Ich bin außerordentlich glücklich darüber, daß uns eben von dem einzigen hier anwesenden Vertreter fremden Volkstums bescheinigt worden ist, daß es sich auch in Südwestdeutschland um Angehörige des gleichen Volkes handelt und nicht etwa um Angehörige verschiedener Völker.
Uns ist vorhin die Lehre vorgetragen worden, daß es sich bei diesem Gesetz um ein Gesetz über eine Volksabstimmung und nicht etwa um ein Gesetz über eine Bevölkerungsabstimmung handele. Ich darf Sie in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam machen: solange es in Deutschland in den Landesverfassungen, in der Weimarer Verfassung, irgendwann einmal, Volksabstimmungen gegeben hat, ist immer dieser technische Begriff verwendet worden, und zwar für innenpolitische Entscheidungen, nicht nur für Entscheidungen völlig anderer Art, für Grenzabstimmungen, bei denen es sich um die Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Völkern, zu zwei verschiedenen Nationen, zu rechtlich verschiedenen
souveränen Staaten handelt; das ist ein völlig anderes Problem und hat mit dieser Sache nicht das Geringste zu tun.
Wir müssen also schon das Wort nehmen, wie es ist: Volksabstimmung. Wenn wir dem Kollegen Dr. Kopf folgen wollten, dann müßte die Überschrift lauten: Völkerabstimmung. Daß wir eine Völkerabstimmung machen zwischen zwei verschiedenen Völkern, ob die sich nun zu einem neuen Bund oder etwas Ähnlichem zusammentun wollen, davon ist doch gar keine Rede.
Wir wollen also festhalten, daß hier die Frage des Geburtsprinzips lediglich nach innerdeutschen Verhältnissen zu entscheiden ist und nach gar nichts anderem. Wie sieht es denn da aus? Das Geburtsprinzip findet in den überstaatlichen, in den internationalen Abstimmungen deshalb Anwendung, weil die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staate fortdauernde Rechtswirkungen mit sich bringt, auch wenn man sich von dem Staatsgebiet entfernt. Als Deutscher bleibe ich in Valparaiso deutscher Staatsangehöriger und habe selbstverständlich ein Interesse daran, was aus dieser meiner alten Heimat wird, mit der ich nicht nur moralisch und kulturell, sondern auch rechtlich verbunden bin und bleibe. Aber es ist nun einmal so — dieser Zustand wird sich voraussichtlich nicht wieder einstellen —: Wir haben in der Bundesrepublik keine Badener Staatsangehörigkeit mit besonderen Rechtswirkungen, wir haben keine württembergische Staatsangehörigkeit mit besonderer Rechtswirkung. Das gab es einmal. Aber selbst in dieser Bundesrepublik sind wir über den Zustand hinausgewachsen und haben die allgemeine, allumfassende deutsche Staatsangehörigkeit, die den deutschen Staatsangehörigen in allen Ländern, in denen sie wohnen, die gleichen staatsbürgerlichen Rechte auch in den innenpolitischen Fragen des betreffenden Bundeslandes gibt. Wenn man das akzeptiert — das ist der Lauf der Ereignisse gewesen, und wir können das Rad der Geschichte nicht rückwärts drehen —, dann kommt man zu der logischen Konsequenz, daß das Volk — wenn wir einmal den Begriff aufnehmen wollen —, das über das Schicksal eines bestimmten Gebietes zu entscheiden hat, eben derjenige Teil des deutschen Volkes ist, der dort wohnt und wahlberechtigt ist. Deshalb, aus diesen wohlfundierten Rechtsgründen bitten wir Sie, nicht dem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Ich habe als Berichterstatter aber schon darauf hingewiesen, daß es noch einen Zweckmäßigkeitsgrund gibt, weil die Bestimmung sonst undurchführbar wäre. Wer das Geburtsprinzip jetzt hier einführt, stellt damit klar, daß die Volksabstimmung auf alle Fälle nachher einige hundert Mal angefochten wird und wir noch einige Dutzend Prozesse zu führen haben werden. Das wollen wir unter allen Umständen vermeiden. Wir wollen dafür sorgen, daß sehr klare Normen für die Abstimmungsberechtigung festgelegt werden, um alle Möglichkeiten irgendwelcher Widersprüche und Schwierigkeiten auszuschalten. Dieser zweite Grund ist genau so erheblich. Ich habe hier schon darauf hingewiesen, daß wir nach dem Geburtsprinzip einen Großteil von Deutschen, die in den beiden Gebieten geboren sind, an der Teilnahme verhindern würden, nämlich alle diejenigen, die in der Ostzone und in Berlin leben und praktisch an der Abstimmung nicht teilnehmen könnten. Es könnte sich also nur um die zufällig in den übrigen Ländern der Bundesrepublik wohnenden Deutschen aus Baden und Württemberg handeln.
Dann möchte ich noch ein kurzes Wort zu der Erweiterung der Wohnsitzzeit sagen, die für die Abstimmungsberechtigung gefordert wird. Aus guten Gründen hat sich der Ausschuß entschlossen, das Prinzip der Bundestagswahl zu übernehmen. Wahlberechtigt zum Bundestag ist, wer am Wahltage länger als drei Monate im Bundesgebiet gewohnt hat, Deutscher ist und die übrigen Voraussetzungen erfüllt. Wir wollen unter keinen Umständen — ich beschwöre Sie geradezu — in der jetzigen sehr explosiven innerpolitischen Atmosphäre auch nur in einer einzigen Frage den Eindruck erwecken, als wollten wir unsere Heimatvertriebenen bei einer wichtigen Abstimmung schlechter stellen, als sie bei der Bundestagswahl standen.
Das ist der Grund, weshalb ich Sie wirklich eindringlich bitte, hier doch nicht die geschlossene Front der Heimatvertriebenen gegen sich mobil zu machen. Auch wenn's gut gemeint ist: der Eindruck wird verheerend sein. In der Öffentlichkeit, in den Kreisen der Heimatvertriebenen wird es heißen: „Da seht ihr es wieder einmal; es wird von staatsbürgerlicher Gleichberechtigung geredet, aber in der Praxis versucht man, uns hier anders zu behandeln als bei der Bundestagswahl, bei der die allgemeinen Wahlrechtsvorschriften gegolten haben". In die französische Zone — das ist das Problem — werden die Menschen gerade jetzt umgesiedelt, damit wir sie dort in unsere Gemeinschaft aufnehmen. Wenn wir sie in diese Gemeinschaft aufnehmen, dann müssen wir ihnen die Chance geben, auch mit zu entscheiden, ob es sich, um zwei getrennte oder um eine einheitliche Gemeinschaft handeln soll. Diese Entscheidung muß allen denen offenstehen, die dort ihre neue Heimat finden werden. Das sind auch die Heimatvertriebenen, die bereits drei Monate vor dem Abstimmungstag in die Länder der französischen Zone umgesiedelt worden sind.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Abänderungsantrag in beiden Punkten abzulehnen.