Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Erler hat als Berichterstatter ausgeführt, daß die Regelung der Stimmbezirke und damit zusammenhängend der Frage des § 10 nicht streng nach den Gesetzen der Logik vollzogen werden könne. Ich stimme dieser Auffassung zu. Aber das Grundgesetz gibt dennoch eine gewisse Grundlinie, nach der verfahren werden sollte. Es sind zwei Prinzipien. Wenn man Art. 118 und Art. 29 in ihrer Grundtendenz einmal zusammen sieht, dann kann man zwei Grundsätze entwickeln, die bei einem Bundesstaat eine besondere Rolle spielen und die bei dieser schwierigen Frage Beachtung finden sollten. Das eine Prinzip ist, daß eine Neugliederung territorialer Art nicht gegen, sondern m i t dem Willen der Bevölkerung getroffen werden soll, wobei man sich darüber klar werden muß, was unter Volksbefragung im konkreten Fall zu verstehen ist, was hier „Volk" ist, das zur Abstimmung berufen ist. Das andere Prinzip ist, daß eine Majorisierung nicht stattfinden sollte. Beide Prinzipien sind vernünftig, und man braucht zu ihrer Begründung keine komplizierten Rechtskonstruktionen und Vergleiche mit anderen Rechtsgebieten anzustellen, sich etwa auf die sehr schwierige Frage einzulassen, ob hier irgendwie eine Fortexistenz der alten Staaten gegeben ist oder nicht. Diese Prinzipien sind aus dem geltenden Grundgesetz selbst abzuleiten.
Sie sind insofern vernünftig, als eine Entscheidung gefällt werden soll, die in der ganzen Frage für alle Zukunft Ruhe gibt, also eine Entscheidung, die nach den Prinzipien der Billigkeit und der Gerechtigkeit gefunden werden soll.
Wenn ich von meiner Seite aus zu dieser Frage Stellung nehmen soll, so kommt es mir auf eines an. Wir brauchen für dieses Gebiet eine Entscheidung, die für alle Zeiten so überzeugend wirkt, daß sie Bestand hat und Klarheit schafft,
eine Überzeugung also, die nur dann gefunden werden kann, wenn jeder Beteiligte die durch die Volksbefragung erzielte Entscheidung als gerecht und billig anerkennt und sich dabei nicht majorisiert fühlt.
Ich glaube, wir haben im gesamtdeutschen Interesse den besonderen Wunsch, daß diese rechtliche Überzeugung von sämtlichen Teilen der Bevölkerung auf diesem Gebiet geteilt wird. Aus diesem Grunde, und weil man eine dauerhafte, überzeugende Entscheidung wünscht, die von der Bevölkerung anerkannt wird, kann ich mich mit den Abstimmungsbezirken, wie sie der § 3 vorsieht, nicht einverstanden erklären.
Diese Bestimmung hat ihre Vorgeschichte. Wenn man sie auf einen kurzen Nenner zu bringen bemüht ist, so findet sich, daß nach dem Entwurf, wie ihn der Ausschuß vorgelegt hat, praktisch die Bevölkerung Nordbadens darüber entscheidet, was wird, und daß nach dem Entwurf, den der Herr Abgeordnete Hilbert vorgelegt hatte, die Entscheidung beim südlichen Teil Badens gelegen hätte. Beides entspricht nicht dem Prinzip der Billigkeit und der Gerechtigkeit und auch nicht dem anderen Prinzip, daß kein Teil sich majorisiert fühlen darf. Ich glaube, daß der Abänderungsantrag, der von den Kollegen Dr. Kopf und Dr. Jaeger vorgelegt wor-
den ist, eher den von mir dargelegten Prinzipien entspricht, indem als Volk, das befragt werden soll, die Bevölkerung der alten Länder vorgesehen ist, die auf einen langen gemeinschaftlichen politischen Zusammenhang zurückblicken, sowohl in Baden als auch in Württemberg. Die Entscheidung sollte in diesen beiden Volksteilen fallen, und die Mehrheiten, die sich da bilden, tragen die höchste Überzeugungskraft in sich.
Zugleich wird dabei das Ergebnis erzielt, daß sich kein Teil majorisiert fühlen kann. Die Gesamtentscheidung in dem Gebiet fällt dann in folgender Weise: wenn 'die Mehrheit in Württemberg und die Mehrheit im alten Baden den Südweststaat will, dann kommt der Südweststaat; will sie das nicht, dann muß man auf den alten Zusammenhang zurückgehen, dann werden die alten Länder wieder gebildet. Dies halte ich für gerecht und billig und für die Zukunft überzeugend. Bei einer solchen Lösung besteht keine Gefahr, daß sich irgendein Teil majorisiert fühlen könnte. Aus diesem Grunde werde ich dem Abänderungsantrag zustimmen.