Meine Damen und Herren! Der Antrag meiner Fraktion bezieht sich auf einen Vorgang, der symbolisch ist für die Situation, in der sich unser Volk befindet,
symbolisch für seine Existenz zwischen Leben und Tod, für eine Situation, in der nicht nur das gesamte nationale Leben, sondern das Leben eines jeden einzelnen durch einen von fremder Seite heraufbeschworenen Krieg bedroht wird.
Meine Damen und Herren! Es ist bekannt geworden, daß nicht weniger als 630 Brücken im Bundesgebiet zur Sprengung vorbereitet werden sollen, und zwar auf Veranlassung amerikanischer militärischer Stellen. Ich möchte aus der Fülle von Vorgängen dieser Art einen bezeichnenden Fall herausgreifen, der sich in Bayern ereignet hat. Auf diesen Vorgang bezieht sich im Konkreten der Antrag meiner Fraktion. Ich halte mich dabei an eine amtliche Drucksache, an einen Brief des bayerischen Innenministers, Dr. Hoegner, datiert vom 23. Februar 1951, der in einer Drucksache des Bayerischen Landtags veröffentlicht ist: In dieser Drucksache wird erwähnt, daß bereits im Herbst 1950 vom Bundesverkehrministerium Pläne der Mainbrücken in Aschaffenburg, Marktheidenfeld, Lohr und Ochsenfurt angefordert worden sind, ohne daß mitgeteilt worden ist, für welche Zwecke die Pläne benötigt werden. Einige Monate später kam es zu Besprechungen bei den amerikanischen Militärdienststellen in Würzburg, die den Einbau von Sprengkammern an einer Reihe von Mainbrücken verlangt haben. Es kam zu Einwendungen bayerischer staatlicher Organe. Daraufhin erfolgte ein direkter Befehl des amerikanischen Hauptquartiers in Heidelberg mit dem Hinweis, wenn deutsche Behörden die Herausgabe der Pläne verweigerten, würden die Arbeiten auf direkte Veranlassung und unter unmittelbarer Anleitung amerikanischer Stellen aufgenommen. Als erste Handlung des
Widerstandes erfolgte die Weigerung der Stadtvertretung und Stadtverwaltung der Mainstadt Bamberg, die erklärten, daß sie auch auf Anforderung der amerikanischen Stellen nicht gewillt seien, die Pläne der Mainbrücken von Bamberg herauszugeben. Daraufhin wurde vom Bundesverkehrsministerium für den 29. 1. dieses Jahres eine „Beratung" vermittelt. Bei dieser „Beratung" wurde von amerikanischer Seite die Herausgabe von weiteren 54 Brückenplänen verlangt; dem Verlangen wurde entsprochen.
Wir stehen also vor einer für die ganze weitere Entwicklung
(Zuruf von der Mitte: Wie ist das mit dem
Schloß in Berlin?)
Meine Damen und Herren! Nicht nur die Sinnlosigkeit dieser Maßnahmen ist zu vermerken. Jeder Mensch erinnert sich aus den Vorgängen im Jahre 1945, wie sinnlos es war, im letzten Moment die Brücken zu sprengen. Man weiß, daß diese Wahnsinnstaten den Ablauf der militärischen Ereignisse in keiner Weise aufgehalten haben. Aber es verbreitet sich in allen Schichten der Bevölkerung die Meinung, daß es sich hier um mehr als eine Wahnsinnstat handelt, um ein direktes Verbrechen nicht nur an den Gütern unseres Volkes, sondern am Leben von Millionen von Menschen, wenn man sich zur Hilfeleistung für derartige Handlungen, die vom amerikanischen Generalstab angeordnet wurden, bereitfindet.
Man erklärte, das geschähe aus Gründen der Sicherheit. Jeder Mensch weiß, daß die Vorbereitungen zu den Sprengungen zu einem Zeitpunkt in Westdeutschland begonnen haben, als es noch keine „Koreaprobleme" gab. Bereits vor einem Jahr haben wir auf die Maßnahmen im Rheintal hingewiesen, die getroffen wurden, um an der schmalsten Stelle des Rheintals die Berge zum Einsturz zu bringen und dadurch das ganze Mittel- und Oberrheintal in eine einzige Stätte der Verwüstung zu verwandeln.
Damals haben Sie hier gelacht. In der Zwischenzeit haben Sie sich davon überzeugen müssen, daß diese Handlungen auf Veranlassung des Generalstabs der Westmächte tatsächlich vollzogen worden sind.
Ich kann sagen, daß sich gegen diese verbrecherischen Handlungen eine breite Front des Widerstands im ganzen Westen Deutschlands erhoben hat. Dem Beispiel von Bamberg folgten die Stadträte von Bayreuth, die Bauarbeiter von Augsburg, die Stadtverwaltungen und Vertretungen von Lohr, München, Würzburg, Schweinfurt, Fürth und Regensburg, folgten Erklärungen der Stadtvertretungen in württembergischen Gemeinden, wo gleichfalls die Gefahr der Sprengung selbst kleinster Brücken gegeben war, folgten die Stadtverwaltungen von Bad Mergentheim, von Crailsheim usw. Aber darüber hinaus haben wir schon handfestere Beispiele des Widerstandes, etwa wenn in Frankfurt Freunde des Friedens darangegangen sind, die gerade erst gebohrten Sprenglöcher mit Zement zuzumauern; oder wenn in Hamburg Hunderte von Frauen aufmarschierten und die Arbeiter, die beauftragt waren, Sprengkammern in die Elbbrücken einzubauen, aufforderten, von ihrem Werk Abstand zu nehmen. Die Hamburger Frauen haben Erfolg gehabt. Die Arbeiter haben die Arbeit verweigert. Mit ihnen solidarisierte sich ein Teil der Unternehmer, denen diese Arbeit aufgetragen war, und eine ganze Woche lang konnte die Ausführung der Aufträge der amerikanisch-britischen Militärbehörden verzögert werden.
Ich sage, meine Damen und Herren, dies ist ein Anfang. Es mehren sich die Stimmen aufrechter Deutscher,
die erklären: Und wenn sie uns mit Gewalt drohen, wir lassen uns nicht zu solchen verbrecherischen Handlungen zwingen.
Lassen Sie mich die Äußerung des Kreisbaumeisters in Regen im Bayerischen Wald zitieren, der erklärte:
Ich lasse mich eher von meinem Amtsstuhl
weg verhaften, als daß ich einen Finger rühren
werde, um irgendwelche verbrecherische
Brückensprengungen zu begünstigen. Hinter
mir steht die gesamte Bevölkerung der Stadt.
Meine Damen und Herren! Wir haben eine Vorlage der Bundesregierung, mit der sie eine Antwort auf eine Anfrage erteilen möchte, die vor wenigen Tagen wegen der gleichen Angelegenheit an sie gerichtet wurde. In dieser Antwort des Bundeskanzlers wird erklärt, man . könne diese Arbeiten nicht verweigern. Es sei zwecklos, die Herausgabe der Pläne zu verhindern, weil dies sonst durch die Besatzungsmacht erzwungen werden könne. Die Bundesregierung stützt sich dabei auf den Art. 2 Buchstabe e des revidierten Besatzungstatuts. Was aber ist der Inhalt dieses Artikels? Es heißt dort, die Besatzungsmacht sei verantwortlich für die Wahrung des Schutzes,
des Ansehens und der Sicherheit der alliierten Streitkräfte und ihrer Familienangehörigen. Die Bundesregierung möge uns klarmachen, was die Vorbereitung der Zerstörung von Brücken über den Main, über die Tauber, über die Jagst, über die Fulda und Werra mit der Wahrung des Schutzes und des Ansehens der alliierten Streitkräfte und ihrer Familienangehörigen zu tun hat.
Meine Damen und Herren, es wird in der Erklärung des Bundeskanzlers weiter auf das Gesetz Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission verwiesen.
Dort heißt es, es könne, wenn einer Anweisung oder Anordnung der Besatzungsbehörde nicht Folge geleistet werde, eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder eine Geldstrafe bis zu 25 000 DM verhängt werden.
Nun möchte ich fragen: Wenn es sich um eine Verpflichtung handelt, den Frieden zu wahren und verbrecherischen Plänen einen Riegel vorzuschieben, lohnt es sich dann nicht, auch eine solche Bestrafung herauszufordern? Glauben Sie nicht,
wenn die Regierung den Minister Seebohm angewiesen hätte, die Herausgabe der Brückenpläne zu verweigern, daß sie sich um unser Volk, um das Leben unserer Menschen verdient gemacht hätte?
Meine Damen und Herren, Sie werden diese Dinge wahrscheinlich ebenso lächerlich zu machen versuchen, wie Sie es hinsichtlich der anderen Vorbereitungen zur Auslösung eines Krieges tun.
Sie können aber diese Dinge nicht mit einem billigen Antrag, zur Tagesordnung überzugehen, abtun.
Diese Handlungen, deren Zeugen wir sind, zeigen uns, was das deutsche Volk von der sogenannten Gleichberechtigung zu halten hat, von der gewisse prominente Leute dieses Hauses sprechen.
Das deutsche Volk weiß nun, was es von einem amerikanischen Krieg zu erwarten hat.
Es ist klar, daß uns im Zeichen dieser sogenannten Gleichberechtigung
die Politik der verbrannten Erde beschieden wäre, eine Politik, die Deutschland in ein Leichenfeld verwandeln würde. Darum muß man diesen Maßnahmen entgegentreten, muß den Mut und Willen zum Widerstand wecken.
Man muß diesen Widerstandswillen der um den Frieden unserer Heimat besorgten Menschen stärken. Deswegen sagen wir: jene Kräfte in der Regierung, die für die Zerstörung friedlicher Bauten Handlangerdienste geleistet haben, müssen von allen anständig denkenden Menschen verurteilt werden.
Sie müssen aber nicht nur verurteilt werden, sondern die Antwort muß sein, daß jeder Handlung,
die geeignet ist, den Frieden unserer Heimat zu
stören, einmütig Widerstand entgegengesetzt wird.