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    Deutscher Bundestag — 135. Sitzung. Donn, Mittwoch, den 18. April 1951 5257 135. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 5258D, 5261C, 5267B Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abg. Loibl 5259A Zur Tagesordnung 5259B, 5261B, 5271B Anfrage Nr. 169 der Abg. Goetzendorff u. Gen. betr. Vorbereitung von Brückensprengungen durch die amerikanische Besatzungsmacht (Nrn. 2023 und 2162 der Drucksachen) 5261C Anfrage Nr. 171 der Abg. Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Wohnungsbauprogramm für die Besatzungsmächte (Nrn. 2027 und 2161 der Drucksachen) . . 5261C Anfrage Nr. 175 der Abg. Dr. Wuermeling, Etzenbach, Siebel u. Gen. betr. Wiederherstellung des zweiten Gleises der Siegstrecke (Nrn. 2105 und 2166 der Drucksachen) 5261C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Wahl der Vertreter und Stellvertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats . . . 5261C zur Geschäftsordnung bzw. zur Abstimmung: Dr. Seelos (BP) 5262A, C Ritzel (SPD) 5262A Beschlußfassung 5262C Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts (Nr. 2108 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP und des Zentrums betr. Entwurf eines Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts (Nr. 2167 der Drucksachen) . . 5259B, C, 5262C Dr. Krone (CDU) (zur Tagesordnung) 5259B Mellies (SPD), Antragsteller . . . . 5262D Dr. Tillmanns (CDU) 5263D Ewers (DP) 5264C Dr. Arndt (SPD) 5265B von Thadden (DRP) 5266A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 5266A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 5266D Beschlußfassung 5267B Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Hessischen Verordnung über die einstweilige Regelung von Mietstreitigkeiten (Nr. 2129 der Drucksachen) 5267B Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäftsordnung) 5267C Ausschußüberweisung 5267C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Nr. 2110 der Drucksachen) . . 5267C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 5267D Ausschußüberweisung 5268C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Dehler gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 5. März 1951 (Nr. 2135 der Drucksachen) 5268C Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 5268C Beschlußfassung 5268D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Goetzendorff gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 28. Februar 1951 (Nr. 2136 der Drucksachen) 5269A Bromme (SPD), Berichterstatter . 5269A Goetzendorff (DRP-Hosp.) 5269C Kahn (CSU) 5270A Beschlußfassung 5270A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Wirths gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 26. Februar 1951 (Nr. 2137 der Drucksachen) 5270B Hoogen (CDU), Berichterstatter . . 5270B Beschlußfassung 5271B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über die Anträge der Fraktion der BP und der Fraktion der DP betr. Besteuerung von Kleinpflanzertabak (Nrn. 1154, 1175, 2060 der Drucksachen) 5271C Junglas (CDU), Berichterstatter . . 5271C Beschlußfassung 5271D Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Freistellung landwirtschaftlichen Kleinbesitzes von der Grundsteuer (Nr 2020 der Drucksachen) 5271D Dr. Glasmeyer (Z), Antragsteller . 5271D Dr. Dresbach (CDU) 5272B Dr. Kneipp (FDP) 5272D Niebergall (KPD) 5273B Ausschußüberweisung 5273C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans -für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan X — Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 1911 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einrichtung einer Abteilung „Fischwirtschaft" im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 2122 der Drucksachen, Umdruck Nr. 153) 5273C Brese (CDU), Berichterstatter . . ..5273D Tobaben (DP): als Antragsteller .5277A als Abgeordneter 5287C Kriedemann (SPD) 52'77C Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 5282B Dannemann (FDP) 5284D Lampl (BP) 5289B Dr. Horlacher (CSU) 5290A Niebergall (KPD) 5292C Schmidt (Bayern) (WAV) 5294D Dr. Glasmeyer (Z) 5296A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) 5297C Glüsing (CDU) 5298A Abstimmungen 5298B weite Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern (Nrn. 821, 1752, 1849 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für innergebietliche Neuordnung (30. Ausschuß) (Nr. 2160 der Drucksachen) . . . . 5259B, 5298C, 5299C zur Geschäftsordnung: Krone (CDU) 5259B, 5261A Erler (SPD) 5259C, 5260D, 5298D Euler (FDP) 5259D, 5260B, 5261B Hilbert (CDU) 5260A, 5298C Dr. Hamacher (Z) 5260B Wohleb, Staatspräsident von Baden 5260C Mayer (Stuttgart) (FDP) 5298C, 5299A, 5310D zur Sache: Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 5299C Farke (DP), Mitberichterstatter . . 5306D von Thadden (DRP) 5309D zur Geschäftsordnung: Dr. Jaeger (CDU) 5309C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) 5309D, 5310B Dr. Becker (Hersfeld) 5310B, C Unterbrechung der Sitzung . . 5310C Weiterberatung vertagt 5310C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 5311C Die Sitzung wird um 13 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Herbert Kriedemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe Ihnen mein Kollege Dr. Schmid einen sozialdemokratischen Antrag begründen wird, gestatten Sie mir ein paar allgemeine Bemerkungen zu den beiden Fragenkomplexen, die in die Zuständigkeit des heute zur Debatte stehenden Ministeriums fallen, zur Agrarpolitik und zur Ernährungspolitik.
    Die Zusammenhänge zwischen diesen beiden Gebieten sind offensichtlich. Das eine kann nur durch das andere sinnvoll werden. Die Bedeutung der eigenen Landwirtschaft für die Ernährung ist vielleicht in keinem Volk so anschaulich geworden wie in unserem. Unser Anliegen, den Beitrag der Landwirtschaft zur Ernährung unseres Volkes soweit wie möglich zu steigern, hat selbstverständlich mit irgendwelchen Autarkiebestrebungen nichts zu tun. Immerhin liegt die Ausschöpfung aller Möglichkeiten der eigenen Erzeugung im Rahmen unserer Verpflichtungen. Diese Ausschöpfung gehört zu unserem vollen Beitrag zum Werden der europäischen Wirtschaftseinheit.
    Die deutsche Landwirtschaft ist vielfältig daran gehindert, jetzt schon alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die in der Tüchtigkeit ihrer Menschen und in den natürlichen Voraussetzungen des deutschen Bodens und des deutschen Klimas liegen. Die Ursachen dafür sind bekannt. Sie sind historisch begründet. Wir alle kennen die verheerenden Auswirkungen einer falschen Agrarpolitik, die in Jahrzehnten betrieben wurde und nach ganz anderen Gesichtspunkten orientiert war als nach Gesichtspunkten, die eigentlich maßgebend sein sollten: Sicherung der Existenz, weitgehende Sicherung der Ernährung des Volkes und rentable Gestaltung der Arbeit, die auf dem Lande verrichtet werden muß. Der Fleiß der Menschen, die den deutschen Boden bebauen, und die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Voraussetzungen für die Landwirtschaft reichen bei weitem nicht aus, die Handikaps, denen sich unsere Landwirtschaft treibende Bevölkerung und unsere Landwirtschaft als ein Teil unserer Volkswirtschaft gegenübersehen, so schnell auszugleichen, wie das unter allen Gesichtspunkten erwünscht erscheint. Diese Anstrengungen, diese Möglichkeiten müssen vielmehr durch eine konstruktive — das Wort ist vielleicht hier gerade recht am Platze —, durch eine schöpferische Agrarpolitik ergänzt und unterstützt werden. Öffentliche Maßnahmen und Hilfe müssen denen zu Hilfe kommen, die sich mit ihrer Hände Arbeit um die Lösung einer schweren Aufgabe bemühen.
    Es fällt mir nicht leicht, das auszusprechen, und doch muß es in dieser Eindeutigkeit gesagt werden: in der Richtung auf eine positive Agrarpolitik hat das Ministerium in vollem Umfange versagt. Vielleicht gibt es kaum eine Zeit in der deutschen Geschichte, in der eine solche Abwesenheit von Maßnahmen konstatiert werden kann, wie das während der beinahe zweijährigen Tätigkeit dieses Ministeriums der Fall ist. Keine einzige Maßnahme ist über das allererste Stadium des Beredetwerdens hinausgegangen. Fangen wir an, wo immer Sie mögen. Von der Flurbereinigung ist hier schon gesprochen worden. Jedermann, der auch nur ein bißchen von den Dingen versteht, weiß, daß die Durchführung der Flurbereinigung in weiten Teilen unseres Vaterlandes die allererste Voraussetzung dafür ist, daß die dort aufgewendete Arbeit auch nur einigermaßen rentabel ist. Schon vor einem Jahr hat meine Fraktion dem Hause hier einen Antrag unterbreitet, der nach Beratung im Ernährungsausschuß sogar angenommen worden ist, der Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, das Flurbereinigungsgesetz endlich vorzulegen, das ihr schon aus der Frankfurter Periode fix und fertig übergeben worden ist und seinerzeit schon vom Wirtschaftsrat angenommen worden war, aber nur aus mehr technischen Gründen nicht mehr in Kraft gesetzt wurde. Zugleich damit haben wir verlangt, daß die Mittel in den Haushalt eingestellt werden, die zur Inangriffnahme dieser in ihrer Bedeutung gar nicht zu überschätzenden Angelegenheit erforderlich sind. Die Antwort darauf war: 1 Million DM — und kein Gesetz! Es gereicht uns nicht gerade zu Ansehen und Ruhm, wenn wir das Mißverhältnis zwischen dieser einen Million DM, zu der sich das Ministerium oder die Regierung aufgeschwungen hat, und den Beträgen sehen, die aus den ERP-Mitteln für diese Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Denn es ist ja schließlich unsere Landwirtschaft, die neu geordnet werden soll. Alles Geschrei nach Unabhängigkeit und Souveränität hat wenig Sinn, wenn man nicht bereit ist, sich das auch etwas kosten zu lassen.
    Wie es mit der Flurbereinigung ist, so ist es mit allen anderen Dingen. Keine einzige Maßnahme ist etwa in der Richtung der Verbilligung der Produktionsmittel, Dünger, Maschinen usw., ergriffen worden. Das sind Maßnahmen, die sich keineswegs nux


    (Kriedemann)

    in Subventionen erschöpfen, zu deren Bereitstellung man immer leicht sagen kann: Wir haben ja bekanntlich kein Geld! Man könnte sich auch einmal einen wirksamen Eingriff in den gesamten Wirtschaftsablauf vorstellen; man könnte sich auch eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik, eine Verpflichtung gewisser industrieller Produktionszweige für den Dienst vorstellen, der der Landwirtschaft im Interesse der Volksernährung nun einmal auferlegt ist. Aber auf der einen Seite erlaubt es diese Wirtschaftspolitik, von der Fabrikation einiger weniger Gummiwagen ein nettes Fabrikantenleben zu führen, durch den Verkauf oder durch die Vermittlung einiger weniger Gummiwagen als Landmaschinenhändler auch ganz hübsch dazustehen. Die Landwirtschaft kostet das auf der anderen Seite allerdings die Versorgung mit Gummiwagen. So sehen wir denn immer wieder landauf, landab hinter dem Trecker, der endlich angeschafft worden ist, noch den alten Ackerwagen hängen, weil es zu einer wirklich durchgreifenden Modernisierung des Betriebes, zu einer Versorgung der Betriebe auch mit den notwendigsten Maschinen eben nicht gereicht hat. Aber von selber kommt das nicht. Irgend etwas Sinnvolles ist in der Richtung nicht unternommen worden. Nichts ist geschehen, um die diversen Benachteiligungen auszugleichen, denen sich unsere Fischer, unsere Bauern, insbesondere unsere Gemüsebauern aus den verschiedensten Gründen, aus politischen Gründen, aus Gründen der geographischen Lage, aus klimatischen und anderen natürlichen Gründen gegenübersehen.
    Wir haben uns gerade in diesen Tagen mit einer Frage beschäftigt, die hier durchaus einmal angesprochen werden sollte. Durch ein sehr unvollkommenes Gesetz zur „Freiheit" in der Mineralölversorgung hat man nicht nur die Landwirtschaft, sondern die Fischer, und unter ihnen die kleinsten und diejenigen, die am härtesten um ihre Existenz ringen müssen, mit einem Federstrich aufs Trockene gesetzt. Nicht einmal die 600 000 DM bzw. die eine Million DM haben sich bisher von seiten der Regierung finden lassen, um diesen Menschen wenigstens die Möglichkeit zu geben, ihrer sehr mühseligen und recht wenig einträglichen Arbeit, z. B. des Krabbenfanges, nachzugehen.
    Wir haben uns erst heute im Ernährungsausschuß wieder einmal über das Thema der Flachssubventionen unterhalten. Sie wissen, daß in den Ländern um uns herum, sehr erhebliche Beträge aufgebracht werden, um den Flachsanbau zu subventionieren. Trotz recht weitgehender Zusagen seitens maßgebender Vertreter der Regierung ist es in unserem Lande nicht möglich, insgesamt auch nur 21/2 Millionen DM dafür aufzubringen, obwohl es sich hier gar nicht einmal nur um ein Anliegen der Landwirtschaft handelt, sondern auch um ein Anliegen der Betriebe, die diesen Flachs aufbereiten, und insbesondere der Menschen, die in diesen Betrieben ein recht bescheidenes Dasein führen und für die ein Ersatz für die verlorengehenden Arbeitsplätze deswegen schwer zu beschaffen ist, weil es sich im wesentlichen um Heimatvertriebene und um ländliche Gebiete handelt, in denen andere Arbeitsplätze eben nicht vorhanden sind. Wir alle kennen die außerordentlichen Bedrohungen, die z. B. auf unseren Gemüsebau, diesen hochintensiven Teil der deutschen Landwirtschaft, zukommen, u. a. wegen der Veränderung in der Ernährungsgewohnheit, auf der anderen Seite selbstverständlich auch wegen der Handelsbeziehungen mit dem Ausland, auf die wir ja nicht verzichten können.
    Bis auf den heutigen Tag, obwohl diese Schwierigkeiten schon seit mehreren Jahren in immer zunehmendem Maße vor uns stehen, ist nichts, aber auch nichts geschehen, um dem Erzeuger, der als einzelner die Dinge ja gar nicht übersehen kann, auch nur das Minimum an Sicherheit zu geben, auf das er nun einmal nicht verzichten kann, wenn seine Arbeit Sinn haben soll. Alles Geschimpfe über die Einfuhren und alle Versprechungen sind kein Ersatz für solche Maßnahmen, sind kein Ersatz für einen Rahmen, in dem der einzelne sich dann sicher bewegen kann.
    Viel Wissenschaft wird aufgewendet. Wir haben gerade von dem Herrn Berichterstatter über den Haushalt gehört, was es alles an Instituten usw. gibt. In weitem Umfang fehlen aber die Anstrengungen, mit denen die Resultate dieser Wissenschaft an die Praxis herangebracht werden sollten. Diese Regierung hat keine wirksame Beratung geschaffen, sie hat sich nicht das Instrument geschaffen, mit dem sie jedem einzelnen Landwirt praktisch helfen könnte, sich in den Rahmen ihrer Agrarpolitik einzufügen.

    (Zuruf von der CDU: Das ist doch Sache der Länder!)

    — Was heißt hier Sache der Länder? Das ist weder Sache der Länder noch Sache des Berufsstandes. Schieben wir die Dinge nicht von dem einen auf den andern. — Vielleicht hat sie auf diesen Apparat verzichtet, weil sie gar nicht weiß, welche Sorte von Agrarpolitik, welche agrarpolitischen Ziele sie denn durch die Beratung an die Bauern hätte heranbringen können.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    An Stelle der wirksamen Maßnahmen, die nun einmal notwendig sind und die durch nichts anderes ersetzt werden können, hat man hier mit viel Gerede über Programme etwas zu tun versucht oder wenigstens den Eindruck zu erwecken versucht, als ob man etwas täte. Ich glaube, daß in keiner früheren Zeit so viel von Agrarprogrammen und „neuen" Agrarprogrammen die Rede war wie jetzt, da sie sozusagen am laufenden Bande produziert werden. Im wesentlichen enthalten sie allerdings außer einer Reihe von platonischen Erklärungen — wenn überhaupt platonischer Erklärungen — immer nur einen einzigen Punkt: Erhöhung der Preise. Damit folgt man in einem allzu großen Umfange und allzu bereitwillig dem sehr bescheidenen Beitrag, den eine meinem Gefühl nach unglückselige Vertretung des Berufsstandes zu leisten in der Lage ist. Kein Wunder! Das ist eben uralte, allerälteste Agrarpolitik, mit der man hier versucht, die Bevölkerung, die die Landwirtschaft betreibt, abzuspeisen, mit der man hier versucht, die Probleme einer Zeit zu meistern, die überhaupt keinen Vergleich mit der Vergangenheit mehr zuläßt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dabei hat diese Sorte von Programmatik, die, wie gesagt, mit Preiserhöhungen operiert, der Landwirtschaft in Wahrheit — und das muß ebenfalls gegenüber allen möglichen bewußten oder unbewußten
    Mißverständnissen hier ganz offen ausgesprochen
    werden — Mehreinnahmen überhaupt nicht
    verschafft, jedenfalls, wenn überhaupt Mehreinnahmen, keine Mehreinnahmen, die nicht auf der
    anderen Seite durch eine Steigerung der Kosten in
    vollem Umfange ausgeglichen worden sind. Diese
    Sorte von Agrarpolitik hat wirklich nur ein Resultat bewirkt, sie hat die Spannung zwischen Erzeugern und Verbrauchern noch weiter vertieft


    (Kriedemann)

    und hat die Landwirtschaft auf eine unglaublich fahrlässige Weise in die Position hineingedrängt, in der sie von außen gesehen die Verantwortung für alle die Erschwernisse der Lebenshaltung trägt, die heute auf die Menschen in unserem Lande, die man mit dem Begriff „Verbraucher" zusammenfaßt, zukommen. Denken Sie z. B. einmal an so etwas wie die letzte Getreidepreiserhöhung. Wenn die Landwirtschaft mit Recht behauptet, daß ihr die Mehreinnahmen daraus nicht zugekommen sind, dann müssen Sie auf der anderen Seite doch zugeben, daß ihr daraus in vollem Umfange die Entrüstung zugekommen ist, die diejenigen von sich geben mußten, die die Geschichte in Form eines höheren Brotpreises verkraften sollten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn so in großem Umfange festgestellt werden muß, daß alle Maßnahmen unterblieben sind, dann scheint es mir notwendig zu sein, es wenigstens als meine Meinung auszusprechen, daß das nun nicht etwa im speziellen die Schuld dieses Ministeriums ist, über dessen Haushaltsplan heute geredet wird. Auf dem Gebiet dieses Ministeriums tritt höchstens am sichtbarsten in Erscheinung, was nichts anderes ist als die Folge einer Politik, die meine Freunde und ich glücklicherweise nicht, dafür aber Sie in den Regierungsparteien, in vollem Umfange zu verantworten haben. Es ist ja gar kein Geheimnis, wie 'man auf eine konstruktive, eine positive Weise der Landwirtschaft auch noch anders helfen könnte als durch eine Preiserhöhung, die immer wieder durch Preissteigerungen für landwirtschaftliche Produktionsmittel ausgeglichen wird. Das ist wahrlich kein Geheimnis, nicht einmal ein sozialdemokratisches Geheimnis. Aber diejenigen, die sich zu einem solchen Wirtschaftsminister bekennen, wie Sie das nun schon zwei- und dreimal getan haben, sind eben nicht in der Lage, einzugreifen und irgend etwas zu tun. Von allein aber geschehen die Dinge nicht. Die Folgen davon tragen mal die einen, mal die anderen; und alle zusammen werden zum Schluß davon betroffen.
    Die andere Seite der Medaille, die Ernährungspolitik, bietet das gleiche traurige Bild. Es wird oft der Standpunkt vertreten, daß man über ernsthafte Schwierigkeiten in der Versorgung besser nicht reden sollte, weil die Leute sich dann nur noch panikartiger — noch schlechter, wie manche es nennen — benehmen und die Schwierigkeiten dadurch noch größer werden würden. Es läßt sich wahrscheinlich einiges dafür sagen. Eine solche Politik des Stillschweigens scheint mir aber nur dann vertretbar zu sein, wenn man weiß, daß hinter den Kulissen sowieso alles nur Mögliche getan wird, um mit den irgendwo herkommenden Schwierigkeiten fertig zu werden. Wenn man aber weiß, daß in Wirklichkeit nichts getan wird, hat man meinem Gefühl nach jedenfalls kein Recht, zu schweigen und sich dann mitschuldig zu machen an einer Katastrophe, die in ihren Auswirkungen fürchterlich ist und die ich hier im einzelnen nicht zu schildern brauche.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist kein Geheimnis, daß die Versorgung unserer Bevölkerung mit Brot, Fett und Zucker, teils der Menge nach, teils nach dem Preis, alles andere als gesichert ist. Ich glaube nicht, daß heute noch etwa, wie bei der Debatte, die wir hier über Brot und Brotpreise vor einigen Wochen hatten, viel Lust besteht, das zu bestreiten. Ich würde es auch nicht sehr begrüßen, denn es würde mich zwingen, dann sehr viel tiefer noch in die Kiste zu greifen, als ich es so beabsichtige.
    Meine Damen und Herren! Wir haben, was die Ernährungslage angeht, erst vor wenigen Tagen wieder ein Memorandum der Bundesregierung bekommen, mit dem ich mich hier noch auseinandersetzen möchte. Lassen Sie mich bitte beim Brot anfangen, denn bier ist die Verwirrung ja eklatant. Man hat so oft — seitdem man damals den Versuch machte, der Bevölkerung einzureden, eine Getreidepreiserhöhung habe mit dem Brotpreis weiter nichts zu tun — erklärt, daß der Konsumbrotpreis bleibe, daß die Versorgung mit Konsumbrot gesichert sei, daß es nun offenbar selbst die vielen unglücklichen Leute glauben, die jetzt in den Wahlkämpfen draußen im Lande herumlaufen und den Versuch machen, die Politik dieser Regierung der Bevölkerung schmackhaft zu machen. Mir ist z. B. erst am Sonnabend oder Sonntag, als ich abends in einer Versammlung sprach, vorgehalten worden, im selben Ort habe am Nachmittag desselben Tages ein Mitglied dieses Hauses, allerdings aus den Reihen der Regierungsparteien, unter Berufung auf kürzlich erschienene Pressenotizen fest versichert, der Konsumbrotpreis bleibe. Da er inzwischen schon abgereist war, hat es dann einer seiner Freunde, der am Ort wohnt, übernommen, mir vorzuhalten, wie ich dazu komme, zu behaupten, daß der Konsumbrotpreis nicht bleibe.
    Meine Damen und Herren! Ganz abgesehen davon, daß wir alle miteinander, die sich darum kümmern sollten und darum gekümmert haben, wissen, daß es immer eine sehr lückenhafte Versorgung mit Konsumbrot gegeben hat, daß es zu allen Zeiten breite Gebiete gab, in denen Konsumbrot auch für diejenigen nicht erreichbar war, die schon aus ihrer Kassenlage her gezwungen waren, nach dem allerbilligsten Brot zu fragen, ob es ihnen zusagt oder nicht — ich rede gar nicht von schmecken —, ob es meinetwegen ihren körperlichen Bedürfnissen zusagt oder nicht — ganz abgesehen davon wissen wir, daß der Konsumbrotpreis ab 1. Juni von 48 Pfennig je Kilo auf 64 Pfennig je Kilo steigen wird.

    (Hört! Hört! links.)

    Ich halte es einfach für nicht erlaubt, wenn man um diesen Tatbestand damit herumzureden versucht, daß man auf Seite 3 des von mir erwähnten Memorandums sagt, das Konsumbrot werde nun wesentlich verbessert und vorläufig zum alten Preise — hier heißt es sogar: von 49 Pfennig — zur Verfügung gestellt, während man auf Seite 4 schon sagen muß, es handele sich aber nur noch um einige wenige Wochen, dann werde es 64 Pfennig kosten.

    (Hört! Hört! links.)

    Außerdem scheint es mir nicht richtig zu sein, hier von einer wesentlichen Verbesserung des Konsumbrotes zu sprechen, weil man gezwungen ist, den Roggen in einem außerordentlich hohen Umfang durch Weizen zu ersëtzen. Wir haben früher immer Wert darauf gelegt, zu sagen, Weizenbrot sei keineswegs besser als Roggenbrot!

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir könnten das umgekehrte Argument auch jetzt also nicht ohne weiteres über uns ergehen lassen, und im übrigen ist das kein Trost für die breite Masse der Verbraucherschaft.
    Die Zwangslage ist ja nicht so sehr durch Korea als durch die völlig verfehlte Getreidepolitik der Bundesregierung entstanden. Sie wissen, man hat sehr erhebliche Millionenbeträge dafür aufgewen-


    (Kriedemann)

    det, Futtergetreide für die Landwirtschaft so zu verbilligen, daß sie dagegen den Roggen für die Brotherstellung hätte abliefern können.

    (Sehr richtig! links.)

    Weil man aber weiter nichts getan hat, als dieses Futtergetreide zu verbilligen, ist es eben dann nicht an die Landwirte gekommen, sondern hat andere interessante Wege gesucht.

    (Hört! Hört! links.)

    Und erst vor kurzem hat man die ganze Aktion aufgegeben, weil man nun die Tatsache länger nicht verheimlichen konnte, daß das auf solche Weise verbilligte Futtergetreide unter anderem in den Brennereien zu Schnaps verarbeitet worden ist. Wenn solche Pannen passieren — das Wort „Pannen" ist wahrscheinlich viel zu schwach —, dann muß man schon von einem absoluten Versagen sprechen. Und das sollte nicht auf solche Weise bemäntelt werden, daß man sagt: Wir geben dem Verbraucher jetzt ja auch ein weißeres Brot. Uns allen wäre sehr viel wohler, wenn wir den Verbrauchern Roggenbrot geben könnten und dabei unser Gesicht behielten, das wir vor uns und der Welt auf einem solchen Wege verlieren; denn schließlich merken auch die anderen etwas, auf deren Hilfe wir angewiesen sind.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Bemerkungen zur Fettversorgung machen. Wir wissen, daß bei Aufrechterhaltung eines Teils der Subventionierung der Margarinepreis in wenigen Wochen um 20 Pfennig das Pfund steigen wird. Auch das ist eine Angelegenheit, die für breite Schichten unserer Bevölkerung, wenn für sie nicht in der einen oder anderen Form eine Erhöhung ihrer Einnahmen, d. h. also eine Erhöhung ihrer Renten oder ihrer Löhne und Gehälter eintritt, eine Verminderung der Fettversorgung bedeutet. Das muß ich mit allem Nachdruck aussprechen. Die Bundesregierung kann sich auch hier nicht auf Korea berufen. Kein vernünftiger Mensch kann bestreiten, daß in allen Ländern des Westens mindestens — im Osten sind sowieso die Schwierigkeiten am laufenden Bande vorhanden, und wir haben hier auch keine Absicht, etwas zu vergleichen — aus der Korea-Situation Schwierigkeiten entstanden sind. In keinem Lande aber wachsen sich die Schwierigkeiten zu einer solchen Katastrophe aus, wie das bei uns in der Margarineversorgung der Fall ist. Noch weiß niemand, wie wir mit unserer Fettversorgung über den Juni hinwegkommen sollen,

    (Hört! Hört! links)

    und ich bin sehr gespannt, ob die Regierung dazu heute etwas Überzeugendes sagen kann. Das, was an anderer Stelle dazu gesagt worden ist, bietet auch nicht annähernd eine Garantie dafür, daß der Anschluß an die auslaufenden Vorräte rechtzeitig gefunden wird. Denn man braucht ja heute nicht nur Geld — vor allen Dingen braucht man das Geld in Form von Devisen —, man braucht auch die Einkaufsmöglichkeiten und zum Schluß den Transport.
    Es ist eine bittere Tatsache, aber sie muß hier ausgesprochen werden, damit man nicht Gründe und Ursachen an einer falschen Stelle sucht und sich dadurch den Weg zur Erkenntnis und zum Bessermachen abschneidet: Durch das Zögern der Bundesregierung gegenüber der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt sind uns Monate hindurch gute Einfuhrmöglichkeiten für Margarinerohstoffe verlorengegangen.

    (Abg. Loritz: Sehr richtig!)

    Damals war unsere Devisensituation noch besser,
    und auch die Einkaufsmöglichkeiten auf dem Weltmarkt waren sehr viel besser, als sie heute sind. Diese Tatsache ist es in weit höherem Maße als jede andere, die uns in eine so unglaubliche Enge bringt wie die, in der wir uns heute befinden, eine Enge, aus der uns auch der Hinweis auf die wegen des für die meisten Verbraucherschichten zu hohen Preises bisher unabsetzbaren Buttervorräte nicht herausbringen kann, weil das, was an Margarine auszufallen droht, in absehbarer Zeit jedenfalls aus der eigenen Buttererzeugung nicht ersetzt werden kann.
    Die gleiche Schwierigkeit tut sich vor uns auf, auf dem Gebiete der Zuckerversorgung. Hier ist es besonders ärgerlich, daß von einer Versorgungsschwierigkeit, von einer Mangellage gesprochen werden muß. Der Fleiß unserer Menschen — und hier muß man von Fleiß reden, denn Zucker wird bekanntlich in die Rüben hineingehackt —, aber auch das Mithelfen der Natur haben uns eine außerordentlich gute Zuckerernte beschert; wir haben wohl seit langem nicht soviel Zucker zur Verfügung gehabt wie zu Beginn dieses Zuckerwirtschaftsjahres. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß aus Gründen, die die Regierung nicht zu vertreten hat, und aus anderen Gründen, die insbesondere das Ernährungsministerium nicht zu vertreten hat, erwartete Einfuhren ausgeblieben sind. Wenn man sich auch nur zu sehr bescheidenen, aber wirkungsvollen Lenkungsmaßnahmen entschlossen hätte, wäre es ohne Zweifel möglich gewesen, den Millionen Hausfrauen die Panik zu ersparen, der sie nun wieder ausgeliefert sind, wenn mal hier, mal da kein Zucker vorhanden ist oder in weiten Gebieten überhaupt nur Stückenzucker angeboten wird, offenbar, weil da der Preis interessanter ist.
    Wir werden für den Rest dieses Jahres aus der Klemme nicht mehr herauskommen. Diese Klemme wird sogar zunehmen und in besonderer Schärfe vor allen in den Monaten in Erscheinung treten, in denen Zucker in größerer Menge vorhanden sein müßte, weil es gilt, die Obsternte usw. zu konservieren. Man hätte die Spekulationen mit dem Preis und mit dem Mangel wahrlich leicht unterbinden können, wenn man sich gerade auf diesem Gebiet, auf dem die Regierung dazu noch die Hand fest auf allen Vorräten hatte, zu wirkungsvollen Maßnahmen entschlossen hätte. Statt dessen wirft die Regierung jetzt in diesem Memorandum dem Groß-und Einzelhandel vor, daß er doch reichlich versorgt sei und es sozusagen nur von ihm abhänge, ob seine bisher offenbar festgehaltenen Vorräte nun der Bevölkerung zur Verfügung gestellt würden oder nicht. Die Regierung ermahnt diese Wirtschaftskreise dazu, das nun auch wirklich zu tun. Die Antwort darauf ist sehr prompt und sehr eindeutig erfolgt: Fehlanzeige! Die Leute haben sich mit Entrüstung gegen die Unterstellung verwahrt, daß sie in Erwartung eines höheren Preises Zucker gehortet hätten und nun bereit sein könnten, diesen Zucker freizugeben.
    Wir erleben das nicht nur bei der Zuckerversorgung, wir erleben es auf allen Gebieten, wie die Regierung versucht, über die von ihr heraufbeschworenen Fehler und Mängel damit hinwegzukommen, daß sie einmal sagt: Die Bauern liefern das Getreide nicht ab, wir müssen also jetzt den Preis um 100 Mark die Tonne erhöhen, gleichzeitig aber erklärt: So, jetzt habt ihr aber die Einnahmen, aus denen ihr die Lohnforderungen endlich befriedigen könnt! Dabei weiß jedermann, daß die Landwirtschaft, von einigen wenigen Fällen abge-


    (Kriedemann)

    sehen, zu diesem Zeitpunkt kein Getreide mehr in der Hand gehabt hat und haben konnte. Jedermann weiß, daß die Bauern nicht aus Böswilligkeit Roggen verfüttert haben, sondern aus einer Zwangslage heraus — ich will gar nicht einmal sagen, auf Grund einer sehr weit getriebenen Kalkulation — den Roggen haben verruttern missen. Aber die Regierung steht dann fein da und sagt: Die Bauern sind's! Wenn heute Landas beiter kommen und sagen: Warum sträubt ihr euch gegen unsere Lohn-. forderungen?, dann können sie sich auf den Herrn Bundeskanzler personlich berufen, der gesagt hat, daß diese Getreidepreiserhöhung der Landwirtschaft nur gegeben werde, um sie in die Lage zu versetzen, den Lohnforderungen entsprechen zu können. Wie steht dann die Landwirtschaft da, und wer hat sie so hingestellt?
    Dann sind es wieder die Bäcker, die angeblich am Konsumbrot nicht genügend verdienen und sich deshalb weigern, dieses den armen Leuten von der Regierung so großzügig zu Verfügung gestellte Brot zu liefern, obwohl die Regierung es, ja subventioniert! Dann stellt sich bei der Vernehmung heraus, daß es mit der Subvention so seine Haken hat. Sie ist zwar oft zugesagt worden, aber über Höhe und Durchführung konnte man sich nicht einigen. Dann passieren so unglaubliche Geschichten wie etwa die folgende: als mit der zunehmenden Nachfrage nach Konsumbrot — und diese Nachfrage stieg natürlich, je teurer die sogenannten „freien" Brotsorten wurden — auch der Betrag stieg, mit dem die Bäcker in Vorlage zu treten hatten, weil sie ein immer teureres Mehl hereinnehmen mußten und aus diesem teureren Mehl immer dasselbe billige Brot herstellen sollten, hatte die Regierung versprochen: für den Marz werden wir einen Vorschuß in der und der Höhe auf die Subvention zahlen. Dieser Vorschuß sollte nach dem Durchschnittsumsatz im Januar und Februar berechnet werden. Als dann einer aufstand und sagte — das war Ende März, Anfang April —: Es sind ja noch nicht einmal die Formulare gedruckt, auf denen der Umsatz von Januar und Februar festgestellt werden soll, da waren es nicht mehr die Bäcker und ihr Unwille, die daran schuld waren, daß die Bevölkerung nicht genug Konsumbrot bekam, sondern da war es offenbar die Unfahigkeit und war es der Mangel an Tempo und Entschlußfreudigkeit auf seiten der Regierung, die das zu vertreten hatte. Und dann sind es mal die Müller und dann mal wieder die Verbraucher, und zum Schluß ist es dann Korea. Im großen und ganzen ist es aber eben doch die Bundesregierung, mit der wir uns hier auseinandersetzen müssen. Sie hat es zu vertreten, daß es an den Einrichtungen, an den Maßnahmen, an dem Willen zur Ordnung gefehlt hat, mit der man auch in unserer Lage die auf uns zukommenden Schwierigkeiten in einem erträglichen Umfange hätte halten können. Daran ändern auch alle die Zahlenkunststücke nichts, daß man sagt: In den anderen Ländern wird das Brot auch teurer. Und wenn man dann die Preise in den Ländern, wo das Brot teurer geworden ist, mit unseren Brotpreisen vergleicht, fehlen einem dafür die Worte.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sie haben es leicht, Herr Kollege!)

    — Ich habe es gar nicht leicht, Herr Kollege. Ich mache es mir selbst nicht so leicht, wie es sich mancher auf Ihrer Seite macht, der sich sehr viel leichter trösten läßt, als ich mich trösten lasse.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Arnholz: Die Regierung macht es sich leicht!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß nochmals zu einer anderen Seite der Sache etwas sagen.

    (Zuruf rechts: Konstruktiv!)

    — Ich wünschte, daß das, was an unserer Kritik
    konstruktiv ist, hätte rechtzeitig aufgefangen werden
    können. Das hätte dann allerdings größerer Anstrengungen auf Ihrer Seite bedurft und auch des
    Überbordwerfens mancher vorgefaßter Meinungen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es ist der Vorschlag gemacht worden, nun das, was aus der Preiserhöhung — drei Pfennig für die Milch, zwanzig Pfennig für das Pfund Margarine und eine Brotpreissteigerung von 48 auf 64 Pfennig, das sind nochmals 16 Pfennig — auf die Menschen zukommt, durch ein System von Verbilligungsscheinen aufzufangen. Ganz abgesehen davon, meine Damen und Herren, daß die Verbilligungsscheine nur einen Personenkreis erfassen sollen, der ja nicht der einzige Personenkreis ist, für den diese Preissteigerungen unerträglich sind, erscheint es meinen Freunden und mir einfach unfaßbar, daß man auf eine solche Weise einen so großen Teil unserer Bevölkerung, der ja ohne seine eigene Schuld in eine so schwierige Lage gekommen ist, der nicht über genügend Einkommen verfügt — das sind die Alten, die Kranken, die Arbeitslosen, nicht zuletzt die Vertriebenen —, deswegen mit Verbilligungsscheinen in die Läden schicken will, weil man glaubt, daß man damit im ganzen etwas billiger wegkommen wird.

    (Zuruf: Etwas?)

    — Und selbst wenn man erheblich billiger wegkommt, glaube ich , rechtiertigt das eine so unsuziale — von mir aus sage ich: unmenschliche Maßnahme nicht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bitte, stellen Sie sich einmal vor, in welche Situation die Leute kommen werden, die mit einem Schein in der Hand mit Leuten konkurrieren sollen, die noch alles in bar bezahlen konnen, die aber dann um Waren konkurrieren sollen, die Mangelwaren sind:

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    um das billige Brot, von dem kein Mensch glauben wird, daß es in dem Umtange angeboten werden wird, wie es gefragt wird, und um die Margarine! Meine Damen und Herren, wir werden dieses System der Verbilligungsscheine ablehnen.
    Zum Schluß noch eine Bemerkung, zu der ich mich auf Grund einer Debatte veranlaßt fühle, die wir heute im Ernahrungsausschuß hatten. Da hat jemand die rhetorische Frage aufgeworfen: Wer ist denn eigentlich tür die Landwirtschaft? — und hat daran die Bemerkung geknüpft: die Sozialdemokraten ja doch wohl nicht! Denn immer, wenn es zum Schwur käme, wenn es darauf ankäme, der Landwirtschaft nun einmal die Preise zu geben, die sie braucht, dann machten ja die Sozialdemokraten nicht mit. Dabei wurde ausdrücklich auf die Getreidepreiserhöhung Bezug genommen. Ich wiederhole hier nur das, was ich heute schon im Ernährungsausschuß gesagt habe. Ich bin geradezu glücklich darüber — und nicht nur meinetwegen und nur wegen meiner Freunde, sondern, ich glaube, auch wegen der deutschen Landwirtschaft —, daß nicht alle an diesen — na, ich unterdrücke mit einiger Mühe einen Ausdruck, den man vielleicht nicht parlamentarisch nennen könnte

    (Zuruf rechts: Na, los!)





    (Kriedemann)

    daß nicht alle an diesen Maßnahmen, die keine Maßnahmen sind, mitgewirkt haben. Meine Damen und Herren, eine solche Politik wie z. B. die Erhöhung der Getreidepreise in einem Augenblick, in dem die Landwirtschaft kein Getreide mehr hat, in dem eine solche Getreidepreiserhöhung geradezu eine Backpfeife für diejenigen ist, die dumm genug waren, den Versprechungen der Regierung auf den Festpreis zu glauben, ist keine Politik; eine solche Maßnahme ist keine Maßnahme;

    (Zustimmung bei der SPD)

    und an ihr mitzuwirken, ist der Landwirtschaft gegenüber viel peinlicher, als sich rechtzeitig von einer solchen Maßnahme abzusetzen, die ja doch — und in diesem konkreten Falle ist das klar zu erkennen — zu nichts anderem gedient hat, als der Landwirtschaft sozusagen die Schuld dafür zuzuschieben, daß es eine Weile kein Getreide gab und deswegen Brotschwierigkeiten eintraten, obwohl jedermann wußte, daß es Angelegenheit der Regierung gewesen wäre, klarzustellen, wo denn die eigentlichen Ursachen dafür sind.
    Meine Damen und Herren, der Etat dieses Ministeriums wird von uns aus Gründen abgelehnt werden, von denen ich hier einige genannt habe. Ich könnte sowohl in bezug auf das, was die agrarpolitische Seite angeht, als auch auf das, was die Ernährungsprobleme angeht, noch sehr viel mehr Einzelbeispiele dafür aufführen, daß es sich hier wirklich um ein Versagen in ganz großem Stil handelt. Ich möchte noch einmal zum Ausdruck brin-ken: Diese Kritik richtet sich gar nicht gegen das Ministerium. Ich vermag die Zusammenhänge zwischen der Gesamtpolitik der Regierung und ihren Auswirkungen auf dieses Gebiet und damit auf dieses Ministerium viel zu gut zu erkennen, als daß ich es mir zu billig machen würde, meinerseits nach der falschen Seite Stellung zu nehmen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde, Herr Minister, habe ich Ihnen unseren Dank auszusprechen

    (Oho-Rufe bei der SPD)

    für die Arbeit, die Sie in opfervoller Hingabe im letzten Jahr geleistet haben,

    (Beifall rechts)

    geleistet haben in einem Ausmaße, daß Sie heute mit stark erschütterter Gesundheit in Ihrem Amt stehen.

    (Zurufe bei der SPD.)

    Sie haben als Minister für Ernährung und Landwirtschaft wahrlich nicht das leichteste Amt im Kabinett. An Ihnen zerren die Verbraucher und die Erzeuger, und die Verarbeiter spielen auch noch mit; auch im Kabinett selbst haben Sie die schwierigste Situation, weil ja gerade vom Agrarsektor aus — das hat uns schon Herr Kriedemann in seinen Ausführungen bewiesen — am leichtesten politische Spannungen herzuholen sind.

    (Lachen links.)

    Aber, Herr Minister, wenn die Opposition sich
    Ihnen versagt, dann nehmen Sie das nicht tragisch,

    (Lachen und Zurufe bei der SPD)

    und wenn man Ihnen sagt, daß Ihre Politik ein Versager gewesen sei, so ist das auch gar nicht so ernst gemeint.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut! ,— Oho-, Rufe bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kriedemann in diesem Zusammenhang von der Flurbereinigung spricht, so weiß er genau wie wir, daß die Flurbereinigung den Ländern zusteht, daß man da ruhig auf diesem Gebiet weiterarbeiten kann und daß es nur darauf ankommt, für den Bund einmal eine zusammenfassende Regelung zu finden. Aber Herr Kriedemann vergißt, daß man, wenn man eine Flurbereinigung auf Dauer durchführen will, gleichzeitig auch ein neues Agrarrecht schaffen muß, wenigstens für die Gebiete mit Naturalteilung, damit nicht nach wenigen Jahren das Resultat der ersten Flurbereinigung wieder aufgehoben ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Wenn Herr Kriedemann weiter sagt, der Landwirtschaft sei auch noch anders zu helfen, und das sei gar kein Geheimnis, und wenn er sagt, daß im Gemüsebau nichts geschehen sei und daß da gehalfen werden könne, wenn er schließlich in dem Zusammenhang davon redet, daß ein halbes Dutzend Programme gemacht worden sei, dann muß ich ihm entgegenhalten: er hat eben hier drei Programme verzapft, bei denen man nicht erkennt, wohin der Weg geht.

    (Beifall bei der CDU.)

    In dieser schwierigen Situation ist es leicht, mit
    Redensarten die Dinge totzuschlagen zu versuchen.

    (Abg. Arnholz: Das tun Sie jetzt!)

    Wenn die Regierung in dem Memorandum, das sie herausgegeben hat, auf die Erhöhung der Getreidepreise und die Erhöhung der Zuckerrübenpreise und darauf hinweist, daß die Milchpreise folgen, so darf ich Herrn Kriedemann sagen, daß der Kanzler in Rhöndorf nicht die Erhöhung der Getreidepreise als die Grundlage bezeichnet hat, die der Landwirtschaft gegeben werden soll, um die Lohnerhöhungen durchzuführen; er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Erhöhung erst im Herbst zur Auswirkung kommen kann, und hat vor allem auf die Milchpreise hingewiesen als das, was für die bäuerliche Wirtschaft — und die Landwirtschaft der Bundesrepublik ist zum größten Teil bäuerliche Wirtschaft — das Ausschlaggebende ist und sein wird.
    Meine Damen und Herren! Zur Ernährungspolitik muß man hier einige Bemerkungen machen. Wir haben Preiserhöhungen auf allen Gebieten. Aber diese Preiserhöhungen sind nicht von selbst gekommen!

    (Zuruf: Nein, sicher nicht!)

    Ich glaube, auch wenn Sie, Herr Kriedemann, an der entscheidenden Stelle säßen, dann wäre die Teuerungswelle, die durch die Welt geht, nicht deshalb an Deutschland vorbeigegangen, weil dort zufällig der Herr Kriedemann säße.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Sie hätten sich mit diesen Problemen genau so auseinanderzusetzen und Wege zu suchen, wie Sie diese Schwierigkeiten beheben können. —

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch kein Argument! — Abg. Kriedemann: Ich täte es. wenigstens! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie registrieren sie, aber Sie tun nichts!)

    Wir haben uns geholfen mit Stützungsaktionen. Meine Damen und Herren! Wir haben Stützungen bei Brot und bei Margarine, und zwar Globalstützungen für alle Bevölkerungskreise, gleich wie-


    (Dr. Dr. Milller [Bonn])

    ihre soziale Lage ist. Wenn wir die Stützungen durchführen wollen — und auf diesen Gebieten müssen wir sie durchführen —, dann wird man untersuchen müssen, wie man die Bevölkerungskreise, die der Stützungen nicht bedürfen, von der Stützung ausnimmt, sei es

    (Zuruf von der SPD: Steuerreform!)

    über Verbilligungsscheine, die Herr Kriedemann nicht liebt, sei es durch irgendeine Steuermaßnahme. Aber auf jeden Fall müssen wir angesichts' unserer ganzen Finanzlage versuchen, zu einer Individualstützung zu kommen, um eben das System der Stützungen durchzuhalten.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ich gebe zu, daß wir gewisse Spannungen auf den verschiedensten Gebieten haben,

    (Zuruf von der SPD: Das hat sich herumgesprochen!)

    bei Brot, bei Fett, bei Zucker.
    Es gibt einen Mann, Herrn von Rohr, Ihnen sattsam bekannt, der zu den Problemen immer wieder in einer Form Stellung nimmt, die man nicht als objektiv anerkennen kann. Er wendet sich gegen meine Auffassung, daß wir die Zuckerversorgung nicht restlos aus dem Boden der Bundesrepublik durchführen können. Das weiß jeder Klippschüler aus der Landwirtschaftsschule, daß das aus betriebswirtschaftlichen Gründen und weil zum Zuckerrübenanbau geeignete Böden nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, nicht möglich ist. Dann erklärt Herr von Rohr, man müsse es beim Bau der neuen Zuckerfabriken so machen, daß man die Zuckersteuer streiche und den Bauern sogar das Aktienkapital schenke, damit diese Zuckerfabriken gebaut werden könnten. — Meine Damen und Heren, ich nehme an, daß Herr von Rohr mit seinen Gedanken noch in den seligen Zeiten der Osthilfe lebt, jenen Zeiten, in denen man die Osthilfe in die Tasche steckte und dann den Kanzler, der sie gegeben hatte, aus dem Amt warf und Herrn Hitler die Tür öffnete.

    (Sehr gut! und Beifall bei der CDU.)

    Gerade Herr von Rohr, der als einer der Gründer
    der Harzburger Front und als der erste Staatssekretär unter Hugenberg im Kabinett Hitler
    schwerste Schuld an dem Unglück Deutschlands
    und der Welt auf sich geladen hat, hätte alle Ver-
    anlassung zu schweigen und sich zu verkriechen und sich nicht in der deutschen Öffentlichkeit zu produzieren.

    (Beifall bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren! Wenn ich den Herrn von Rohr höre und sehe, dann denke ich immer an die Rohrdommel, einen sehr schönen Vogel. Die Wissenschaft schreibt von ihm: „Die Rohrdommel wird auch Moorochse genannt."

    (Heiterkeit. — Zuruf: Rohrkrepierer!) „Die Farbe ist dunkel- bis hellbraun."


    (Erneute Heiterkeit.)

    „Er läßt vor allem in der Paarungszeit nachts einen brüllenden Ruf erschallen, und er lebt von Fröschen, Molchen und Wasserkäfern."

    (Heiterkeit.)

    Ich sage das, meine Damen und Herren, weil von dieser Sorte Rohrdommeln noch einige in der deutschen Landwirtschaft herumgeistern.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Unserer Landwirtschaft möchte ich von hier aus in aller Deutlichkeit sagen,

    (Zuruf von der SPD: Auf welcher Seite?)

    daß sie sich von diesen Rohrdommeln nicht verführen lassen und endlich begreifen möge, daß die Zeit der Leibeigenschaft — auch der geistigen Leibeigenschaft — in Deutschland endgültig vorüber ist.

    (Beifall bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, daß Spannungen auf bestimmten Gebieten der Ernährungswirtschaft bestehen, ist nicht die Schuld des Ministers und seiner Mitarbeiter, und wir hoffen und dürfen der Zuversicht sein — und da unterscheide ich mich von Herrn Kriedemann —, daß wir über diese Spannungen hinwegkommen. Der Herr Minister darf versichert sein, daß wir ihm dabei helfen, soweit es uns möglich ist.
    Wir müssen aber auch den Mut haben, wenn Mangelerscheinungen kommen, die Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, damit jeder auch seinen gerechten Anteil an der vorhandenen Ware bekommt. Es dürfen nicht breite Massen einen größeren Anteil an Mangel bekommen, als ihnen zusteht.

    (Abg. Kriedemann: Also! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Wenn man den Markt nicht voll sättigen kann, muß man auch den Mut haben, für gewisse Zeit einmal unpopuläre Maßnahmen zu treffen.

    (Zurufe von der SPD: Tut's doch!)

    Ich bin der Auffassung, daß man die Versorgung der zuckerverarbeitenden Industrie — nach ihrer Wichtigkeit geordnet — für einige Zeit drosseln oder abschneiden kann. Ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn auch nicht sofort, so doch in Zukunft eine Versorgung der Margarine-Industrie mit Rohstoffen aus dem Inlandsmarkt — durch entsprechende Gestaltung und Forderung des Rapsanbaus und der Fischverarbeitung — bis zu drei Monaten herbeiführen können.
    Wir müssen aber auch auf eine Vorratswirtschaft hinarbeiten. Es muß unsere Aufgabe sein, bei den wichtigsten Ernährungsgütern der Ernährungswirtschaft so viel Vorräte zusammenzubringen, daß wir für die Dauer eines Wirtschaftsjahres die Preise so halten können, wie es im Interesse einer sozialen Gestaltung des Marktes erforderlich ist.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Man kann sehr wohl die Preise für Getreide, für Zucker und für Fette im Inlande auf einer solchen Höhe halten, daß sie der Landwirtschaft ihre Existenz sichern. Die Preise auf dem Weltmarkt werden ja bei einer friedlicheren Entwicklung unter unsere Preise sinken. Dann müssen wir dafür sorgen, dem sehr „einnehmenden" Herrn Finanzminister die Möglichkeit abzuschneiden, daß er abschöpft. Das Geld, das dort verdient wird, muß benutzt werden, um die Preise der wichtigen Lebensmittel zu senken. Dieses System der Durchschnittspreise hat man in andern Ländern mit Erfolg eingeführt: die Landwirtschaft bleibt gesund, und trotzdem wird dem Verbraucher das Leben erleichtert.

    (Zuruf von der SPD: Das ist aber Planwirtschaft!)

    Diese Vorratshaltung ist aber eine Frage der Devisen, d. h. es dreht sich darum, was wir einkaufen können. Es ist doch auch heute noch bei uns so, daß der oberste Ernährungsminister der Präsident der Bank der deutschen Länder ist.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Wenn der- erklärt, die Devisen sind nicht da, dann
    kann der Landwirtschaftsminister keine Einkäufe


    (Dr. Dr. Müller [Bonn])

    ausschreiben. Ich bin der Auffassung, daß das Parlament einen Anspruch darauf hat, einmal zu erfahren, wie die Devisenlage im einzelnen ist,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    damit man sich ein Bild machen kann und Klarheit darüber bekommt, daß hier nicht nach Grundsätzen gearbeitet wird, die unserer heutigen wirtschaftlichen Lage nicht entsprechen. Wir müssen in der Devisenwirtschaft dahin kommen, daß die Devisen in erster Linie für die Ernährungswirtschaft und die notwendigsten Produktionsgüter in der Industrie benutzt werden und nicht für Einfuhren, die nicht unbedingt erforderlich sind.
    Das zweite Hindernis aber neben der Bank der deutschen Länder ist ja die OEEC-Organisation in Paris. Wir hatten ein Notprogramm vorgelegt, und nach diesem Notprogramm sollten für 10 Millionen Dollar wichtige Lebensmittel — darunter allein für über 41/2 Millionen Dollar Margarinerohstoffe — eingeführt werden. Die OEEC hat uns diese 10 Millionen auf 5 zusammengestrichen. 900 000 Dollar sind erforderlich für die Bezahlung von schon schwimmendem Pakistan-Weizen. Es bleiben also 4,1 Millionen übrig. Damit können wir nicht einmal die Margarinerohstoffe hereinholen, die wir dafür hereinholen sollen. Und dann überreicht man uns eine Liste, was wir alles einführen müssen: allein Obst und Gemüse aus den Niederlanden, aus Italien, der Schweiz und Frankreich für 7,7 Millionen; für 1 Million Frühkartoffeln aus Italien! Meine Damen und Herren, das sind die Maltakartoffeln, die sogar in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg als Delikateßkartoffeln galten und niemals einen breiten Absatz hatten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dann Wein aus Griechenland für 0,3 Millionen Dollar und Schokolade aus der Schweiz für 0,1 Millionen Dollar! Aber das Reizendste ist folgendes. Da wird uns vorgeschlagen, aus der Schweiz für 10 000 Dollar synthetische Edelsteine einzuführen. Ich weiß nicht, ob Maharadschas und ähnliche Leute in Deutschland vorhanden sind, die ihre Brust mit synthetischen Edelsteinen schmücken wollen!

    (Heiterkeit. — Zurufe von der SPD.)

    Dann sind in der Liste Glasschmucksteine aus Österreich für 110 000 Dollar, Brillen-Rohpreßlinge aus Österreich, 30 000 Sensen und Sicheln aus Österreich. Als ob hier im Lande nicht genügend Sensen und Sicheln hergestellt werden könnten! Dann noch Konservengläser aus Österreich.
    Meine Damen und Herren, gewiß werden wir von diesen Ländern etwas kaufen müssen; aber in einer Zeit wie heute, in der es an allen Ecken brennt, ist es nicht notwendig, Dinge einzuführen, die wir im Inland in der Form herstellen, wie sie eingeführt werden.

    (Zuruf von der SPD: Aber das ist doch Ihre Politik! — Zuruf rechts.)

    — Herr Mühlenfeld, man wird sich das für einige Monate abschaffen können, um zuerst einmal Ordnung im eigenen Haushalt zu machen und erst einmal dafür zu sorgen, daß wir in der Ernährung aus der Klemme herauskommen.

    (Erneute Zurufe links.)

    Ich möchte gerne einmal wissen, ob die Regierung bereit ist, diesen Vorschlag der OEEC zu prüfen und eventuell abzulehnen, oder ob sie gezwungen ist, dazu Ja zu sagen.
    Meine Damen und Herren, wir haben uns aber auch in dem Zusammenhang mit dem ganzen Einfuhrsystem zu beschäftigen. Das Einfuhrsystem, das sich aus der JEIA heraus entwickelt hat, mit termingebundenen Offerten, mit laufenden Offerten und mit dem Reihenverfahren, dem sogenannten Windhundverfahren, hat absolut versagt. Das Offertenverfahren hat zur Folge, daß die Nachfrage im Ausland viel zu groß ist und daß in dem Augenblick der Ausschreibung die Preise steigen. Ich kann den Nachweis führen, daß, wenn 30 000 Tonnen Kubazucker ausgeschrieben waren, die Preise am Weltmarkt bis zu 20 % anzogen, bis wir unsere Käufe getätigt hatten. Dann gingen sie sofort wieder auf den alten Stand zurück. Im Reihenverfahren wird ausgeschrieben. Da kommen dann die Meldungen. Es waren z. B. ausgeschrieben Zitrusfrüchte und Frühgemüse Italien für 1,5 Millionen. Es kamen Offerten für 856 Millionen, und jeder einzelne erhielt 0,17 % zugeteilt.

    (Zuruf links: Ja, wer ist denn dafür verantwortlich?)

    Diese Dinge sind gemacht worden. Und der Erfolg? Wir atomisieren die Einfuhr und versorgen damit den schwarzen Markt. Es kann ja keiner kontrollieren, vor allem wenn es sich z. B. um Weißzucker handelt, wo diese geringen Mengen bleiben. Wir zerschlagen uns selbst gute Einfuhrmöglichkeiten. Eine solche Einfuhrpolitik kann man nicht Einfuhrpolitik, sondern die kann man nur noch Bauchladenpolitik nennen.

    (Zuruf links: Professor Erhard!)

    Ich bin dem Minister dankbar dafür, daß er den Anregungen, die wir ihm gegeben haben, gefolgt ist und daß wir in einem kleinen Ausschuß aus dem Ernährungsausschuß dieses Hauses mit der Einfuhrstelle die Frage prüfen. Ich bin überzeugt, daß wir in dieser Frage zu einem positiven Ergebnis kommen werden.
    Meine Damen und Herren, ich will damit meine Ausführungen schließen, weil mein Kollege Horlacher noch zu den übrigen landwirtschaftlichen Fragen sprechen will und zu sprechen hat. Ich darf zusammenfassend sagen, daß die Ernährungslage gewiß ernst ist, daß aber zu großen Besorgnissen keine Veranlassung gegeben ist und daß wir, Herr Minister, Sie wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft in Ihrer Arbeit unterstützen werden.

    (Beifall in der Mitte.)