Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat darum ersucht, daß der Bundesminister der Finanzen zu den jetzt zur Aussprache stehenden Abänderungsanträgen Stellung nehme. Ich entspreche diesem Ersuchen auch deshalb, weil der Begründer des Antrages auf Umdruck Nr. 116 auch den Satz gesprochen hat: in dubio pro reo. — Meine Damen und Herren, wer ist in diesem Falle der reus?
— Das heißt: derjenige, den Ihre Beschlüsse in der Form treffen, daß er zu leiden und zu tragen hat.
— Das ist der Steuerzahler.
Meine Damen und Herren! Ich darf deshalb vom Standpunkt des Steuerzahlers aus, für den in diesem Hause so selten ein Wort gesprochen wird, doch einmal ein Wort reden.
Wir haben gestern in der Debatte schon betont, daß die Gesamtaufwendungen für das Gesetz nach den Beschlüssen, die der Ausschuß gefaßt hat, den Betrag von rund 750 Millionen DM erreichen. Ich habe gestern darauf hingewiesen, welchem Steueraufkommen das entspricht. Dabei darf ich dem Herrn Kollegen Mellies, weil er mir zulächelt, auf eine Bemerkung von gestern antworten. Gewiß, Herr Kollege Mellies, in früheren Zeiten hatte ich gehofft, daß die Aufwendungen für dieses Gesetz, vom Standpunkt des Steuerzahlers aus betrachtet, auf einen Betrag von etwa 450 Millionen DM beschränkt werden könnten. Ich habe nunmehr entsprechend den Wünschen, die an die Bundesregierung herangetragen wurden, erklärt, daß ich bereit bin, im neuen Haushalt einen Betrag bis zu 700 Millionen DM zu übernehmen. Aber, Herr Kollege Mellies, es wäre mir sehr lieb gewesen, ich hätte das, was ich in früheren Zeiten vermieden haben wollte, auch vermeiden können, nämlich mit Vorlagen wie der über eine Erhöhung von Umsatzsteuern an den Deutschen Bundestag heranzutreten. Ob man sich der politischen Verantwortung dann entzieht oder nicht, die tatsächliche Verantwortung für solche Steuergesetze tragen alle diejenigen, die zuerst, ohne den „reus", ohne den Steuerzahler zu hören, in diesem Hause die Ausgaben beschlossen haben, die dann irgendwie gedeckt werden müssen. Gerade deshalb möchte ich hier über diese Auswirkungen sprechen und darf die finanziellen Auswirkungen der Anträge ungefähr zusammenrechnen. Wir haben gestern den § 15 Abs. 2 gestrichen. Ich rechne nicht die 35 Millionen DM Ausgleichsbetrag, weil sie ja Mittel zu dem Zweck sind, die Unterbringung zu beschleunigen und bei den Gemeinden nun wirklich den Willen zur Unterbringung zu schaffen.
Wir stehen vor der merkwürdigen Tatsache, daß gestern ein Antrag gestellt worden ist, die Unterbringung — sagen wir mal — nicht so durchzuführen, wie es der Gesetzgeber urspünglich wollte, und ich heute über Anträge sprechen muß, deren Durchführung gerade die Unterbringung zur Voraussetzung hat.
Ich rechne, wie gesagt, nicht mit dem Ausgleichsbetrag von 35 Millionen DM; ich rechne mit dem Betrag, von dem ich annehmen muß, daß er an Ersparnissen bei der Unterbringung nicht erzielt werden wird. Das wird ein Betrag von wenigstens 50 Millionen DM sein. Wenn ich nun den Betrag berücksichtige, der durch den neuerdings gestellten Antrag, die Zahl „18" durch die Zahl „12" zu ersetzen, hinzukommt, so ist davon auszugehen, daß sich der Antrag auf einen Personenkreis von ungefähr 15 000 Menschen bezieht. Ich muß damit rechnen, daß die Mehrbelastung, die dem deutschen Steuerzahler dann zugemutet wird, 30 Millionen DM betragen wird. Wenn ich weiter die von der Bayernpartei gestellten Anträge berücksichtige, in § 48 Abs. 1 Satz 3 die Worte „zwei Drittel" durch die Worte „50 v. H." zu ersetzen, was auch wieder eine Ausweitung bedeuten wird, so tritt schon damit gegenüber den Ausschußbeschlüssen eine
Erhöhung in den Ausgaben von wenigstens 100 Millionen DM ein.
Meine Damen und Herren, wer die Ausgaben beschließt — ich habe es gestern gesagt —, muß die' Verantwortung vor dem deutschen Steuerzahler tragen, selbst wenn er bei den Deckungsvorlagen nein statt ja sagt, wozu er eigentlich verpflichtet ist.
Der Bundesfinanzminister hat die Pflicht, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Ich darf daran erinnern: meine ersten Arbeiten an diesem Entwurf haben bereits um die Jahreswende 1949/50 eingesetzt. Ich habe damals eine Deputation beruflicher Wehrmachtangehöriger empfangen. Ohne daß ich mir etwas besonderes dachte, ist mir damals der Satz über die Lippen gekommen: „Es ist doch ganz selbstverständlich, daß jeder deutsche Vater, der im Weltkrieg einen Sohn in einer Uniform der Wehrmacht verloren hat, weiß, daß die große Mehrheit des Volkes der Wehrmacht innerlich genau so anständig gegenüberstehen muß wie er seinem eigenen toten Sohn, und daß infolgedessen den Wehrmachtangehörigen der Dank des Volkes gehört."
Die Leute haben ganz verwundert geschaut; denn
im Jahre 1949/50 war die Stimmung gegenüber
dem Wort Wehrmacht eine andere, als sie heute ist.
Ich war damals einer der ersten, der das ausgesprochen hat. Aber ich darf auch sagen: wenn ich es heute im Interesse der deutschen Steuerzahler und im Interesse der Allgemeinheit wage, die Grenzen einzuhalten, die nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Vernunft den Anträgen setzen müssen, wird mir jeder zugeben müssen, daß ich damit genau so ein Freund der beruflichen Wehrmachtangehörigen bin, wie ich es in einer Zeit war. in der man allgemein noch anders über sie gesprochen hat als heute. Ich bin derselbe Freund der Wehrmachtsangehörigen geblieben.
Ich möchte hier, indem ich zu dem Antrag übergehe, folgendes feststellen. Es ist falsch, wenn man z. B. zur Begründung des Antrages zu § 48 Abs. 1 Satz 3, die Worte „zwei Drittel" durch die Worte „50 v.H." zu ersetzen, sagt, das bedeute eine Gleichstellung mit den Berufsbeamten. Das ist ja nicht wahr. Wir haben bei den Berufsbeamten den Begriff der Dienstunfähigkeit. Die Dienstunfähigkeit kann unter Umständen erst gegeben sein, wenn medizinisch ein viel höherer Grad — nicht nur 50%, sondern sogar mehr als zwei Drittel — von Minderung der Berufsfähigkeit gegeben ist. Es handelt sich darum, ob einer den Dienst, zu dem er bestellt ist, den Dienst am Schreibtisch oder sonstwo, noch ausüben kann oder nicht. Wir haben Blinde, die ihren Dienst als Staatsbeamte tun; wir haben Gelähmte, die ihren Dienst als Staatsbeamte tun. Medizinisch sind sie 100% erwerbsunfähig, aber dienstfähig im Sinne des Gesetzes. Eine Gleichstellung ist nicht gegeben.
Wir müssen doch unsere Betrachtung über dieses Gesetz danach ausrichten, daß wirklich eine gleiche Behandlung herbeigeführt wird. Das ist doch das Ziel. Aber über dieses Ziel darf auch nicht hinausgegangen werden. Ich glaube, daß bei der Betrachtung der Frage der Berufsunteroffiziere diese Grenze übersehen worden ist. Was das Gesetz für die Berufsunteroffiziere festlegt, sind tatsächlich die Ansprüche, die ihnen in normalen Zeiten zu-
gestanden hätten. Ich kann eine Gesetzgebung aus dem Jahre 1938, an deren volle Verwirklichung Adolf Hitler, der dieses Gesetz verkündet hat, wohl selber nicht recht geglaubt hat — denn die Voraussetzung dieser Gesetzgebung wäre der völlige militärische Sieg in dem von ihm damals bereits geplanten Kriege gewesen; das hätte ein europaisches Gebiet vorausgesetzt, um all diese Versorgungsquellen zu schaffen — nicht zur Richtschnur nehmen. Ich muß daran denken, wie dieses Gesetz vom Jahre 1938 tatsächlich praktiziert worden ist und praktisch werden konnte. Die Voraussetzungen selbst nach diesem Gesetz wären nur bei .einer ganz geringen Personenzahl gegeben. Und wenn wir die Möglichkeiten, die der einzelne hatte, auf einen großen Kreis von Personen ausdehnen, dann erreichen wir nicht das Ziel der Gleichstellung, sondern schießen bei einer Gruppe über dieses Ziel weit hinaus und überschreiten den Rahmen des Möglichen, den Hitler in seiner Gesetzgebung überhaupt nie berechnet hat.
Ich bitte also, den Bundesfinanzminister richtig zu verstehen. Wenn der Bundesfinanzminister mahnen und auf das hinweisen muß, was möglich ist, wenn er auf die Lasten hinweisen muß, die die Ausgabenbeschlüsse aller Art für den deutschen Steuerzahler mit sich bringen, dann tut er seine Pflicht. Er hat das gleiche Herz für die deutsche Not und er will genau so helfen wie Sie. Aber bitte: Wir müssen daran denken, daß wir e i n Volk sind und die Lasten zusammen zu tragen und zu verantworten haben.