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ID0112608200

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    Deutscher Bundestag — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4781 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4782B, 4833C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Ubersicht über Städte außerhalb, Bonns als Sitz der Bundesgerichte sowie der obersten und oberen Bundesbehörden (Nr. 2045 der Drucksachen) 4782C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Vorlage von Verordnungen zur Kenntnisnahme unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 2031, 2046, 2047 der Drucksachen) . 4782C Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD betr. Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten (Nrn. 1710, 2033 der Drucksachen) 4782C Anfrage Nr. 63 der Fraktion der DP betr. betriebliche Altersversorgung (Nrn. 1949, 2041 der Drucksachen) 4782D Anfrage Nr. 87 der Abg. Dr. Jaeger, Strauß und Gen. betr. Bundespolizei (Nrn. 1045, 2052 der Drucksachen) 4782D Anfrage der Fraktion der SPD betr. Adenauerspende (Nm. 1827, 2053 der Drucksachen) 4782D Änderungen der Tagesordnung . . . 4782D, 4785D Mellies (SPD) 4783A Euler (FDP) 4783B Renner (KPD) 4783B Beschlußfassung 4783C, 4792A Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft (Nr. 1974 der Drucksachen) 4783D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter . 4783D Beschlußfassung 4784C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2044 der Drucksachen) 4'784C Bausch (CDU), Antragsteller 4784C Renner (KPD) 4785A Beschlußfassung 4785C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen (Nr. 1985 der Drucksachen) 4785C Ausschußüberweisung 4785C Antrag auf Absetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie von der Tagesordnung: Zur Geschäftsordnung: Dr. von Brentano (CDU) . . . 4785D, 4788D Müller (Frankfurt) (KPD 4786A Ollenhauer (SPD) 4786B, 4791B Mellies (SPD) 4787C Loritz (WAV) 4788A Ritzel (SPD) 4788A Euler (FDP) 4789B Walter (DP) 4789D Renner (KPD) 4790A Dr. Arndt (SPD) 4790D Absetzung von der Tagesordnung . . . 4792A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft (Nr. 1969 [neu] der Drucksachen). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2022 der Drucksachen) 4792B Dr. Bleiß (SPD), Berichterstatter . 4792B Dr. Schöne (SPD) 4793B Naegel (CDU) 4794C Dr. Preusker (FDP) 4795C Vesper (KPD) 4796B Dr. Besold (BP) 4797A Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 4797B Ausschußüberweisung 4797C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IX — Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft (Nr. 1910 der Drucksachen) in Verbindung mit der ' Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand (Nrn. 21, 2039 der Drucksachen) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaitssauschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Vergebung der Aufträge des Bundes (Nrn. 22, 2040 der Drucksachen) 4797D Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter . 4798A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 4800B Dr. Nölting (SPD) 4806B Dr. Semler (CSU) 4812A Dr. Preusker (FDP) 4814D Loritz (WAV) 4818A Freudenberg (FDP) 4320C Dr. Bertram (Z) 4821C Rische (KPD) 4824C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 4827C Günther (CDU) 4830A Abstimmungen 4830B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes (Nr. 2006 der Drucksachen) . . . 4811D Beratung vertagt 4812A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Grundstücksverkehr (Nrn. 127, 1991 der Drucksachen) 4831A Keuning (SPD), Berichterstatter . . 4831A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 4831C Dr. Reismann (Z) 4832B Beschlußfassung 4833A Nächste Sitzung 4833A, C Die Sitzung wird um 14 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und nicht, wie sich aus der einen oder andern Rede ergeben mochte, mit den Leistungen des deutschen Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete zu tun. Es kann doch nicht richtig sein, was hier einer der Vorredner sagte: ein Beweis für die Richtigkeit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sei die Tatsache, daß es uns nach der Währungsreform besser ginge. Die Währungsreform ist bekanntlich nicht von deutschen Stellen, sondern von den Militärregierungen gemacht worden. Womit wir uns beschäftigen können, sind die Dinge, die die Bundesregierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet getan oder unterlassen hat.
    Es ist hier auf die Zahl der Beschäftigten hingewiesen worden. Man muß aber zum Vergleich wissen, daß England, das ungefähr gleich groß ist, 23,5 Millionen Beschäftigte hat, eine Zahl, die die unsrige von rund 15 Millionen ganz erheblich übersteigt. Man muß weiter wissen, daß wir noch eine Riesenzahl von Arbeitslosen haben und gar keine Möglichkeit sehen, das erforderliche Kapital aufzubringen, um den in den nächsten Jahren ins Erwerbsleben eintretenden Personen Arbeitsplätze zu sichern. Hier wären wirtschaftspolitisch notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung hat sich bisher auf diesem Gebiet nicht einschalten wollen; sie hat erklärt, daß auf dem Wege der Selbstfinanzierung das Kapital von selbst dahin flösse, wo sich die Arbeitsplätze am besten bildeten. Der Bundeswirtschaftsminister hat früher nicht von Kaffee, Kabaretts und ähnlichen Dingen gesprochen, die er heute mit einer Sondersteuer belegen will. Aber immerhin: ist ' es denn nicht ganz klar geworden, daß durch die Selbstfinanzierung eine Ausweitung der deutschen Wirtschaft — jedenfalls teilweise — an den Stellen erfolgt ist, die wir mit den Grundstoffen nicht beliefern können, so daß die Investitionen in diesen Industrien sinnlos geworden sind? Es sind dort zwar Verdienste angelegt worden; aber 'die Investitionen können einfach nicht ausgenutzt werden, weil zu einer solchen Ausnutzung der Investitionen die erforderlichen Grund- und Rohstoffe fehlen. Gerade das Fehlen einer Steuerung der Investitionen nach einem gewissen Plan ist die große Unterlassungssünde, die wir dem Bundeswirtschaftsminister vorwerfen.
    Einer der Vorredner sagte weiter, die Realkaufkraft habe sich um 11 % erhöht. Das stimmt ja nur für die Industriearbeiterschaft, und es stimmt — und das ist das Entscheidende — auch nur für die Vergangenheit; denn in dieser Statistik sind die Preissteigerungen der letzten Wochen und Tage




    (Dr. Bertram)

    nicht einbegriffen. Heute hat man in Bonn den Brotpreis ganz erheblich erhöht. Dieselbe Meldung bekommen wir aus Duisburg, wo der Brotpreis von 0,88 auf 1,02 DM erhöht worden ist. Diese Preiserhöhungen sind durchgeführt worden, ohne daß die Regierung auf Grund des bestehenden Preisgesetzes eingeschritten ist. Sie kann auch nicht sagen, sie selber könne doch nicht einschreiten, weil das Sache der Länderregierungen sei. Das ist nicht durchschlagend; denn die Bundesregierung hätte in diesen Dingen die Länderregierungen anweisen müssen, gegen die Verteuerung des Brotes sofort einzuschreiten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aber nichts dergleichen geschieht, und das ist die wirtschaftspolitische Unterlassung der Bundesregierung und des Wirtschaftsministeriums, die wir uns hier vor Augen führen müssen.
    Und wie ist es mit der übrigen Bevölkerung? Es ist sicher richtig, daß fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung in den letzten Jahren seit der Währungsreform keine Steigerung der Realkaufkraft erlebt hat, sondern nach wie vor auf einem ganz kümmerlichen Niveau leben muß. Denken Sie an Beamte, die bei einem Einkommensindex von 100 einem Preisindex von 151 gegenüberstehen, d. h. ein Drittel ihrer Kaufkraft eingebüßt haben. Das gleiche gilt ja für die Rentenempfänger, das gleiche gilt für die Unterstützungsempfänger und für die Festbesoldeten usw. usw. Gerade dieser Teil des deutschen Volkes hat von der Währungsreform nichts gehabt, sondern hat nach der Währungsreform sehen müssen, wie ein anderer Teil des deutschen Volkes sich sehr viel hat zugute tun können. Da ist eine Statistik außerordentlich aufschlußreich. Die Zahl der abhängigen Arbeiter, Angestellten und Beamten zusammen betrug im Jahre 1950 14,3 Millionen; die Zahl der Selbständigen war 3,71 Millionen. Die 14,3 Millionen Abhängigen haben insgesamt 43 Milliarden Einkommen gehabt; aber — man höre! — die 3,71 Millionen Selbständigen hatten 29 Milliarden Einkommen. Das beweist doch ganz eindeutig, daß wir eine Einkommensschichtung gehabt haben, die — bezogen auf 1936 — bei den Lohnarbeitern möglicherweise eine Gleichstellung ergibt; aber zweifellos haben die Verhältnisse das Einkommen der sogenannten Selbständigen ganz erheblich steigen lassen, und bei den Rentenempfängern und den Berufsgruppen, die nicht im aktiven Erwerbsleben stehen, haben diese Verhältnisse eine erhebliche Unterversorgung, einen erheblichen Unterkonsum nach sich gezogen. Das ist eine Folge der Wirtschaftspolitik der Regierung. Hier hätte sie eingreifen müssen. Hier hätte sie die Möglichkeit gehabt, durch Rückverteilung des verdienten Einkommens eine sozial gerechte Ordnung herbeizuführen und nicht nur einem Teil die Möglichkeit zu lassen, so ziemlich ohne Beschränkungen die Investierung anzulegen, aber auch einen privaten Aufwand zu pflegen, der nicht nur in Deutschland, sondern weit darüber hinaus in der ganzen Welt Anstoß erregt. Die Bundesregierung hätte nicht zulassen dürfen. daß fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung — wenn man die Frauen, Kinder und sonstigen Familienangehörigen dazu rechnet — ein Leben fristen muß, dessen Niveau weit unter dem von 1936 liegt, nämlich nur zwei Drittel 'des damaligen Lebensstandardes erreicht. Diese fehlende Einkommensrückverteilung durch eine gerecht wirkende Wirtschaftspolitik ist eine Tatsache, der gegenüber es gering wiegt, ,daß sich bei der Industriearbeiterschaft im November eine Reallohnsteigerung von 11 % ausrechnen läßt.
    Es wurde dann darauf hingewiesen, daß die Phasenverschiebung bei der deutschen Ausfuhr schuld daran sei, daß die Zahlungskrise eingetreten sei. Aber, meine Damen und Herren. dazu ist zu sagen: wir führen ja nicht zum ersten Mal in diesem Jahr aus. Praktiker der Ausfuhrwirtschaft wissen etwas von der Phasenverschiebung, wissen etwas von Remboursen. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß diese Dinge in theoretischen volkswirtschaftlichen Lehrbüchern zu 'kurz kommen und daß deshalb eine Wirtschaftspolitik, die von der Theorie und von Theoretikern gemacht wird, diese praktischen Dinge, die sich durch Jahrzehnte eingespielt haben, vergessen hat. Deswegen ist der Einwand, bei der Phasenverschiebung handle es sich sozusagen um eine höhere Gewalt, gegen die man nicht hätte ankommen können, völlig verfehlt.
    Wir wußten, daß mit steigender Ausfuhr Kapital steigend in die Ausfuhr hineingesteckt wurde, und hätten 'deshalb schon bei den Verhandlungen in Paris eine größere Kreditlinie durchdrücken müssen oder hätten sonst dem Protokoll nicht beitreten dürfen und hätten nicht à tout prix diesem Liberalisierungsabkommen in Paris unsere Unterstützung geben dürfen.
    Dann ist darauf hingewiesen worden, daß sich ja in Deutschland der Fleischkonsum erhöht hätte. Sicherlich hat sich der Fleischkonsum im Vergleich zum vorigen Jahr, im Vergleich zum Jahre 1950, erhöht. Aber, meine Damen und Herren, hat er denn damit den Friedensstand erreicht? Darauf käme es doch an! Da sind die Zahlen folgendermaßen. Der Fleischkonsum hat im Verhältnis zum Frieden 58 % erreicht, der Eierkonsum 68 %, Fett 71 %, Milch 78 %, Zucker 87 % des Vorkriegsverbrauchs. Ich glaube, wenn man diese Zahlen kennt, dann wird man sich nicht so stolz hinstellen und sagen: wir haben ja im letzten Jahre mehr Fleisch verbraucht als im vorletzten Jahre. Wir sind noch lange nicht da, wo uns diese aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen ein Bild des Optimismus vortäuschen können, ein Bild des Optimismus, das wirklich nicht gerechtfertigt ist und das Herr Kollege Freudenberg ja auch in seiner vorsichtigen Art leicht zu korrigieren versucht hat.
    Dann ist darauf hingewiesen worden, die Deutschen ließen sich leicht in irgendeine Katastrophenstimmung hineinbringen. Nichts ist falscher als das. Wir wollen uns nur nicht vom blühenden Optimismus des einen Tages, der uns propagandistisch von einer Versammlung, von einer Messeeröffnung, von einem Arbeitgeberverein her entgegenschallt, zum andern Tage dahin drängen lassen, daß es nun heißt: es müssen riesige Steuern erhoben werden; es müssen Zwangsinvestitionsanleihen erhoben werden, und ein Programm ist umfangreicher als das andere; ein Programm belastet mehr als das andere den Massenkonsum, ein Programm wird mehr noch als 'das andere einen Schock für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen, wenn die Programme in dieser gehäuften Fülle durchgeführt werden, wie sie uns in der pessimistischen Schau, die sich der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard auf einmal zugelegt hat, angepriesen werden. Wir sind deshalb der Ansicht, daß man nicht an einem Tage in blühendem Optimismus und am anderen Tage in schwärzestem Pessimismus machen sollte.
    Wenn die Leistungen des deutschen Volkes im letzten Jahre sich so gesteigert haben, daß beispielsweise 350 000 Wohnungen gebaut worden


    (Dr. Bertram)

    sind, — warum sind sie denn gebaut worden? Sie sind doch deshalb gebaut worden, weil sich deutsche Tüchtigkeit und deutscher Fleiß vereint haben und kräftig an den Stiel gespuckt worden ist und auf die Art und Weise etwas fertig geworden ist. Aber das ist doch nicht der Erfolg einer — gar nicht vorhandenen — Wirtschaftspolitik der Regierung. Unsere Bundesregierung hat doch immer erklärt, sie lehne es ab, in das Marktgeschehen einzugreifen, und ein Nichteingreifen in den Markt kann doch nicht Leistungen und Erfolge hervorgebracht haben; diese sind in Wirklichkeit der Tüchtigkeit unseres wirtschaftenden und schwer arbeitenden deutschen Volkes zuzuschreiben.
    Ich glaube deshalb: dadurch, daß man nur einige mit dem Wirtschaftsministerium überhaupt nicht in 'Beziehung stehende Fakten aus dem Zusammenhang herausreißt und hier vorträgt, kann man das Wirtschaftsministerium nicht verteidigen.
    Heute steht zur Debatte, ob das Wirtschaftsministerium und sein Leiter richtig gearbeitet haben, ob sie zeitig gearbeitet haben und ob wir der Ansicht sind, daß dieser Wirtschaftsminister noch länger sein Amt versehen kann, oder ob es besser wäre, daß er, das Scheitern seiner Politik einsehend, sein Amt einem tüchtigen und würdigeren Nachfolger zur Verfügung stellt. Nur 'diese Frage ist heute akut, und diese Frage muß beantwortet . werden. Daß die Frage nicht in formeller Weise gestellt werden kann, ist eine Folge der unglücklichen Konstruktion unseres Grundgesetzes,

    (Abg. Hilbert: Der glücklichen Konstruktion!)

    die uns leider nur dann erlaubt, einen Minister auf Grund eines konstruktiven Mißtrauensvotums in die Wüste zu schicken, wenn tatsächlich das ganze 1 Kabinett das Vertrauen des Hauses verloren hat. Aber — wie die Dinge auch sind — um so mehr müßte der betreffende Ressortminister seine eigene Verantwortung fühlen, um so mehr müßte der betreffende Ressortminister fühlen, ob er sein jetziges Handeln mit seinen Worten von vor kurzem in Übereinstimmung 'bringen kann. Man sagt: ein Mann — ein Wort! Wenn ein Mann ein Wort gesprochen hat und es hinterher nicht einlösen kann, dann soll er zu seinem Wort stehen und sagen: es geht nicht anders, meinetwegen weil die Verhältnisse mächtiger waren. Aber er soll zu seinen Worten stehen und dann seine Demission von sich aus einreichen. Daß dem Wirtschaftsminister seine Wirtschaftspolitik schon ganz aus der Hand geglitten ist, das beweist doch am allerdeutlichsten die Fülle der Kommissionen, die in der letzten Zeit tätig gewesen sind. Ich habe mir acht verschiedene Kommissionsberichte, die im Rahmen der Bundesregierung erstattet worden sind, gemerkt: das sind der interministerielle Ausschuß, der zunächst tätig war, dann der Wissenschaftliche Beirat, dann der Gutachterausschuß beim Kanzler, dann der Niederbreisiger Kreis, dann das Gutachten des Zentralbankrats, das 'Gutachten des ERP-Ministeriums und jetzt zum Schluß der Koordinierungsausschuß. Es ist doch ein grenzenloses Durcheinander, was sich mit dieser Organisationsfülle dartut.
    Daß dieses Durcheinander effektiv ist, ergibt sich aus einem anderen Gesichtspunkt. Die Wirtschaftspolitik wird — das haben wir gesehen — in erster Linie durch die Finanzpolitik gemacht. Daß hier der Bundesfinanzminister ein ganz entscheidendes Wort in der Wirtschaftspolitik mitspricht, ist wohl unbestritten. Daß dieses entscheidende Wort des
    Bundesfinanzministers in der Wirtschaftspolitik aber nicht mit seinem federführenden Kollegen vom Wirtschaftsministerium abgestimmt worden ist, ist ebenso klar; denn sonst wäre es ja nicht möglich gewesen, daß der Bundesfinanzminister beim Bundesrat eine Sonderumsatzsteuer beantragt — die Drucksache ist uns sogar schon vorgelegt — und der Bundeswirtschaftsminister uns heute mit dem Plan der Baby-Bonds beglückt hat. Welcher Plan ist denn nun der Plan der Bundesregierung? Nach Art. 65 des Grundgesetzes ist der Bundeskanzler derjenige, der die Richtlinien der Politik bestimmt.

    (Zurufe von der SPD.)

    Es ist möglich, daß er jetzt nach Übernahme des Außenministeriums nicht mehr in der Lage ist, die Richtlinien der Politik so zu bestimmen, wie es sein müßte.

    (Heiterkeit beim Zentrum und bei der SPD.) Ich will es dahingestellt sein lassen. Aber eins ist doch sicher richtig: daß es nicht möglich ist, daß eine einheitliche Regierung durch den Bundesfinanzminister — Unterschrift: die Bundesregierung — uns eine Sonderumsatzsteuer zur Deckung des Kapitalbedarfs vorlegt und das Bundeswirtschaftsministerium — wieder Unterschrift: die Bundesregierung — uns heute einen Plan über Baby-Bonds unterbreitet. Einer von diesen beiden Plänen muß nicht abgestimmt sein. Zuständig wäre der Bundeswirtschaftsminister; aber er macht sich anscheinend nichts daraus, wenn von seinen Kompetenzen etwas in andere Hände übergeht,


    (Abg. Dr. Wellhausen: Hören Sie mal! Gerade das Gegenteil hat er gesagt!)

    sonst hätte man uns die Sonderumsatzsteuer nicht vorlegen können. — Daß die Sonderumsatzsteuer zurückgezogen ist, davon ist mir nichts bekannt. Die Sonderumsatzsteuervorlage liegt jedenfalls als Eingang beim Bundesrat in unseren Fächern.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Aber nicht bei uns!)

    — Ich habe es bekommen.
    Eine weitere Frage. Der Zuständigkeitsstreit zwischen Finanzministerium und Wirtschaftsministerium nimmt teilweise ganz drollige Formen an. Da ist jetzt in dem neuen Einkommensteuergesetz das sogenannte Organprivileg wieder eingeführt worden, d. h. ein Großkonzern, der eine Handelsgesellschaft hat und an diese seine eigenen Waren verkauft, braucht keine Umsatzsteuer zu zahlen. Der Wirtschaftsminister ist gefragt worden, ob er das denn billige. Seine Antwort war, das könne er nicht sagen, er wisse nichts davon! Auf den Vorhalt, das sei in seinem Hause, in seinem Referat doch abgemacht worden; es sei doch toll, daß man jetzt bei dieser erhöhten Umsatzsteuer von 4 % die Großindustrie und die Großkonzerne so einseitig begünstige und die selbständige Wirtschaft zwei- und mehrmal Umsatzsteuer zahlen lasse, die man den Großkonzernen nunmehr auf Grund dieses Schachtelprivilegs erlassen wolle, hat der Bundeswirtschaftsminister erklären müssen, davon wisse er gar nichts; das sei zwar in seinem Hause geschehen, aber er wisse nichts davon.

    (Hört! Hört! links.)

    Ein weiteres Beispiel dieser Art, das beweist, daß hier nicht alles beim rechten ist und daß dem Wirtschaftsminister die Zügel aus der Hand geglitten sind! Wir haben im Bundestag einstimmig beschlossen, daß die Tabaksteuer gesenkt werden solle. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dann die Antwort bearbeitet, die dem Finanzausschuß


    (Dr. Bertram)

    zugegangen ist und die die Unterschrift des Vizekanzlers trägt. Darin ist dem Bundestag bzw. dem Finanzausschuß mitgeteilt worden, die Ermäßigung der Tabaksteuer komme nicht in Frage. Jetzt hören wir, daß das gleiche Bundeswirtschaftsministerium den Antrag gestellt hat, aus dringenden handelspolitischen Gründen die Tabaksteuersenkung durchzuführen, das gleiche Bundeswirtschaftsministerum, das die gleiche Angelegenheit vor kurzem federführend abschlägig beschieden hat.
    Das Bundeswirtschaftsministerium hat uns immer wieder versprochen, wir sollten nun endlich das Monopolmißbrauchsgesetz bekommen. Das wäre ja tatsächlich eine Angelegenheit, die dem deutschen Volk wohl zeigen würde, daß es dem Bundeswirtschaftsministerium wenigstens mit der theoretischen Konzeption seiner sogenannten sozialen Marktwirtschaft ernst sein würde. Wir haben bis heute das Monopolmißbrauchsgesetz noch nicht vorgelegt bekommen, obwohl wir durch Interpellation und Anträge die Vorlage wiederholt erbeten haben. Heute hören wir, daß ein Wettbewerbsgesetz vorgelegt werden soll. Soweit ich weiß, hat das Wettbewerbsgesetz mit dem Monopolmißbrauchsgesetz — jedenfalls in der früheren Fassung — nichts zu tun. Wir werden also auch noch weiter auf die Vorlage dieses Gesetzes warten.
    Das Exportförderungsprogramm ist vom Bundeswirtschaftsministerium im Oktober, glaube ich, im wesentlichen ausgearbeitet gewesen. Daß die Exportförderung in erster Linie eine Angelegenheit des Wirtschaftsministers ist, ist wohl unbestreitbar. Trotzdem hat es bis heute gedauert, daß die ersten Vorlagen in dieser so außerordentlich dringlichen Angelegenheit an uns herangekommen sind. In der gesamten Wirtschaft ist durch diese Säumigkeit, die wohl auf Einflüsse anderer Ministerien zurückzuführen ist, eine außerordentliche Verzögerung in den Exporten entstanden, und diese Verzögerung in der gesamten Exportwirtschaft hat uns die große Devisenkalamität eingetragen, die wir sicher hätten verhindern können, wenn das Exportförderungsprogramm rechtzeitig durchgeführt worden wäre. Wer weiß, daß gerade das Exportgeschäft sehr häufig ein Stoßgeschäft ist, daß eine einmal vorhandene Konjunktur mitgenommen werden muß und daß die Welle der Exportaufträge vielleicht — man weiß es nicht sicher — schon wieder abzuebben beginnt, der wird mir recht geben, wenn ich sage, daß die Verzögerung dieses Exportförderungsprogramms einen unwiederbringlichen großen Verlust für die Exportwirtschaft mit sich gebracht hat. Es kommt ja hinzu, daß der Export, den wir heute haben und der so sehr gelobt wird, einer eingehenden Überprüfung nicht so ganz standhält. Der Anteil der Fertigwaren am Export ist immer noch um 20 % geringer als in der Vorkriegszeit. Das mag im letzten Monat anders gewesen sein; aber nach der letzten mir erreichbaren Statistik war er noch um 20 % geringer als vor dem Kriege. Außerdem sind im Export neuerdings in erheblichem Maße Agrarerzeugnisse enthalten, Exporte, die wir keineswegs als überaus günstig zu bezeichnen haben. Die Dinge liegen also so, daß dieses Versäumnis des Bundeswirtschaftsministeriums eine erhebliche Benachteiligung der deutschen Wirtschaft zur Folge gehabt hat.

    (Zuruf von der CDU: Redezeit!)

    — Es ist ja so, daß die Redezeit hier nach dem Gewicht der Redner zugemessen wird. 10 Redner wiegen weniger als 140 Redner, und unserer kleinen Fraktion von 10 Abgeordneten wird die
    Redezeit dementsprechend kürzer zugemessen. Es kommt also nicht darauf an, ob jemand irgend etwas zu sagen hat, sondern darauf, wieviel er zusammen mit seinen Fraktionskollegen wiegt.

    (Beifall beim Zentrum.)

    Gegen diese Methode

    (Zuruf vom Zentrum: „Demokratie"!)

    kann ich mich nicht wehren. Ich weiß aber, daß in anderen Parlamenten diese merkwürdige Art der Zumessung der Redezeit nicht üblich ist.

    (Abg. Dr. Vogel: Das ist ein Irrtum!)

    Ich will zum Schluß kommen. Ich habe leider nur einen kleinen Teil des Materials vortragen können, das ich gern vorgetragen hätte. Ich glaube, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister sich einmal ehrlich seine eigenen Reden, wie er sie so oft gehalten hat, durchliest und die Maßnahmen, die er jetzt ergreifen soll, mit diesen seinen eigenen Reden vergleicht, dann sollte er nach dem Wort „ein Mann — ein Wort" jetzt seinen Posten zur Verfügung stellen und einem anderen Nachfolger den Platz frei machen.

    (Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle wurden in den letzten Monaten zahlreiche amtliche Prognosen über die Gesundung der westdeutschen Wirtschaft entwickelt. Mir scheint, alle diese Prognosen waren nichts anderes als Trugbilder, um die Masse unseres Volkes über eine Wirtschaftspolitik hinwegzutäuschen, die einzig und allein der Remilitarisierung dient.

    (Bravo! bei der KPD.)

    Professor Erhard hat seine Wirtschaftspolitik, getreu der Regierungspolitik Adenauers, ganz den Gesetzen der amerikanischen Weltherrschaftspolitik untergeordnet. Seine anfänglichen optimistischen Prognosen über den Sieg der Marktwirtschaft sind wie Seifenblasen zerplatzt. Übriggeblieben ist die Kommandowirtschaft, die im zivilen Sektor Mangel erzeugt und die die ganze wirtschaftliche Kraft auf den Sektor der Rüstungswirtschaft, der sogenannten Investitionsindustrien konzentriert.

    (Abg. Dr. Vogel: Wo haben Sie denn schon einen Mangel verspürt?)

    Wer die Remilitarisierung will, der muß Erhardsche Wirtschaftspolitik durchführen. Unter diesen Gesichtspunkten ist es kein Wunder, daß ernsthafte Krisenerscheinungen sich in der westdeutschen Wirtschaft bemerkbar machen.

    (Abg. Dr. Orth: Wer hat Ihnen das aufgesetzt? — Zuruf des Abg. Strauß.)

    Die zunehmende Zerrüttung der nationalen Wirtschaft ist die Folge der von Adenauer und Erhard unter dem Kommando des Petersberges betriebenen Wirtschaftspolitik.

    (Abg. Strauß: Schicken Sie das nach Pankow!)

    Eine angesehene westdeutsche Zeitung, die „Stuttgarter Zeitung" vom 24. Februar 1951, untersucht in ihrem Leitartikel, der die bezeichnende Überschrift „Wetterzeichen" trägt, die Ursachen der Zerrüttung der westdeutschen Wirtschaft. Die westdeutsche bürgerliche Zeitung stellt die Frage: Was ist geschehen, daß sich der wirtschaftliche Himmel über Westdeutschland so sehr verdunkeln konnte? Darauf gibt die Zeitung folgende Antwort:


    (Rische)

    Man kann die deutschen Schwierigkeiten vielleicht in drei Begriffen zusammenfassen: Korea, Kohle und Konsum.
    Die Zeitung gibt dazu folgende Tatsachen — ich greife nur einige Beispiele heraus —:

    (Abg. Dr. Vogel: Das haben doch Ihre Freunde auf dem Gewissen!)

    Zur Kohlesituation wird in dieser Zeitung gesagt, daß noch immer ein Viertel der geförderten deutschen Kohle exportiert werden muß; und zwar zu Preisen, die knapp die Hälfte der gegenwärtigen Weltmarktnotierungen ausmachen. Diese Feststellung in einer bürgerlichen Zeitung wird erst dann deutlich, wenn wir auf der anderen Seite sehen, daß amerikanische Kohle, für die wir den vollen Dollarpreis zu zahlen haben, in das Kohleland Westdeutschland importiert wird.

    (Andauernde Zurufe der Abg. Dr. Orth und Strauß.)

    Während die deutschen Fabriken die verteuerte amerikanische Kohle aufnehmen müssen, fließt die Ruhrkohle zum Unterweltmarktpreis in die Rüstungsstätten Westeuropas zwecks Herstellung von Panzern, Bomben und Granaten, die dazu bestimmt sind, eines Tages unsere deutsche Heimat zu zerstören.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Der amerikanische Politiker Taft hat das Programm der Verwüstung der westdeutschen Produktionsstätten im Zuge eines amerikanischen Schießkrieges erst vor einiger Zeit zynisch zugegeben. Seine Forderung lautete: Im Falle eines Krieges

    (Abg. Strauß: Im Falle eines russischen Angriffskrieges!)

    und eines eventuellen Rückzuges wird die westdeutsche Industrie zerstört werden müssen. Professor Erhard nannte dies „Verteidigung der Demokratie". Wenn Sie für diese amerikanische Politik das notwendige Anschauungsmaterial benötigen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Blicken Sie nach Korea!
    Was nun den Konsum angeht, so stellt die von
    mir bereits zitierte bürgerliche Zeitung fest, daß
    die Mühlen für Weizen statt 350 DM je Tonne
    410 DM bezahlen. Dies hat zur Folge, daß beispielsweise im Ruhrgebiet der Preis für Weizenimportschrot-Brot von 80 auf 90 Pfennig und der
    Preis für Roggenmischbrot von 88 Pfennig auf
    1,02 DM anstieg. Professor Erhard allerdings
    spricht heute, angesichts dieser bitteren Tatsachen,
    die den Massenkonsum der Werktätigen belasten,
    von „stabilen Preisen". Ich stelle die Frage: Kann
    man einen solchen Generalangriff auf den Konsum
    der werktätigen Massen zugunsten der Investitionen in der Rüstungswirtschaft allein mit ansteigenden Preisen auf dem Weltmarkt entschuldigen?

    (Abg. Strauß: Die alte Platte!)

    Professor Erhard hat faktisch heute zugegeben, daß die Grundursache dieser Politik in der Remilitarisierung zu suchen ist. Jeder vernünftige Mensch in Westdeutschland weiß, daß bei einer richtigen
    Orientierung der westdeutschen Wirtschaftspolitik
    genügend Möglichkeiten offenstehen, auf der
    Grundlage der Friedenswirtschaft und der
    Orientierung auf die gewaltigen östlichen Märkte
    bei Nichtausschaltung der Märkte des Westens
    derartigen Preisentwicklungen entgegenzuwirken.

    (Fortgesetzte Zurufe der Abg. Dr. Orth und Strauß.)

    Westdeutschland kann sich nur dann aus den Schlingen des Marshall-Plans befreien, um sich beispielsweise in der Versorgung mit Brotgetreide auf den Weltmärkten aus den Fesseln des Weltweizenrates herauszulösen, um sich von den Schwankungen der Rüstungspreise im Sektor der amerikanischen Kriegswirtschaft zu befreien, wenn die westdeutsche Wirtschaft die notwendige Freiheit im Außenhandel hat und sich freimacht von jeder Diskriminierung des Auslandes, von der Professor Erhard heute sprach.
    Diese Erkenntnis wird sich unschwer auch im Kabinett Dr. Adenauers durchsetzen können.

    (Abg. Strauß: Sie haben in Pankow einen neuen Referenten! — Heiterkeit.)

    Das zeigen einige Äußerungen der Kabinettsmitglieder in den letzten Tagen. Am 11. März 1951 sprach Vizekanzler Blücher in Essen und betonte die Notwendigkeit weiterer Einschränkungen auf allen Gebieten. Er erklärte:
    Nur wenn wir uns auf das Notwendigste beschränken, kommen wir durch.
    Der Tenor seiner Rede war, Beschränkungen der eigenen Lebensweise sind von nun an unumgänglich notwendig.
    Der sonst immer so optimistische Wirtschaftsminister sprach am gleichen Sonntag in Frankfurt am Main und sagte dort mit anderen Worten dasselbe, indem er aussprach:
    Die Bevölkerung der Bundesrepublik muß freiwillig einsehen, daß im Interesse der Erhaltung der politischen Freiheit der Riemen enger geschnallt werden muß.
    Die Finanz- und Außenhandelssituation nannte Professor Erhard in Frankfurt kritisch. Die notwendigen Begleitworte zu diesen Alarmrufen gab meiner Meinung nach der amerikanische Sprecher bei der Eröffnung der Frankfurter Messe, als er unmißverständlich an die Adresse der Bundesregierung erklärte, entweder mache die Bundesrepublik die Wirtschaftspolitik der Amerikaner, d. h. die Kriegspolitik der Amerikaner mit, oder die notwendigen Kredite würden gesperrt.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, hier muß man die Dinge endlich einmal beim richtigen Namen nennen!

    (Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Unser Volk weiß, daß diese Alarmrufe maßgeblicher Politiker des Bonner Kabinetts das ganze Ergebnis der Remilitarisierung und der Erfüllungswirtschaft in Westdeutschland aufzeigen. Auf die Parole „den Riemen enger schnallen" fällt heute in Westdeutschland, Herr Wirtschaftsprofessor, keiner mehr herein. Die Deutschen aller Schichten wissen, daß die Verwirklichung dieser Losung, den Riemen enger zu schnallen, nichts anderes bedeutet, als daß Hunderttausende junger Männer unseres Volkes das Koppel umschnallen sollen.

    (Beifall bei der KPD. — Zurufe in der Mitte.)

    In den Vorschlägen des Niederbreisiger Arbeitskreises für das Sofortprogramm der Bundesregie-


    (Rische)

    rung ist unter I von der Schaffung der kosten- und preismäßigen sowie lohnpolitischen Voraussetzungen für eine Intensivierung der heimischen Landwirtschaft die Rede. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß gerade die westdeutsche Landwirtschaft unter den Auswirkungen der Remilitarisierung besonders schwer zu leiden hat.

    (Erneute Zurufe.)

    Durch diese Politik, die im Rahmen des Marshall-Planes aufgezwungen wurde, erfolgt eine Zerstörung der westdeutschen Landwirtschaft, insbesondere der bäuerlichen kleinen und mittleren Betriebe.

    (Zurufe rechts und von der Mitte.)

    — Warum regen Sie sich so auf? Hören Sie doch einmal zu, was Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik in Westdeutschland angerichtet haben!

    (Anhaltende Zurufe.)

    Die kleinen Bauern wurden ein Opfer der amerikanischen Importeure, die sich in Westdeutschland einen großen und ständigen Absatzmarkt für die landwirtschaftliche Überproduktion der USA geschaffen haben.

    (Zuruf von der Mitte: Gibt es beim Kapitalismus eine Überproduktion? — Weitere Zurufe.)

    Es war die Liberalisierung,

    (Zurufe: Aha!)

    die diesen amerikanischen Kapitalisten Tür und Tor geöffnet hat. Darüber hinaus werden täglich Hunderte von Bauern in Westdeutschland von Grund und Hof vertrieben,

    (Lärm und anhaltende Zurufe von der Mitte und rechts)

    weil neue Rollbahnen für amerikanische Bomber und entsprechend der Anregung von Dr. Schumacher und Dr. Adenauer Truppenübungsplätze angelegt werden.

    (Zuruf des Abg. Strauß.)

    Die Ursache für die gegenwärtige Wirtschaftskrise in Westdeutschland ist somit einzig und allein in der Politik der Remilitarisierung Dr. Adenauers zu suchen.

    (Erneute Zurufe.)

    Dieser Remilitarisierung dient auch die künstlich hochgetriebene Arbeitslosigkeit. Die Massen der Arbeitslosen sollen billige Objekte für die vorgesehenen Söldnerformationen sein. Zu gleicher Zeit aber sollen sie den Angriff auf die Löhne der arbeitenden Massen in Westdeutschland im Zuge der Maßnahmen, die Professor Erhard hier begründet hat, erleichtern.

    (Anhaltender Lärm und Zurufe rechts und von der Mitte.)

    Eine andere Folge der Remilitarisierung ist die weitgehende Einstellung des Wohnungsbaues zugunsten des Baus von Kasernen; der Errichtung von Flugplätzen und Befestigungsanlagen im Bereich des ehemaligen Westwalles.

    (Zuruf rechts: Ihr habt ja nur Tennisplätze!) Parallel mit der Drosselung des Wohnungsbaues wird im Zuge der Wirtschaftspolitik Adenauers und Erhards die Beschlagnahme von Wohnungen und die Räumung von Kasernen, die von den Umsiedlern bewohnt sind, von Tag zu Tag weitergeführt.


    (Lebhafte Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Ich erinnere an Ulm, wo Tausende von Umsiedlern,
    Besitzer von Flüchtlingsbetrieben, die angeblich
    bei der Rechten immer auf besondere Sympathien stoßen, voller Verzweiflung einer solchen Massenaustreibung aus ihren Wohnungen und Betrieben entgegensehen.

    (Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Folgen einer dem Kriege dienenden' Wirtschaftspolitik auf den Widerstand aller Patrioten in Westdeutschland stoßen werden.

    (Beifall bei der KPD. — Erneute Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Nicht anders verhält es sich mit der Steuerpolitik der Bonner Regierung.

    (Zuruf rechts.)

    Sie dient einzig und allein der Finanzierung der Kriegswirtschaft und aller Maßnahmen, die mit der Remilitarisierung zusammenhängen.

    (Abg. Strauß: Das ist die reinste VolksDoktorarbeit! — Heiterkeit.)

    Die Skala reicht vom Zwangssparen bis zum Raub der Sozialversicherungsgelder.

    (Beifall bei der KPD.)

    Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den
    Entwurf der Sonderumsatzsteuer für Süßwaren,
    wodurch besonders die Kinder unseres Volkes im
    Interesse der Remilitarisierung betroffen werden.

    (Zuruf von der Mitte: Die Armen! — Abg. Strauß: Die werden genau so unterernährt wie Sie!)

    Angesichts dieser Steuerpolitik, die eine Begleiterscheinung der Remilitarisierung ist, kracht es auch in solchen Gebäuden, die bisher als Festungen der Wirtschaftspolitik Professor Erhards angesehen werden konnten.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Ich denke dabei an die Industrie- und Handelskammern in Westdeutschland. In allen Mitteilungen der Industrie- und Handelskammern kann man heute sehr besorgniserregende Feststellungen über die katastrophalen Auswirkungen der Remilitarisierung auf die Wirtschaft und die Finanzen lesen. In Nr. 3 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer in Offenbach am Main von 1951 heißt es zum Steuerbukett für das Jahr 1951: „Was bleibt denn außer Sand, Wasser und Luft noch steuerfrei?"

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Abg. Strauß: Der Beitritt zur KPD! — Heiterkeit.)

    Es kracht also, meine Damen und Herren, in den stärksten Festungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
    Ich will ferner darauf aufmerksam machen, daß gerade im Offenbacher Raum einige Fabrikanten den tieferen Sinn der Erhardschen und Adenauerschen Wirtschaftspolitik längst erkannt haben.

    (Zurufe von Mitte.)

    Als beispielsweise kürzlich einige Fabrikanten den Auftrag erhielten, Ausrüstungsgegenstände aus Leder für militärische Zwecke herzustellen, haben sie dies in richtiger Erkenntnis abgelehnt. Diese Ablehnung war ein Akt der wirtschaftlichen Vernunft.

    (Zurufe von Mitte.)

    Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann erspart sich die deutsche Industrie, ersparen sich die Kapitalisten ihr Korea.

    (Zuruf von der Mitte: Es ist schön, daß Sie für die Kapitalisten eintreten!)



    (Rische)

    Die Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei, die gestern veröffentlicht wurden, sind ebenfalls keineswegs geeignet, eine Besserung der wirtschaftlichen Situation herbeizuführen. Es gibt im Grunde genommen keine prinzipiellen Gegensätze zwischen Erhard und Nölting.

    (Lachen in der Mitte.)

    Es gibt im Grunde genommen ein einziges Wirtschaftsprogramm, d. h. die Verwirklichung der Remilitarisierung. Wenn man — das möchte ich den sozialdemokratischen Arbeitern und Wählern sagen — den Kurs der Remilitarisierung, wie es der SPD-Parteivorstand rücksichtslos tut, mitmacht, dann müssen auch alle Maßnahmen scheitern, die auf den Krieg orientierte Wirtschaft zu reformieren. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß man die Remilitarisierung vorbereiten und durchführen und zur gleichen Zeit eine Art Sozialkapital des Volkes anlegen kann. Heute regiert die Losung: Kanonen statt Butter. Diese Politik muß mit den Millionenbeträgen aus den Taschen der Werktätigen, der Mittelständler und der Fabrikanten, aus den Steuern und aus der Senkung der Reallöhne finanziert werden.
    Wir Kommunisten sind der Meinung, daß bei Fortführung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik unser Volk unausweichlich einer Katastrophe entgegengeht. Wir schlagen darum unserem Volke vor, die Verständigungsangebote des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik und der Volkskammer anzunehmen, um im Konstituierenden Rat alle Fragen einer friedlichen deutschen Wirtschaft im Geiste der Verständigung zu lösen.

    (Rufe: Oho!)

    Im Konstituierenden Rat kann über die Abschaffung der Zonen- und Sektorengrenzen und über die Herstellung des freien Personen- und Warenverkehrs in ganz Deutschland Übereinstimmung gefunden, es können Maßnahmen zur Sicherung der Rechtseinheit, besonders im Hinblick auf die Patente und Warenzeichen, auf die Wertpapiere und andere Warentitel getroffen werden. Schließlich können Maßnahmen vereinbart werden zur Erweiterung des deutschen Binnenhandels, zur Aufhebung der Beschränkungen und zur Entwicklung des Außenhandels, insbesondere zur gemeinsamen Kontrolle des Exports und Imports sowie zur Schaffung eines einheitlichen Zollsystems. Verständigung kann auch erreicht werden über die einheitliche Benutzung aller Verkehrsmittel und über alle Maßnahmen zur Herstellung der Einheit auf finanziellem Gebiet. Das gleiche gilt für alle Maßnahmen zur Sicherung der Erhaltung der Arbeitsplätze der Werktätigen in einer Wirtschaft, die einzig und allein dem Frieden dient.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren! Hier haben Sie ein Wirtschaftsprogramm, das den Erfordernissen unseres Volkes genügt; hier haben Sie die Losung und die Forderungen, die verwirklicht werden müssen, um unser deutsches Volk vor einer Katastrophe als Folge der Remilitarisierung zu bewahren.

    (Zuruf von der Mitte: Darauf wartet unser Volk, daß Sie das Rezept haben!)

    Zu diesen Forderungen hat Dr. Adenauer nein gesagt. Diesem Nein schloß sich Dr. Schumacher an. Das deutsche Volk verlangt aber eine gesunde Wirtschaft, die dem Frieden und der Wohlfahrt unseres Volkes dient, und fordert darum: Fort mit
    Adenauer, der der Zerstörer der westdeutschen Wirtschaft ist.

    (Beifall bei der KPD.)

    Wir lehnen den Etat des Wirtschaftsministeriums aus Gründen der Vernunft und aus Gründen der Verhinderung einer Katastrophe durch die Remilitarisierung für unser Volk ab.

    (Lebhafter Beifall bei der KPD. — Gegenrufe von der Mitte. — Abg. Rische: Ihr habt keine Konzeption, Ihr habt nur den Untergang!)