Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat bereits im Juli vorigen Jahres unter Drucksache Nr. 1127 beantragt, die Bundesregierung möge einen Gesetzentwurf vorlegen, der die umgehende Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zum Ziel hat. Des weiteren heißt es in diesem Antrag, dieser Gesetzentwurf solle auch die volle Selbstverwaltung verankern. Unser Antrag mit diesem Wortlaut wurde leider von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt. Es wurde der Antrag der CDU/CSU angenommen, in dem es heißt:
Die Bundesregierung wird beauftragt, alsbald einen Gesetzentwurf über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vorzulegen und den Wiederaufbau einer Selbstverwaltung durchzuführen.
Was das Wort „alsbald" bedeutet, haben wir nun kennengelernt. Im Juli des vorigen Jahres hat sich das Hohe Haus mit der Frage beschäftigt, und Ende April dieses Jahres bekommen wir endlich den Gesetzentwurf zur ersten Lesung unterbreitet. Was den Wiederaufbau der Selbstverwaltung anlangt, haben wir eben aus dem Mund meines Herrn Vorredners, des Kollegen Sabel, vernommen. Ich werde
meinen Ausführungen noch darauf zu sprechen kommen.
Wir haben weiter beantragt, daß die drei berüchtigten „Führererlasse", auf die sich die Bundesregierung in ihren Maßnahmen gegenüber den Landesarbeitsämtern und der gesamten Arbeitsverwaltung stützte und die der Herr Bundesarbeitsminister in seinen Ausführungen gestreift hat, aufgehoben werden sollen. Wir begrüßen es, daß mit dem Gesetz nun endlich die Möglichkeit gegeben ist, diese Nazigesetze und -erlasse aufzuheben.
Wir sind auch damit einverstanden, daß die Gliederung der Bundesanstalt nach altem geltenden Recht erfolgt, wie es in diesem Gesetz vorgesehen ist. Ich brauche hierzu Einzelheiten nicht anzuführen, sie sind vom Herrn Bundesarbeitsminister bereits erwähnt worden.
Ich möchte aber, da wir jetzt bald an einem neuen Beginn stehen werden, es doch nicht unterlassen, von dieser Stelle aus denen die Anerkennung auszusprechen, die nun seit 1945 an der Lösung der schwierigen Aufgabe des Wiederaufbaus der Arbeitsverwaltung in den Gemeinden und Ländern arbeiten. Ich habe es außerordentlich bedauert, kürzlich einem Artikel in den „Lüdenscheider Nachrichten" entnehmen zu müssen — Herr Präsident, ich bitte, den einen Satz vorlesen zu dürfen —, daß ein hoher Beamter des Bundesarbeitsministeriums, und zwar der Leiter der Hauptabteilung für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Herr Ministerialdirektor Scheuble, gesagt haben soll: „Wir hoffen, die Arbeitsvermittlung nach Errichtung der Bundesanstalt weitgehend entpolitisieren zu können."
— Ich weiß nicht - Sie können nachher dazu sprechen, Herr Abgeordneter Euler, und das „Sehr richtig" etwas näher erläutern —, in welcher politischen Richtung Sie sich diese Dinge denken. Ich habe jedenfalls hier nur die Notiz stehen, daß Herr Scheuble, der Ministerialdirektor dieser Hauptabteilung, diese Äußerung getan haben soll. Herr Scheuble ist uns als Präsident des Amtes von Lemgo nicht unbekannt, wo er die Arbeitsverwaltung zu betreuen hatte, und wir alle, die wir dem Wirtschaftsrat angehört haben, wissen, daß in dieser Arbeitsverwaltung sehr viele ehemalige Pgs tätig waren. Ich weiß nicht, ob das jetzt bei den Arbeitsämtern und den jetzigen Landesarbeitsämtern auch der Fall ist und deshalb die Äußerung von Herrn Scheuble darauf zu beziehen ist.
Wenn Herr Scheuble aber mit seinen Äußerungen etwa die Personen meinte, die seit 1945 unter den schwierigsten Verhältnissen im Intersese unserer gesamten Wirtschaft die Wiederaufbauarbeit geleistet haben, dann, kann ich Ihnen erklären, wird er sich äußerst enttäuscht fühlen. Denn dagegen werden sich die Organe der Selbstverwaltung — davon bin ich überzeugt —, ganz gleich aus welchen Gruppen, sie sich zusammensetzen, um der Gerechtigkeit willen, die hier verletzt werden würde, wehren.
Und nun zu den Grundzügen des Gesetzes. In dem Gesetz ist der Sitz der Bundesanstalt bestimmt. Der Bundesrat hat nun beschlossen, daß die Organe der Selbstverwaltung den Sitz der Bundesanstalt festlegen sollen. Was die zuständigen Ausschüsse und letzten Endes das Hohe Haus beschließen werden, wollen wir der Zukunft überlassen.
Wir sind auch mit der Gliederung der Bundesanstalt einverstanden, die nach altbewährtem System vorgenommen wird. Wir haben auch nichts dagegen einzuwenden, daß als Organe bei den einzelnen Gliedern der Bundesanstalt Ausschüsse gebildet werden. Wir sind aber der Meinung, daß zu überlegen ist, ob nicht neben dem Ausschuß bei den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern auch noch ein vorstandsähnliches Gremium gebildet wird, wie es vor 1933 der geschäftsführende Ausschuß in den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern war. Wir haben auch grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, daß in der Bundesanstalt selbst als der Hauptstelle ein Vorstand gebildet wird, der gerichtlich und außergerichtlich die Geschäfte zu führen und die Bundesanstalt zu vertreten hat.
Aber nun zur Zusammensetzung der Organe. Da sind wir weder mit dem Vorschlag der Bundesregierung in dem Gesetzentwurf noch mit dem des Bundesrats einverstanden. Wir bedauern außerordentlich, daß mein Herr Vorredner, Herr Kollege Sabel, als Sprecher der CDU erklärt hat, die Drittelung sei der Weisheit letzter Schluß und seine Fraktion werde dafür eintreten. Wenn Sie das unter voller Selbstverwaltung der Beteiligten verstehen, dann muß ich das bedauern und erklären, daß wir darunter etwas anderes verstehen.
Wir sind der Meinung, daß dieses Institut, das sowohl die Arbeitslosenversicherung wie die Arbeitsvermittlung zu betreuen hat, in den Organen der Selbstverwaltung doch überwiegend von Arbeitnehmern repräsentiert und besetzt werden sollte.
Wir erkennen an, soweit die Arbeitsvermittlung in Frage kommt, daß auch die Arbeitgeber hieran ein Interesse haben. Wir haben keinerlei Bedenken, einen Teil der Mitglieder dieser Organe aus den Kreisen der Arbeitgeber zu besetzen.
Es gibt eine ganze Menge von Auftragsangelegenheiten, aber man darf die Auftragsangelegenheiten nicht mit Hoheitsaufgaben verwechseln, wie es mein Vorredner getan hat. Die Auftragsangelegenheiten, die die Arbeitsverwaltungen zu erledigen haben, sind gesetzlich zwingend vorgeschrieben, und daß sie nach dem Buchstaben des Gesetzes von den Arbeitsämtern auch erledigt werden, dafür sorgt die Aufsicht. Insofern stimmen wir der Bestimmung über die Dienstaufsicht, wahrgenommen durch das Bundesarbeitsministerium, voll und ganz zu, aber nicht mehr, vor allem nicht nach der Richtung, daß außer der Dienstaufsicht, wahrgenommen durch das Bundesarbeitsministerium — also durch die Bundesregierung —, nun noch andere Stellen Vertreter in die Organe der Bundesanstalt entsenden. Das ist des Guten zuviel. Das widerspricht dem Grundgedanken einer wahren Selbstverwaltung.
Was die Frage des Geschäftsführers anlangt, so haben wir durch den Abgeordneten Sabel erfahren, daß er bzw. seine Fraktion nicht dem Vorschlag des Bundesrates zustimmen würde, sondern daß er hier nur für die Anhörung der Selbstverwaltungsorgane ist. Wenn in einer der wichtigsten Funktionen der Organe der Selbstverwaltung, also bei der Wahl des Leiters oder des Geschäftsführers oder wie er sonst bezeichnet wird, nur eine Anhörung erfolgen soll, bitte, dann haben Sie doch das bißchen Mut und sprechen Sie nicht von Selbstverwaltung, sondern sagen Sie: wir bilden hier ein beratendes Organ, das wir ab und zu einladen und anhören, und dann sagen wir uns Lebewohl, und damit hat sich's. Dann haben wir den Geschäftsführer, den Vorsitzenden, der genau wie zu Hitlers Zeiten autoritär die Geschäfte durchzuführen hat. Den lehnen wir ab!
Hinsichtlich der Spruchbehörden können wir mit der Gesetzesvorlage nicht einverstanden sein. Die Spruchbehörden müssen von der Verwaltung vollständig losgelöst werden. Nach Art. 20 Abs. 2, 92 und 97 des Grundgesetzes sind Verwaltung und Rechtsprechung zu trennen, erfolgt die Rechtsprechung durch die Richter und müssen die Richter unabhängige Personen sein. Es kann nicht angehen, auch nicht in der untersten Instanz, daß die Beschwerde des Arbeitslosen an den Vorsitzenden des gleichen Arbeitsamtes gerichtet wird, gegen dessen Entscheidung sie sich richtet, daß also quasi der Vorsitzende des Arbeitsamtes in eigener Sache entscheidet, auch wenn er links und rechts neben sich einen Beisitzer hat. Die Beschwerde muß bei einem unabhängigen Gericht, bei der untersten Instanz des Arbeits- und Sozialgerichts, so wie nach Art. 96 des Grundgesetzes vorgesehen, anhängig gemacht werden.
Was die Frage der Aufhebung der Nazierlasse anlangt, so werden wir hierzu unsere volle Zustimmung geben. Ebenso sind wir mit der Aufsicht einverstanden. Wir sind aber der Meinung, daß das Personal, das von den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern zu übernehmen ist, das jahrelang seine Pflicht und Schuldigkeit getan hat, auch übernommen werden sollte.
Wir sind der Auffassung, daß die Beratungen über die einzelnen Bestimmungen in den zuständigen Ausschüssen stattfinden sollten, und beantragen, als federführenden Ausschuß den Sozialpolitischen Ausschuß und des weiteren den Ausschuß für Arbeit damit zu betrauen.