Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um ein sehr ernstes Problem, und zwar um die Frage der Behebung des Mangels an Arbeitskräften auf dem Land. Die Antragsteller weisen in der Präambel ihres Antrages mit Recht darauf hin, daß alles Mögliche getan werden müsse, um dafür zu sorgen, daß die heute unbedingt erforderliche Ausweitung der Produktion nicht dadurch schachmatt gesetzt würde, daß sich nicht genügend Arbeitskräfte auf dem Lande finden.
Im Ausschuß ist dieses Problem eingehend behandelt worden. Es ist die Feststellung getroffen worden, daß die Landflucht sich tatsächlich, und zwar ungehindert, erheblich verstärkt hat. Dabei ist darauf hingewiesen worden, daß die Erscheinung der Landflucht auch auf die bäuerlichen Familienmitglieder übergegriffen hat und daß hier und da eine gewisse Abscheu vor landwirtschaftlichen Arbeiten besteht, wie überhaupt bei vielen Menschen eine Art Horror vor jeder manuellen Arbeit vorhanden ist.
Der Ausschuß hat dann zu den einzelnen vier Punkten des Antrags Stücklen und Genossen eingehend Stellung genommen. In dem Antrag wurde zunächst gefordert, daß die Arbeitsämter diese ihre Aufgabe als Organ zur Vermittlung von Arbeitskräften ganz besonders darin sehen sollten, für die freien Stellen in der Landwirtschaft entsprechende Arbeitskräfte zu vermitteln. Es wurde darauf hingewiesen, hier und da bestehe der Eindruck, daß die Arbeitsämter sich dieser Aufgabe nicht mit der nötigen Sorgfalt, mit dem nötigen Ernst und mit der nötigen Hingabe unterzögen und daß dadurch so manche dringend erforderliche Vermittlung unterbleibe. Im Ausschuß wurde dann besonders betont, daß die Arbeitsämter zwar vermitteln könnten, daß sie auch in vielen Fällen die Absicht hätten, freie Arbeitskräfte zu vermitteln, daß aber die Arbeitsämter weitere Maßnahmen, die über eine Vermittlung hinausgehen, kaum durchzuführen in der Lage seien; denn das Arbeitsvermittlungs- und Arbeitslosenversicherungsgesetz, das AVAVG, biete praktisch nur eine einzige Handhabe in seinem § 90, wonach das Arbeitsamt denjenigen Kräften, die Arbeit ablehnten, die Arbeitslosenunterstützung für vier Wochen sperren könne. Eine Möglichkeit für die Arbeitsämter, jemand zur Arbeitsaufnahme auf dem Land zu verpflichten, bestehe nicht, da die während des sogenannten Dritten Reiches erlassenen Verordnungen über Arbeitseinsatz und Arbeitseinsatzzwang heute nicht mehr bestünden. Von einem Vertreter im Ausschuß wurde besonders herausgestellt, daß vorwiegend Jugendliche die Aufnahme einer Arbeit in der Landwirtschaft ablehnten und sich lieber in der Registratur des Arbeitsamtes als Arbeitslose streichen ließen, nur um ja keine landwirtschaftliche Arbeit annehmen zu müssen.
In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Löhne in der Landwirtschaft hingewiesen. Von verschiedenen Seiten wurde bemängelt, daß die wünschenswerte Angleichung dieser Löhne an die industriellen Löhne noch nicht erfolgt sei. Auf der anderen Seite wurde aber darauf hingewiesen, daß Voraussetzung für eine Angleichung dieser Löhne an die Löhne in der Industrie eine entsprechende Erhöhung der Agrarpreise sei, daß beides in einem ursächlichen Zusammenhang stehe, daß aber auch gewisse psychologische Voraussetzungen geschaffen werden müßten, um bei den Arbeitslosen auf dem Lande einen größeren Willen zur Arbeit in der Landwirtschaft hervorzurufen.
Zu Punkt 2 wurde dargelegt, daß es doch zweckmäßig sei, den Landarbeitern Aufstiegsmöglichkeiten zu geben. Solche Aufstiegsmöglichkeiten bestehen natürlich dann, wenn ein Landarbeiter sich im Wege der Siedlung eine selbständige Existenz zu schaffen in der Lage ist oder wenn er in irgendeinen landwirtschaftlichen Betrieb einheiraten kann und damit die Möglichkeit hat, selbst Bauer zu spielen. Das mit Ziffer 2 des Antrages Stücklen und Genossen erstrebte Vorhaben wurde als nicht zweckmäßig bezeichnet. Nach dem Antrag will man unter allen Umständen eine Art Versorgungsschein für die in landwirtschaftlichen Betrieben lange tätigen Arbeitskräfte, eine Art Versorgungsschein, wie wir sie früher ja bei den Militäranwärtern hatten. Der Antrag besagt ganz kurz, daß derjenige, der zehn Jahre in der Landwirtschaft treu gedient hat, einen solchen Schein bekommen soll, um in eine Stelle der Post, der Bahn, der Wegeverwaltung und dergleichen einspringen zu können. Mit Recht wurde im Ausschuß darauf hingewiesen, daß damit gerade dem Lande eine Reihe oft sehr wertvoller Arbeitskräfte wieder entzogen würden und daß man die Sache in der Weise praktisch nicht aufzäumen könne. Es wurde auch erklärt, es gehe doch nicht an, daß man eine Art Zivilversorgungsschein wieder einführe.
Ziffer 3 des Antrags geht darauf hinaus, den lange in der Landwirtschaft tätig gewesenen Arbeitskräften die Möglichkeit einer Zusatzversicherung einzuräumen. Eine solche Zusatzversicherung besteht ja schließlich heute schon, so daß eine besondere Einräumung dieser Möglichkeit nicht nötig ist. Es müssen dann eben höhere Beiträge zu den in Frage kommenden Versicherungen gezahlt werden.
Unter Ziffer 4 wird nun von den Antragstellern das Wohnungsbauprogramm in den Vordergrund gestellt und darauf hingewiesen, daß Wohnungen in erster Linie für die verheirateten Landarbeiter geschaffen oder vorhandene Wohnungen wieder Landarbeitern zur Verfügung gestellt werden müßten. Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache, daß eine große Anzahl landwirtschaftlicher Werkwohnungen seit Jahren dieser ihrer Zweckbestimmung entfremdet worden sind und daß sie noch heute von anderen als landwirtschaftlich tätigen Kräften blockiert sind. Alle rechtlichen Möglichkeiten haben bisher nicht ausgereicht, irgend etwas an dieser Tatsache zu ändern. Im Ausschuß ist mit Recht von allen Seiten gefordert worden, dafür Sorge zu tragen, daß diese Wohnungen und Wohnräume so bald wie möglich wieder für Landarbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Im vorigen Jahr ist im Anschluß an die Verabschiedung des Einkommensteuergesetzes und Körperschaftsteuergesetzes eine Verordnung der Bundesregierung über die Unterstützung beim Bau von Landarbeiterwohnungen erschienen. Leider hat dieser Plan des Baues von Landarbeiterwohnungen noch nicht die Ausweitung erfahren, wie sie die Verordnung damals vorgesehen hat. Es ist zu hoffen, daß nach dieser Richtung hin in diesem Jahr und in den nächsten Jahren wesentlich günstigere Verhältnisse Platz greifen.
Im Ausschuß standen sich die Vertreter aus Süddeutschland in ihrer Auffassung den Vertretern aus Norddeutschland etwas gegenüber. Gerade in Norddeutschland ist noch in viel größerem Umfange als in Süddeutschland ein seßhafter Landarbeiterstand vorhanden. In Süddeutschland ist die Fluktuation viel größer geworden. Das wurde mit Recht dahin erklärt, daß in Norddeutschland noch mehr und größere Agrargebiete vorhanden seien, in denen sich die seßhafte Landarbeiterschaft besser erhalte als da, wo, wie im südlichen und mittleren Deutschland, wesentlich größere Möglichkeiten des Einsatzes in der Industrie gegeben seien.
Der vorliegende Antrag wurde auch im Ernährungsausschuß behandelt. Der Ernährungsausschuß ist zu dem Vorschlag gekommen, den Antrag und die in ihm aufgeworfenen Probleme der Bundesregierung als Material zu überweisen. Auch der Arbeitsausschuß hat entsprechend beschlossen und seinen Beschluß damit begründet, daß zur Zeit ein neues Arbeitslosenversicherungs- und Arbeitsvermittlungsgesetz bearbeitet wird. Dieses neue AVAVG wird wohl schon in absehbarer Zeit dem Hohen .Hause zur Beschlußfassung unterbreitet werden. Ich darf Sie also namens des Ausschusses bitten, den Antrag Stücklen und Genossen auf Drucksache Nr. 1870 der Bundesregierung als Material für dieses Gesetz zu überweisen.