Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der Redner der sozialdemokratischen Fraktion hat einleitend Kritik daran geübt, daß seitens der Regierung der Bundestagsbeschluß vom vergangenen Jahr noch nicht durchgeführt worden ist. Wenn man der Frage etwas nachgeht, ergibt sich ohne weiteres eine Beantwortung. Es dürfte auch Ihnen nicht unbekannt sein, daß die Amerikaner gar kein Interesse daran haben, in diesen Grenzgebieten irgenwie eine Wirtschaft aufzubauen und ein gesundes soziales Leben zu schaffen.
— Ich werde das gleich belegen! — Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, daß die Amerikaner im Zuge ihrer Kriegspolitik daran interessiert sind, in den sogenannten Grenzgebieten eine tote Zone zu schaffen. Auf einer Sitzung nordostbayerischer Wirtschaftler in Selb war der Vertreter des
amerikanischen Hohen Kommissars, ein gewisser Mr. Buttenwieser. Er erklärte auf dieser Sitzung, daß die Industrie im Interesse des amerikanischen kalten Krieges ihre Belange zurückstellen und gemeinsam mit den Amerikanern kämpfen müsse. Auf dieser Sitzung waren unter den Vertretern der Industrie — ich greife dieses Beispiel heraus —, auch solche der Porzellanindustrie und der Textilindustrie anwesend. Sie wandten sich mit aller Schärfe gegen die amerikanische Politik, durch die Nordostbayern und die Oberpfalz zu einer toten Zone gemacht werden sollen. Ich sagte bereits vorhin: das bezieht sich nicht nur auf Bayern, sondern auf sämtliche übrigen sogenannten Grenzgebiete. Es waren der Vertreter der Porzellanindustrie Dr. Rudolf Sies und neben ihm der Vertreter der Textilindustrie Direktor Lindner, die darauf hinwiesen, daß allein in diesen beiden Industrien rund 100 000 Beschäftigte in die große Gefahr der Arbeitslosigkeit geraten würden, daß vor allem — und dagegen wandten sich besonders die Vertreter der Wirtschaft — die amerikanischen Eingriffe in den Export westdeutscher Industrieprodukte nach der Tschechoslowakei zur Folge gehabt haben, daß die so dringend benötigte Braunkohle aus der Tschechoslowakischen Volksrepublik ausgeblieben ist. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, daß die Porzellanindustrie zu rund 80 % kurzarbeitet, da sie das hochwertige Kaolin aus dem Karlsbader Becken, aus der tschechoslowakischen Volksrepublik angewiesen sei und daß auf Grund der Verhinderung des Exports durch die Maßnahmen der Amerikaner die Belieferung mit diesem für die Porzellanindustrie so notwendigen Stoff eingestellt und damit eine sehr schwere wirtschaftliche Gefährdung eingetreten sei. Es wurde in derselben Sitzung verlangt, daß Maßnahmen zur Versorgung Nordostbayerns mit der tschechischen Braunkohle eingeleitet werden, die insbesondere für die Glasindustrie von so entscheidender Bedeutung ist — ich brauche das hier nicht zu wiederholen; alles dies ist Ihnen ja zum großen Teil bekannt —, da gerade die Glasindustrie auf diese hochwertige tschechische Braunkohle angewiesen ist. Die Folge ist, daß sich der Bundestag jetzt mit der Frage der Hilfe für diese ganzen Gebiete beschäftigen muß.
Was die Maßnahmen anlangt, die seitens der Bundesregierung eingeleitet worden sind, so stelle ich die Frage: Warum ist im März die Ersatzlieferung für tschechische Braunkohle, die zu 90 % für dieses Gebiet zugesagt war, auf 10 % reduziert worden, so daß die Industrie- und Handelskammer in Nürnberg beim Bundeswirtschaftsministerium gegen die Reduzierung Einspruch erheben und auf die schweren Gefahren dieser Reduzierung hinweisen mußte? Die Kammer erklärte, daß die Verminderung der Belieferung mit Braunkohle auf nur 10 % schwere Gefahren in sich berge, daß eine Belieferung mit nur 10 % wertlos sei, da mit dieser Menge die Kalkbrennbetriebe nicht annähernd in Gang gehalten werden könnten, vielmehr die gesamte nordbayerische Kalkindustrie sofort, und zwar vollständig, stillgelegt werden müßte. Die Kammer weist dann noch auf die Folgeerscheinungen hin, die sich daraus ergeben.
Meine Damen und Herren! So wie die Verhältnisse in den Ostgebieten Bayerns liegen, so liegen sie auch in den anderen sogenannten Grenzgebieten, ob es sich nun um Nordhessen und Sontra, um Niedersachsen, um Schleswig-Holstein oder andere Gebiete handelt. Die entscheidende Ursache liegt in der Tatsache, daß durch die Grenzziehung, die von den Amerikanern im Interesse ihrer Politik durchgesetzt worden ist und aufrechterhalten wird, die Bevölkerung auf das schwerste leiden muß. Wir sind der Meinung, daß, wenn man den beiden Anträgen auf Hilfe für diese Gebiete zustimmt, gleichzeitig ein Ergänzungsantrag angenommen werden muß, den ich auch dem Ausschuß zu überweisen bitte. Dieser Antrag verlangt, daß ein besonderer Ausschuß zu schaffen ist, der im Einvernehmen mit den zuständigen Regierungen den Einsatz der Mittel zweckgebunden durchführen soll. Wenn wir auch den Anträgen zustimmen, so möchte ich doch feststellen, daß wir so lange Zuschüsse für diese Gebiete werden leisten müssen, daß es so lange ein Faß ohne Boden sein wird, als nicht die Grundfrage geklärt und gelöst wird, nämlich die Trennung Deutschlands überwunden und Deutschland einheitlich und unabhängig wird. Dann wird diesen Gebieten durch den freien innerdeutschen Handel, den freien Export mit allen Ländern geholfen sein. Das ist die entscheidende Frage, zu deren Lösung sich alle Einsichtigen zusammenfinden müssen.