Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist müßig, vor diesem Hohen Hause über eine Entwicklung zu rechten, die die ganze Welt erschüttert. Es ist selbstverständlich, daß angesichts dieser Entwicklung eine Verknappung und eine Preiserhöhung eintreten mußten, die im Ausland teilweise sogar noch stärker in Erscheinung treten als bei uns. Es ist ganz natürlich, daß man alle diese Dinge zu einer billigen Hetze verwenden kann, mit der man unserer Bevölkerung allerdings keinen Dienst erweist.
Es ist klar, daß es unter solchen Umständen schwierig ist, unsere Versorgungslage in Ordnung zu halten, und es ist ebenso klar, daß das Brotgetreide knapper und teurer und außerdem, wovon gerade unser Ernährungsminister ein Lied zu singen vermag, aus dem Ausland schwerer hereinzubringen ist. Nun scheint — gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich darauf etwas eingehe — in weiten Kreisen festzustehen — man kann es wenigstens aus der Presse teilweise entnehmen —, daß der deutschen Landwirtschaft die Schuld an diesen Zuständen zuzusprechen ist. Es wird behauptet, die deutsche Landwirtschaft halte den Weizen zurück oder treibe den Preis künstlich in die Höhe. Man versucht nachzuweisen, daß in diesen Monaten weniger abgeliefert worden sei als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Ich glaube, dabei vergißt man, daß von einer „Ablieferung" von Getreide überhaupt keine Rede sein konnte, daß der Landwirt über das, was er auf seinem Grund und Boden erzeugt, frei verfügen konnte. Man vergißt, daß seit Jahr und Tag unserer Landwirtschaft, unseren Bauern, gepredigt wurde, Veredelungswirtschaft hinsichtlich der Schweinehaltung und Schweinemast zu treiben. Weiter vergißt man, daß Futtermittel und Futtergetreide ständig knapper und teuer geworden sind, daß schon vor Jahresfrist Schwierigkeiten bei dem wichtigsten Futtermittel, bei Mais, eintraten und Mais besonders im letzten Jahr überhaupt kaum noch hereinzubringen war, vom Preis ganz abgesehen. Schließlich übersieht man auch, daß in der weiteren Folge dieser Entwicklung der Bauer letzten Endes gezwungen war, für Futtermittel 20 und 25 DM dort zu bezahlen, wo er für seine eigenen Erzeugnisse, für Brotgetreide, nur 14 und 16 DM zu bekommen vermochte.
Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen besteht zweifellos gar kein Grund, die deutsche Landwirtschaft für eine Entwicklung verantwortlich zu machen, die vielleicht überhaupt schwer vorauszusehen war. Ich darf dabei bemerken, daß diese gleiche Landwirtschaft, die unser Volk — und ich darf das aussprechen — in den schweren Jahren vor dem Verhungern bewahrt hat, im letzten Jahr und auch heute noch in ein System der Festpreise eingepreßt war und ist, daß der Bauer aber auf dieses System der Festpreise dort nicht stieß, wo es sich um den Bezug seiner Betriebsmittel handelte. Es darf weiterhin festgestellt werden, daß es sich um die gleiche Landwirtschaft handelt, die zusehen mußte, wie man den Preis z. B. auch bei Getreide künstlich niederhielt und dafür hohe Subventionen aufwendete.
Nun sind die Preise seit langer Zeit davongelaufen — ich sagte vorhin schon: auf dem Weltmarkt zum Teil noch stärker als bei uns —, und man versucht jetzt, die offiziellen Preise den geänderten Verhältnissen anzupassen. Ich darf dazu folgendes sagen: Dieser Entschluß wird unserer Bundesregierung bestimmt nicht leicht geworden sein. Es ist natürlich immer peinlich, mitten im Wirtschaftsjahr Preisregelungen vorzunehmen. Unter normalen Verhältnissen müßte man sich mit allen Mitteln dagegen wenden und eine solche Zwischenregelung für falsch halten. Man kann natürlich auch einwenden, daß, wie vorhin schon gesagt, diese Zwischenregelung auch deswegen unzweckmäßig ist, weil der Bauer in einem Falle belohnt und im anderen Falle bestraft wird. Auf jeden Fall ist aber, und das weiß auch die Landwirtschaft, das Preisgefüge in diesem letzten Halbjahr ein vollkommen anderes geworden und es dürfte vor allen Dingen doch feststehen, daß dieses uns vorgelegte Preisgesetz in der Praxis keine Änderung der derzeitigen Verhältnisse bringt. Es bringt keine Änderung für den Verbraucher. Denn in Wirklichkeit ist es ja so, daß heute die Preise zum Teil höher sind, als sie die Regierungsvorlage vorsieht. Das Gesetz bedeutet auch für den Landwirt keine Änderung. Dieser muß auf der anderen Seite fordern, daß auch das Preisniveau seiner Erzeugnisse dem der Betriebsmittel angepaßt wird, die er braucht.
Wir haben in den letzten Monaten mit Bestürzung festgestellt, daß die Preisschere sich schon wieder zu öffnen beginnt. Ich möchte die Dinge so ansehen, daß diese Verordnung eine erst e Rate aus diesem — ich darf schon sagen — fast sagenhaften Agrarprogramm darstellt, das ja kommen soll und das eine erhebliche Erhöhung der Löhne bringen soll. Dabei erhebt sich natürlich die Frage — wir kennen das Programm ja nicht im einzelnen —, ob dieses Programm überhaupt den gegenwärtigen Verhältnissen in der Landwirtschaft noch entspricht. Wenn der Herr Bundesernährungsminister — Sie verzeihen, Herr Minister — vom Schlepper gesprochen hat, der heute immerhin nur noch 4- bis 5000 DM koste, so ist es meine ganz unmaßgebliche Meinung, daß auch dieser Betrag bei dem jetzigen Preisniveau noch zu hoch ist, da wir an sich für ganz normale Verhältnisse 1000 DM annehmen müßten und unter den heutigen Verhältnissen vielleicht 2000 DM für den eigentlichen Bauernschlepper. Aber immerhin, ein gewisser Erfolg gegenüber den früheren Preisen ist ja schon eingetreten.
Die Landwirtschaft, meine Damen und Herren, hat in den letzten Jahren wiederholt Gelegenheit gehabt, sich darüber zu beschweren, daß Preisregelungen zu spät eingetreten sind. Die Landwirtschaft weist darauf hin und fordert immer wieder, daß man die Preise rechtzeitig vor Beginn eines Wirtschaftsjahres wissen muß, um sich entsprechend einstellen zu können. Insofern ist der vorgelegte Preisregelungsentwurf zu begrüßen.
4888 Deutscher Bundestag — 12e. Sitzung.. Bonn, Freitag, den 16. März 1951