Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle wurden in den letzten Monaten zahlreiche amtliche Prognosen über die Gesundung der westdeutschen Wirtschaft entwickelt. Mir scheint, alle diese Prognosen waren nichts anderes als Trugbilder, um die Masse unseres Volkes über eine Wirtschaftspolitik hinwegzutäuschen, die einzig und allein der Remilitarisierung dient.
Professor Erhard hat seine Wirtschaftspolitik, getreu der Regierungspolitik Adenauers, ganz den Gesetzen der amerikanischen Weltherrschaftspolitik untergeordnet. Seine anfänglichen optimistischen Prognosen über den Sieg der Marktwirtschaft sind wie Seifenblasen zerplatzt. Übriggeblieben ist die Kommandowirtschaft, die im zivilen Sektor Mangel erzeugt und die die ganze wirtschaftliche Kraft auf den Sektor der Rüstungswirtschaft, der sogenannten Investitionsindustrien konzentriert.
Wer die Remilitarisierung will, der muß Erhardsche Wirtschaftspolitik durchführen. Unter diesen Gesichtspunkten ist es kein Wunder, daß ernsthafte Krisenerscheinungen sich in der westdeutschen Wirtschaft bemerkbar machen.
Die zunehmende Zerrüttung der nationalen Wirtschaft ist die Folge der von Adenauer und Erhard unter dem Kommando des Petersberges betriebenen Wirtschaftspolitik.
Eine angesehene westdeutsche Zeitung, die „Stuttgarter Zeitung" vom 24. Februar 1951, untersucht in ihrem Leitartikel, der die bezeichnende Überschrift „Wetterzeichen" trägt, die Ursachen der Zerrüttung der westdeutschen Wirtschaft. Die westdeutsche bürgerliche Zeitung stellt die Frage: Was ist geschehen, daß sich der wirtschaftliche Himmel über Westdeutschland so sehr verdunkeln konnte? Darauf gibt die Zeitung folgende Antwort:
Man kann die deutschen Schwierigkeiten vielleicht in drei Begriffen zusammenfassen: Korea, Kohle und Konsum.
Die Zeitung gibt dazu folgende Tatsachen — ich greife nur einige Beispiele heraus —:
Zur Kohlesituation wird in dieser Zeitung gesagt, daß noch immer ein Viertel der geförderten deutschen Kohle exportiert werden muß; und zwar zu Preisen, die knapp die Hälfte der gegenwärtigen Weltmarktnotierungen ausmachen. Diese Feststellung in einer bürgerlichen Zeitung wird erst dann deutlich, wenn wir auf der anderen Seite sehen, daß amerikanische Kohle, für die wir den vollen Dollarpreis zu zahlen haben, in das Kohleland Westdeutschland importiert wird.
Während die deutschen Fabriken die verteuerte amerikanische Kohle aufnehmen müssen, fließt die Ruhrkohle zum Unterweltmarktpreis in die Rüstungsstätten Westeuropas zwecks Herstellung von Panzern, Bomben und Granaten, die dazu bestimmt sind, eines Tages unsere deutsche Heimat zu zerstören.
Der amerikanische Politiker Taft hat das Programm der Verwüstung der westdeutschen Produktionsstätten im Zuge eines amerikanischen Schießkrieges erst vor einiger Zeit zynisch zugegeben. Seine Forderung lautete: Im Falle eines Krieges
und eines eventuellen Rückzuges wird die westdeutsche Industrie zerstört werden müssen. Professor Erhard nannte dies „Verteidigung der Demokratie". Wenn Sie für diese amerikanische Politik das notwendige Anschauungsmaterial benötigen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Blicken Sie nach Korea!
Was nun den Konsum angeht, so stellt die von
mir bereits zitierte bürgerliche Zeitung fest, daß
die Mühlen für Weizen statt 350 DM je Tonne
410 DM bezahlen. Dies hat zur Folge, daß beispielsweise im Ruhrgebiet der Preis für Weizenimportschrot-Brot von 80 auf 90 Pfennig und der
Preis für Roggenmischbrot von 88 Pfennig auf
1,02 DM anstieg. Professor Erhard allerdings
spricht heute, angesichts dieser bitteren Tatsachen,
die den Massenkonsum der Werktätigen belasten,
von „stabilen Preisen". Ich stelle die Frage: Kann
man einen solchen Generalangriff auf den Konsum
der werktätigen Massen zugunsten der Investitionen in der Rüstungswirtschaft allein mit ansteigenden Preisen auf dem Weltmarkt entschuldigen?
Professor Erhard hat faktisch heute zugegeben, daß die Grundursache dieser Politik in der Remilitarisierung zu suchen ist. Jeder vernünftige Mensch in Westdeutschland weiß, daß bei einer richtigen
Orientierung der westdeutschen Wirtschaftspolitik
genügend Möglichkeiten offenstehen, auf der
Grundlage der Friedenswirtschaft und der
Orientierung auf die gewaltigen östlichen Märkte
bei Nichtausschaltung der Märkte des Westens
derartigen Preisentwicklungen entgegenzuwirken.
Westdeutschland kann sich nur dann aus den Schlingen des Marshall-Plans befreien, um sich beispielsweise in der Versorgung mit Brotgetreide auf den Weltmärkten aus den Fesseln des Weltweizenrates herauszulösen, um sich von den Schwankungen der Rüstungspreise im Sektor der amerikanischen Kriegswirtschaft zu befreien, wenn die westdeutsche Wirtschaft die notwendige Freiheit im Außenhandel hat und sich freimacht von jeder Diskriminierung des Auslandes, von der Professor Erhard heute sprach.
Diese Erkenntnis wird sich unschwer auch im Kabinett Dr. Adenauers durchsetzen können.
Das zeigen einige Äußerungen der Kabinettsmitglieder in den letzten Tagen. Am 11. März 1951 sprach Vizekanzler Blücher in Essen und betonte die Notwendigkeit weiterer Einschränkungen auf allen Gebieten. Er erklärte:
Nur wenn wir uns auf das Notwendigste beschränken, kommen wir durch.
Der Tenor seiner Rede war, Beschränkungen der eigenen Lebensweise sind von nun an unumgänglich notwendig.
Der sonst immer so optimistische Wirtschaftsminister sprach am gleichen Sonntag in Frankfurt am Main und sagte dort mit anderen Worten dasselbe, indem er aussprach:
Die Bevölkerung der Bundesrepublik muß freiwillig einsehen, daß im Interesse der Erhaltung der politischen Freiheit der Riemen enger geschnallt werden muß.
Die Finanz- und Außenhandelssituation nannte Professor Erhard in Frankfurt kritisch. Die notwendigen Begleitworte zu diesen Alarmrufen gab meiner Meinung nach der amerikanische Sprecher bei der Eröffnung der Frankfurter Messe, als er unmißverständlich an die Adresse der Bundesregierung erklärte, entweder mache die Bundesrepublik die Wirtschaftspolitik der Amerikaner, d. h. die Kriegspolitik der Amerikaner mit, oder die notwendigen Kredite würden gesperrt.
Meine Damen und Herren, hier muß man die Dinge endlich einmal beim richtigen Namen nennen!
Unser Volk weiß, daß diese Alarmrufe maßgeblicher Politiker des Bonner Kabinetts das ganze Ergebnis der Remilitarisierung und der Erfüllungswirtschaft in Westdeutschland aufzeigen. Auf die Parole „den Riemen enger schnallen" fällt heute in Westdeutschland, Herr Wirtschaftsprofessor, keiner mehr herein. Die Deutschen aller Schichten wissen, daß die Verwirklichung dieser Losung, den Riemen enger zu schnallen, nichts anderes bedeutet, als daß Hunderttausende junger Männer unseres Volkes das Koppel umschnallen sollen.
In den Vorschlägen des Niederbreisiger Arbeitskreises für das Sofortprogramm der Bundesregie-
rung ist unter I von der Schaffung der kosten- und preismäßigen sowie lohnpolitischen Voraussetzungen für eine Intensivierung der heimischen Landwirtschaft die Rede. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß gerade die westdeutsche Landwirtschaft unter den Auswirkungen der Remilitarisierung besonders schwer zu leiden hat.
Durch diese Politik, die im Rahmen des Marshall-Planes aufgezwungen wurde, erfolgt eine Zerstörung der westdeutschen Landwirtschaft, insbesondere der bäuerlichen kleinen und mittleren Betriebe.
— Warum regen Sie sich so auf? Hören Sie doch einmal zu, was Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik in Westdeutschland angerichtet haben!
Die kleinen Bauern wurden ein Opfer der amerikanischen Importeure, die sich in Westdeutschland einen großen und ständigen Absatzmarkt für die landwirtschaftliche Überproduktion der USA geschaffen haben.
Es war die Liberalisierung,
die diesen amerikanischen Kapitalisten Tür und Tor geöffnet hat. Darüber hinaus werden täglich Hunderte von Bauern in Westdeutschland von Grund und Hof vertrieben,
weil neue Rollbahnen für amerikanische Bomber und entsprechend der Anregung von Dr. Schumacher und Dr. Adenauer Truppenübungsplätze angelegt werden.
Die Ursache für die gegenwärtige Wirtschaftskrise in Westdeutschland ist somit einzig und allein in der Politik der Remilitarisierung Dr. Adenauers zu suchen.
Dieser Remilitarisierung dient auch die künstlich hochgetriebene Arbeitslosigkeit. Die Massen der Arbeitslosen sollen billige Objekte für die vorgesehenen Söldnerformationen sein. Zu gleicher Zeit aber sollen sie den Angriff auf die Löhne der arbeitenden Massen in Westdeutschland im Zuge der Maßnahmen, die Professor Erhard hier begründet hat, erleichtern.
Eine andere Folge der Remilitarisierung ist die weitgehende Einstellung des Wohnungsbaues zugunsten des Baus von Kasernen; der Errichtung von Flugplätzen und Befestigungsanlagen im Bereich des ehemaligen Westwalles.
Parallel mit der Drosselung des Wohnungsbaues wird im Zuge der Wirtschaftspolitik Adenauers und Erhards die Beschlagnahme von Wohnungen und die Räumung von Kasernen, die von den Umsiedlern bewohnt sind, von Tag zu Tag weitergeführt.
Ich erinnere an Ulm, wo Tausende von Umsiedlern,
Besitzer von Flüchtlingsbetrieben, die angeblich
bei der Rechten immer auf besondere Sympathien stoßen, voller Verzweiflung einer solchen Massenaustreibung aus ihren Wohnungen und Betrieben entgegensehen.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Folgen einer dem Kriege dienenden' Wirtschaftspolitik auf den Widerstand aller Patrioten in Westdeutschland stoßen werden.
Nicht anders verhält es sich mit der Steuerpolitik der Bonner Regierung.
Sie dient einzig und allein der Finanzierung der Kriegswirtschaft und aller Maßnahmen, die mit der Remilitarisierung zusammenhängen.
Die Skala reicht vom Zwangssparen bis zum Raub der Sozialversicherungsgelder.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den
Entwurf der Sonderumsatzsteuer für Süßwaren,
wodurch besonders die Kinder unseres Volkes im
Interesse der Remilitarisierung betroffen werden.
Angesichts dieser Steuerpolitik, die eine Begleiterscheinung der Remilitarisierung ist, kracht es auch in solchen Gebäuden, die bisher als Festungen der Wirtschaftspolitik Professor Erhards angesehen werden konnten.
Ich denke dabei an die Industrie- und Handelskammern in Westdeutschland. In allen Mitteilungen der Industrie- und Handelskammern kann man heute sehr besorgniserregende Feststellungen über die katastrophalen Auswirkungen der Remilitarisierung auf die Wirtschaft und die Finanzen lesen. In Nr. 3 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer in Offenbach am Main von 1951 heißt es zum Steuerbukett für das Jahr 1951: „Was bleibt denn außer Sand, Wasser und Luft noch steuerfrei?"
Es kracht also, meine Damen und Herren, in den stärksten Festungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
Ich will ferner darauf aufmerksam machen, daß gerade im Offenbacher Raum einige Fabrikanten den tieferen Sinn der Erhardschen und Adenauerschen Wirtschaftspolitik längst erkannt haben.
Als beispielsweise kürzlich einige Fabrikanten den Auftrag erhielten, Ausrüstungsgegenstände aus Leder für militärische Zwecke herzustellen, haben sie dies in richtiger Erkenntnis abgelehnt. Diese Ablehnung war ein Akt der wirtschaftlichen Vernunft.
Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann erspart sich die deutsche Industrie, ersparen sich die Kapitalisten ihr Korea.
Die Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei, die gestern veröffentlicht wurden, sind ebenfalls keineswegs geeignet, eine Besserung der wirtschaftlichen Situation herbeizuführen. Es gibt im Grunde genommen keine prinzipiellen Gegensätze zwischen Erhard und Nölting.
Es gibt im Grunde genommen ein einziges Wirtschaftsprogramm, d. h. die Verwirklichung der Remilitarisierung. Wenn man — das möchte ich den sozialdemokratischen Arbeitern und Wählern sagen — den Kurs der Remilitarisierung, wie es der SPD-Parteivorstand rücksichtslos tut, mitmacht, dann müssen auch alle Maßnahmen scheitern, die auf den Krieg orientierte Wirtschaft zu reformieren. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß man die Remilitarisierung vorbereiten und durchführen und zur gleichen Zeit eine Art Sozialkapital des Volkes anlegen kann. Heute regiert die Losung: Kanonen statt Butter. Diese Politik muß mit den Millionenbeträgen aus den Taschen der Werktätigen, der Mittelständler und der Fabrikanten, aus den Steuern und aus der Senkung der Reallöhne finanziert werden.
Wir Kommunisten sind der Meinung, daß bei Fortführung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik unser Volk unausweichlich einer Katastrophe entgegengeht. Wir schlagen darum unserem Volke vor, die Verständigungsangebote des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik und der Volkskammer anzunehmen, um im Konstituierenden Rat alle Fragen einer friedlichen deutschen Wirtschaft im Geiste der Verständigung zu lösen.
Im Konstituierenden Rat kann über die Abschaffung der Zonen- und Sektorengrenzen und über die Herstellung des freien Personen- und Warenverkehrs in ganz Deutschland Übereinstimmung gefunden, es können Maßnahmen zur Sicherung der Rechtseinheit, besonders im Hinblick auf die Patente und Warenzeichen, auf die Wertpapiere und andere Warentitel getroffen werden. Schließlich können Maßnahmen vereinbart werden zur Erweiterung des deutschen Binnenhandels, zur Aufhebung der Beschränkungen und zur Entwicklung des Außenhandels, insbesondere zur gemeinsamen Kontrolle des Exports und Imports sowie zur Schaffung eines einheitlichen Zollsystems. Verständigung kann auch erreicht werden über die einheitliche Benutzung aller Verkehrsmittel und über alle Maßnahmen zur Herstellung der Einheit auf finanziellem Gebiet. Das gleiche gilt für alle Maßnahmen zur Sicherung der Erhaltung der Arbeitsplätze der Werktätigen in einer Wirtschaft, die einzig und allein dem Frieden dient.
Meine Damen und Herren! Hier haben Sie ein Wirtschaftsprogramm, das den Erfordernissen unseres Volkes genügt; hier haben Sie die Losung und die Forderungen, die verwirklicht werden müssen, um unser deutsches Volk vor einer Katastrophe als Folge der Remilitarisierung zu bewahren.
Zu diesen Forderungen hat Dr. Adenauer nein gesagt. Diesem Nein schloß sich Dr. Schumacher an. Das deutsche Volk verlangt aber eine gesunde Wirtschaft, die dem Frieden und der Wohlfahrt unseres Volkes dient, und fordert darum: Fort mit
Adenauer, der der Zerstörer der westdeutschen Wirtschaft ist.
Wir lehnen den Etat des Wirtschaftsministeriums aus Gründen der Vernunft und aus Gründen der Verhinderung einer Katastrophe durch die Remilitarisierung für unser Volk ab.