zu behandeln, sondern auch in entsprechenden praktischen Vorschlägen zu lösen.
Ich glaube, daß es deswegen richtiger ist, heute zu so vorgerückter Stunde nicht mehr auf diese Dinge einzugehen, sondern all das, was wir dazu zu sagen und an Vorschlägen vorzubringen haben, in diesem Erzeugungsausschuß vorzulegen, damit man dann dort wirklich zu konstruktiven Vorschlägen kommen kann.
Aber es gibt doch eine Sache, auf die einzugehen ich nicht verzichten kann. Das ist die Feststellung, daß in der Landwirtschaft Hunderttausende von Arbeitskräften fehlen, während auf der anderen Seite bei den Arbeitsämtern 120 000 Landarbeiter arbeitslos gemeldet sind.
Sehen Sie, so sehr ich auch mit Ihnen der Meinung bin, daß der Staat bzw. die Öffentlichkeit einiges tun kann auf dem Wege über den Wohnungsbau, auf dem Wege über die Freizeitgestaltung, auch auf dem Wege über eine Verkehrserschließung, über bessere Altersversorgung usw. —, so sehr bin ich auch der Meinung, daß sich die Landwirtschaft, der Berufsstand, in dieser Beziehung etwas mehr selbst helfen muß. Man kann einfach nicht, wenn es 120 000 arbeitslose Landarbeiter gibt, die allerdings über 35 Jahre alt sind, immer nur junge Arbeitskräfte zwischen 16 und 18 Jahren von den Arbeitsämtern anfordern, weil diese Arbeitskräfte billiger sind. Sie haben selbst davon gesprochen, daß es unbedingt notwendig ist, die Landarbeiterlöhne den Industrielöhnen anzugleichen. Man kann das nicht nur fordern, es ist richtig: man muß dafür auch die Voraussetzungen schaffen. Wir haben Ihnen mehr als einmal gesagt: Diese Voraussetzungen sind nicht einfach durch höhere Preise für die Agrarprodukte zu schaffen, sondern es muß auch eine Senkung der Produktionskosten für die Landwirtschaft auf dem Wege über eine andere Wirtschaftspolitik hinzutreten. Aber das alles sind Dinge, die so sehr zusammenspielen, daß es keinen Sinn hat, sie hier in Teillösungen anzusprechen.
Niemand kann leugnen, daß die Arbeit in der Landwirtschaft eine besonders schwere Arbeit ist, daß diese Arbeit den Menschen außerordentlich beansprucht, daß diese Arbeit einen größeren Verschleiß sowohl an Kleidung, an Schuhen als auch an Körperkraft bedeutet. Dann ist es eben notwendig, daß man für eine solche Arbeit auch einen größeren Anreiz schafft.
Solange z. B. die Landarbeiterfrau das geplagteste Geschöpf ist, das man sich denken kann, solange wird es niemanden geben, der freiwillig in die Landwirtschaft arbeiten geht, wenn er nicht der Not gehorchen muß, oder wenn man ihm entsprechenden Lohn, entsprechende Wohnungsmöglichkeiten und auch entsprechende Behandlung dafür bietet.
Ich möchte mich auf diese wenigen Hinweise beschränken und möchte sagen: All das, was gesagt worden ist, mit Ausnahme des Versorgungsscheins, würden wir hundertprozentig unterstreichen.
Gestatten Sie mir aber noch auf etwas hinzuweisen. Wir haben dem Hause bereits im Februar vorigen Jahres ein Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen vorgelegt. Dieses Gesetz ist über ein Jahr lang im Ausschuß auf Eis gelegt worden.
Dieses Gesetz wäre ein Weg, auch in der Landwirtschaft zu Mindestarbeitsbedingungen zu kommen. Wenn es Ihnen ernst darum zu tun ist, dann bitte sorgen Sie in Ihren Fraktionen dafür, daß man dieses Gesetz endlich verabschiedet.
Wir haben außerdem im März vorigen Jahres ein Gesetz über Kinderbeihilfen vorgelegt. Sie werden doch zugeben müssen, daß gerade dem verheirateten Landarbeiter die Kinderbeihilfe eine wesentliche Verbesserung seiner sozialen Lage bedeuten würde. Warum sorgen Sie nicht dafür, daß dieses Gesetz endlich positiv verabschiedet wird? Sie haben doch die Möglichkeit dazu!
Wir haben Ihnen weiterhin vor langer Zeit ein Mutterschutzgesetz vorgelegt. Dieses Mutterschutzgesetz wartet auch noch auf die endgültige Verabschiedung. Das wäre auch eine Möglichkeit, der Landarbeiterfrau etwas mehr soziale Sicherheit zu geben.
Das ist das, worauf ich mich beschränken will. Ich würde Sie bitten, dafür zu sorgen, daß der Erzeugungsausschuß zu konstruktiven Vorschlägen kommt, die durchführbar sind und die das Los der Arbeiterschaft auf dem Lande leichter machen. Dann wird dieses Problem auch zu lösen sein.