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    Deutscher Bundestag — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4781 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4782B, 4833C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Ubersicht über Städte außerhalb, Bonns als Sitz der Bundesgerichte sowie der obersten und oberen Bundesbehörden (Nr. 2045 der Drucksachen) 4782C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Vorlage von Verordnungen zur Kenntnisnahme unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 2031, 2046, 2047 der Drucksachen) . 4782C Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD betr. Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten (Nrn. 1710, 2033 der Drucksachen) 4782C Anfrage Nr. 63 der Fraktion der DP betr. betriebliche Altersversorgung (Nrn. 1949, 2041 der Drucksachen) 4782D Anfrage Nr. 87 der Abg. Dr. Jaeger, Strauß und Gen. betr. Bundespolizei (Nrn. 1045, 2052 der Drucksachen) 4782D Anfrage der Fraktion der SPD betr. Adenauerspende (Nm. 1827, 2053 der Drucksachen) 4782D Änderungen der Tagesordnung . . . 4782D, 4785D Mellies (SPD) 4783A Euler (FDP) 4783B Renner (KPD) 4783B Beschlußfassung 4783C, 4792A Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft (Nr. 1974 der Drucksachen) 4783D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter . 4783D Beschlußfassung 4784C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2044 der Drucksachen) 4'784C Bausch (CDU), Antragsteller 4784C Renner (KPD) 4785A Beschlußfassung 4785C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen (Nr. 1985 der Drucksachen) 4785C Ausschußüberweisung 4785C Antrag auf Absetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie von der Tagesordnung: Zur Geschäftsordnung: Dr. von Brentano (CDU) . . . 4785D, 4788D Müller (Frankfurt) (KPD 4786A Ollenhauer (SPD) 4786B, 4791B Mellies (SPD) 4787C Loritz (WAV) 4788A Ritzel (SPD) 4788A Euler (FDP) 4789B Walter (DP) 4789D Renner (KPD) 4790A Dr. Arndt (SPD) 4790D Absetzung von der Tagesordnung . . . 4792A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft (Nr. 1969 [neu] der Drucksachen). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2022 der Drucksachen) 4792B Dr. Bleiß (SPD), Berichterstatter . 4792B Dr. Schöne (SPD) 4793B Naegel (CDU) 4794C Dr. Preusker (FDP) 4795C Vesper (KPD) 4796B Dr. Besold (BP) 4797A Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 4797B Ausschußüberweisung 4797C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IX — Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft (Nr. 1910 der Drucksachen) in Verbindung mit der ' Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand (Nrn. 21, 2039 der Drucksachen) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaitssauschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Vergebung der Aufträge des Bundes (Nrn. 22, 2040 der Drucksachen) 4797D Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter . 4798A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 4800B Dr. Nölting (SPD) 4806B Dr. Semler (CSU) 4812A Dr. Preusker (FDP) 4814D Loritz (WAV) 4818A Freudenberg (FDP) 4320C Dr. Bertram (Z) 4821C Rische (KPD) 4824C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 4827C Günther (CDU) 4830A Abstimmungen 4830B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes (Nr. 2006 der Drucksachen) . . . 4811D Beratung vertagt 4812A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Grundstücksverkehr (Nrn. 127, 1991 der Drucksachen) 4831A Keuning (SPD), Berichterstatter . . 4831A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 4831C Dr. Reismann (Z) 4832B Beschlußfassung 4833A Nächste Sitzung 4833A, C Die Sitzung wird um 14 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle wurden in den letzten Monaten zahlreiche amtliche Prognosen über die Gesundung der westdeutschen Wirtschaft entwickelt. Mir scheint, alle diese Prognosen waren nichts anderes als Trugbilder, um die Masse unseres Volkes über eine Wirtschaftspolitik hinwegzutäuschen, die einzig und allein der Remilitarisierung dient.

    (Bravo! bei der KPD.)

    Professor Erhard hat seine Wirtschaftspolitik, getreu der Regierungspolitik Adenauers, ganz den Gesetzen der amerikanischen Weltherrschaftspolitik untergeordnet. Seine anfänglichen optimistischen Prognosen über den Sieg der Marktwirtschaft sind wie Seifenblasen zerplatzt. Übriggeblieben ist die Kommandowirtschaft, die im zivilen Sektor Mangel erzeugt und die die ganze wirtschaftliche Kraft auf den Sektor der Rüstungswirtschaft, der sogenannten Investitionsindustrien konzentriert.

    (Abg. Dr. Vogel: Wo haben Sie denn schon einen Mangel verspürt?)

    Wer die Remilitarisierung will, der muß Erhardsche Wirtschaftspolitik durchführen. Unter diesen Gesichtspunkten ist es kein Wunder, daß ernsthafte Krisenerscheinungen sich in der westdeutschen Wirtschaft bemerkbar machen.

    (Abg. Dr. Orth: Wer hat Ihnen das aufgesetzt? — Zuruf des Abg. Strauß.)

    Die zunehmende Zerrüttung der nationalen Wirtschaft ist die Folge der von Adenauer und Erhard unter dem Kommando des Petersberges betriebenen Wirtschaftspolitik.

    (Abg. Strauß: Schicken Sie das nach Pankow!)

    Eine angesehene westdeutsche Zeitung, die „Stuttgarter Zeitung" vom 24. Februar 1951, untersucht in ihrem Leitartikel, der die bezeichnende Überschrift „Wetterzeichen" trägt, die Ursachen der Zerrüttung der westdeutschen Wirtschaft. Die westdeutsche bürgerliche Zeitung stellt die Frage: Was ist geschehen, daß sich der wirtschaftliche Himmel über Westdeutschland so sehr verdunkeln konnte? Darauf gibt die Zeitung folgende Antwort:


    (Rische)

    Man kann die deutschen Schwierigkeiten vielleicht in drei Begriffen zusammenfassen: Korea, Kohle und Konsum.
    Die Zeitung gibt dazu folgende Tatsachen — ich greife nur einige Beispiele heraus —:

    (Abg. Dr. Vogel: Das haben doch Ihre Freunde auf dem Gewissen!)

    Zur Kohlesituation wird in dieser Zeitung gesagt, daß noch immer ein Viertel der geförderten deutschen Kohle exportiert werden muß; und zwar zu Preisen, die knapp die Hälfte der gegenwärtigen Weltmarktnotierungen ausmachen. Diese Feststellung in einer bürgerlichen Zeitung wird erst dann deutlich, wenn wir auf der anderen Seite sehen, daß amerikanische Kohle, für die wir den vollen Dollarpreis zu zahlen haben, in das Kohleland Westdeutschland importiert wird.

    (Andauernde Zurufe der Abg. Dr. Orth und Strauß.)

    Während die deutschen Fabriken die verteuerte amerikanische Kohle aufnehmen müssen, fließt die Ruhrkohle zum Unterweltmarktpreis in die Rüstungsstätten Westeuropas zwecks Herstellung von Panzern, Bomben und Granaten, die dazu bestimmt sind, eines Tages unsere deutsche Heimat zu zerstören.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Der amerikanische Politiker Taft hat das Programm der Verwüstung der westdeutschen Produktionsstätten im Zuge eines amerikanischen Schießkrieges erst vor einiger Zeit zynisch zugegeben. Seine Forderung lautete: Im Falle eines Krieges

    (Abg. Strauß: Im Falle eines russischen Angriffskrieges!)

    und eines eventuellen Rückzuges wird die westdeutsche Industrie zerstört werden müssen. Professor Erhard nannte dies „Verteidigung der Demokratie". Wenn Sie für diese amerikanische Politik das notwendige Anschauungsmaterial benötigen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Blicken Sie nach Korea!
    Was nun den Konsum angeht, so stellt die von
    mir bereits zitierte bürgerliche Zeitung fest, daß
    die Mühlen für Weizen statt 350 DM je Tonne
    410 DM bezahlen. Dies hat zur Folge, daß beispielsweise im Ruhrgebiet der Preis für Weizenimportschrot-Brot von 80 auf 90 Pfennig und der
    Preis für Roggenmischbrot von 88 Pfennig auf
    1,02 DM anstieg. Professor Erhard allerdings
    spricht heute, angesichts dieser bitteren Tatsachen,
    die den Massenkonsum der Werktätigen belasten,
    von „stabilen Preisen". Ich stelle die Frage: Kann
    man einen solchen Generalangriff auf den Konsum
    der werktätigen Massen zugunsten der Investitionen in der Rüstungswirtschaft allein mit ansteigenden Preisen auf dem Weltmarkt entschuldigen?

    (Abg. Strauß: Die alte Platte!)

    Professor Erhard hat faktisch heute zugegeben, daß die Grundursache dieser Politik in der Remilitarisierung zu suchen ist. Jeder vernünftige Mensch in Westdeutschland weiß, daß bei einer richtigen
    Orientierung der westdeutschen Wirtschaftspolitik
    genügend Möglichkeiten offenstehen, auf der
    Grundlage der Friedenswirtschaft und der
    Orientierung auf die gewaltigen östlichen Märkte
    bei Nichtausschaltung der Märkte des Westens
    derartigen Preisentwicklungen entgegenzuwirken.

    (Fortgesetzte Zurufe der Abg. Dr. Orth und Strauß.)

    Westdeutschland kann sich nur dann aus den Schlingen des Marshall-Plans befreien, um sich beispielsweise in der Versorgung mit Brotgetreide auf den Weltmärkten aus den Fesseln des Weltweizenrates herauszulösen, um sich von den Schwankungen der Rüstungspreise im Sektor der amerikanischen Kriegswirtschaft zu befreien, wenn die westdeutsche Wirtschaft die notwendige Freiheit im Außenhandel hat und sich freimacht von jeder Diskriminierung des Auslandes, von der Professor Erhard heute sprach.
    Diese Erkenntnis wird sich unschwer auch im Kabinett Dr. Adenauers durchsetzen können.

    (Abg. Strauß: Sie haben in Pankow einen neuen Referenten! — Heiterkeit.)

    Das zeigen einige Äußerungen der Kabinettsmitglieder in den letzten Tagen. Am 11. März 1951 sprach Vizekanzler Blücher in Essen und betonte die Notwendigkeit weiterer Einschränkungen auf allen Gebieten. Er erklärte:
    Nur wenn wir uns auf das Notwendigste beschränken, kommen wir durch.
    Der Tenor seiner Rede war, Beschränkungen der eigenen Lebensweise sind von nun an unumgänglich notwendig.
    Der sonst immer so optimistische Wirtschaftsminister sprach am gleichen Sonntag in Frankfurt am Main und sagte dort mit anderen Worten dasselbe, indem er aussprach:
    Die Bevölkerung der Bundesrepublik muß freiwillig einsehen, daß im Interesse der Erhaltung der politischen Freiheit der Riemen enger geschnallt werden muß.
    Die Finanz- und Außenhandelssituation nannte Professor Erhard in Frankfurt kritisch. Die notwendigen Begleitworte zu diesen Alarmrufen gab meiner Meinung nach der amerikanische Sprecher bei der Eröffnung der Frankfurter Messe, als er unmißverständlich an die Adresse der Bundesregierung erklärte, entweder mache die Bundesrepublik die Wirtschaftspolitik der Amerikaner, d. h. die Kriegspolitik der Amerikaner mit, oder die notwendigen Kredite würden gesperrt.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, hier muß man die Dinge endlich einmal beim richtigen Namen nennen!

    (Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Unser Volk weiß, daß diese Alarmrufe maßgeblicher Politiker des Bonner Kabinetts das ganze Ergebnis der Remilitarisierung und der Erfüllungswirtschaft in Westdeutschland aufzeigen. Auf die Parole „den Riemen enger schnallen" fällt heute in Westdeutschland, Herr Wirtschaftsprofessor, keiner mehr herein. Die Deutschen aller Schichten wissen, daß die Verwirklichung dieser Losung, den Riemen enger zu schnallen, nichts anderes bedeutet, als daß Hunderttausende junger Männer unseres Volkes das Koppel umschnallen sollen.

    (Beifall bei der KPD. — Zurufe in der Mitte.)

    In den Vorschlägen des Niederbreisiger Arbeitskreises für das Sofortprogramm der Bundesregie-


    (Rische)

    rung ist unter I von der Schaffung der kosten- und preismäßigen sowie lohnpolitischen Voraussetzungen für eine Intensivierung der heimischen Landwirtschaft die Rede. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß gerade die westdeutsche Landwirtschaft unter den Auswirkungen der Remilitarisierung besonders schwer zu leiden hat.

    (Erneute Zurufe.)

    Durch diese Politik, die im Rahmen des Marshall-Planes aufgezwungen wurde, erfolgt eine Zerstörung der westdeutschen Landwirtschaft, insbesondere der bäuerlichen kleinen und mittleren Betriebe.

    (Zurufe rechts und von der Mitte.)

    — Warum regen Sie sich so auf? Hören Sie doch einmal zu, was Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik in Westdeutschland angerichtet haben!

    (Anhaltende Zurufe.)

    Die kleinen Bauern wurden ein Opfer der amerikanischen Importeure, die sich in Westdeutschland einen großen und ständigen Absatzmarkt für die landwirtschaftliche Überproduktion der USA geschaffen haben.

    (Zuruf von der Mitte: Gibt es beim Kapitalismus eine Überproduktion? — Weitere Zurufe.)

    Es war die Liberalisierung,

    (Zurufe: Aha!)

    die diesen amerikanischen Kapitalisten Tür und Tor geöffnet hat. Darüber hinaus werden täglich Hunderte von Bauern in Westdeutschland von Grund und Hof vertrieben,

    (Lärm und anhaltende Zurufe von der Mitte und rechts)

    weil neue Rollbahnen für amerikanische Bomber und entsprechend der Anregung von Dr. Schumacher und Dr. Adenauer Truppenübungsplätze angelegt werden.

    (Zuruf des Abg. Strauß.)

    Die Ursache für die gegenwärtige Wirtschaftskrise in Westdeutschland ist somit einzig und allein in der Politik der Remilitarisierung Dr. Adenauers zu suchen.

    (Erneute Zurufe.)

    Dieser Remilitarisierung dient auch die künstlich hochgetriebene Arbeitslosigkeit. Die Massen der Arbeitslosen sollen billige Objekte für die vorgesehenen Söldnerformationen sein. Zu gleicher Zeit aber sollen sie den Angriff auf die Löhne der arbeitenden Massen in Westdeutschland im Zuge der Maßnahmen, die Professor Erhard hier begründet hat, erleichtern.

    (Anhaltender Lärm und Zurufe rechts und von der Mitte.)

    Eine andere Folge der Remilitarisierung ist die weitgehende Einstellung des Wohnungsbaues zugunsten des Baus von Kasernen; der Errichtung von Flugplätzen und Befestigungsanlagen im Bereich des ehemaligen Westwalles.

    (Zuruf rechts: Ihr habt ja nur Tennisplätze!) Parallel mit der Drosselung des Wohnungsbaues wird im Zuge der Wirtschaftspolitik Adenauers und Erhards die Beschlagnahme von Wohnungen und die Räumung von Kasernen, die von den Umsiedlern bewohnt sind, von Tag zu Tag weitergeführt.


    (Lebhafte Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Ich erinnere an Ulm, wo Tausende von Umsiedlern,
    Besitzer von Flüchtlingsbetrieben, die angeblich
    bei der Rechten immer auf besondere Sympathien stoßen, voller Verzweiflung einer solchen Massenaustreibung aus ihren Wohnungen und Betrieben entgegensehen.

    (Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Folgen einer dem Kriege dienenden' Wirtschaftspolitik auf den Widerstand aller Patrioten in Westdeutschland stoßen werden.

    (Beifall bei der KPD. — Erneute Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Nicht anders verhält es sich mit der Steuerpolitik der Bonner Regierung.

    (Zuruf rechts.)

    Sie dient einzig und allein der Finanzierung der Kriegswirtschaft und aller Maßnahmen, die mit der Remilitarisierung zusammenhängen.

    (Abg. Strauß: Das ist die reinste VolksDoktorarbeit! — Heiterkeit.)

    Die Skala reicht vom Zwangssparen bis zum Raub der Sozialversicherungsgelder.

    (Beifall bei der KPD.)

    Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den
    Entwurf der Sonderumsatzsteuer für Süßwaren,
    wodurch besonders die Kinder unseres Volkes im
    Interesse der Remilitarisierung betroffen werden.

    (Zuruf von der Mitte: Die Armen! — Abg. Strauß: Die werden genau so unterernährt wie Sie!)

    Angesichts dieser Steuerpolitik, die eine Begleiterscheinung der Remilitarisierung ist, kracht es auch in solchen Gebäuden, die bisher als Festungen der Wirtschaftspolitik Professor Erhards angesehen werden konnten.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Ich denke dabei an die Industrie- und Handelskammern in Westdeutschland. In allen Mitteilungen der Industrie- und Handelskammern kann man heute sehr besorgniserregende Feststellungen über die katastrophalen Auswirkungen der Remilitarisierung auf die Wirtschaft und die Finanzen lesen. In Nr. 3 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer in Offenbach am Main von 1951 heißt es zum Steuerbukett für das Jahr 1951: „Was bleibt denn außer Sand, Wasser und Luft noch steuerfrei?"

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Abg. Strauß: Der Beitritt zur KPD! — Heiterkeit.)

    Es kracht also, meine Damen und Herren, in den stärksten Festungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
    Ich will ferner darauf aufmerksam machen, daß gerade im Offenbacher Raum einige Fabrikanten den tieferen Sinn der Erhardschen und Adenauerschen Wirtschaftspolitik längst erkannt haben.

    (Zurufe von Mitte.)

    Als beispielsweise kürzlich einige Fabrikanten den Auftrag erhielten, Ausrüstungsgegenstände aus Leder für militärische Zwecke herzustellen, haben sie dies in richtiger Erkenntnis abgelehnt. Diese Ablehnung war ein Akt der wirtschaftlichen Vernunft.

    (Zurufe von Mitte.)

    Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann erspart sich die deutsche Industrie, ersparen sich die Kapitalisten ihr Korea.

    (Zuruf von der Mitte: Es ist schön, daß Sie für die Kapitalisten eintreten!)



    (Rische)

    Die Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei, die gestern veröffentlicht wurden, sind ebenfalls keineswegs geeignet, eine Besserung der wirtschaftlichen Situation herbeizuführen. Es gibt im Grunde genommen keine prinzipiellen Gegensätze zwischen Erhard und Nölting.

    (Lachen in der Mitte.)

    Es gibt im Grunde genommen ein einziges Wirtschaftsprogramm, d. h. die Verwirklichung der Remilitarisierung. Wenn man — das möchte ich den sozialdemokratischen Arbeitern und Wählern sagen — den Kurs der Remilitarisierung, wie es der SPD-Parteivorstand rücksichtslos tut, mitmacht, dann müssen auch alle Maßnahmen scheitern, die auf den Krieg orientierte Wirtschaft zu reformieren. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß man die Remilitarisierung vorbereiten und durchführen und zur gleichen Zeit eine Art Sozialkapital des Volkes anlegen kann. Heute regiert die Losung: Kanonen statt Butter. Diese Politik muß mit den Millionenbeträgen aus den Taschen der Werktätigen, der Mittelständler und der Fabrikanten, aus den Steuern und aus der Senkung der Reallöhne finanziert werden.
    Wir Kommunisten sind der Meinung, daß bei Fortführung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik unser Volk unausweichlich einer Katastrophe entgegengeht. Wir schlagen darum unserem Volke vor, die Verständigungsangebote des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik und der Volkskammer anzunehmen, um im Konstituierenden Rat alle Fragen einer friedlichen deutschen Wirtschaft im Geiste der Verständigung zu lösen.

    (Rufe: Oho!)

    Im Konstituierenden Rat kann über die Abschaffung der Zonen- und Sektorengrenzen und über die Herstellung des freien Personen- und Warenverkehrs in ganz Deutschland Übereinstimmung gefunden, es können Maßnahmen zur Sicherung der Rechtseinheit, besonders im Hinblick auf die Patente und Warenzeichen, auf die Wertpapiere und andere Warentitel getroffen werden. Schließlich können Maßnahmen vereinbart werden zur Erweiterung des deutschen Binnenhandels, zur Aufhebung der Beschränkungen und zur Entwicklung des Außenhandels, insbesondere zur gemeinsamen Kontrolle des Exports und Imports sowie zur Schaffung eines einheitlichen Zollsystems. Verständigung kann auch erreicht werden über die einheitliche Benutzung aller Verkehrsmittel und über alle Maßnahmen zur Herstellung der Einheit auf finanziellem Gebiet. Das gleiche gilt für alle Maßnahmen zur Sicherung der Erhaltung der Arbeitsplätze der Werktätigen in einer Wirtschaft, die einzig und allein dem Frieden dient.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren! Hier haben Sie ein Wirtschaftsprogramm, das den Erfordernissen unseres Volkes genügt; hier haben Sie die Losung und die Forderungen, die verwirklicht werden müssen, um unser deutsches Volk vor einer Katastrophe als Folge der Remilitarisierung zu bewahren.

    (Zuruf von der Mitte: Darauf wartet unser Volk, daß Sie das Rezept haben!)

    Zu diesen Forderungen hat Dr. Adenauer nein gesagt. Diesem Nein schloß sich Dr. Schumacher an. Das deutsche Volk verlangt aber eine gesunde Wirtschaft, die dem Frieden und der Wohlfahrt unseres Volkes dient, und fordert darum: Fort mit
    Adenauer, der der Zerstörer der westdeutschen Wirtschaft ist.

    (Beifall bei der KPD.)

    Wir lehnen den Etat des Wirtschaftsministeriums aus Gründen der Vernunft und aus Gründen der Verhinderung einer Katastrophe durch die Remilitarisierung für unser Volk ab.

    (Lebhafter Beifall bei der KPD. — Gegenrufe von der Mitte. — Abg. Rische: Ihr habt keine Konzeption, Ihr habt nur den Untergang!)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Phase des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in der Bundesrepublik scheint zu Ende gegangen zu sein. In die stellenweise treibhausmäßig aufgeblühte Wirtschaft ist der brüske Einbruch der rauhen Luft des plötzlich umgestürzten Weltmarktes erfolgt. Der jähe Paukenschlag des Importstopps hat in einer die Bevölkerung erschreckenden Weise die totale Veränderung der Verhältnisse signalisiert. Die seit den letzten Monaten drohende Gefährdung, ja der drohende Zusammenbruch der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik war ein höchst beunruhigendes Anzeichen der ins Gleiten geratenen Lage. Als die Schweiz es am 9. Februar ablehnte, der Erweiterung der Liberalisierung von 60 auf 75 vom Hundert zuzustimmen, war klar, daß die Wirkungen des umgestürzten Weltmarktes auch die gefestigten Volkswirtschaften erfaßt hatten. Als der Zentralbankrat in seiner Sitzung am 15. und 16. Februar feststellte, daß seine Mittel, um mit kreditpolitischen Maßnahmen indirekt den Einfuhrsog abzustoppen, nunmehr erschöpft seien, weil weder eine erneute Erhöhung des Diskontsatzes noch die Erhöhung der Mindestreserven die Entwicklung noch ernstlich aufhalten könnte, so daß er, der Rat, beschlossen habe, die Bundesregierung zu bitten, die Verantwortung für die kommenden Entschlüsse in vollem Maße zu tragen, da wurde der ganze alarmierende Ernst der Situation sichtbar.
    Schroffe und vorwurfsvolle Stimmen aus den Ländern des Westens und von der Hohen Kommission dringen an unsere Ohren. Die Londoner „Financial Times" bezeichnet Deutschland als das Sorgenkind der EZU. Sie unterstellt der Politik der Bundesrepublik in einer an Verdächtigung grenzenden Weise unlautere Beweggründe. Sie sagt, die deutschen Behörden hätten im Laufe der letzten Phase der Devisenkrise eine seltsame Leichtfertigkeit an den Tag gelegt. Der Vorstand der EZU könne mit Recht darauf hinweisen, daß es heute keine Europäische Zahlungsunion mehr gäbe, wenn die anderen Mitgliedsländer der Organisation sich ebenso verhalten hätten wie Deutschland. Und sie fährt weiter fort:
    Deutschlands Nachbarn müssen die Rechnung
    bezahlen, wenn etwas schief geht, sei es auch
    nur, weil die politischen und strategischen
    Pläne der westlichen Alliierten ein stabiles und
    wirtschaftlich gesundes Deutschland erfordern.
    Wie immer in solchen Zeiten geht es dann um die
    Prinzipien der Wirtschaftsordnung selbst, und es
    häufen sich die Vorschläge der Wundertäter. These
    steht gegen Antithese. Programme wachsen wie die
    Pilze aus dem Boden: das Niederbreisiger Programm, ein britischer Wirtschaftsplan für Deutschland, ein Wirtschaftsplan des Senators Schiller, der


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    dem Wirtschaftsausschuß des Bundesrates angehört, und so fort. Wie immer sucht man in solchen Zeiten den Sündenbock. Die Geschichte der Menschheit ist ebensosehr die Geschichte der menschlichen Irrtümer und Fehlschläge wie die Geschichte der menschlichen Versuche, die Schuld und Verantwortung einseitig auf den in die Wüste zu jagenden Bock zu wälzen, dem man das Schuldbündel auf den Rücken bindet.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat eindringlich in die Ohren seiner „politischen Freunde" von der Linken dieses Hohen Hauses gesprochen. Er heischte werbend Verständnis. Das Echo war mißtönend. Wir begreifen das, weil der Rufer und der Angerufene auf verschiedenen Ufern stehen. Auch die Bayernpartei als Anhängerin des Grundgedankens des Privateigentums, einer ihre soziale Verantwortung fühlenden Privatwirtschaft und der Rentabilität dieser Privatwirtschaft als Motor und Grundlage der Wohlfahrt der Bevölkerung, hat oder glaubt Anlaß zu Vorhalten zu haben. Es sind Fehler, auch grundlegende Fehler, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, gemacht worden. In verderblicher Weise wurden längst fällige Entscheidungen allzu lange verzögert, und es ist nicht gelungen, das soziale Gefüge in Ordnung zu halten, d. h. das Sozialprodukt in einer Weise zu verteilen, daß nicht die Massen das bittere Gefühl haben müssen, sie hätten nach einer Art Prädestinationslehre ewig zu den Enterbten und Verdammten dieser Erde zu zählen. Gewiß, wir haben diese Beanstandungen zu machen, und andere dazu. Aber wir halten es für nicht angemessen und für nicht seriös und gerecht, nach Schwarz-Weiß-Manier zu urteilen. Wir erachten es für nicht angängig, den ein en verantwortlich zu machen für das, was vor uns liegt. Mit anderen Worten: wir bemühen uns, die zweifellos großen Leistungen der Wirtschaftspolitik, für die der Bundeswirtschaftsminister verantwortlich zeichnet, auch anzuerkennen, gerade, weil wir uns durch diese Anerkennung andererseits Recht und Freiheit auch einer objektiven Kritik wahren. Wir möchten durchaus streng zwischen den Maßnahmen der verantwortlichen Stellen, der Politik der Besatzungsmächte und den Ausstrahlungen der veränderten weltpolitischen Lage unterscheiden. Kein Politiker und kein Staatsmann, auch von ' den stärksten Geistesgaben, der größten Tatkraft, den umfassendsten Erfahrungen und den lautersten Absichten, wäre imstande gewesen, die Realität der Umstürzung der Weltverhältnisse aus der Welt zu schaffen.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Aber besser damit fertig zu werden!)

    Die Fehler der alliierten und der deutschen Stellen dürfen nicht verschwiegen werden. Die Besatzungsmacht hält das Besatzungsrecht über jede vernünftige und gebührliche Zeitdauer hinaus aufrecht. Sie lastet der deutschen Wirtschaft in einem wachsenden Maße Kosten auf, die von ihr nicht mehr getragen werden können. Die Ruhrkontrolle wird aufrechterhalten. Die unsoziale Währungsumstellung ist durch die Besatzungsmacht, nicht durch deutsche verantwortliche Instanzen erfolgt, wie ein Redner in der Debatte bereits festgestellt hat. Vor allem aber werden die Produktionsbeschränkungen und Produktionsverbote immer noch nicht beseitigt oder wesentlich abgebaut. Noch vor wenigen Tagen gelang es der französischen Politik, die amerikanische Absicht, wonach sieben Produktionsbeschränkungen beseitigt und zwei Produktionsverbote aufgehoben werden sollten, zu vereiteln und zu durchkreuzen! Die Alliierten, d. h. die Westmächte, soweit sie der EZU angehören, haben die ihnen gegenüber der deutschen großen Vorleistung der Liberalisierung obliegende Verpflichtung, in gleicher Weise zu liberalisieren, nicht erfüllt und nicht eingehalten. Zwar wurde von seiten der Teilnehmer der EZU immer wieder beteuert, daß auch sie ihrerseits liberalisieren; die Ausführung dieser angeblichen Absicht ist aber immer wieder durch interne Verwaltungsanordnungen verhindert worden. Man hat zum Teil sogar die Ursprungserzeugnisse unserer Kontrolle entziehen können, so daß entgegen den Bestimmungen des EZU-Abkommens auch Waren, die nicht in den Ländern der Teilnehmer der EZU erzeugt oder hergestellt worden sind, im Transit aus anderen Ursprungsländern auf Liberalisierung, nach Deutschland eingeschleust wurden, wodurch die deutsche Zahlungsbitanz in einer verhängnisvollen Weise beeinträchtigt worden ist. Wir haben auch einen zu geringen Anfangskredit der EZU bekommen: 320 Millionen Dollar. Darüber sind ja auch von Seiten der Bundesregierung in den letzten Tagen Aufschlüsse gegeben worden. Nach wie vor fordert man von uns eine zu hohe Kohlenexportquote, und man enthält uns ja auch die Gegenwerte, die unsere Zahlungsbilanz in wohltätigster Weise hätten beeinflussen können, nämlich die deutschen Auslandsguthaben, bis heute vor.
    Auch auf deutscher Seite sind Fehler gemacht worden. Wesentliche Ursachen unserer heutigen Situation sind zweifellos die Aufrechterhaltung wesentlicher Reste von Zwangsbewirtschaftung, vor allem auch im Althausbesitz, der einen unentbehrlichen und bedeutenden Motor und Faktor im Wirtschaftsleben darstellt und bedeutet, und die Teilung der deutschen Wirtschaft in zwei selbständige, sich gegenüberstehende Sektoren, in preisfreie und preisgestoppte Wirtschaftsgebiete. Es ist unmöglich, daß in einer Wirtschaft auf die Dauer einander entgegengesetzte Systeme aufrechterhalten werden können.
    Wie schädlich das war, hat sich bei der stürmisch einsetzenden Hausse der Weltmarktpreise erwiesen, der gegenüber die deutsche Wirtschaft durch die Liberalisierung ungeschützt dastand. Die Folge war beispielsweise in der Getreidewirtschaft der spontane Durchbruch der Getreidepreise in der Richtung zu den Weltmarktpreisen.
    Weiterhin war die deutsche Wirtschaftspolitik in einer zu weitgehenden Weise auf die auswärtigen Gelder eingestellt. Diese stehen uns in der bisherigen Weise nicht mehr zur Verfügung, sei es, daß sich die amerikanische Politik wegen der Inanspruchnahme ihrer eigenen Mittel durch die Aufrüstung oder aber infolge des politischen und psychologischen Widerstandes der amerikanischen Steuerzahler nicht mehr in der Lage sieht, die Zuwendungen in dem bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten, sei es, daß sie nicht mehr will, zornig enttäuscht darüber, daß der Deutsche nicht freiwillig als Jagdhund auf die Jagd gehen, sondern sich höchstens auf die Jagd tragen lassen will. Auch das Schwanken der deutschen Wirtschaftspolitik, ob der Schwerpunkt und das Schwergewicht auf die Verbrauchsgüterindustrie und -erzeugung oder auf die Produktionsgüter-Erzeugung gelegt werden soll, hat die Beständigkeit, Festigkeit und Zielsicherheit der wirtschaftspolitischen Maßnahmen beeinträchtigt.
    Vor allem aber ist für unsere heutige. Situation die zu weit gegangene deutsche gutmütige Geneigtheit zur Liberalisierung verantwortlich zu machen. Noch auf der Ratstagung der OEEC am


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    26. Oktober 1950 in Paris hat der deutsche Vertreter zwar auf den Widerspruch der alliierten Politik hingewiesen, der darin liege, daß sie einerseits von uns Investitionsprogramme und eine expansive Kreditpolitik fordere, damit wir die Arbeitslosen in Arbeit bringen, und daß wir andererseits durch restriktive Kreditmaßnahmen die davon ausgehenden Rückwirkungen auf die Zahlungsbilanz beschränken sollten. Aber er hat gleichzeitig hinzugefügt: Wir sind bereit, aus innerster Überzeugung an der heute vor uns stehenden Aufgabe der Erhöhung der Liberalisierung bis auf 75 % mitzuarbeiten. Diese Erklärung ist noch in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die katastrophale Abwärtsentwicklung der deutschen Zahlungsbilanz bereits in Erscheinung getreten war.
    Außerdem darf ich noch auf die Unausgeglichenheit der Maßnahmen in der Regulierung der Einfuhren hinweisen. Die Bank deutscher Länder hat bekanntlich schon einmal, nämlich im Herbst 1949, Bardepots zur vollen Deckung der beantragten Einfuhrbewilligungen eingeführt. Sie ist dann davon abgekommen, weil schließlich ein Betrag von nicht weniger als einer Milliarde in diesen Bardepots bei dem Zentralbanksystem unproduktiv gebunden, sozusagen sterilisiert war. Gleichwohl hat sie in neuerer Zeit, als die Bedrohung der Entwicklung der Zahlungsbilanz sichtbar wurde, auf dieses mechanische Mittel der Bardepots zurückgegriffen. Sie hat sich dann allerdings mit 50 % begnügt und diese 50 % später auf 25 % ermäßigt. Das sind zweifellos Schwankungen, die wir schwer verstanden haben.
    Vor allem aber ist eine gewisse Zweigleisigkeit in der Wirtschaftspolitik zu bemerken gewesen. Die Bank deutscher Länder hat oft andere Auffassungen vertreten als die Bundesregierung, und innerhalb der Bundesregierung bestanden nicht selten wesentliche Verschiedenheiten zwischen den Auffassungen der Politik des Wirtschafts-, des Land-wirtschafts- und des Finanzministers. Die drei waren, statt eine heilige Dreieinigkeit zu bilden, gar manchmal eine unheilige Dreifaltigkeit. Das war tief bedauerlich, weil dadurch die Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Maßnahmen gehemmt war.
    Wir möchten von unserem Standpunkt aus fordern, daß in Zukunft versucht wird, die Zweiteilung der deutschen Wirtschaft, die von mir erwähnt worden ist, abzubauen. Wir wollen vor allem auch die Beseitigung der Gegensätze in den Grundauffassungen der Politik der beteiligten verantwortlichen Stellen im Schoße der Bundesregierung. Es wird die Aufgabe sein, den schmalen Grat zwischen der Inflation und der Deflation einzuhalten. Der Inflationsdruck lastet seit Jahrzehnten auf den modernen Wirtschaften; er ist permanent geworden. Die Inflation — es besteht eine größere Gefahr, daß Inflation, als daß Deflation eintritt — ist immer wieder das Mittel der Enteignung gerade der kleinen Leute, und sie ist eine Schrittmacherin der Gesinnung zum Kollektivismus, in dem man sich bergen und sichern will vor der Gefahr einer inflatorischen Entwicklung. Die Deflation andererseits ist die Ursache einer weitgehenden Arbeitslosigkeit. Es wird also das Kunststück zu machen sein, daß die Wirtschaftspolitik zwischen diesen beiden Extremen hindurchkommt.
    Die Inflation wird auch, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister ausgeführt hat, durch Abschöpfung eines etwaigen Überhanges der Kaufkraft zu vermeiden sein. Ein solcher Überhang besteht aber nicht dort, wo die kleinen Leute bereits heute den Riemen enger schnallen müssen, sondern er besteht in anderen Schichten und anderen Kreisen. Den Überhang einer Kaufkraft kann man abschöpfen entweder durch Steuern — das ist das für den Bürger unsympathischste, bei einem zu scharfen Steuerdruck aber auch das fragwürdigste Mittel — oder durch Erhöhung der Preise, d. h. vor allem durch Angleichung der Preise an den Weltmarkt, und drittens durch echtes Sparen. Echtes Sparen bedeutet Konsumverzicht, bedeutet Verlangsamung des Umlaufs des Geldes. Heute stehen wir einer rasant verstärkten und erhöhten Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes gegenüber, einer geradezu überstürzten Hast der Flucht in den Konsum und in die Sachwerte.
    Wenn nun der Herr Bundesfinanzminister die Hoffnung hat, daß durch die Beseitigung der Steuerbegünstigung der nicht entnommenen Gewinne die zur Selbstfinanzierung benutzten Mittel — Kapitalerträge — frei würden und damit für den Wiederaufbau dem Kapitalmarkt zur Verfügung stünden, so befürchte ich, daß eine solche Hoffnung unter den heutigen Umständen vage ist. Denn es handelt sich ja nicht nur darum, diese Mittel freizusetzen, sondern auch darum, diese Mittel auf den Kapitalmarkt zu lenken. Die Voraussetzung bildet aber das Vertrauen. Es ist eine materialistische Wirtschaftsauffassung, zu glauben, daß Wirtschaft nur Erzeugung und Verbrauch, nur Zins, Kredit und Kapital, Technik und Organisation sei. Wirtschaft ist nicht zuletzt Vertrauen. Ihr Element, ihre Grundlage ist also psychologischer Natur. Dieses Vertrauen ist in einer wesentlichen Weise durch die weltpolitischen Vorgänge, aber auch durch die Unterlassung einer angemessenen Aufwertung der Altsparguthaben erschüttert. Wir haben es gerade vom Standpunkt nicht des Lastenausgleichs, sondern der Wiederherstellung des Kapitalmarktes außerordentlich bedauert, daß die Bundesregierung und die Bank deutscher Länder sich nicht dazu entschließen konnten, eine rechtzeitige angemessene Lösung des Altsparerproblems und der Aufwertung der Altsparerguthaben ins Auge zu fassen. Ich bin der Meinung, daß es kaum möglich sein wird, mit Hilfe der sogenannten Sparmarken die Wirkung eines echten und umfassenderen Sparens zu erzielen. Sparmarken stellen auf den Gebieten, wo sie eingeführt werden, lediglich ein sogenanntes fakultatives Zwangssparen dar. Dieses Zwangssparen wird die Folge haben, daß auf den betroffenen Wirtschaftsgebieten Einschränkungen der Produktion stattfinden.

    (Mehrfache Rufe: Schluß!)

    Diese Anschraubung des Inlandsmarktes, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister sich vor dem Nürnberger Bund ausgedrückt hat, halte ich für höchst zweifelhaft. Wichtig ist, daß die Einfuhren neu reguliert werden.

    (Glocke des Präsidenten.)