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ID0113206800

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    Deutscher Bundestag - 132. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1951 5061 132. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. April 1951 Geschäftliche Mitteilungen 5062A Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 5062B Gesetz zur Verlängerung der Wahlperiode der Landtage Baden und WürttembergHohenzollern 5062C Gesetz zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister 5062C Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen . 5062 C Anfrage Nr. 174 der Abg. Dr. Wuermeling u. Gen. betr. Existenzsicherung der Familien der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes (Nrn. 2072 und 2138 der Drucksachen) 5062C Änderungen der Tagesordnung 5062C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Nrn. 1858, 2042 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Nr. 2117 der Drucksachen) 5062D, 5089B, 5110D, 5111C Henßler (SPD) 5062D Dr. Seelos (BP) 5067B, 5115B Sabel (CDU) 5067D, 5113D Walter (DP) 5069C Harig (KPD) 5070B, 5114D Determann (Z) 5072B Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 5072C 5075C, 5082D Loritz (WAV) 5074C, 5115D Dr. Koch (SPD) 5074D Bergmann (SPD) 5075B Euler (FDP) : zur Sache 5075C, 5086D zur Geschäftsordnung . . . . 5111A, B, 5112B, D, 5114B Müller (Frankfurt) (KPD) . . . . 5076B, 5079C, 5085A, D Ewers (BP) 5077A Imig (SPD) 5078C Dr. Wellhausen (FDP) . . . 5079A, 5086A Ehren (CDU) 5080B Dr. Schöne (SPD) 5081D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5083A Dr. Ollenhauer (SPD): zur Sache 5087B zur Geschäftsordnung . . 5088D, 5110D Dr. Ehlers, Präsident . . . 5087D, 5088D, 5089B, 5111B, C, 5112D, 5113B, C, 5114B Dr. von Brentano (CDU): zur Sache 5088C zur Geschäftsordnung 5111A Löbe (SPD) 5089A Unterbrechungen der Sitzung . . 5089B, 5111C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) (zur Geschäftsordnung) 5112B Dr. von Merkatz (DP): zur Geschäftsordnung 5113A zur Sache 5114A, 5115B Ritzel (SPD) (zur Geschäftsordnung) . 5113B Persönliche Bemerkungen: Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 5116A Wonner (SPD) 5116B Dr. Mühlenfeld 5117A Abstimmungen 5075D, 5076C, 5080C, 5083C, 5085C, 5086B Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nrn. 1306, 2075 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 129) 5089C Dr. Wuermeling (CDU) . . 5089D, 5107B Erler (SPD) 5091A Fröhlich (BHE-DG) . . . . 5092D, 5110A Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5093D Farke (DP) 5094B Loritz (WAV) 5094C, 5100B Dr. Nowack (Rheinland-Plaz) (FDP) 5094D, 5109C, D Renner (KPD) 5096B, 5102B Dr. Reismann (Z) 5097C Dr. Miessner (FDP) . 5097D, 5104B, 5108B Dr. Reif (FDP) 5099A, 5108C Farke (DP) 5099D, 5105B, 5106C Mellies (SPD) 5101A, 5105B Freiherr von Aretin (BP) 5101C Jacobi (SPD) 5101D Kuntscher (CDU) 5103A Görlinger (SPD) 5103D Matzner (SPD) 5106A Dr. Kleindinst (CSU) . . . 5108A, 5109B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5108D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5110A Dr. Ehlers, Präsident 5110B Abstimmungen . . 5097D, 5099B, 5104C, 5105D 5107B, 5108B, 5109A, 5110B, D, 5111A Nächste Sitzung 5117C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Franz-Josef Wuermeling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, die den Gesetzesauftrag des Art. 131 des Grundgesetzes notwendig machte, ist der Zusammenbruch von 1945 mit seinen nur allzubekannten Auswirkungen. Das hier geregelte Gebiet betrifft einen Teilausschnitt aus dem Chaos des Unrechts und der Ungerechtigkeit, das uns vom sogenannten Dritten Reich als schicksalsgeschlagenen Erben hinterlassen wurde, Erben, meine Damen und Herren, die leben wollen in gerechter sozialer Ordnung, die aber immer wieder erkennen müssen, daß diese Sisyphusarbeit nur Stück fur Stück mit unendlich viel Geduld und mit noch mehr sozialem Gerechtigkeitssinn erfolgreich geleistet werden kann.
    Nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz vom vergangenen Jahre, nach dem der Wiedererrichtung zerstörter Heime dienenden ersten Wohnungsbaugesetz vom vergangenen Jahr, nach er kürzlichen Erhöhung der Arbeitslosenunterstützungssätze und im Höhepunkt der Ausschußberatungen über das Lastenausgleichsgesetz verabschieden wir dieses Gesetz jetzt zu einem Zeitpunkt, in dem die endgültige Sanierung der Sozialversicherung in Angriff genommen ist und in dem die vom Bundestag eindringlichst geforderte unerläßliche erneute Erhöhung der Sozialrenten unmittelbar bevorsteht. Meine Damen und Herren, ich möchte namens unserer Fraktion in diesem Zusammenhang keinen Zweifel darüber


    (Dr. Wuermeling)

    lassen, daß die ganz kurzfristige Erhöhung der Sozialrenten in dem vollen von uns geforderten Ausmaß für uns eine unabdingbare Voraussetzung für die Verabschiedung dieses Gesetzes ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir erwarten und fordern vom Herrn Finanzminister und vom Herrn Arbeitsminister, daß diese Voraussetzung einschließlich der Einbringung der erforderlichen Deckungsvorlagen ohne jede Verzögerung erfüllt wird.
    Man kann dieses Gesetz nicht ganz losgelöst von allen diesen drängenden Nachkriegsproblemen sehen, und in dieser Verbundenheit mit der Gesamtheit der Nachkriegsprobleme liegt die eigentliche Problematik dieses Gesetzes begründet. Als Mitglied desjenigen Ausschusses dieses Hauses, der sich nun sechs Monate lang unter Einsatz aller Kräfte bemüht hat, dem Personenkreis des Art. 131 nun endlich, endlich sein Recht werden zu lassen, darf ich mit besonderer Betonung darauf hinweisen, daß wir dieses Gesetz nicht ausschließlich unter formalrechtlichen Gesichtspunkten sehen dürfen, sondern daß auch soziale, allgemeinpolitische, beamtenpolitische wie auch technische und nicht zuletzt auch finanzielle Gesichtspunkte für die Betrachtung und Beurteilung maßgebend sein müssen.
    Keine Schicht der Bevölkerung kann für sich das Recht in Anspruch nehmen, als einzige ihre Forderungen gegen die staatliche Gemeinschaft hundertprozentig erfüllt zu bekommen, während andere nicht weniger von der Katastrophe des Jahres 1945 betroffene Volkskreise ihre ebenfalls begründeten Rechtsansprüche noch nicht erfüllt sehen oder sich mit Teilleistungen abfinden müssen. Sicherlich weisen die Staatsdiener, also die Behördenbediensteten und die Berufssoldaten mit vollem Recht darauf hin, daß sie als Staatsdiener einen urkundlich begründeten Anspruch auf Erfüllung der Treupflicht auch seitens der staatlichen Gemeinschaft haben und daß selbst im Konkurs des Privatrechts die in einem Betrieb Beschäftigten bezüglich ihrer Lohn- und Gehaltsforderungen bevorrechtet sind. Dieser Gesichtspunkt ist bei den Beratungen des Beamtenrechtsausschusses in einem solchen Ausmaß berücksichtigt worden, daß es für manchen nicht einfach sein wird, andere Volksschichten von der Richtigkeit des Ergebnisses der Beratungen, wie es Ihnen vorliegt, zu überzeugen.
    Wir müssen in diesem Zusammenhang ganz eindeutig und klar den Grundsatz herausstellen, daß die Rechtsansprüche jedes Staatsbürgers gegen die staatliche Gemeinschaft ihre natürlichen Grenzen finden an dem nicht weniger berechtigten Anspruch anderer Volksschichten auf das Existenzminimum, das ein menschenwürdiges Leben gewährleistet.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dieser Satz, meine Damen und Herren, bedeutet in keiner Weise, daß die Ansprüche der Staatsdiener etwa denen der Sozialrentner oder sonstigen Rentenempfänger mehr oder weniger angeglichen werden sollen. Er bedeutet aber, daß die Regelung nach Art. 131 nicht ausschließlich auf die noch so berechtigt erscheinenden Ansprüche des betroffenen Personenkreises gegenüber ihren früheren Anstellungskörperschaften abgestellt werden kann, sondern auch im Blick auf die ungeheure Not breitester Volksschichten bei den Rentenempfängern zu treffen ist.
    . (Sehr richtig! in der Mitte.) Höchstes Prinzip, meine Damen und Herren, ist nicht das' formalistische Recht, sondern das höchste Prinzip ist und bleibt, zumal nach einer Katastrophe, wie sie hinter uns liegt, die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit im formalen Recht.

    (Sehr richtig! und Sehr gut! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren! Wir haben bei der Ausarbeitung des Gesetzes — um das nochmals zu sagen — so weitgehend, ja vielfach so hundertprozentig die Erfüllung der Rechtsansprüche des betroffenen Personenkreises auf den Bund übernommen, daß weite Volksschichten uns dieserhalb angreifen werden. Wir haben aber gehandelt im vollen Bewußtsein unserer Verantwortung gegenüber allen Volksschichten, die ja schließlich alle ein echtes Interesse an der Erhaltung des Rechtsbewußtseins und auch an der Erhaltung der Einrichtung des Berufsbeamtentums haben.
    Alle diese Gesichtspunkte, meine Damen und Herren, möge man von beiden Seiten beachten, werten und würdigen. Gewiß können über diesen oder jenen Punkt, der in diesem Gesetz geregelt ist, verschiedene Meinungen bestehen, nach der einen wie nach der andern Seite hin. Man möge im Lande draußen auf allen Seiten immer wieder daran denken, daß leitend für unsere Arbeit die Gesichtspunkte des Rechtes, der sozialen Gerechtigkeit und des Staatswohles gewesen sind. Der Kreis der unter Art. 131 fallenden Personen, dem nun endlich nach langen Jahren der Entrechtung und des bitteren Wartens wieder sein Recht wird, möge die gewaltige Kraftanstrengung unserer zerschlagenen Heimat werten und ihr durch vollen persönlichen Einsatz bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung auch auf anderen Gebieten danken, damit uns durch gemeinsame Arbeit aller Volksschichten eine nochmalige Katastrophe wie die vergangene erspart bleibt.
    Die letzte Ursache all unserer gegenwärtigen Not ist begründet in dem Verlassen der Grundsätze demokratischer Ordnung und der für die ganze zivilisierte Menschheit bestehenden sittlich bindenden Gesetze. Möge die Verabschiedung dieses Gesetzes dazu beitragen, daß die Grundlagen der Demokratie, des Rechtes und der sozialen Gerechtigkeit nach allen Seiten in unserem gesamten Volk gestärkt und vor allem auch von denjenigen vertreten werden, für die nun die gewaltige Leistung dieses Gesetzes bewirkt wird. Jetzt soll nach langen, bitteren Jahren der Not und Entrechtung endlich wieder Recht und Gerechtigkeit auch für den unter Art. 131 fallenden Personenkreis gelten. Jetzt ist auch Schluß mit jeder Diffamierung, und gleiche Rechtsgrundsätze für einheimische wie vertriebene Beamte und Berufssoldaten sind gesetzlich sichergestellt. Nun gilt für jeden erst recht die volle Verpflichtung zu letztem persönlichen Einsatz für den weiteren Wiederaufbau unserer Heimat und die volle persönliche Verpflichtung zur Mitarbeit mit allen demokratischen Kräften, die sich — wahrlich im Schweiße ihres Angesichts — in der unendlich schweren, opferreichen Arbeit am Wiederaufbau unseres Vaterlandes verzehren.
    In diesem Sinne, meine Damen und Herren, möge dieses Gesetz ein Baustein sein für Recht, Ordnung und sozialen Frieden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)




Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.

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    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Art. 131 des Grundgesetzes verpflichtet uns, die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, durch Bundesgesetz zu regeln. Bei der Einbringung der Vorlage in diesem Hause hat der damalige Herr Innenminister Heinemann festgestellt, daß eigentlich niemand mit diesem Gesetz so recht glücklich sei und daß wohl niemand froh sei darüber, welche Fassung er dem Hause jetzt präsentieren könne. Sicher würden die Betroffenen die mangelnden Leistungen des Gesetzes beklagen, die Steuerzahler würden nicht sehr glücklich sein über die Last, die damit allgemein auf die öffentlichen Haushalte gelegt werde, und — nicht zu vergessen — schließlich würden die großen Massen der anderen Geschädigten des letzten Krieges in diesem Gesetz eine Bevorzugung gerade der Angehörigen des öffentlichen Dienstes erblicken. Es allen gleichermaßen recht machen — so war damals die Meinung des Herrn Innenministers — könne diese Vorlage nicht.
    Ich glaube kein Wort zuviel zu sagen, wenn ich feststelle: Der Herr Innenminister hat damals auch vorausgesehen, wie es uns allen ums Herz ist, wenn wir dieses Gesetz endgültig verabschieden. Dieses Gefühl wird niemand von uns los, auch nicht heute in dieser Stunde. Wir haben sicher versucht, aus der Vorlage das Bestmögliche und Gerechtestmögliche zu machen. Aber so mancher mag von Neid erfüllt sein, wenn er in seiner eigenen bedrängten Lage nun auf die Begünstigten dieses Gesetzes blickt. Dem können wir nur entgegensetzen: Der Neid ist immer ein böses Gefühl und ist immer ein schlechter Ratgeber. Es kann nie die Parole sein, ein bestimmtes Gesetz, das einen Fortschritt darstellt und bestimmte Verbesserungen bringt, nun zu verschlechtern, sondern die Parole für die anderen Geschädigten muß doch sein, ihr eigenes Los und die für sie in Frage kommenden Gesetze auf das gleiche Niveau zu bringen, das wir dieser einen Gruppe zubilligen.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Wir haben hier eine ziemlich großzügige Regelung getroffen, das wollen wir gar nicht verschweigen, und wir wollen uns doch bei diesem Gesetz selber das Versprechen gegenseitig abgeben, daß wir mit dem gleichen Maß von Wohlwollen auch für die anderen in Not befindlichen Geschädigtengruppen eintreten werden; sonst gibt es hier eine gewisse Verbitterung und Schiefheiten.
    Rechtsansprüche gegen den Bund — davon war in den Eingaben gerade der Geschädigtengruppen viel die Rede — standen allenfalls den früheren Reichsbediensteten und denen des Landes Preußen zu. Die anderen hatten durch das Grundgesetz nur einen Anspruch auf Regelung ihrer Rechtsverhältnisse. Wie diese zu regeln waren, steht überhaupt nicht im Grundgesetz. Nun hat dieses Gesetz in großzügiger Weise den gesamten öffentlichen Dienst einschließlich der früheren Wehrmacht als Einheit aufgefaßt. Es sorgt für den vertriebenen Gemeindebeamten, obwohl sein Dienstherr gar nicht mehr vorhanden ist. Das folgt aus der auch von uns ausgesprochenen Anerkennung des Berufsbeamtenturns. Der moderne Staat braucht fachlich gut geschulte Spezialisten, die mit ihrer Ausbildung kaum eine andere Verwendungsmöglichkeit haben. Wir wissen es. Die öffentliche Hand ist der alleinige Arbeitgeber dieses Personals. Schon aus diesem Tatbestand ergibt sich auch die besondere Stellung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes.
    Wer sorgt aber für den heimatvertriebenen Arbeiter oder Angestellten, der doch gleichfalls seinen Arbeitsplatz verloren hat? Für den öffentlichen Dienst haben wir mit diesem Gesetz ein Stück Lastenausgleich, auf das die andern alle warten, vorweggenommen, und zwar ein erhebliches Stück. Das wollen wir einmal offen aussprechen. Dieses Gesetz kostet uns 750 Millionen DM, während das gesamte Lastenausgleichaufkommen — einmal vorausgesetzt, die Vorlage geht so durch, wie wir sie jetzt haben — auch nur 13/4 Milliarden DM im Jahre beträgt. Es handelt sich also schon um ein erhebliches Maß an Wohlwollen, das wir diesem betroffenen und geschädigten Personenkreis entgegenbringen. Wollen wir nun hoffen, daß beim endgültigen Lastenausgleich auch die geschädigten anderen Arbeitnehmer vernünftig behandelt .werden, aber vor allem, daß wir durch eine konsequente Politik der Vollbeschäftigung denen, die heute zu einigen Hunderttausend gerade in den Kreisen der Heimatvertriebenen an der Arbeitslosigkeit beteiligt sind, endlich Arbeitsplätze beschaffen können. Denn der Hauptton dieses Gesetzes liegt ja nicht allein auf der materiellen Versorgung Unbeschäftigter, sondern gerade auf der Unterbringung. Darauf haben wir ja besonderen Wert gelegt. Die Unterbringungsvorschriften für den öffentlichen Dienst entsprechen dem, was wir ohne Zwang durch die Politik der Vollbeschäftigung auch für die anderen heute noch arbeitslosen Vertriebenen erreichen können.
    Ein anderes Kapitel ist das der Berufssoldaten. Der Berufssoldat ist vom Gesetz als gleichberechtigter Staatsdiener anerkannt. Wir wünschen keine Benachteiligung, aber auch keine Bevorzugung der Berufssoldaten gegenüber den übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Immerhin bestand doch Deutschlands kämpfende Truppe aus den meisten Söhnen seines Volkes und nicht nur aus denen, die sich einst den Soldatenberuf als Lebensberuf erwählt hatten. Ein Beispiel: Denken wir doch einmal an den Jahrgang 1915! 1936 wurde der junge Mann zum Arbeitsdienst eingezogen. 1937 fing er seine zweijährige Heeresdienstpflicht an abzudienen. Dann kam der Krieg, die Kriegsgefangenschaft und die Heimkehr aus Rußland, etwa im Jahre 1950. Das bedeutet, daß der Mann jetzt ohne Ausbildung für irgendeinen Beruf im Alter von 35 Jahren 14 bis 15 Jahre seines Lebens praktisch im Heeresdienst verbracht hat. Wer billigt 'diesem Mann irgendwelche Rechtsansprüche auf Versorgung oder Unterbringungsansprüche im öffentlichen Dienst in dem gleichen Maße zu, wie dieses Gesetz sie dem Berufssoldaten zubilligt?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das Heimkehrergesetz war eine erste Hilfe. Reicht die Hilfe in diesem Sinne aus? Ich wage das zu bezweifeln. Denken wir andererseits auch an die Krüppel, Witwen und Waisen des letzten Krieges! Das Versorgungsgesetz hat die Leistungen für sie verbessert; aber wir alle wissen doch, daß die Leistungen darin durch die Preiswelle der letzten Monate eigentlich längst überholt sind.
    Schon im Jahre 1945 haben wir klar ausgesprochen, daß das ganze deutsche Volk den Krieg


    (Erler)

    verloren hat und nicht nur jene Masse von armen Teufeln in der Kriegsgefangenschaft, in den Reihen der Heimatvertriebenen, sondern auch der im Bombenhagel des Krieges Heim, Familie und Gesundheit opfernden tapferen Frauen. Hier muß ein Ausgleich des Schicksals, das den einen blind getroffen und den andèren verschont hat, Aufgabe unserer gesetzgeberischen Arbeiten sein.
    Der Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes muß nun, soll keine unnötige Verbitterung im Volke hervorgerufen werden, die Verbesserung der Leistungen für die anderen Kriegsopfer und für die Heimkehrer folgen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wir wissen, welches Problem die Forderung des Heimkehrerverbandes auf Entschädigung der für für uns alle in Rußland geleisteten Reparationsarbeit aufwirft. Dem Grunde nach kann niemand von uns diesen Anspruch bestreiten. Wir müssen ernsthaft, vielleicht im Zusammenhang mit den Beratungen über den Lastenausgleich, einmal darüber nachdenken, wie wir zu einer einigermaßen gerechten, aber auch durchführbaren Lösung dieser Frage kommen.
    Die Auseinandersetzungen in der zweiten Lesung über den Abs. 2 des § 15 haben zusammen mit anderen Bestimmungen des Gesetzes das Problem der Belastung der Gemeinden aufgeworfen. Selbstverständlich müssen die Gemeinden die Last tragen, soweit es sich um ihr früheres Personal handelt und sie selbst Dienstherr sind. Weniger selbstverständlich ist es, daß die Gemeinden einfach deshalb, weil sie öffentliche Körperschaften sind, für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes gewissermaßen als Gesamtschuldner mitzusorgen haben. Es gibt gute Gründe dafür. Wir haben keinen anderen Weg gesehen, um diesen Personenkreis überhaupt unterzubringen. Aber es gibt auch gewichtige Einwände. Weder das alte Beamtenrecht noch der Art. 131 des Grundgesetzes legen den Gemeinden diese Pflicht unmittelbar auf. Das tun wir jetzt im eigenen, freien Entschluß und müssen wissen, was wir damit tun. Nehmen wir den Soldaten als Beispiel. Nach landläufiger Vorstellung ist der Soldat zum Schutze von Heim und Herd und Weib und Kind ausgezogen. Er hat also nicht nur die Staatsverwaltung und die Gemeindeorganisation geschützt, sondern alle deutschen Bürger mit ihrer Habe.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Warum trifft die Last der Unterbringung des Soldatenstandes nun nur den öffentlichen Dienst? Der Soldatenberuf allein ist noch keine ausreichende Vorbildung für eine qualifizierte Beamtentätigkeit. Es muß immer noch eine zusätzliche Ausbildung dazukommen. Statt der Beamtenausbildung kann -der Soldat auch etwas anderes lernen. Warum wird bei der Unterbringung nicht in gleichem Maße an die Wirtschaft herangegangen, die doch auch durch den Einsatz des Soldaten mit geschützt worden ist?

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das Gesetz bringt eine fühlbare Hilfe für viele Zehntausende von Familien, und es erfüllt ein Versprechen, das wir im Grundgesetz gegeben haben. So manches ernsthafte Bedenken spricht gegen die Lösungen, wie sie gerade jetzt hier erarbeitet wurden. So mancher berechtigte Wunsch der Betroffenen bleibt auch unerfüllt. Einige bittere Erfahrungen der Vergangenheit veranlassen uns, im Anschluß an die denkwürdigen Ausführungen, die Herr Professor Schmid in der vorigen
    Sitzung hier gemacht hat, daß wir die klare Forderung aussprechen, daß der demokratische Staat nicht nur seine Fürsorgepflicht den aktiven und den früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegenüber erfüllt, sondern daß er dann, wenn es nottut, auch jedermann gegenüber seine Autorität zu wahren weiß.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    In der ersten Lesung hat der Kollege Menzel vier Bedingungen für die Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei zu diesem Gesetz formuliert: Erstens der Verzicht auf die damals vorgesehene dreiprozentige Gehaltskürzung, zweitens die Gleichstellung der vertriebenen Beamten, Angestellten und Arbeiter mit den einheimischen, drittens die Einbeziehung Berlins und viertens die Bevorzugung der Kriegsgefangenen und der Spätheimkehrer.
    Die ersten drei Bedingungen sind erfüllt worden. Zur vierten Bedingung legen wir Ihnen jetzt den für uns entscheidenden Antrag vor. Nehmen wir das Gesetz als einen Beitrag zur Bekämpfung sozialer Not, so hat es seinen guten Sinn. Nehmen wir es als Versprechen, anderen, noch dringenderen Notständen nun auch mit der gebotenen Energie zu Leibe zu gehen, so ist der Wert dieses Gesetzes für uns noch größer. Deshalb werden meine Freunde trotz vieler Bedenken und Einwände, die ich Ihnen im einzelnen vorgetragen habe, aber in der Hoffnung, daß Sie, meine Damen und Herren, den- von meinem Kollegen Matzner noch zu begründenden, für. uns außerordentlich wichtigen Anträgen beitreten und das Gesetz nicht etwa nach der anderen Seite hin verschlechtern werden, diesem Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmen.

    (Beifall bei der SPD.)