Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde, Herr Minister, habe ich Ihnen unseren Dank auszusprechen
für die Arbeit, die Sie in opfervoller Hingabe im letzten Jahr geleistet haben,
geleistet haben in einem Ausmaße, daß Sie heute mit stark erschütterter Gesundheit in Ihrem Amt stehen.
Sie haben als Minister für Ernährung und Landwirtschaft wahrlich nicht das leichteste Amt im Kabinett. An Ihnen zerren die Verbraucher und die Erzeuger, und die Verarbeiter spielen auch noch mit; auch im Kabinett selbst haben Sie die schwierigste Situation, weil ja gerade vom Agrarsektor aus — das hat uns schon Herr Kriedemann in seinen Ausführungen bewiesen — am leichtesten politische Spannungen herzuholen sind.
Aber, Herr Minister, wenn die Opposition sich
Ihnen versagt, dann nehmen Sie das nicht tragisch,
und wenn man Ihnen sagt, daß Ihre Politik ein Versager gewesen sei, so ist das auch gar nicht so ernst gemeint.
Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kriedemann in diesem Zusammenhang von der Flurbereinigung spricht, so weiß er genau wie wir, daß die Flurbereinigung den Ländern zusteht, daß man da ruhig auf diesem Gebiet weiterarbeiten kann und daß es nur darauf ankommt, für den Bund einmal eine zusammenfassende Regelung zu finden. Aber Herr Kriedemann vergißt, daß man, wenn man eine Flurbereinigung auf Dauer durchführen will, gleichzeitig auch ein neues Agrarrecht schaffen muß, wenigstens für die Gebiete mit Naturalteilung, damit nicht nach wenigen Jahren das Resultat der ersten Flurbereinigung wieder aufgehoben ist.
Wenn Herr Kriedemann weiter sagt, der Landwirtschaft sei auch noch anders zu helfen, und das sei gar kein Geheimnis, und wenn er sagt, daß im Gemüsebau nichts geschehen sei und daß da gehalfen werden könne, wenn er schließlich in dem Zusammenhang davon redet, daß ein halbes Dutzend Programme gemacht worden sei, dann muß ich ihm entgegenhalten: er hat eben hier drei Programme verzapft, bei denen man nicht erkennt, wohin der Weg geht.
In dieser schwierigen Situation ist es leicht, mit
Redensarten die Dinge totzuschlagen zu versuchen.
Wenn die Regierung in dem Memorandum, das sie herausgegeben hat, auf die Erhöhung der Getreidepreise und die Erhöhung der Zuckerrübenpreise und darauf hinweist, daß die Milchpreise folgen, so darf ich Herrn Kriedemann sagen, daß der Kanzler in Rhöndorf nicht die Erhöhung der Getreidepreise als die Grundlage bezeichnet hat, die der Landwirtschaft gegeben werden soll, um die Lohnerhöhungen durchzuführen; er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Erhöhung erst im Herbst zur Auswirkung kommen kann, und hat vor allem auf die Milchpreise hingewiesen als das, was für die bäuerliche Wirtschaft — und die Landwirtschaft der Bundesrepublik ist zum größten Teil bäuerliche Wirtschaft — das Ausschlaggebende ist und sein wird.
Meine Damen und Herren! Zur Ernährungspolitik muß man hier einige Bemerkungen machen. Wir haben Preiserhöhungen auf allen Gebieten. Aber diese Preiserhöhungen sind nicht von selbst gekommen!
Ich glaube, auch wenn Sie, Herr Kriedemann, an der entscheidenden Stelle säßen, dann wäre die Teuerungswelle, die durch die Welt geht, nicht deshalb an Deutschland vorbeigegangen, weil dort zufällig der Herr Kriedemann säße.
Sie hätten sich mit diesen Problemen genau so auseinanderzusetzen und Wege zu suchen, wie Sie diese Schwierigkeiten beheben können. —
Wir haben uns geholfen mit Stützungsaktionen. Meine Damen und Herren! Wir haben Stützungen bei Brot und bei Margarine, und zwar Globalstützungen für alle Bevölkerungskreise, gleich wie-
ihre soziale Lage ist. Wenn wir die Stützungen durchführen wollen — und auf diesen Gebieten müssen wir sie durchführen —, dann wird man untersuchen müssen, wie man die Bevölkerungskreise, die der Stützungen nicht bedürfen, von der Stützung ausnimmt, sei es
über Verbilligungsscheine, die Herr Kriedemann nicht liebt, sei es durch irgendeine Steuermaßnahme. Aber auf jeden Fall müssen wir angesichts' unserer ganzen Finanzlage versuchen, zu einer Individualstützung zu kommen, um eben das System der Stützungen durchzuhalten.
Ich gebe zu, daß wir gewisse Spannungen auf den verschiedensten Gebieten haben,
bei Brot, bei Fett, bei Zucker.
Es gibt einen Mann, Herrn von Rohr, Ihnen sattsam bekannt, der zu den Problemen immer wieder in einer Form Stellung nimmt, die man nicht als objektiv anerkennen kann. Er wendet sich gegen meine Auffassung, daß wir die Zuckerversorgung nicht restlos aus dem Boden der Bundesrepublik durchführen können. Das weiß jeder Klippschüler aus der Landwirtschaftsschule, daß das aus betriebswirtschaftlichen Gründen und weil zum Zuckerrübenanbau geeignete Böden nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, nicht möglich ist. Dann erklärt Herr von Rohr, man müsse es beim Bau der neuen Zuckerfabriken so machen, daß man die Zuckersteuer streiche und den Bauern sogar das Aktienkapital schenke, damit diese Zuckerfabriken gebaut werden könnten. — Meine Damen und Heren, ich nehme an, daß Herr von Rohr mit seinen Gedanken noch in den seligen Zeiten der Osthilfe lebt, jenen Zeiten, in denen man die Osthilfe in die Tasche steckte und dann den Kanzler, der sie gegeben hatte, aus dem Amt warf und Herrn Hitler die Tür öffnete.
Gerade Herr von Rohr, der als einer der Gründer
der Harzburger Front und als der erste Staatssekretär unter Hugenberg im Kabinett Hitler
schwerste Schuld an dem Unglück Deutschlands
und der Welt auf sich geladen hat, hätte alle Ver-
anlassung zu schweigen und sich zu verkriechen und sich nicht in der deutschen Öffentlichkeit zu produzieren.
Meine Damen und Herren! Wenn ich den Herrn von Rohr höre und sehe, dann denke ich immer an die Rohrdommel, einen sehr schönen Vogel. Die Wissenschaft schreibt von ihm: „Die Rohrdommel wird auch Moorochse genannt."
„Die Farbe ist dunkel- bis hellbraun."
„Er läßt vor allem in der Paarungszeit nachts einen brüllenden Ruf erschallen, und er lebt von Fröschen, Molchen und Wasserkäfern."
Ich sage das, meine Damen und Herren, weil von dieser Sorte Rohrdommeln noch einige in der deutschen Landwirtschaft herumgeistern.
Unserer Landwirtschaft möchte ich von hier aus in aller Deutlichkeit sagen,
daß sie sich von diesen Rohrdommeln nicht verführen lassen und endlich begreifen möge, daß die Zeit der Leibeigenschaft — auch der geistigen Leibeigenschaft — in Deutschland endgültig vorüber ist.
Meine Damen und Herren, daß Spannungen auf bestimmten Gebieten der Ernährungswirtschaft bestehen, ist nicht die Schuld des Ministers und seiner Mitarbeiter, und wir hoffen und dürfen der Zuversicht sein — und da unterscheide ich mich von Herrn Kriedemann —, daß wir über diese Spannungen hinwegkommen. Der Herr Minister darf versichert sein, daß wir ihm dabei helfen, soweit es uns möglich ist.
Wir müssen aber auch den Mut haben, wenn Mangelerscheinungen kommen, die Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, damit jeder auch seinen gerechten Anteil an der vorhandenen Ware bekommt. Es dürfen nicht breite Massen einen größeren Anteil an Mangel bekommen, als ihnen zusteht.
Wenn man den Markt nicht voll sättigen kann, muß man auch den Mut haben, für gewisse Zeit einmal unpopuläre Maßnahmen zu treffen.
Ich bin der Auffassung, daß man die Versorgung der zuckerverarbeitenden Industrie — nach ihrer Wichtigkeit geordnet — für einige Zeit drosseln oder abschneiden kann. Ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn auch nicht sofort, so doch in Zukunft eine Versorgung der Margarine-Industrie mit Rohstoffen aus dem Inlandsmarkt — durch entsprechende Gestaltung und Forderung des Rapsanbaus und der Fischverarbeitung — bis zu drei Monaten herbeiführen können.
Wir müssen aber auch auf eine Vorratswirtschaft hinarbeiten. Es muß unsere Aufgabe sein, bei den wichtigsten Ernährungsgütern der Ernährungswirtschaft so viel Vorräte zusammenzubringen, daß wir für die Dauer eines Wirtschaftsjahres die Preise so halten können, wie es im Interesse einer sozialen Gestaltung des Marktes erforderlich ist.
Man kann sehr wohl die Preise für Getreide, für Zucker und für Fette im Inlande auf einer solchen Höhe halten, daß sie der Landwirtschaft ihre Existenz sichern. Die Preise auf dem Weltmarkt werden ja bei einer friedlicheren Entwicklung unter unsere Preise sinken. Dann müssen wir dafür sorgen, dem sehr „einnehmenden" Herrn Finanzminister die Möglichkeit abzuschneiden, daß er abschöpft. Das Geld, das dort verdient wird, muß benutzt werden, um die Preise der wichtigen Lebensmittel zu senken. Dieses System der Durchschnittspreise hat man in andern Ländern mit Erfolg eingeführt: die Landwirtschaft bleibt gesund, und trotzdem wird dem Verbraucher das Leben erleichtert.
Diese Vorratshaltung ist aber eine Frage der Devisen, d. h. es dreht sich darum, was wir einkaufen können. Es ist doch auch heute noch bei uns so, daß der oberste Ernährungsminister der Präsident der Bank der deutschen Länder ist.
Wenn der- erklärt, die Devisen sind nicht da, dann
kann der Landwirtschaftsminister keine Einkäufe
ausschreiben. Ich bin der Auffassung, daß das Parlament einen Anspruch darauf hat, einmal zu erfahren, wie die Devisenlage im einzelnen ist,
damit man sich ein Bild machen kann und Klarheit darüber bekommt, daß hier nicht nach Grundsätzen gearbeitet wird, die unserer heutigen wirtschaftlichen Lage nicht entsprechen. Wir müssen in der Devisenwirtschaft dahin kommen, daß die Devisen in erster Linie für die Ernährungswirtschaft und die notwendigsten Produktionsgüter in der Industrie benutzt werden und nicht für Einfuhren, die nicht unbedingt erforderlich sind.
Das zweite Hindernis aber neben der Bank der deutschen Länder ist ja die OEEC-Organisation in Paris. Wir hatten ein Notprogramm vorgelegt, und nach diesem Notprogramm sollten für 10 Millionen Dollar wichtige Lebensmittel — darunter allein für über 41/2 Millionen Dollar Margarinerohstoffe — eingeführt werden. Die OEEC hat uns diese 10 Millionen auf 5 zusammengestrichen. 900 000 Dollar sind erforderlich für die Bezahlung von schon schwimmendem Pakistan-Weizen. Es bleiben also 4,1 Millionen übrig. Damit können wir nicht einmal die Margarinerohstoffe hereinholen, die wir dafür hereinholen sollen. Und dann überreicht man uns eine Liste, was wir alles einführen müssen: allein Obst und Gemüse aus den Niederlanden, aus Italien, der Schweiz und Frankreich für 7,7 Millionen; für 1 Million Frühkartoffeln aus Italien! Meine Damen und Herren, das sind die Maltakartoffeln, die sogar in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg als Delikateßkartoffeln galten und niemals einen breiten Absatz hatten.
Dann Wein aus Griechenland für 0,3 Millionen Dollar und Schokolade aus der Schweiz für 0,1 Millionen Dollar! Aber das Reizendste ist folgendes. Da wird uns vorgeschlagen, aus der Schweiz für 10 000 Dollar synthetische Edelsteine einzuführen. Ich weiß nicht, ob Maharadschas und ähnliche Leute in Deutschland vorhanden sind, die ihre Brust mit synthetischen Edelsteinen schmücken wollen!
Dann sind in der Liste Glasschmucksteine aus Österreich für 110 000 Dollar, Brillen-Rohpreßlinge aus Österreich, 30 000 Sensen und Sicheln aus Österreich. Als ob hier im Lande nicht genügend Sensen und Sicheln hergestellt werden könnten! Dann noch Konservengläser aus Österreich.
Meine Damen und Herren, gewiß werden wir von diesen Ländern etwas kaufen müssen; aber in einer Zeit wie heute, in der es an allen Ecken brennt, ist es nicht notwendig, Dinge einzuführen, die wir im Inland in der Form herstellen, wie sie eingeführt werden.
— Herr Mühlenfeld, man wird sich das für einige Monate abschaffen können, um zuerst einmal Ordnung im eigenen Haushalt zu machen und erst einmal dafür zu sorgen, daß wir in der Ernährung aus der Klemme herauskommen.
Ich möchte gerne einmal wissen, ob die Regierung bereit ist, diesen Vorschlag der OEEC zu prüfen und eventuell abzulehnen, oder ob sie gezwungen ist, dazu Ja zu sagen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns aber auch in dem Zusammenhang mit dem ganzen Einfuhrsystem zu beschäftigen. Das Einfuhrsystem, das sich aus der JEIA heraus entwickelt hat, mit termingebundenen Offerten, mit laufenden Offerten und mit dem Reihenverfahren, dem sogenannten Windhundverfahren, hat absolut versagt. Das Offertenverfahren hat zur Folge, daß die Nachfrage im Ausland viel zu groß ist und daß in dem Augenblick der Ausschreibung die Preise steigen. Ich kann den Nachweis führen, daß, wenn 30 000 Tonnen Kubazucker ausgeschrieben waren, die Preise am Weltmarkt bis zu 20 % anzogen, bis wir unsere Käufe getätigt hatten. Dann gingen sie sofort wieder auf den alten Stand zurück. Im Reihenverfahren wird ausgeschrieben. Da kommen dann die Meldungen. Es waren z. B. ausgeschrieben Zitrusfrüchte und Frühgemüse Italien für 1,5 Millionen. Es kamen Offerten für 856 Millionen, und jeder einzelne erhielt 0,17 % zugeteilt.
Diese Dinge sind gemacht worden. Und der Erfolg? Wir atomisieren die Einfuhr und versorgen damit den schwarzen Markt. Es kann ja keiner kontrollieren, vor allem wenn es sich z. B. um Weißzucker handelt, wo diese geringen Mengen bleiben. Wir zerschlagen uns selbst gute Einfuhrmöglichkeiten. Eine solche Einfuhrpolitik kann man nicht Einfuhrpolitik, sondern die kann man nur noch Bauchladenpolitik nennen.
Ich bin dem Minister dankbar dafür, daß er den Anregungen, die wir ihm gegeben haben, gefolgt ist und daß wir in einem kleinen Ausschuß aus dem Ernährungsausschuß dieses Hauses mit der Einfuhrstelle die Frage prüfen. Ich bin überzeugt, daß wir in dieser Frage zu einem positiven Ergebnis kommen werden.
Meine Damen und Herren, ich will damit meine Ausführungen schließen, weil mein Kollege Horlacher noch zu den übrigen landwirtschaftlichen Fragen sprechen will und zu sprechen hat. Ich darf zusammenfassend sagen, daß die Ernährungslage gewiß ernst ist, daß aber zu großen Besorgnissen keine Veranlassung gegeben ist und daß wir, Herr Minister, Sie wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft in Ihrer Arbeit unterstützen werden.