Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Arbeit im Verkehrsausschuß habe ich mich oft gefragt, ob nicht die Kapazität sämtlicher Verkehrsträger in der Bundesrepublik für unsere heutige Wirtschaft zu groß sei. Wir haben heute als Verkehrsträger die Bundesbahn, wir haben die Binnenschiffahrt und wir haben die Straße. Alle zusammen bedingen einen sehr großen Aufwand an Kosten und Investitionen, und ich frage mich deshalb, ob man es verantworten kann, heule noch wesentliche Neuinvestitionen auf dem Gebiete des Verkehrs zu machen, wo doch schon die alten Wege des Verkehrs weitgehend in Unordnung sind und die Verkehrsträger Not leiden.
Es ist ferner darüber gesprochen worden, daß wir unbedingt zu einer Koordinierung des Verkehrs kommen müßten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schwierigkeiten auf diesem Gebiet sind ungeheuer groß, und jeder, der die Arbeit im Verkehrsausschuß miterlebt hat, weiß diese Schwierigkeiten zu würdigen. Früher, als wir das Verkehrsmonopol der Reichsbahn hatten, war es eine einfache Sache, den Verkehr zu regeln. Die Reichsbahn konnte in Deutschland Wirtschaften erblühen lassen, sie konnte sie auch untergehen lassen. Heute ist das Monopol der Rundesbahn durch die Binnenschiffahrt und vor allen Dingen durch die Straße weitgehend durchbrochen, und heute spricht man von einer Notlage der Bundesbahn. Der Straßenverkehr ist eine erhebliche Konkurrenz der Bundesbahn. Ich habe so manchmal das Gefühl, daß die Straße sieh aus dem Gesamtkomplex des Verkehrs gerade die Korinthen herauspickt, also das, was nun mal tarifmäßig begünstigt und deshalb für sie besonders rentabel ist.
Die Bundesbahn hat eine Beförderungspflicht. Sie muß auch all die Güter übernehmen, die nun mal tariflich nicht so günstig liegen und die eben nicht den effektiven Gewinn bringen. Kriegszerstörungen, Überalterungen des Materials, vor allen Dingen des Oberbaues, behindern die Bundesbahn. Wiederherstellung der Bauwerke ist unbedingt notwendig.
Das Schlimmste aber, was die Bundesbahn zu tragen hat, sind die ungeheuren Belastungen, die an und für sich mit ihren Aufgaben nichts zu tun haben. Einer meiner Vorredner sagte bereits, daß 76 % aller Personen, die auf der Bundesbahn fahren, zu verbilligten Tarifen reisen. Der Bundesbahn sind durch die Übernahme der ostvertriebenen Eisenbahner ungeheure soziale Belastungen auferlegt worden. Die Bundesbahn hat meiner Ansicht nach die Aufgabe, durch vorbildliche Verkehrsbetreuung der Wirtschaft zu dienen und als Staatsbetrieb in ihren Leistungen auf diesem Gebiet
mustergültig zu sein. Bei dem heutigen Zustand ist ihr das nicht möglich.
Oft muß ich mich fragen, ob durch diese Belastungen nicht auch die Kreditwürdigkeit der Bundesbahn in erheblichem Maße geschädigt wird. Ohne größere Kredite können wir das größte Vermögen des Bundes nicht wieder in Ordnung bringen. Diese Kredite kann meines Erachtens die deutsche Wirtschaft nicht zur Verfügung stellen, sie müssen vom Ausland zur Verfügung gestellt werden. Ich kann mich aber manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß man sich heute alle Mühe gibt, das 12-Milliarden-Vermögen der Deutschen Bundesbahn restlos zu verwirtschaften.
Beim Straßenverkehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehen die Dinge sehr arg durcheinander, und infolge dieses Durcheinanders sind die Verhältnisse da sehr viel schwieriger. In einer der letzten Sitzungen des Verkehrsausschusses waren Sachverständige geladen, die die Dinge des Verkehrs Von ihrem Standpunkt aus beleuchten sollten. Ich wundere mich, daß man diese Leute noch als ,.Sachverständige" bezeichnet. Man hätte sie als Interessentenvertreter bezeichnen sollen, so arg differierten ihre Meinungen. Es wird eine Sisyphusarbeit für den Verkehrsausschuß sein, diese Meinungen auf den richtigen Nenner zurückzuführen und sie zu koordinieren.
Die Leistungen des Straßenverkehrs konnten bei rien beschränkten Mitteln leider auch nicht auf die Höhe gebracht werden, die man hätte erwarten können. Straßensicherheit bedingt Straßenverbreiterung und Anlage von Radfahrwegen. Die meisten Straßenunfälle werden durch die Radfahrer verursacht. Diesem Übel könnte dadurch abgeholfen werden, daß man an den Hauptstraßen weitestgehend Radfahrwege anlegt.
Manches Sauvorhaben mußte zurückgestellt werden. Im letzten Jahre sind durch Ausschußanträge aus dem Bundestag heraus 18 Bauvorhaben angeregt worden. Die Realisierung dieser Bauvorgaben würde einen Kostenaufwand von fast 1,3 Milliarden DM erfordern. Alle diese Anträge zu realisieren, würde den Zeitraum einer ganzen Generation in Anspruch nehmen. Immerhin sind in diesem Etatjahr 1950 8.6 Millionen DM zur Realisierung dieser Ausschußanträge zur Verfügung gestellt worden. für 1951 weitere 18.7 Millionen DM, und im Nachtragsetat 1951 sind darüber hinaus nochmals 25 Millionen DM dafür vorgesehen. Immerhin etwas! Die Verwirklichung dieser Bauanträge ist zu einem Teil eine unbedingte Notwendigkeit. Die Anträge befassen sich aber teilweise auch mit Neuerschließungen von Gebieten, inbesondere in Süddeutschland, Ober die man geteilter Meinung sein kann. Sie fordern z. B. die Erschließung von Gebieten für den Fremdenverkehr. Man kann auch der Meinung sein, daß es Aufgabe des Verkehrs ist, in erster Linie der Arbeit und dem Werktag zu dienen und dann erst die Mittel für den Sonntag und für das Vergnügen bereitzustellen.
Über die Binnenschiffahrt haben meine Herren Vorredner schon das Nötige gesagt. Dazu nur noch einige Bemerkungen. Im Nachtragsetat sind für gesehen. Ich hoffe, daß dieser Betrag auch wirklich zur Verfügung stehen wird, denn die Konkurrenzfähigkeit der Industriewerke am Nordrand des Industriebezirks bedingt unabweisbar den Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals. Wir können diese Werke gegenüber den Werken am Rhein nicht schlechter stellen; denn das würde den Dortmund-Ems-Kanal 13,5 Millionen DM vor-
wahrscheinlich erhebliche Arbeitslosigkeit bedeuten.
Noch ein Punkt liegt mir sehr am Herzen. Es ist schon gesagt worden, daß das Personal unserer Verkehrsträger in den Nachkriegsjahren Hervorragendes geleistet hat.
Die Zeiten haben sich geändert und die Menschen Gott sei dank mit ihnen. Ich muß schon sagen, daß unser Verkehrspersonal sich zu seinem Vorteil geändert hat. Wir können heute verzeichnen, daß unser Verkehrspersonal sich bemüht, durch Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit einen ausgezeichneten Kundendienst zu üben. Der Angehörige des Verkehrspersonals ist der erste, mit dem der nach Deutschland kommende Ausländer in Verbindung kommt, und der erste Eindruck vom Menschen haftet in der Regel am längsten. So hat das Verkehrspersonal die hervorragende Aufgabe zu erfüllen, für unser Deutschland zu werben. Wir glauben, daß das Verkehrspersonal sich dieser Aufgabe bewußt ist und so das ersetzt, was unseren Verkehrsträgern noch an Bequemlichkeit und Luxus fehlt. In bezug auf Luxus und Bequemlichkeit können wir in Deutschland nicht mit dem Ausland konkurrieren; aber die Menschen können mit jedem im Ausland konkurrieren, und sie sollen unser neues Deutschland durch den neuen Geist, den wir in uns tragen, repräsentieren.
— Das liegt eben daran, daß wir leider bei unseren Verkehrsträgern noch diesen immensen Nachholbedarf haben.
— Nein, kommt nicht in Frage.
Die Aufgabe unseres Verkehrs ist, wie ich schon sagte, der Wirtschaft zu dienen,
aber nicht dadurch, daß sich die einzelnen Verkehrsträger gegenseitig in Konkurrenz bekämpfen. Nein, wir wollen versuchen, sie auf einen Nenner zu bringen, um so zu erreichen, daß sie gemeinschaftlich für unser Deutschland schaffen und arbeiten und so das ihre zum Wohle unseres Vaterlandes beitragen.
Nun zum Antrag des Herrn Kollegen Jahn. Ich bitte, diesen Antrag dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Ich glaube, daß wir nach eingehender Prüfung dieser ganzen Angelegenheit sehr bald zu einem positiven Ergebnis kommen werden und daß dieser Antrag nachher die einmütige Billigung des ganzen Hauses finden wird.