Rede von
Günter
Goetzendorff
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Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Vermuten Sie nicht, daß es der Zweck meiner Ausführungen sein soll, die Ablehnung des Ausschußantrages zu erreichen.
Ich sehe, wie in allen anderen Fällen, der Aufhebung meiner Immunität mit Gelassenheit entgegen, mit der Gelassenheit, die ein gutes Gewissen verleiht.
Es ist lediglich meine Absicht, aus Anlaß dieses bezeichnenden Falles einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Es handelt sich um die Praxis der Immunitätsaufhebung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß seinerzeit der Antrag gestellt wurde, die Immunität des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer aufzuheben. Es war der Vorwurf erhoben worden, er habe einen BHELandtagsabgeordneten einen Gestapospitzel geheißen. Eine niederträchtige Verleumdung, wenn der Tatbestand nicht erfüllt sein sollte und wenn die Äußerung tatsächlich gefallen sein sollte! Doch prompt, wie aus der Pistole geschossen, wurde im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ein Brief des Herrn Bundesfinanzministers verlesen, wonach er ja gar nicht diesen Mann, den Dr. Gille, gemeint habe. Er habe mit dem Gestapoagenten mich gemeint. Den Wahrheitsbeweis ist Herr Fritz Schäffer dann —auf Grund meines Briefes — schuldig geblieben. Ich überlasse es dem Hohen Hause, festzustellen, ob das die Handlung eines Ehrenmannes ist. Jedenfalls hat der älteste Parlamentarier in diesem Hause seinerzeit das fragwürdige Bravourstück des Herrn Schäffer mit dem Ausdruck „Gangstertat" bedacht.
Meine Damen und Herren!
Im Wahlkampf fallen harte Worte. Ich aber bin in der Lage, in der nächsten Zeit der Öffentlichkeit einmal Kenntnis von einem Briefe zu geben — und das wird auch die SPD interessieren —, der von der Kreisgeschäftsstelle der CSU für den Bundestagswahlkreis Passau geschrieben worden ist. Hier sind von dem Kreisgeschäftsführer an den Herrn Bundesfinanzminister direkt pornographische Darstellungen über politische Persönlichkeiten und andere Personen geleistet worden, unterzeichnet „Mit Unionsgruß! Woesner, Geschäftsführer".
Meine Damen und Herren! Der Sinn meiner Ausführungen ist lediglich, darum zu bitten, daß vor dem Hohen Hause Gleichheit herrscht.
Es ist gleichgültig, ob die Angelegenheit eines kleinen Abgeordneten oder des Bundesfinanzministers hier zur Debatte steht. Es hat keinen Zweck, immer wieder mit Lautstärke 9 die Demokratie zu demonstrieren, wenn man deren obersten Grundsatz außer acht läßt; und der heißt doch wohl, daß Demokratie nicht nur das Recht der Mehrheit, sondern auch das Recht der Minderheit bedeutet. Professor Carlo Schmid hat einmal in einem anderen Zusammenhang das Wort von der Politik der via del mezzo gesprochen. Ich möchte
sagen, daß wir dieses Wort auch auf unsere Arbeit anwenden sollten. Wenn wir wie bisher verfahren, dann wird das nicht nur eine Politik der via del mezzo sein, sondern es wird eine via mala geben, die letzten Endes zum Teufel führt, von dem viele hoffen, daß er diese Demokratie hole.