Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, zu dem Etat Stellung zu nehmen. Aber ich fühle mich dazu verpflichtet, nachdem von manchem meiner Vorredner der Dank der Flüchtlinge für das ausgesprochen worden ist, was alles die einheimische, die alteingesessene Bevölkerung getan hat. Denn es hat mich wirklich gefreut, daß man hier nicht bloß gesagt hat: wir haben einen selbstverständlichen Anspruch, sondern daß man die moralische Verpflichtung, die psychologische Notwendigkeit, aus der heraus wir gehandelt haben, anerkannt hat. Ich glaube, daß man auf diesem Wege sehr viel mehr erreichen kann, als wenn man uns immer sagt: die einheimische Bevölkerung tut nicht genug. Wir alle wissen: ohne internationale Hilfe können wir für die Beseitigung des grausamen Elends, das diese Millionen erlitten haben, nie genug tun. Aber wir wollen in dem Rahmen, in dem wir es können, alles uns nur Mögliche tun.
Ich meinerseits möchte an die Flüchtlinge den Dank für manches kostbare Gut aussprechen, das sie hereingebracht haben an Industrien, an neuen Industrien, auch an einer gewissen Blutauffrischung, die so manchem abgelegenen Gebiet gar nicht geschadet hat.
Wogegen wir uns doch immer gewandt haben und wogegen unser Kampf ging, das war diese Überbelastung, diese Unausgeglichenheit in der Belegung mit Flüchtlingen, weil es z. B. für Bayern allein einfach unmöglich ist, 2,2 Millionen Flüchtlinge wirtschaftlich, in jeder Hinsicht zu verdauen. Nun aber marschieren wir mit den Flüchtlingen ziemlich Arm in Arm, die jetzt auch verstehen, daß der gerechte Flüchtlingsausgleich in Wahrheit die Lösung des Flüchtlingsproblems ist.
Auch wir von der Bayernpartei haben uns hier wiederholt gegen einen falschen Länderegoismus gewandt, der diesen gesunden Ausgleich gerade auch im Interesse der Lebensfähigkeit aller Länder verhindert. Hier allzuviel Bedingungen zu stellen und gerade von den reichsten Ländern, etwa dahin, daß man vorher den Wohnungsbau voll finanziere, ist einfach zuviel verlangt und ist nur eine leere, nichtige Ausflucht.
Wir möchten unsererseits aber noch die Bitte an die Flüchtlinge richten, doch auch unsere Argumente zu verstehen, die wir für die im wesentlichen einheimischen Geschädigtengruppen des Krieges vorbringen, für die Bombengeschädigten und die Besatzungsgeschädigten, die zwar nicht die Wucht, den Nachdruck, die Intensität der Flüchtlingsorganisationen haben, die aber jetzt auch mit steigendem Nachdruck verlangen, daß sie zum mindesten nicht schlechter behandelt werden als die Flüchtlinge, wie es auf manchen Gebieten, insbesondere z. B. bei der Kreditgebung, tatsächlich geschieht. Das würde nur einen Riß bringen. Das würde diese Gefühle hochbringen, die wir alle nicht wollen, weil wir dieses Problem doch nur gemeinsam gut lösen können.
Ich möchte dann zu der internationalen Frage noch folgendes sagen. Wenn dem Ministerium der Dank ausgesprochen worden ist, wieviel es getan hat, um dieses Problem auf die internationale Ebene zu heben, so muß ich demgegenüber betonen: Es ist in dieser Hinsicht viel zu spät etwas geschehen, und es ist viel zu wenig geschehen. Als wir im April und Mai vorigen Jahres in Amerika waren — Herr Trischler und andere waren dabei —, da konnten wir noch feststellen. daß da drüben zwar das Problem der 250 000 DPs überall bekannt war, daß wir aber selbst bei Abgeordneten, bei den gewichtigsten Leuten, ein Unwissen, ein völliges Nichtwissen in bezug auf die Tatsache fanden, daß 8 Millionen Flüchtlinge in Deutschland sind,
daß sie erschüttert waren, wenn man ihnen die Schwere des Problems der 8 Millionen Flüchtlinge in der Westrepublik darlegte. Ich glaube also, daß wir hier noch viel mehr tun können, und wir begrüßen es, daß die Entwicklung, die auch durch die verdienstvolle Arbeit von einigen Abgeordneten in
Straßburg so gefördert worden ist, weitergeht und daß nun endlich das Problem auf die Ebene kommt, auf der allein es gelöst werden kann.
Ich möchte allerdings noch eine Randbemerkung anschließen. Gerade wir, die wir die Heimat so sehr lieben, haben vollstes Verständnis, wenn die Flüchtlinge für ihre Heimatkultur und ihre landsmannschaftlichen Gebräuche etwas tun wollen. Man soll nur nicht so weit gehen und nun gleich eine Kulturabteilung im Flüchtlingsministerium errichten und schließlich eine ganze Flüchtlingskultur ausbauen. Das würde die Einheit und den Einbau, den wir doch gerade wollen, wieder verhindern und zerschlagen.
Man muß also auch dies mit Maß und Ziel betreiben.
Im übrigen kann ich erklären, daß wir dem Etat in dieser Form zustimmen werden, wenn ich mir auch die Bemerkung erlauben möchte, daß es ein Witz ist, wenn die Partei, die für die Flüchtlinge eintritt, der BHE, sich der Stimme enthält und wir dem Etat zustimmen.