Rede von
Dr.
Otto
Kneipp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Glasmeyer hat den Ausfall an Grundsteuern, die seiner Auffassung nach durch den Bund zu ersetzen wären, auf 40 Millionen DM geschätzt. Ich glaube, mit dieser Schätzung haut er doch ganz wesentlich daneben. Es gibt ganze Landkreise, besonders im Gebirge, bei denen, wenn man den Begriff „Ackernahrung" besonders günstig — in diesem Falle zugunsten der Steuerpflichtigen -- auslegt, 40, 50 und mehr Prozent unter die Vergünstigung dieses Antrags fallen. Das Zentrum hat ja schon vor einiger Zeit in der Drucksache Nr. 1490 einen ähnlichen Antrag gestellt. Durch diesen Antrag sollte eine Änderung des Grundsteuergesetzes in der Art erreicht werden, daß jedem, der keine „Ackernahrung" hat, im Wege der Antragstellung die Möglichkeit gegeben wird, um die Grundsteuerbefreiung einzukommen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat es bei der Beratung des Grundsteuergesetzes, das in einigen Tagen hier verkündet werden wird, abgelehnt, auf den Boden dieses Antrags zu treten.
Es ist der Begriff der Ackernahrung aufgeworfen worden. Kollege Dr. Glasmeyer hat sich bereits zu diesem Begriff geäußert. Wer soll denn nun eigentlich feststellen, wo eine Ackernahrung vorhanden ist? Man hat ja im Dritten Reich den Begriff Ackernahrung durch die Anerbengerichte, Erbhofgerichte und das Reichserbhofgericht schließlich feststellen lassen. Das waren Gerichte, denen ein gewisser Kreis von Sachverständigen zur Seite stand, um den Begriff Ackernahrung jeweils zu klären. Soll es jetzt nun so gemacht werden, daß die Finanzbehörden den Begriff Ackernahrung festlegen? Dazu sind sie gar nicht in der Lage, und man soll den
sowieso übermäßig in Anspruch genommenen Finanzbehörden eine solche Aufgabe gar nicht zumuten. Damit kommen wir nicht weiter.
Schließlich würden auch bei Annahme dieses Antrages und der Gewährung einer solchen Vergünstigung an bäuerliche Betriebe Spannungen im dörflichen Leben entstehen, die wir lieber vermeiden möchten. Wenn diese kleinbäuerlichen Betriebe, denen es bestimmt nicht gut geht — da gebe ich Herrn Kollegen Glasmeyer recht —, von der Grundsteuer freigestellt würden und daneben Arbeiter oder Rentenempfänger oder Wohlfahrtsunterstützungsempfänger in ihren kleinen Häusern die Grundsteuer zahlen müßten, würde das für das dörfliche Leben einfach unerträglich sein.
Es gibt nur eine Lösung: man sollte auf dem Gebiet der Agrarpolitik solche umfassenden Maßnahmen treffen, daß es diesen kleinen Grundsteuerpflichtigen unter einer Ackernahrung so geht, daß sie nicht auf ein Almosen nach dieser Richtung angewiesen sind. Gewiß würden die Gemeinden ein Interesse daran haben, sich diese Steuer vom Bund oder von irgendeiner anderen Stelle ersetzen zu lassen. Auf die verfassungsrechtliche Frage im Sinne des Art. 106 Abs. 2 hat Herr Kollege Dr. Dresbach bereits hingewiesen. Die Gemeinden hätten schließlich ein Interesse daran, möglichst viele Vergünstigungen zu bewilligen, weil sie damit ihre eigenen kleinen Steuerpflichtigen entsprechend begünstigen würden. Meine politischen Freunde glauben, daß die Frage nur auf dem Wege der Schaffung einer vernünftigen Agrarpolitik gelöst werden kann. Ich darf namens meiner Freunde erklären, daß wir bereit sind, eine solche Agrarpolitik unter allen Umständen mit zu unterstützen, bei der auch die kleinen Landwirte entsprechend berücksichtigt werden.