Rede von
Paul
Bromme
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall, der der Drucksache Nr. 2136 zugrunde liegt, verdient deshalb einige Beachtung, weil Vorkommnisse solcher Art geeignet sind, den so notwendigen Widerstandswillen der deutschen Bevölkerung gegen alle Formen totalitärer Infiltration systematisch zu untergraben. Der Bundesminister der Finanzen Fritz Schäffer hat gegen den Abgeordneten Goetzendorff Strafantrag gestellt mit der Begründung, daß dieser am 5. November vorigen Jahres in einer Wahlversammlung in Bogen an der Donau erklärt habe: Wenn es im West-Ost-Konflikt ernst werde, werde der Bundesfinanzminister Schäffer sich auf ein bereitstehendes amerikanisches Schiff setzen und abhauen.
Auf Zurechtweisung hin habe Goetzendorff betont, er sei sich der Tragweite seiner Behauptung bewußt und halte sie aufrecht.
Diese Äußerung ist von dem Abgeordneten Goetzendorff ohne Zweifel in der Absicht gemacht worden, das Ansehen des Bundesfinanzministers in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen. Es ist möglich, daß der Abgeordnete Goetzendorff unter Berufung auf eine von der Hearst-Presse vor einigen Wochen veröffentlichte Information
glaubte, diese Unterstellung machen zu können. Aber aus seiner Kenntnis der Verhältnisse in Bonn mußte er wissen, daß dieser Hearst-Information die sachliche Grundlage fehlt. Jedenfalls hat der Abgeordnete Goetzendorff bisher keine Gelegenheit genommen, seine Behauptung durch Beweise zu erhärten.
Zwar handelt es sich im vorliegenden Falle um eine Beleidigung politischer Art; aber der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität war einmütig der Auffassung, daß der an sich geltende Grundsatz hier nicht zur Anwendung kommen könne, da die beleidigende Äußerung — ganz unabhängig von dem, was im Ernstfall geschehen wird und geschehen muß — wider besseres Wissen gemacht worden und damit möglicherweise der Tatbestand des § 187 des Strafgesetzbuchs erfüllt sei. Im Ausschuß wurde auch erwogen, ob nicht die Vierte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931, die ja nicht außer Kraft gesetzt ist, heranzuziehen ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Worte erinnern: Es gilt, den Anfängen zu wehren! Aber vielleicht ist es angesichts dessen, was sich draußen im Lande tut, besonders in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen, reichlich optimistisch, vom Anfang einer gefährlichen politischen Entwicklung zu sprechen.
Namens des Ausschusses habe ich die Ehre, das Hohe Haus zu bitten, entsprechend seinem Antrage zu verfahren, und die Immunität des Abgeordneten Goetzendorff aufzuheben.