Herr Präsident"! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Henßler hat mit sehr viel Leidenschaft der Mehrheit des Hauses den Vorwurf machen wollen, daß sie für das Neue kein Verständnis habe, daß sie am Alten festhalten wolle.
Herr Kollege Henßler, ich muß den Vorwurf zurückgeben. Ich habe Ihrer Rede entnommen, daß Sie anscheinend auch nicht sehr "viel Verständnis haben für die Formen, die wir heute für zweckmäßig halten, um zusammen leben, um zusammen arbeiten zu können.
Diese Darlegungen erinnern mich an eine Zeit, die immerhin zwei, drei Jahrzehnte zurückliegt.
Von Herrn Kollegen Henßler wurde zum Ausdruck gebracht, aus der Ausschußarbeit wäre erkennbar gewesen, daß man die Gewerkschaften als solche ablehne. Meine Damen und Herren, wer an dieser Arbeit teilgenommen hat, konnte diesen Eindruck nie mit nach Hause nehmen. Es ging lediglich darum, daß die Funktionen richtig verteilt
werden, und wir sind der Meinung, daß sowohl Arbeitnehmer im Betrieb wie Gewerkschaften draußen ihre bestimmten Funktionen haben. Wir wissen die Tätigkeit der Gewerkschaften zu schätzen. Ich bin selbst immerhin seit mehr als drei Jahrzehnten Gewerkschaftler.
— Ja, oho! Seit 1917, wenn Sie es genau wissen wollen!
— Ich weiß es nicht. Es kann sein, daß die eine Richtung der Gewerkschaften von anderen Leuten nicht als vollwertig anerkannt wird.
— Das scheint so zu sein, und ich muß schon sagen: Wenn ich hier die Anerkennung für die Tätigkeit der Gewerkschaften auch seit 1945 ausspreche, dann möchte ich aber in diese Anerkennung nicht eine Tätigkeit einbeziehen, wie sie beispielsweise Herr Kollege Wönner zur Zeit in Bayern leistet. Solche Tätigkeit dient zweifellos nicht dazu, die nötige Einheit der deutschen Gewerkschaftsbewegung zu erhalten,
und wir würden es begrüßen, wenn sich diese Herren Gewerkschaftler doch etwas größerer Zurückhaltung befleißigen wollten; denn sonst müßten sie einmal als die Totengräber der Einheitsgewerkschaftsbewegung bezeichnet werden.
In den Ausführungen des Herrn Kollegen Henßler ist wenig erkennbar geworden über die positive Stellungnahme zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ich hätte es insbesondere begrüßt, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, die bisher geleistete Arbeit einmal mit dem Verhandlungsergebnis der Sozialpartner, mit den Richtlinien, die die an den Vorverhandlungen beteiligten Arbtnehmer- und Unternehmervertreter aufgestellt haben, in Vergleich zu setzen.
Wenn er sich diese Mühe gemacht hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen,_ solche Gegensätze h erauszustellen.
Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß während der gesamten Beratungen in den vorbereitenden Ausschüssen die Anerkennung der paritätischen Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nie umstritten war.
Es war von vornherein von allen anerkannt, daß Arbeitnehmer und Unternehmer in gleicher Zahl im Aufsichtsrat vertreten sein sollten. Ich darf auch feststellen, daß über den Arbeitsdirektor weitestgehend Übereinstimmung bestand.
Und das sind doch nun einmal die wesentlichsten Probleme, die in diesem Gesetzentwurf behandelt werden.
Allerdings bestanden verschiedene Auffassungen darüber, wer nun die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat entsenden sollte. Wir haben — bitte bringen Sie dafür Verständnis auf — den Wunsch gehabt, daß in der Vertretung gerade die Belegschaft ein stärkeres Gewicht hat. Es handelt sich hier ja nicht um ein Gesetz, das die Frage der überbetrieblichen Mitbestimmung regelt, sondern es ist ein Gesetz, das vom Einzelunternehmen ausgeht, das die' Frage der Vertretung in Aufsichtsrat und Vorstand im Einzelunternehmen behandelt. In diesen Fragen des Einzelunternehmens hat die Belegschaft unseres Erachtens ein ganz entscheidendes Wort mitzureden.
In seinen Ausführungen zur Frage des elften Mannes hat der Herr Kollege Henßler meines Erachtens auch nicht die zwischen den Verhandlungspartnern vereinbarten Richtlinien zur Grundlage genommen. Wer diese Richtlinien zum Vergleich heranzieht, erkennt, daß im Ausschuß keine Verschlechterung gegenüber dem vorgenommen worden ist, was die damals an den Verhandlungen Beteiligten gewollt haben.
Nachdem uns aber nach der zweiten Lesung der Deutsche Gewerkschaftsbund noch einige Wünsche unterbreitet hat, haben wir innerhalb unseres Fraktion geprüft, wieweit diesen nachträglichen Wünschen Rechnung getragen werden kann. Wir werden dem Hohen Haus einige Änderungen des in zweiter Lesung beschlossenen Gesetzentwurf es, insbesondere eine Änderung des § 6 Abs. 1 vorschlagen. Der Schlußsatz dieses Paragraphen soll lauten:
Die Arbeitermitglieder der Betriebsräte
wählen den zu benennenden Arbeitervertreter,
die Angestelltenmitglieder der Betriebsräte
wählen den zu benennenden Angestelltenvertreter im Aufsichtsrat in geheimer Wahl.
Mit diesem Vorschlag haben wir einerseits der Auffassung der Gewerkschaften, soweit als es uns möglich war, Rechnung getragen, andererseits aber — darauf legen wir entscheidenden Wert — sichergestellt, daß die Minderheit im Betrieb — das wird in der Regel die Angestelltengruppe sein — die Möglichkeit hat, auf die Bestellung des Angestelltenvertreters im Aufsichtsrat einen entscheidenden Einfluß auszuüben. Darauf legen wir größten Wert. Wir befürchten, eine andere Fassung des Gesetzes würde nicht erreichen, daß von den Angestellten derjenige in den Aufsichtsrat entsandt wird, der das Vertrauen der Mehrheit seiner Gruppe hat.
Wir schlagen weiterhin zu Abs. 2 vor, den Schlußsatz zu ändern, und zwar wollen wir, daß in dem Falle, in dem die Betriebsräte die Einsprüche gegen die vorgeschlagenen Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ablehnen, ein Vermittlungsauschuß angerufen werden kann. In der zweiten Lesung war für diesen Fall die Einschaltung des Arbeitsministers beschlossen worden. Wir halten es für zweckmäßig, diese Angelegenheit nicht einer Behörde zu übertragen, sondern hiermit einen Vermittlungsausschuß zu betrauen, dem allerdings ein vom Bundesminister für Arbeit bestellter unparteiischer Vorsitzender angehört.
Auch bei § 8 haben wir geprüft, wie wir den Wünschen der Gewerkschaften noch Rechnung tragen können. Sie wissen, daß in dem Gesetzentwurf der Regierung ursprünglich eine Lücke vorhanden war. Zunächst hatte der Aufsichtsrat den elften Mann zu bestellen. Wenn er sich nicht
einigen konnte, hatte er das Recht, den Senat anzurufen. Dieser hatte drei Vorschläge an die Hauptversammlung zu machen. Es war nicht klargestellt, was geschehen sollte, wenn die Hauptversammlung keinen dieser Vorschläge akzeptierte. In der zweiten Lesung hat man eine Regelung gefunden, die praktisch bedeutet, daß der Hauptversammlung das letzte Entscheidungsrecht garantiert ist. Gegen diese Regelung hatten die Gewerkschaften Bedenken, und zwar der Art, daß schon hierdurch von vornherein ein ernstes Bestreben, sich über den elften Mann zu einigen, nicht unterstützt würde. Wir sind dazu gekommen, eine Neufassung des Abs. 3 von § 8 mit . folgendem Wortlaut vorzuschlagen:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll. Kommt eine Wahl auf Grund des Vorschlages des Vermittlungsausschusses aus wichtigen Gründen nicht zustande, so kann das Wahlorgan weitere Vorschläge des Vermittlungsausschusses erbitten. Werden weitere Vorschläge nicht erbeten oder kommt eine Wahl auch auf Grund des zweiten Vorschlages des Vermittlungsausschusses aus wichtigen Gründen nicht zustande, so wählt das Wahlorgan von sich aus das weitere Mitglied.
Der Unterschied liegt darin: hier wurde deutlich gemacht, daß das Wahlorgan die ihm gemachten Vorschläge lediglich aus wichtigen Gründen ablehnen kann. In jedem Falle, in dem das Wahlorgan dies ignorieren sollte, wird ein Anfechtungsgrund gegen eine erfolgte Wahl gegeben sein. Wir glauben, damit ist sichergestellt, daß bei der Auswahl des elften Mannes die Meinung der beiden Partner gebührend berücksichtigt wird. Hier ist die Möglichkeit gegeben, besser zu einer gemeinsamen, zu einer einheitlichen Auffassung zu kommen.
Wir haben dann noch eine Reihe formaler Änderungen vorzuschlagen. Sie sind nicht wesentlich. Ich brauche dazu nichts Näheres zu sagen. Abschließend möchte ich aber noch folgendes bemerken. Sie dürften aus unseren Vorschlägen, aus unserer Stellungnahme in den gesamten Ausschüssen, aus der Tatsache, daß wir die ersten waren, die diesem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Mitbestimmung eingereicht haben, doch erkennen, daß wir es mit dem Problem ernst meinen. Das wollen wir Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. Sie dürften erkennen, daß wir uns ernstlich bemühen, auch mit den Gewerkschaften in einem guten Verhältnis zu stehen. Wir kennen und schätzen ihre Bedeutung und wollen weitgehend helfen, auch ihnen die gebührende Stellung in der deutschen Wirtschaft zu verschaffen. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis für diese Situation. Ich muß es noch einmal sagen: Ausführungen,. wie sie Herr Kollege Henßler gemacht hat, sind nicht dazu angetan, hier in dem Hause die Atmosphäre zu schaffen, dir wir für eine fruchtbringende Arbeit nötig haben.
— Das ist notwendig! — Wenn Sie die eine positive Stellungnahme zu diesem Gesetz ablehnen, dann, meine Damen und Herren, wird das deutsche Volk wissen, woran es liegt, daß es hier zu einer positiven Lösung nicht gekommen ist. Sie werden die Schuld daran tragen!