Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache der ersten Beratung. Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Überweisung dieses Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 3 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der WAV
betreffend Maßnahmen zur Sicherung deut-
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Antragsteller ist Herr Dr. Richter, der in diesem Augenblick den Saal betritt. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.,
Dr. Richter (SRP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mit der Drucksache Nr. 2024 einen Antrag vorgelegt, durch den die Bundesregierung ersucht wird, unverzüglich dem Bundestag bekanntzugeben, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um das deutsche Eigentum in Österreich zu sichern. Die Besprechung dieses Antrages erfordert, daß man sich überhaupt einmal über die Entwicklung hinsichtlich der Behandlung des gesamten deutschen Eigentums ein Bild macht. Ich möchte nur wünschen, daß dieser Antrag vielleicht eine Debatte über das Gesamtproblem in diesem Hohen Haus auslöst.
Wenn wir uns heute mit dieser Frage befassen, dann muß ich auf einen der ersten Beschlüsse der Alliierten zurückgreifen, die in dieser Richtung gefaßt wurden, nämlich auf einen in der Konferenz der Vereinten Nationen in Bretton Woods vom 22. Juli 1944 gefaßten Beschluß, der im Volksmunde im allgemeinen als Morgenthau-Plan bekannt ist und unter dessen Nr. 5 die Enteignung aller deutschen Auslandswerte festgelegt wurde. Nun ist aber heute noch Grundsatz des gesamten Völkerrechts die Unverletzbarkeit des privaten Eigentums. Ich darf in diesem Zusammenhange auf eine amtliche Stellungnahme der Schweizer Regierung hinweisen, die erklärt hat, daß den Alliierten für ihre Forderungen jede rechtliche Grundlage fehlt. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß neutrale Staaten durch Druck gezwungen wurden, deutsches Eigentum zu enteignen, etwa dadurch, daß man in den USA ihre Guthaben blockierte. So ist die Schweiz, die ich eben erwähnte, beispielsweise im Abkommen von Washington vom 25. Mai 1946 dazu gezwungen worden. Daß selbst Schweizer Kreise diese Methode für vollkommen falsch, j a sogar für gefährlich halten, hat kein Geringerer als der Nationalrat Dr. Rohr betont, der erklärte, ohne die vollständige Entmachtung Deutschlands wäre das Abkommen undenkbar.
Es setzt sich über allgemein anerkannte Grundsätze des internationalen Rechts hinweg und hat dadurch das Vertrauen in die Schweiz als Rechtsstaat schwer erschüttert.
Dr. Rohr sagte weiter:
Ohne den Revolver auf der Brust würde die
Schweiz dieses Abkommen nie geschlossen
haben. Das ist auch der einzige Rechtfertigungsgrund. Ob man uns die Zustimmung zu diesem
Abkommen je vergessen und verzeihen wird?
Ich möchte an dieser Stelle eines gesagt haben:
weil gerade von Schweizer Seite her so klar und
eindeutig Stellung bezogen wurde, werden auch von der Tribüne dieses Hauses die Bedenken des Nationalrats zerstreut werden können und zerstreut werden müssen. Der Luzerner Rechtsanwalt Peter hat in seiner Schrift „Auslieferung deutschen Privateigentums?" festgestellt, der zunehmende internationale Rechtszynismus in bezug auf die Behandlung des feindlichen Privateigentums sei eines der beunruhigendsten Symptome der fortschreitenden Reb arb arisierung unserer Zivilisation.
Nun ist bekannt, daß nach der Haager Landkriegsordnung von 1907, Art. 46, das Privateigen-turn in keiner Weise angetastet werden darf. Auch die Vereinten Nationen haben in ihrer Deklaration der Menschenrechte erklärt, daß jedermann das Recht hat, Privateigentum zu besitzen, als einzelner wie als Organisation — und eine Organisation ist letzten Endes auch ein Staat —, und daß dieses Privateigentum nicht angetastet werden darf. Man hat in Nürnberg wegen der Verletzung oder der angeblichen Verletzung gerade der Haager Landkriegsordnung Menschen verurteilt. Um so notwendiger erscheint es mir aber, gerade diejenigen, die damals diese Urteile aussprachen, daran zu erinnern, daß auch sie verpflichtet sind, die Haager Landkriegsordnung bis zum letzten Punkt einzuhalten, weil sie sonst nicht das Recht haben, irgend
end
jemandem eine Anklage ins Gesicht zu schleurn.
Anlaß zu unserem Antrag gab ein Artikel der
„Wiener Zeitung" vom 18. Februar dieses Jahres.
— Entschuldigen Sie, ein Aufsatz in einer Zeitung, die als offiziös bezeichnet wird,
ein Aufsatz, von dem man behauptet, er ginge auf den Außenminister Gruber zurück. Darin verlangt man die Übergabe deutschen Eigentums in Österreich an die Wiener Regierung.
— Das ist in diesem Aufsatz klipp und klar erklärt worden, und man denkt auch in Wien daran, lassen Sie sich das gesagt sein.
Die Alliierten haben sich zu sogenannten Eigentümern deutschen Eigentums gemacht, d. h. unberechtigterweise haben sie sich deutsches Eigenturn angeeignet. Wenn nun in diesem Aufsatz, der, wie ich schon sagte, angeblich auf den Außenminister Gruber zurückgehen soll, betont wird, daß das Potsdamer Abkommen ja der Wiener Regierung eigentlich das Recht gibt, in dieser Richtung vorzustoßen, dann möchte ich erklären, daß es wohl niemanden in diesem Hohen Hause gibt, von ganz wenigen Ausnahmen vielleicht abgesehen, der das Potsdamer Abkommen überhaupt anerkennt, es als eine Völkerrechtsgrundlage oder etwa, wie von offiziöser Seite in diesem Blatt ausgeführt worden ist, gar als Grundlage eines künftigen Friedens ansehen möchte.
An sich bestand überhaupt kein direkter Anlaß zur Aufrollung dieser Frage, und ich glaube auch, daß das ganze Problem letztlich nur bei Friedensverhandlungen gelöst werden kann, die allerdings — das wollen wir hoffen — einen wirklichen Frieden auf der Grundlage von Recht und Gerechtigkeit herbeiführen müßten. Wien wollte sich meiner Überzeugung nach durch diesen Vorstoß nichts weiter verschaffen als eine gewisse „Ausgangsposition".
Ich fand es recht geschmacklos, daß in diesem Aufsatz von einer deutschen Besatzungszeit, die in Österreich geherrscht haben soll, die Rede ist; denn wir dürfen nicht verkennen, wie die deutschen Truppen damals in Österreich empfangen wurden, und wir dürfen darüber hinaus auch nicht vergessen, wie allerhöchste Stellen den Umschwung in Österreich begrüßt haben, darunter sogar namhafte Vertreter der Kirche. Die österreichische Wirtschaft war im Jahre 1938 nahezu am Ende. Das lag daran, daß man in St. Germain einen Staat geschaffen hat, der wirtschaftlich nicht lebensfähig war. Wenn die „Wiener Zeitung" dann erklärt, zum Teil sei zwangsweise deutsches Kapital in die österreichische Wirtschaft hineingepumpt worden, so stimmt das in keiner Weise. Es ist eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit; denn, wie ich schon sagte, war es, um die österreichische Wirtschaft zu retten, eine Notwendigkeit, deutsches Kapital hineinzuführen, um überhaupt den Menschen da drüben die Arbeitsstätten zu erhalten bzw. Arbeit zu schaffen.
Der Artikel in der „Wiener Zeitung" ist auch in österreichischen Kreisen sehr scharf kritisiert worden Insbesondere Wirtschaftler plädieren sehr für die Rückgabe deutschen Eigentums, da sie auf Giund direkten und indirekten wirtschaftlichen Verkehrs mit der Bundesrepublik meinen, daß man Bonn nicht vor den Kopf stoßen dürfe, da es, wie es in einer Zeitung wörtlich heißt, „am stärkeren Hebel" sitze. Ich verweise weiterhin auf die Stellungnahme des Nationalrats Brunner, der gegen eine Vergewaltigung des Rechts- und Eigentums) begriffs in diesem Zusammenhang gesprochen hat. Ich verweise auf eine Stellungnahme des Verbandes der Unabhängigen, der im österreichischen Parlament zwei Anfragen eingebracht hat und in einer dieser Anfragen davon spricht, daß Ressentiments keinen Platz mehr haben dürfen.
Man beruft sich bei der Anmeldung dieser unberechtigten Ansprüche auf das alliierte Gesetz Nr. 5, das als einseitige Maßnahme als völkerrechtswidrig zu bezeichnen und kein Gesetz ist. Alle Reparationen, die vor Friedensverhandlungen vorgenommen werden, sind nichts anderes als Raub und müssen, ob es sich um Deutschland oder auch um andere Teile von Europa handelt, auch als Raub bezeichnet werden. Das Wiener Kontrollrats-abkommen vom 28. Juni 1946 ist ebenfalls einseitig und verstößt gegen das Völkerrecht. Wien kann damit niemals ein Verfügungsrecht über das deutsche Eigentum beanspruchen, auch wenn es heute von den Alliierten im westlichen Teil als Treuhänder eingesetzt worden ist.
Nun ist allerdings der weitaus wichtigere Teil des deutschen Vermögens in der Ostzone, vor allem bedeutende Objekte der Metall-, Eisen- und Maschinenindustrie und weiter die Ölausbeutung. Dieses sämtliche Vermögen ist von den Russen beschlagnahmt, und die Russen verlangen von der österreichischen Regierung für die Rückgabe dieses gestohlenen deutschen Eigentums sogar noch 150 Millionen Dollar. Wenn nun die Wiener Regierung diese Last durch Beschlagnahme des in den Westgebieten Österreichs gelegenen deutschen Eigentums auf Deutschland abwälzen will, dann sagt der „Weser-Kurier", den ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz zitieren darf, mit Recht folgendes:
Es hieße einen „Lastenausgleich" auf dem Rücken Dritter austragen, will man daraus das Recht ableiten, sich an dem deutschen Eigentum in Westösterreich für die Verluste in Ostösterreich schadlos zu halten. Auch die These, daß Österreich durch den Anschluß schwere materielle Verluste erlitten habe, steht auf schwachen Füßen. Es wird nämlich dabei vollkommen übersehen, daß nach 1938 ungeheure Summen aus dem Altreich in Österreich investiert wurden. Man braucht nur an die neu errichteten Linzer Stahlwerke, an die dortigen Stickstoffwerke und an den Ausbau der Alpine Montan und zahlreiche andere Industriebetriebe zu denken.
Darüber hinaus hat Rußland aber auch noch große Werte beschlagnahmt, etwa die Schiffe und das Eigentum der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft sowie über 100 Fabriken, die man zu den sogenannten USIA-Betrieben zusammengefaßt hat. Alle diese Betriebe zahlen heute, obwohl ihre Erträge einer ausländischen Macht zukommen, weder Steuern noch Zölle, setzen sich über die österreichische Devisen- und die Sozialgesetzgebung hinweg und beachten die anderen Vorschriften der österreichischen Regierung in keiner Weise. Es ist dazu wie in jeder anderen Hinsicht, wie für Europa überhaupt nur eines zu sagen: daß die Russen und ihr System ein Fremdkörper sind. Die Verluste, die nich.t nur die deutsche, sondern auch die österreichische Wirtschaft dadurch erlitten hat, sind überhaupt nicht abzuschätzen. Was hätte allein Osterreich aus dem Ölexport gewinnen können!
Wenn sich nun aber heute Österreich auf Potsdam versteift und mit Potsdam seine ungerechtfertigten Ansprüche erhebt, dann möchte ich sagen, daß gerade Potsdam der Hinderungsgrund für den Abschluß des österreichischen Staatsvertrages ist, weil die Russen immer wieder eine andere Auslegung finden als die westlichen Alliierten. Auch nach Abschluß eines Staatsvertrages sollen noch beträchtliche Vermögenswerte in sowjetischem Besitz bleiben.
Wenn die österreichische Regierung die Haager Landkriegsordnung und die Deklaration der Menschenrechte der UNO nicht anerkennt und wenn die Alliierten, ohne dazu berechtigt zu sein, der österreichischen Regierung deutsches Eigentum übergeben, also diesen Schritt vollziehen würden, dann wäre das ein Rechtsbruch, der in der Zukunft jeden Glauben an das Recht zunichte machen würde. Potsdam kann nicht in einen Friedensvertrag aufgenommen werden, auch wenn man heute vielleicht damit die Absicht verbindet, uns Deutschen die Möglichkeit zu nehmen, Raub als Raub zu bezeichnen. Selbst die österreichische Presse hat ganz offen zugegeben, daß es sich zum allergrößten Teil um echtes deutsches Privateigentum handelt. Man wirft zwar die Frage auf, mit welchem Recht die Bundesrepublik sich heute für deutsches Eigenturn, das früher einmal Reichseigentum gewesen ist, interessieren kann. Hierzu möchte ich das eine sagen: Man kann die Bundesrepublik bis zu dem Augenblick, da Ost und West wieder vereinigt sind, als Treuhänder einsetzen. Die Bundesrepublik muß heute diese Aufgabe übernehmen, da sie die einzige rechtmäßige Institution ist, die Deutschland heute vertreten kann. Es ist auch möglich, daß man in diesem Zusammenhang beispielsweise im Augenblick vorhandene deutsche Privatbesitzer als Treuhänder einsetzt.
Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich,
die Herstellung guter Beziehungen — —
— Herr Wuermeling, man ist sonst auch nicht so kleinlich! Machen Sie sich bitte hier nicht so lächerlich!