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ID0113406700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 134. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1951 5199 134. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5200B, 5210B Zur Tagesordnung . . . 5203B, D, 5204A, 5210C, 5229D, 5254B, 5256A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Nr. 1907 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Wiederbesiedlung der Insel Helgoland (Nr. 2017 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Sicherung von Eigentum auf der Insel Helgoland (Nr. 2018 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen (Nr. 2019 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen (Nr. 2099 der Drucksachen) . . 5200C Abstimmungen 5200D, 5202B zur Abstimmung bzw. zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5200D, 5202A Frau Dr. Hubert (SPD) 5201A Dr. Wuermeling (CDU) 5201B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5201C Dr. Hammer (FDP) 5202A Bausch (CDU) 5203B Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit (Nr. 1912 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Erhöhungen der Leistungen der Sozialversicherungsgesetzgebung, des Bundesversorgungsgesetzes und der öffentlichen Wohlfahrtspflege (Nr. 2087 der Drucksachen), sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Teuerungszulage als Vorschuß auf die beantragte Erhöhung der Sozialversicherungsrenten (Nr. 2143 der Drucksachen) und in Verbindung mit Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten (Nr. 1925 der Druck- sachen) 5203C, 5210D Mellies (SPD) : zur Geschäftsordnung 5203C zur Sache 5215A Arndgen (CDU), Berichterstatter . 5210D Gengler (CDU), Berichterstatter . 5212A Renner (KPD) : als Antragsteller 5214A als Abgeordneter 5224D Hartmann, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium 5215C Bazille (SPD) 5215D, 5230D Storch, Bundesminister für Arbeit 5217D, 5231D Pohle (SPD) 5218A Horn (CDU) 5219C, 5235A Frau Kalinke (DP) 5222C Dr. Mende (FDP) 5226D Frau Dr. Probst (CSU) 5228B Brese (CDU) 5229D Willenberg (Z) 5231B Abstimmungen 5234D, 5235B Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Freistellung landwirtschaftlichen Kleinbesitzes von der Grundsteuer (Nr 2020 der Drucksachen) 5203D Beratung vertagt 5203 Beratung der Zweiten Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines .Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 2092 der Drucksachen) . .5204A, 5254B Ausschußüberweisung 5204A Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 5254B Beratung der Übersicht Nr. 24 über Anträge von Ausschüssen des Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 128) 5204B Beschlußfassung 5204B Beratung des Antrags der Abg. Dr. Solleder, Dr. Schatz, Strauß u. Gen. betr. Osthilfefonds zur Behebung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Notstandes Ostbayern (Nr. 2069 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, WAV, Z und Gruppe BHE-DG betr. Bildung eines Grenzlandfonds zur Behebung wirtschaftlicher und kultureller Notstände (Nr. 2078 der Drucksachen) 5204B Dr. Solleder (CDU), Antragsteller . . 5204C Dr. Edert (CDU-Hosp.), Antragsteller 5205C Storch, Bundesminister für Arbeit . 5205D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5206A Höhne (SPD) 5206D Dr. Horlacher (CSU) 5207C Müller (Frankfurt) (KPD) 5208D Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . . 5209C Fröhlich (NHE-DG) 5210A Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 5210B Kemper (CDU) 5210B Ausschußüberweisung 5210C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan XII — Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr (Nr. 1913 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Kredite zur Beseitigung des Notstandes bei der Deutschen Bundesbahn (Nr. 2064 der Drucksachen) . . 5235D, 5255D Dr. Bärsch (SPD), Berichterstatter 5235D Walter (DP), Antragsteller 5239C Rademacher (FDP) 5240C, 5254A Gengler (CDU) 5243D Jahn (SPD) 5245A Schulze-Pellengahr (CDU) 5249A Ritzel (SPD) 5250B Pohle (SPD) 5250C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 5250D Mellies (SPD) 5254A Abstimmungen . . . .5253D, 5254A, 5255D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) über den Entwurf einer gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß (Nr. 745, 2139 der Drucksachen) 5254C Ritzel (SPD): zur Geschäftsordnung 5254C als Berichterstatter 5254D Beschlußfassung 5255D Nächste Sitzung 5256D Die Sitzung wird um 9 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Arbeitsministeriums ist deshalb so wichtig, weil dieses Ministerium für Jahrzehnte mit seiner Arbeitsleistung verantwortlich dazu beiträgt, daß der Aufbau in unserem deutschen Vaterlande in Freiheit und weiter in einem Lande erfolgen kann, in dem der soziale Friede gesichert ist. Das Arbeitsministerium hat eine bose Hypothek übernommen. Es hatte die Rechtszersplitterung zu beseitigen, die in der Zeit nach dem Zusammenbruch entstanden ist, und es hatte eine neue Gesetzgebung vorzubereiten und zu schaffen, die ein „Höchstmaß an sozialer Sicherstellung" nach den Prinzipien der Freiheit und der Selbstverantwortung garantiert. Das Ministerium ist kein rettender Engel für alle Nöte, die sich aus den großen sozialen Schwierigkeiten der Nachkriegszeit ergeben haben. Das Ministerium wird auch nicht in der Lage sein, etwa nach jenen psychologisch so oft falsch verstandenen Prinzipien einer „sozialen Sicherheit für alle" ein solches Höchstmaß an sozialer Sicherstellung zu schaffen. Ich muß aber im Namen meiner politischen Freunde sagen: wir wünschen, daß auch in Zukunft die Arbeit des Herrn Bundesarbeitsministers und seiner im letzten Jahr so überaus belasteten Mitarbeiter von der Grundhaltung und der Erkenntnis getragen wird, daß eine umfassende Staatsfürsorge, die eine staatliche Hilfe für alle und für alle Lebenslagen schafft, nicht etwa dazu dient, die sozialen Spannungen unserer Zeit zu lösen, sondern vielmehr dazu beitragen könnte, daß in den einzelnen noch mehr jenes Bewußtsein entsteht, daß der Staat der Helfer in allen Lebenslagen ist und daß damit im einzelnen der notwendige Wille zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung noch mehr ertötet wird. Der Herr Kollege Pohle hat mit Recht charakteriert, daß „die Verwaltungsmühlen sehr langsam mahlen." Er hat das in Abwandlung eines Bibelwortes getan, das allerdings nicht die Verwaltungsmühlen, sondern „Gottes Mühlen" gemeint hat. Nun, auch wir sind der Auffassung, daß die Mühlen des Arbeitsministeriums nicht immer Gottes Mühlen waren. Wir hoffen aber, daß der Geist, der bei der Arbeit des Ministeriums immer über allen Dingen stehen möge, doch ein Geist ist, der von der Verantwortung getragen ist, die nicht nur mit Worten, sondern eben mit Taten bewiesen werden muß.


    (Frau Kalinke)

    Die große Debatte, die um das Bundesversorgungsgesetz und seine Durchführung hier entfacht wurde, ist wahrhaft ernst genug. Sie ist so ernst, daß auch meine Freunde gemeinsam mit dem Kollegen Bazille — und ich meine, mit allen politischen Parteien in diesem Hause—glauben, daß es unmöglich ist, die Prinzipien des Bundesversorgungsgesetzes so, wie sie die Bundesregierung vertreten haben möchte, durch Anwendung fiskalischer Grundsätze in den Ländern zu verwässern, ja, in das Gegenteil umzukehren. Wir verwahren uns hier mit aller Entschiedenheit dagegen, daß das, was in dem Bundesversorgungsgesetz als fortschrittlichem sozialpolitischem Werk der Bundesregierung geschaffen wurde, in den Ländern infolge mangelnder Bereitschaft zur Durchführung der Bundesgesetze nicht zur Verwirklichung kommt. Wir glauben, daß eine sehr große Gefahr in einem falsch verstandenen Föderalismus liegt, der zu schweren, lebensgefährlichen Krankheitserscheinungen im Verhältnis der Länder zum Bund führen könnte, und daß diejenigen, die solche Verantwortung nicht spüren, den wahren Gedanken des Föderalismus zu Tode reiten. Wir erwarten, daß die verantwortlichen Vertreter der Länder —ich bedaure sehr, daß die Bank des Bundesrates völlig leer ist — begreifen, daß sie auf Grund der Bestimmungen im Grundgesetz für die Durchführung der Gesetze die Verantwortung tragen.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Das trifft nicht nur zu für das Bundesversorgungsgesetz, das trifft weitgehend auch zu für das Heimkehrergesetz und für alle die Maßnahmen, die die Bundesregierung mit ihrer Gesetzgebung getroffen hat, um die schweren sozialen Schäden der Nachkriegszeit zu beseitigen. Ich habe gerade in diesen Tagen gehört, welche unerträglichen Folgen die Verschleppungstaktik hat, welche Schwierigkeiten sich aus der Bestimmung über die Genehmigung von Beihilfen zur Berufsausbildung der Heimkehrer ergeben.
    Ich möchte auch noch auf einen Punkt hinweisen, bei dem unseren Freunden in Berlin Gelegenheit gegeben worden ist, zu bekennen, daß sie es mit der Anpassung und der Gegenseitigkeit ernst meinen. Ein Heimkehrer aus dem Bundesgebiet, der in Berlin studiert, kann eine Beihilfe erhalten, aber ein Heimkehrer aus Westberlin, der im Bundesgebiet studieren möchte, hat diese Möglichkeit nicht.
    Der Herr Kollege Horn hat bereits auf die Notwendigkeit der Anpassung Berlins und darauf hingewiesen, daß dem einmal gesprochenen A das B folgen muß. Ich möchte die heutige Deb atte nicht benutzen, um diese Diskussion zu verbreitern, obwohl unendlich viel dazu zu sagen wäre.
    Herr Kollege Pohle hat auf das Selbstverwaltungsgesetz hingewiesen, hat kritisierend dazu Stellung genommen und erklärt, daß es nicht so ausgefallen ist, wie es sich seine Freunde vorgestellt haben. Ich glaube, gerade die Debatten dieser Tage in dem Hohen Hause haben gezeigt, daß die Verantwortung, wie sie sich in der paritätischen Besetzung der Organe, aber mehr noch in der paritätischen Verantwortungsbereitschaft zeigt, da wo es gerade beliebt, übernommen wird, die Übernahme der Verantwortung aber dort abgelehnt werden kann, wo es weniger zweckmäßig erscheint, wo es um die Vertretung irgendwelcher anderer Prinzipien geht. Grundsätzlich können wir nur sagen, daß die Verantwortung zur gemeinsamen Lösung der Probleme sowohl in der
    Wirtschaft wie in der Sozialpolitik unteilbar ist. 1 Man kann nicht sagen, man lehnt sie in der Selbstverwaltung ab, während man sie z. B. in der Mitwirkung und Mitbestimmung konsequent fordert. Ich möchte hinzufügen, daß meine Freunde vom Herrn Bundesarbeitsminister erwarten, daß er alle ihm möglichen und zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen wird, um die Durchführung des Selbstverwaltungsgesetzes zu gewährleisten. Meine Freunde waren auch in den letzten Jahren in den Ländern die Vorkämpfer der Beseitigung einer unheilvollen Rechtszersplitterung,

    (Hört! Hört! links)

    die nicht immer aus dem Willen entstand, Gutes zu schaffen, sondern oft auch aus dem Willen,

    (Zuruf von der KPD: Geschäfte zu machen!)

    eine Partei- und Machtpolitik zu betreiben, was sich dann oft verhängnisvoll auswirkt. Wir hoffen, daß der Herr Arbeitsminister dafür sorgen wird, daß auch in Bremerhaven das Recht der Bundesrepublik endlich wieder gilt, und daß in der Wiedergutmachung, die dort zu erfolgen hat, die Senatoren des Landes Bremen zu dem stehen, was sie als ihren eigenen Antrag im Vermittlungsausschuß gebracht und wir übernommen haben.

    (Sehr gut! rechts.)

    Wir hoffen, daß in der weiteren Auseinandersetzung um die Selbstverwaltung die Prinzipien der Freiheit so weit wie nur möglich beachtet werden, damit sich das hohe Prinzip der Selbstverantwortung der Versicherten und ihrer Arbeitgeber endlich auswirken kann.
    Auch meine Fraktion hat ihren Antrag zur Erhöhung der Renten, den ich hier im Bundestag von dieser Stelle aus begründen durfte, als unabdingbare Forderung in hoher politischer Verantwortung gestellt. Ich möchte dem nur noch hinzufügen, daß es darum geht, festzustellen, — und ich stehe zu jedem Wort, Herr Kollege Pohle, das ich in der Begründung gesagt habe —, daß für diejenigen, die Beiträge geleistet haben, andere Prinzipien gelten müssen als für diejenigen, die sich auf den Staat und seine Fürsorge verlassen, und daß wir nicht damit einverstanden sind, etwa in der Presse diskutierte Möglichkeiten anzuerkennen, von dem Grundsatz auszugehen, daß eine Erhöhung des Konsums der Rentner nicht erfolgen dürfe. Wir wissen, daß viele Rentner überhaupt noch keine Möglichkeit hatten, am Konsum teilzuhaben. Wir sind auch nicht damit einverstanden, daß Versuche mit Verbilligungs- und Wohlfahrtsscheinen etwa bei dem Rentner angestellt werden, der sich auf Grund einer Beitragsleistung einen Rechtsanspruch erworben hat. Wir hoffen, daß die Vorlage des Arbeitsministeriums unseren Wünschen und unseren Gedankengängen Rechnung tragen, also nach den Prinzipien der Versicherungsgerechtigkeit auf gebaut sein wird. Dazu gehört dann auch, daß bei der Neuordnung der Rentenversicherung, von der hier gesprochen ist, bei der Sanierung der gesetzlichen Rentenversicherung die Grenzen des Versicherungszwangs von den Verantwortlichen gesehen werden. Wir wundern uns zwar, daß dieses Problem im sozialpolitischen Ausschuß von seinem Vorsitzenden noch nicht zur Diskussion gestellt wurde, wir sind aber der Meinung, daß es gut ist, daß im Arbeitsministerium in maßvoller Weise und verantwortungsbewußt Untersuchungen durchgeführt werden, die sich darauf beziehen.




    (Frau Kalinke)


    (Zuruf des Abg. Richter [Frankfurt].)

    - Sie haben nachher Gelegenheit, Herr Richter, eine Erklärung abzugeben, warum Sie einen Rückzieher machen!

    (Abg. Richter [Frankfurt]: Ich denke gar nicht daran!)

    Wir sind außerdem der Auffassung, daß die Altersversorgung unserer Handwerker sehr bald geregelt werden muß. Wir glauben, ohne auf Einzelheiten dieser Materie einzugehen, daß uns das Bundesarbeitsministerium in dieser Frage sehr bald konstruktive Vorschläge unterbreiten wird.
    Was die Angestelltenversicherung angeht, so muß ich in diesem Punkte den Herrn Arbeitsminister bitten, doch nun von seiner behutsamen Weise der Stellungnahme einmal abzugehen und endlich klar zu bekennen, daß dem Willen nicht nur der Regierungsparteien, sondern auch der deutschen Angestellten hier endlich Rechnung getragen werden wird. Wir hoffen, daß der Herr Bundesarbeitsminister auch in der Angelegenheit der Errichtung der Bundesanstalt in Berlin ein Fürsprecher der deutschen Angestellten sein wird. Unsere Minister haben im Kabinett diese Frage immer wieder angegriffen, weil die Bundesanstalt zu gleicher Zeit notwendigerweise nicht nur der Angestelltenversicherung als Versicherungsträger, nicht nur den Angestellten für die Erhaltung ihrer Versicherung, sondern auch den vielen Berliner arbeitslosen Angestellten dienen wird, die dort einen Arbeitsplatz finden werden.
    In sehr engem und nicht lösbarem Zusammenhang mit den Problemen der Sanierung der Rentenversicherung steht das Problem des Beitragseinzugs. Wir hoffen, daß unser gut und ausführlich begründeter, im Ausschuß zuruckgestellter Antrag zur zweiten Lohnabzugsverordnung nun endlich zu einer besseren Beitragsgestaltung und einer gerechteren Gestaltung des Verhältnisses von Beiträgen zu Leistungen in der Rentenversicherung führen wird. Wir haben gerade bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Höherversicherung in der Angestellten- und Invalidenversicherung festgestellt, daß ein sauberes Verfahren nur durch die Einführung neuer Marken möglich ist, und in diesem Hause ist mit Mehrheit sowohl dieses Verfahren wie auch die Höherversicherung beschlossen worden. Wir sind der Auffassung, daß wegen der angespannten Finanzlage der Rentenversicherungsträger nicht mehr länger darauf verzichtet werden kann, Beitrag und Leistung in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen. Dazu gehört, daß man bei der Berechnung der Beitragsleistungen der Rentenversicherung nicht mehr von der Möglichkeit und den Vorschriften der Krankenversicherung ausgeht. Die Beitragsleistung ist vielmehr so anzupassen, wie es in der Vergangenheit durch das Markenverfahren nach den Prinzipien eines gerechten Versicherungswesens möglich war. Schon der Gedanke an die Sicherheit sowohl für die Verwaltung der Rentenversicherungsträger und den Staat wie auch für die Versicherten selber mußte dazu führen, daß die zweite Lohnabzugsverordnung entsprechend unserem Antrag so schnell wie möglich beseitigt wird. Wir hoffen auch, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung der Frau, der im Grundgesetz niedergelegt ist, nun endlich auch in der Sozialversicherung verwirklicht wird, und wir erwarten außerdem, daß in der Vorlage die Ungerechtigkeiten der §§ 1274 RVO und 40 AVO im Hinblick auf die Anrechnung von Renten verschwinden.
    Ein Wort noch zur Rentnerkrankenversicherung. Herr Pohle hat auf die großen Gefahren hingewiesen, die in Nordrhein-Westfalen durch die Zulassung neuer Innungskrankenkassen drohen sollen. Er hat sich in diesen Ausführungen wohl auf die „Westfalenpost" bezogen, die behauptet, daß gerade die Ortskrankenkassen durch die Zulassung neuer Kassen besonders belastet werden, weil eben sie die Rentner versorgen müssen. Wir freuen uns, hier feststellen zu können, daß alle Kassen aller Art immer wieder verlangt haben, ihre Rentner selbst zu betreuen. Meine Fraktion bejaht den Grundsatz, daß jeder Rentner, auch im Alter zur Zeit des Rentenempfangs, bei der Kasse versichert sein soll, der er in den Zeiten der Arbeitsleistung Beiträge gegeben hat. Wir verstehen nicht, daß dieselben Ortskrankenkassen, die diese Auffassung vertreten, andererseits von dem Prinzip ausgehen, eine Rentnerkrankenversicherung sei nur bei der Ortskrankenkasse möglich.
    Ich hätte sehr gern noch zu den großen, entscheidenden Aufgaben, den Gemeinschaftsaufgaben der Sozialversicherung, dem vertrauensärztlichen Dienst, der notwendigen Früh-Erfassung von Krankheiten und zu den großen sozialpolitischen Aufgaben, die in der Zukunft für uns gestellt sind, etwas gesagt. Ich bedauere, daß durch die Festlegung einer Redezeit hier nicht die Möglichkeit gegeben ist, bei einem so wichtigen Ministerium auf all die Probleme einzugehen, die auch in der zukünftigen Gestaltung der Sozialpolitik bestimmend sein werden für das Schicksal nicht nur Deutschlands, sondern für die Gewinnung eines wahren sozialen Friedens in der europäischen Völkergemeinschaft.

    (Beifall bei der DP.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Abgeordnete, eine kurze Berichtigung. Sie haben das strapazierte Wort „Gottes Mühlen mahlen langsam" in der Bibel gesucht. Es stammt aus den „Sinngedichten" von Friedrich von Logau aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.

(Große Heiterkeit. — Abg. Renner: Gelernt ist gelernt! — Auch schwach in der Bibel, Frau Kalinke!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hat im November 1949 die Reform der Sozialversicherungsgesetzgebung gefordert. Dabei haben wir drei Ziele herausgestellt: die Erhöhung der Rentenleistungen, die Verbesserung der Krankenkassenleistungen, auch der Leistungen für die Krankenkassenärzte und die Einsparung an Verwaltungskosten und -ausgaben. Dieser unser damaliger Antrag, der erste, der sich mit dem Problem der Reform der Sozialversicherung beschäftigte und hier eingebracht worden ist, hatte dann das Schicksal, daß er im Ausschuß und später im Bundestag beerdigt wurde. Im Sommer 1950, genauer gesagt: am 29. Juli, hat dann die SPD das Problem der Sozialversicherung, der Notwendigkeit der Rentenerhöhung, aufgegriffen mit dem Ergebnis, daß dieser Antrag der Bundesregierung und dem zuständigen Ministerium als Material überwiesen worden ist. Also mindestens seit Juli 1950 liegt ein konkreter Auftrag an das Bundesarbeitsministerium vor, nachdem man unsern Antrag vom November 1949 abgewürgt hatte, das Problem der Sozialversicherungsgesetzgebung anzupacken und zu lösen.


    (Renner)

    Dann hat am 22. Februar dieses Jahres, nachdem sich die Regierung nicht geregt hat, die Fraktion der CDU/CSU den berühmten und berüchtigten Antrag eingebracht, in dem eine Erhöhung der Rentenbezüge um 25% gefordert wird. Am 22. Februar! Und heute haben wir April! Dieser Antrag wurde, verbunden mit einer Interpellation der SPD, meines Wissens am 1. März dieses Jahres behandelt. Der Ausgang war der: Der Regierung wurde ein Beschluß des Bundestages zugeleitet, der lautete, daß eine 25%ige Rentenerhöhung durchgeführt werden solle. Aber was hat sich bei dieser Geschichte herausgestellt? — Ich greife das an dieser Stelle auf, damit es mir ja nicht entgeht. — Was erlebten wir damals bei der Beratung? Damals hat die Sprecherin der SPD, Frau Kollegin Korspeter, mit Recht heftige Angriffe gegen das saumselige Arbeiten des Arbeitsministeriums vorgebracht. Die CDU reagierte mit der Feststellung — immer laut Protokoll nachzulesen —, daß ja die Sozialdemokratie in den Ländern für die Politik der Länder auf diesem Gebiet verantwortlich sei und bisher die Länder allein auf diesem Gebiet zuständig wären. Heute erleben wir im Zusammenhang mit der Kriegsopferversorgung noch eine neue Variante dieses Spiels um die angebliche Verantwortlichkeit. Heute erleben wir, daß Sozialdemokraten und CDU für die wirklich jammervolle Art der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes die Landesbehörden verantwortlich machen.
    Nun, das stimmt doch nicht. Man wußte doch ganz genau, welche Möglichkeiten dieses Bundesversorgungsgesetz den Landesbehörden gab. Wir haben ja bei der ersten Lesung dieses Gesetzes genau und klar auf diese Möglichkeiten hingewiesen. Wir haben damals die Frage gestellt: Ist eine Umanerkennung beabsichtigt, wird also in jedem Rentenfall auf Grund des neuen Gesetzes ein neuer Rentenbescheid erteilt? — „Jawohl!", hat man uns gesagt. Das haben wir mit der Feststellung quittiert, daß dann zwingend dieses neue Gesetz zu einer Rentenquetsche werden müsse. Der Erfolg ist da! Im Lande Nordrhein-Westfalen lagen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes 200 000 alte, unerledigte Rentenanträge vor. Statt nun diese alten Rentenanträge vorzunehmen und zu erledigen, hat man sich in Überstundenarbeit auf dieses neue Gesetz gestürzt mit dem Ergebnis, das hier zu recht heftigst beklagt worden ist. Aber man wußte das doch, und die Behörden haben doch nur das ausgenutzt, wozu ihnen dieses Gesetz eine Möglichkeit gab, nämlich Geld einzusparen, die Kriegsopfer in ihrer Gesamtheit soundso viel schlechter zu stellen, als das vordem der Fall war.
    Wir haben ja schon vor Monaten auf dieses Riesenantragsformular hingewiesen, das nach dem hier bereits einmal von Herrn Kollegen Bazille zitierten Artikel in 70 verschiedenen Vordrucken und Fragebogen, die bis zu 65 Fragen enthalten, ausgefüllt werden muß. Auch das ist nicht eine kommunistische Hetze, wenn ich es hier feststelle. Dieser Fragebogen war nun meines Wissens im Bundesarbeitsministerium schon im November oder Dezember vorigen Jahres fertig. Er war also schon fertig, bevor noch das Gesetz überhaupt in Bearbeitung genommen wurde.

    (Zuruf in der Mitte: Gut gearbeitet!)

    — Ja, das beweist, daß Sie in der Beziehung gut
    gearbeitet haben, daß Sie diese Formulare voraus-
    ahnend erdacht haben, deren Beantwortung einem
    normalen Sterblichen außerordentlich große
    Schwierigkeiten macht. Da fehlt nämlich fast nichts mehr außer etwa der Angabe über die Halsweite; sonst ist da alles drin: Vermögen, eigenes Einkommen, Einkomen der Frau, Einkommen der Kinder, Einkommen aus Renten. Warum das alles? Sie wußten doch, daß diese Einkommen alle auf die Renten angerechnet werden. Wir haben Sie doch vor diesen Auswirkungen gewarnt! Sie wußten doch, was kam, daß z. B. - ich zitiere da das Organ „Reichsbund" —, die Bestimmungen über die Elternrente dazu führen müßten, daß mindestens 400/o aller bisherigen Empfänger von Elternrente keine Renten mehr oder nur noch Teilrenten erhalten würden. In dem zitierten Artikel des Herrn Kollegen Bazille heißt es an einer Stelle:
    Was soll man aber weiter dazu sagen, wenn
    man als Auftakt der Umanerkennung einer
    86jährigen Kriegermutter, die im letzten Krieg
    4 Söhne verloren hat, die Rente entzieht?
    Der Fall ist meines Wissens in Köln passiert. Die Frau hatte, soviel wir informiert sind, ganze sechs Mark mehr an Einkommen, als sie haben durfte, um in den Genuß der Kriegerelternrente zu kommen.
    So liegen doch die Dinge. Und wenn dieses Gesetz, das „Gesetz des guten Willens", das man ja bei der Verabschiedung nicht genug mit Vorschußlorbeeren belegen konnte,

    (Zuruf in der Mitte: Ach! Nun mal langsam!)

    zu einer Katastrophe für die Kriegsopfer wurde, dann kommen Sie mir heute ja nicht mit der Feststellung, daß die Landesbehörden daran schuld seien. Die Landesbehörden könnte man, da man sie ja in der Frage der geldlichen Bezuschussung in der Hand hat, schon zwingen, wenn man wollte, eine — angeblich gewollte — saubere und gute Durchführung dieses Gesetzes vorzunehmen.
    Ich darf bei der Gelegenheit aber noch auf eines hinweisen. Im November 1949 haben wir Kommunisten den Antrag gestellt, die Rentenbezüge von damals um 60 % zu erhöhen. Wir haben im Dezember 1949 den Antrag gestellt, eine dreizehnte Monatsrente zu bewilligen. Wir haben im Februar vorigen Jahres den Antrag gestellt, ein Überbrükkungsgesetz zu schaffen. Alle Anträge wurden abgelehnt. Wir wußten ganz genau, wie lange die Kriegsopfer warten müßten, bis das neue Gesetz durchgeführt wird. Drei oder vier Jahre werden wahrscheinlich noch darüber vergehen, bis der letzte auf Grund dieses neuen Rentengesetzes seinen Umanerkennungsbescheid oder seinen Erstbescheid in der Hand hat. Wir waren als einzige Organisation für das Prinzip der ungeteilten Rente. Wir haben uns bei der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes als einzige Fraktion gegen die Anrechnung des Einkommens aus Arbeit und sonstigen Einkommens — Einkommen aus Vermögen und aus Rentenbezügen der Invaliden- und Angestelltenversicherung — gewendet. So liegen die Dinge. Also kommen Sie doch heute nicht mit der Klage, die bösen Landesbehörden seien dafür verantwortlich, daß es draußen diesen — berechtigten — Sturm der Empörung gibt, der die Leitung dieser Organisation — des VdK — zu diesem Artikel gezwungen hat: „Der Zug führt in den Abgrund!" Die Einleitung hat Herr Kollege Bazille ja vorgelesen.
    Ich möchte an dieser Stelle nur feststellen: Wir haben weder Illusionen gehabt bei der Verabschiedung des Gesetzes, noch haben wir draußen bei den


    (Renner)

    Kriegsopfern Illusionen erzeugt. Aber darf ich daran erinnern: als wir uns bei der Endabstimmung der Stimme enthalten haben, wie hat man uns da draußen in der Öffentlichkeit für diese angebliche Ablehnung des Gesetzes durch den Dreck gezogen!

    (Zuruf rechts: Ach, nein!)

    Wir wußten, was los ist, was das Gesetz bedeutet; wir wußten z. B., daß es in der ganzen französisch besetzten Zone eine generelle Verschlechterung der Rentenbezüge bringt. Nun will ich einmal den Versuch machen, diese unsere Feststellungen durch Protesterklärungen zu erhärten, die Ihnen ja genau so wie mir aus dem Lande zugehen — vielleicht bekommen Sie noch einige mehr, weil Sie ja die für dieses Gesetz Verantwortlichen sind.