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ID0112607600

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    Deutscher Bundestag — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4781 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4782B, 4833C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Ubersicht über Städte außerhalb, Bonns als Sitz der Bundesgerichte sowie der obersten und oberen Bundesbehörden (Nr. 2045 der Drucksachen) 4782C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Vorlage von Verordnungen zur Kenntnisnahme unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 2031, 2046, 2047 der Drucksachen) . 4782C Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD betr. Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten (Nrn. 1710, 2033 der Drucksachen) 4782C Anfrage Nr. 63 der Fraktion der DP betr. betriebliche Altersversorgung (Nrn. 1949, 2041 der Drucksachen) 4782D Anfrage Nr. 87 der Abg. Dr. Jaeger, Strauß und Gen. betr. Bundespolizei (Nrn. 1045, 2052 der Drucksachen) 4782D Anfrage der Fraktion der SPD betr. Adenauerspende (Nm. 1827, 2053 der Drucksachen) 4782D Änderungen der Tagesordnung . . . 4782D, 4785D Mellies (SPD) 4783A Euler (FDP) 4783B Renner (KPD) 4783B Beschlußfassung 4783C, 4792A Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft (Nr. 1974 der Drucksachen) 4783D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter . 4783D Beschlußfassung 4784C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2044 der Drucksachen) 4'784C Bausch (CDU), Antragsteller 4784C Renner (KPD) 4785A Beschlußfassung 4785C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen (Nr. 1985 der Drucksachen) 4785C Ausschußüberweisung 4785C Antrag auf Absetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie von der Tagesordnung: Zur Geschäftsordnung: Dr. von Brentano (CDU) . . . 4785D, 4788D Müller (Frankfurt) (KPD 4786A Ollenhauer (SPD) 4786B, 4791B Mellies (SPD) 4787C Loritz (WAV) 4788A Ritzel (SPD) 4788A Euler (FDP) 4789B Walter (DP) 4789D Renner (KPD) 4790A Dr. Arndt (SPD) 4790D Absetzung von der Tagesordnung . . . 4792A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft (Nr. 1969 [neu] der Drucksachen). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2022 der Drucksachen) 4792B Dr. Bleiß (SPD), Berichterstatter . 4792B Dr. Schöne (SPD) 4793B Naegel (CDU) 4794C Dr. Preusker (FDP) 4795C Vesper (KPD) 4796B Dr. Besold (BP) 4797A Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 4797B Ausschußüberweisung 4797C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IX — Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft (Nr. 1910 der Drucksachen) in Verbindung mit der ' Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand (Nrn. 21, 2039 der Drucksachen) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaitssauschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Vergebung der Aufträge des Bundes (Nrn. 22, 2040 der Drucksachen) 4797D Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter . 4798A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 4800B Dr. Nölting (SPD) 4806B Dr. Semler (CSU) 4812A Dr. Preusker (FDP) 4814D Loritz (WAV) 4818A Freudenberg (FDP) 4320C Dr. Bertram (Z) 4821C Rische (KPD) 4824C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 4827C Günther (CDU) 4830A Abstimmungen 4830B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes (Nr. 2006 der Drucksachen) . . . 4811D Beratung vertagt 4812A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Grundstücksverkehr (Nrn. 127, 1991 der Drucksachen) 4831A Keuning (SPD), Berichterstatter . . 4831A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 4831C Dr. Reismann (Z) 4832B Beschlußfassung 4833A Nächste Sitzung 4833A, C Die Sitzung wird um 14 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute mit einer wirklich ernsten Materie auseinanderzusetzen, und ich muß es bedauern, daß in den Ausführungen des Herrn Professors Nölting doch so manchmal nicht die saubere Trennung der Ursachen und Wirkungen der Korea-Entwicklung und der inneren Geschehnisse erfolgte,

    (Zuruf des Abg. Renner)

    so daß manch einer draußen — ohne die Zusammenhänge übersehen zu können — unter Umständen das Gefühl haben mußte — nehmen Sie mir das bitte nicht übel, Herr Professor Nölting —, als ob etwa der Bundeswirtschaftsminister Korea überfallen habe gerade zu dem Zweck, um hier die Preise hochzutreiben, die Güter zu verknappen und die Zahlungsbilanzkrise auszulösen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Ich möchte doch wirklich meinen, daß wir uns hier bemühen müssen, vor dem deutschen Volk diese Fragen mit dem notwendigen Ernst und der notwendigen Sachlichkeit zu behandeln,

    (Abg. Dr. Nölting: Selbst beherzigen!)

    und daß wir zunächst einmal vollkommen klar zum
    Ausdruck bringen müssen, daß es sich hier nicht
    nur um ein deutsches Problem handelt, sondern um


    (Dr. Preusker)

    ein Problem, dem sich die gesamte westliche Welt gegenwärtig gegenübersieht. Auch das von Ihnen verschiedentlich zitierte England hat sich genau so mit diesen Problemen abzumühen. Es hat seit der Entwicklung der Korea-Krise eine Preissteigerung um bereits 62 % erlebt.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Es hat dort Herunterrationierungen bis auf eine Fleischration von 30 Pfennig gegeben. Keine Engländerin kann sich mehr Nylonstrümpfe kaufen. In England gibt es genau so Kohleknappheiten und alle Schwierigkeiten, wie sie bei uns auch aufgetreten sind.

    (Zurufe links.)

    Wir wollen doch nicht in den Fehler verfallen, immer nur schwarz und nur weiß zu malen, sondern wir wollen die Dinge einmal so analysieren, wie sie sind, um daraus auch die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Da ist auch von meinem Vorredner schon mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden: wenn das deutsche Volk vergleicht, wie die Verhältnisse vor der Währungsreform und nach der Währungsreform ausgesehen haben, dann kann es nicht leugnen, daß außerordentliche Erfolge erzielt worden sind.

    (Zuruf von der SPD.)

    Wenn wir allein im Jahre 1950, um nur einmal ein Faktum herauszugreifen, unsere Produktion um 25 % erstmals auf ein Niveau von 111 % von 1936 haben steigern können und damit gegenüber 1948 eine Verdoppelung unseres gesamten Sozialprodukts erfolgt ist, wenn wir im Jahre 1950 im Rahmen dieses gesamten Produktionsprogramms, das abgewickelt wurde, eine Rekordleistung durch die Schaffung von über 350 000 Wohnungen vollbracht haben,

    (sehr richtig! rechts)

    wenn weiterhin in diesem Jahre 1950, in einem einzigen Jahr, die deutsche Ausfuhr fast verdoppelt wurde und von 1,1 auf 2 Milliarden Dollar erhöht werden konnte und auf der andern Seite dadurch die Möglichkeit gegeben war, trotz einer abnehmenden ERP-Hilfe die Einfuhr noch von 2,2 Milliarden auf 2,7 Milliarden Dollar zu steigern und dabei noch den Außenhandelssaldo um 400 Millionen Dollar zu verbessern, und wenn dies alles mit einer merklichen Steigerung der Zahl der dauernd Beschäftigten um 600 000 auf 14,2 Millionen Menschen verbunden war, wenn dabei noch — auch trotz Korea und der bisher eingetretenen Rückwirkungen auf dem Preisgebiet — eine Erhöhung des Realeinkommens und der Realkaufkraft um 11 % eingetreten ist, so glaube ich, daß sich dieser Erfolg, den die deutsche Wirtschaft im Zeichen der sozialen Marktwirtschaft im Jahre 1950 erzielt hat, in der ganzen Welt sehen lassen kann.

    (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)

    Wenn Sie sich einen Teil der Schwierigkeiten, die aufgetreten sind, näher betrachten, dann stellen Sie fest, daß diese Schwierigkeiten gerade aus dieser erfolgreichen Entwicklung heraus entstanden. Das gilt in erster Linie für unsere Zahlungsbilanzkrise.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Denn hier ist es so, daß sich gerade in dem Maße, in dem sich unsere Ausfuhr steigert und damit die Möglichkeiten für eine erhöhte Einfuhr geschaffen werden, ständig die Höhe der Außenstände vermehren muß, die das deutsche Volk von der ganzen
    Welt zu fordern hat, weil nämlich unsere Ausfuhr durchschnittlich erst nach 3, 4 oder 5 Monaten bezahlt wird, während wir auf der andern Seite unsere Einfuhr sofort zu begleichen haben.

    (Abg. Dr. Nölting: Das war aber doch früher auch so!)

    — Früher war aber das Volumen entschieden kleiner, und wenn das Volumen, was wir hoffen, noch größer wird, dann werden seltsamerweise unsere Schwierigkeiten gerade deshalb so lange wachsen müssen, wie die eine Tatsache fortbesteht, die nicht wir zu vertreten haben, daß uns nämlich der Zugang zu den Rembourskrediten, die wir früher in der Welt erhalten haben, verschlossen bleibt.

    (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.)

    Wir haben in den letzten Monatsdurchschnitten einen normalen Ausfuhrumsatz von 250 Millionen Dollar, von über 1 Milliarde D-Mark erzielt; das heißt, daß eine durchschnittliche Drei- oder Viermonats-Außenhandelssumme von zusammengerechnet etwa 700 Millionen Dollar draußen steht und daß das, was man uns bei der Europäischen Zahlungsunion als Rembourskreditersatz gewährt hat — diese Quote von 320 plus noch einmal 120 gleich 440 Millionen Dollar —, eben um rund 300 Millionen Dollar zu kurz ist.
    Wenn wir draußen nicht das Verständnis finden können, daß die Kreditgewährung an uns etwa der Kreditgewährung entspricht, die das deutsche Volk mit seiner Ausfuhr-Vorleistung an die Welt zu leisten hat, dann müssen wir jetzt überlegen, wie wir aus dieser uns versagten gleichen Kreditierung die richtigen Folgerungen ziehen.
    Es ist auch schließlich so, daß die Schwierigkeiten, die z. B. bei der Kohle aufgetreten sind, nicht auf eine Verringerung der Kohlenförderung zurückgehen. Diese Kohlenförderung ist im Gegenteil auch im Jahre 1950 nochmals um über 7 % auf 110 Millionen Tonnen gestiegen. Aber infolge der ganz erheblichen Beschleunigung des wirtschaftlichen Umlaufs seit der Koreakrise ist die übrige Produktion eben viel schneller gestiegen, um über 40 °/o, und daraus ergab sich die Schere, die es nun zu überwinden gilt.
    Wenn Sie ferner auf einem andern Gebiet, das von Ihnen erwähnt wurde — auf dem Gebiet der mangelhaften Kapitalbildung —, in einer Situation, in der nun einmal die ganze Welt Furcht vor einem neuen Kriege hat, trotz allen Zuredens, trotz Ermahnungen, trotz noch so reizvoller Maßnahmen nicht das Vertrauen herstellen können, daß es mit Sicherheit gelingen wird, einen katastrophalen Ausgang dieser weltpolitischen Spannungen zu vermeiden, dann müssen Sie eben auch hier überlegen, ob es andere Wege gibt, um zur Sicherstellung der notwendigen Investitionen zu kommen.
    Zu Beginn dieser Überlegungen möchte ich das eine einmal ganz klar sagen. Es ist schon immer eine verhängnisvolle deutsche Eigenschaft gewesen, daß man, sobald irgendwo geringe oder größere Schwierigkeiten auftauchten, aus denen zunächst einmal kein Ausweg zu sein schien, sofort geneigt war, von einem Extrem ins andere zu fallen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Es ist seit Monaten — ich möchte das hier einmal warnend sagen — in unsere Bevölkerung eine Art von Stimmung buchstäblich hineingetragen worden, als sei eine solche ausweglose Situation gegeben, während das in Wirklichkeit überhaupt nicht zutrifft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



    (Dr. Preusker)

    Allerdings muß ich auch der Bundesregierung einiges mit aller Deutlichkeit sagen. Wir haben uns — im Namen unserer Fraktion darf ich das hier aussprechen — bereits seit Monaten gewünscht, daß die Bundesregierung mehr Mut und Schnelligkeit in der Aufklärung des deutschen Volkes und dann vor allem im Handeln bewiesen hätte. Denn von einem sind wir fest überzeugt: vieles von dem, was jetzt hier und dort an völlig unnötiger Katastrophenstimmung entstanden ist, wäre überhaupt nie entstanden, wenn man sich ganz offen vor das deutsche Volk hingestellt und gesagt hätte: „So und so liegen die Dinge, es ist nichts, was uns irgendwie zu ernsten Konsequenzen zwingt. Es wird sowohl von uns, der Regierung, als auch von der Bevölkerung unter allen Umständen verlangt, daß die Nerven behalten werden".

    (Abg. Renner: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!)

    Wir haben heute endlich vom Herrn Bundeswirtschaftsminister eine Reihe von Maßnahmen vorgetragen bekommen, von denen wir nur wünschen können, daß sie so schnell wie möglich durchgeführt werden, um draußen sichtbar werden zu lassen, daß eben nichts „schleift", wie es von Herrn Professor Nölting gesagt wurde, sondern daß bei uns mit Energie daran gegangen wird, die Engpässe und Schwierigkeiten zu überwinden.

    (Abg. Renner: Massensteuern!)

    Das, was nach unserer Ansicht im Mittelpunkt steht, sind nicht, wie Professor Nölting sagte, die Preise, die Gott sei Dank bei uns bisher von allen Ländern der westlichen Welt bei weitem am wenigsten gestiegen sind, sondern das ist die Ausweitung der Produktion und des Außenhandels, der Ausfuhr und der Einfuhr. Denn nur wenn diese beiden Gebiete an der Spitze stehen, sind wir auch mit Sicherheit in der Lage, der Preisentwicklung Herr zu werden.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Daher gehen unsere Forderungen dahin, daß die Engpaß-Programme, von . denen heute hier gesprochen wurde, bei der Kohle, bei der Energiewirtschaft, beim Schiffbau, bei der Eisen- und Stahlindustrie und in der Exportindustrie unter allen Umständen durchgezogen und daß die Mittel für ihre Finanzierung beschafft und bereitgestellt werden; wie, darauf will ich noch zurückkommen.
    In demselben Zusammenhang möchte ich aber sagen, daß es nach unserer Überzeugung nicht allein damit getan ist, nun die Mittel für den Ausbau neuer Schächte bereitzustellen, sondern daß auch gleichlaufend an den Bau der Bergarbeiterwohnungen gedacht werden muß und daß die Mittel auch dafür mit derselben Gleichrangigkeit bereitzustellen sind. Hier haben wir eine besondere Forderung an die Bundesregierung. Im Rahmen des gegenwärtigen Steuerprogramms zur Deckung zusätzlicher Staatsausgaben ist auch daran gedacht, die Beträge für die Förderung des sozialen Wohnungsbaues nach § 7 c auf '7000 Mark zu beschränken. Wir möchten die. Bundesregierung bitten, für den Bergarbeiter-Wohnungsbau eine Ausnahme zu machen und hier die Grenze erst bei 10 000 Mark zu ziehen.
    Zum zweiten: Bei der Frage, die unmittelbar hinter der Sicherung der Engpaßinvestitionen zur Bereitstellung von mehr Kohle rangiert, bei der Exportförderung, haben wir ebenfalls eine zusätzliche Forderung zu der Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers: daß das Bundeskabinett die Vorlage über die steuerliche Begünstigung der Exporteure, die es endlich verabschiedet hat, uns — den Koalitionsparteien — übergibt, damit wir sie als interfraktionellen Antrag im Bundestag sofort voranziehen können und so der langwierige Weg oder Umweg über den Bundesrat umgangen werden kann.

    (Bravo! bei der FDP.)

    Ich möchte noch etwas zu den Fragen der Prioritäten, zu den Fragen der Rohstoffkontrollen, die hier angeschnitten worden sind, sagen. Es wurde gesagt: Ja, der Kreis beginnt sich zu schließen; er geht wieder in die Zwangswirtschaft hinein! Nein, meine Damen und Herren, das tut er nicht, weil vorweg die beiden Maßnahmen — die der Förderung und Ausweitung der Produktion und der Ausfuhr — stehen, damit in Deutschland die Warenversorgung gegenüber dem gegenwärtigen Umfang — der Gott sei Dank immer noch ausreichend gewesen ist — nicht gemindert, sondern mit allen Mitteln gehalten und hoffentlich sehr schnell auch erweitert werden wird.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Wir haben es doch immerhin — und ich glaube, das ist in der Geschichte der sogenannten Zwangswirtschaft der Vergangenheit ein noch nie dagewesener Vorgang — fertiggebracht, daß eine Ware, die im vorigen Jahr infolge großer Hortungskäufe einmal von den Märkten vorübergehend verschwand — der Zucker —, nach kurzer Zeit infolge der weiteren Produktions- und Außenhandelsbelebungsmaßnahmen wieder da war, auch gegenwärtig noch da ist und auch weiterhin da sein wird.

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Renner: Nur etwas teurer!)

    Wir möchten diese Kontrollen deshalb einmal in den Zusammenhang stellen, in dem sie gesehen werden müssen. Wenn die ganze westliche Welt gegenwärtig Anstrengungen macht, um den Frieden zu erhalten,

    (Lachen bei der KPD)

    den' Frieden, der für unser Volk ganz besonders wichtig ist, und in diesem Rahmen sich Beschränkungen auferlegt, daß z. B. Kupfer nicht mehr für Teekessel

    (Zuruf von der KPD: Für Granaten!) verwandt werden darf, dann kann diese westliche Welt auch von Deutschland erwarten, daß es seinerseits genau die gleiche Selbstbeschränkung im Verbrauch solcher knappen Stoffe auf sich nimmt. Wenn Sie irgendein Verwendungsverbot aus diesen übergeordneten Gesichtspunkten aussprechen oder eine Exportpriorität auferlegen, dann bleibt das immer noch eine absolut marktkonforme Maßnahme und sogar eine zeitkonforme Maßnahme.


    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Lassen Sie mich als dritte Forderung nun etwas zur Frage der Sicherstellung der Finanzierung der Investitionen sagen, die im Rahmen des Engpaß-programmes nach unserer Überzeugung das A und O der gesamten wirtschaftspolitischen Soforthandlungen der Bundesregierung zu bilden haben. Ich sagte bereits vorhin: es gibt keine Möglichkeit, mit noch so großzügigen Anreizen — seien sie auf dem Zinsgebiet, seien es alle möglichen anderen Versprechungen — zum freiwilligen Sparen zu kommen, solange die Furcht vor dem Kriege die Welt erfüllt. Man kann das nicht; also gibt es dann grundsätzlich nur noch zwei Möglichkeiten: entweder Sie erheben Steuern, oder Sie führen


    (Dr. Preusker)

    das Zwangssparen ein. Steuern zu erheben, um damit Milliarden-Investitionen durchzuführen, Steuern, die dann nicht nur einen kleinen Kreis treffen können, sondern die dann — weil es im wesentlichen indirekte Steuern sein werden — auch die breite Masse treffen müssen, ist erstens immer der am wenigsten soziale Weg; aber es ist zum zweiten auch der Weg, den wir deswegen ablehnen, weil wir nicht einzusehen vermögen, daß die Opfer, die der einzelne jetzt zu bringen hat, um dafür zu sorgen, daß mehr Kohle, mehr Eisen, mehr Schiffe produziert werden können, nicht ihm selbst in Form des Sparguthabens, der Beteiligung oder des Anleihebesitzes zugute kommen sollen, sondern statt dessen dem anonymen Staat. Wir werden deshalb jede Form der Investitionsfinanzierung erst als die allerletzte in Betracht ziehen, die nicht versucht, den Sparer oder den, dem ein Opfer auferlegt wird, selbst zum Inhaber der Forderungen gegenüber den Kohlengesellschaften, den Schiffsbauunternehmen oder den Energiegewinnungsgesellschaften werden zu lassen.
    Es ist vorhin von Herrn Professor Nölting im
    Rahmen seiner Vorschläge zu diesem Punkt eine
    Überverbrauchssteuer, zusätzlich zur Einkommensteuer der hohen Einkommen, angeregt worden,
    die nur bezahlt werden soll, soweit die Betreffenden nicht freiwillig sparen. Gleichzeitig hat
    Professor Nölting das Zwangssparen restlos abgelehnt. Ja, ich frage Sie: Wenn jemand die Pistole
    auf die Brust gesetzt bekommt: entweder mußt du
    das als Steuer abführen, oder du mußt es sparen —,
    kann man denn so etwas anders als „Zwangssparen" bezeichnen? Das ist doch das Zwangssparen in der absolutesten und krassesten Form!

    (Abg. Dr. Greve: Es kommt nur darauf an, bei wem Sie das machen! — Abg. Renner: Ja, das ist richtig!)

    — Ob Sie Zwangssparen bei diesem oder bei jenem machen, deswegen bleibt es immer Zwangssparen!

    (Zuruf von der SPD: Auf der einen Seite verdienen Sie Millionen!)

    — Sie scheinen sehr seltsame Vorstellungen von der Zusammensetzung des deutschen Volkseinkommens zu haben. Gott sei Dank haben wir allein über 14,2 Millionen Menschen in gewerblicher Beschäftigung, die nämlich überwiegend die Träger unserer Arbeit und auch unseres Arbeitseinkommens in Deutschland sind, nämlich von 52 Milliarden DM allein aus Lohn und Gehalt.

    (Zuruf links: Und monatlich unter 250 DM verdienen!)

    Es ist heute sehr viel über die immer noch vorhandene Not und von dem geringen Lebensstandard unserer deutschen Bevölkerung gesagt worden. Daß diese Not und dieser geringe Lebensstandard nach einem so totalen Zusammenbruch nicht binnen Nullkommanichts beseitigt werden konnten, darüber ist hier in diesem Hause schon oft genug gesprochen worden. Aber wir können doch wohl das eine feststellen, daß sich z. B., um nur eine Zahl zu nennen, gegenüber 1949 der durchschnittliche Fleischkonsum pro Kopf der Bevölkerung von 27 kg auf 43 kg gehoben hat, und Sie können mir doch bestimmt nicht weismachen, daß, sagen wir mal, ein paar Millionäre nun täglich mehrere Tonnen Fleisch gegessen hätten!

    (Heiterkeit. — Sehr richtig! rechts.)

    Ich möchte Ihnen deshalb zu der Überverbrauchssteuer sagen: weil sie ebenfalls nur ein generelles Zwangssparen ist,

    (Zuruf links: Eine billige Freude!) würden wir, nachdem der Plan eingehend geprüft worden ist — und wir möchten meinen, daß der Plan auch durchführbar sein wird —, den Vorzug dem Aufbausparplan geben, wie er von Professor Erhard entwickelt wurde; denn er bedeutet nicht in dieser Weise ein Zwangssparen. Ob jemand, sagen wir, einen Kühlschrank kaufen will oder nicht, das bleibt letzthin seiner eigenen Entscheidung überlassen. Er braucht ihn ja nicht zu kaufen. Wenn aber jemand durchaus einen Kühlschrank haben will, dann kann man ihm nach unserer Überzeugung auch erstens das Verständnis und zweitens auch das Opfer zumuten, daß er dann 10 oder 15 % dafür spart, daß neue Arbeitsplätze im Kohlenbergbau, in der Energiegewinnung geschaffen werden, die allein die Grundlage auch dafür sind, daß er für eine weitere Zeit seinen bisherigen Lebensstandard haben kann und daß das ganze deutsche Volk nicht gezwungen wird, seinen Lebensstandard in einer gefährlichen Weise zu verringern.

    Wir sehen in diesem von Professor Erhard vorgeschlagenen Aufbausparsystem auch eine Art von „Austerity", eine Art von Selbstbeschränkung, aber nicht in der Weise, daß sie zum Normalverbraucher und zum Minimum des Lebensstandards führt, sondern daß sie ermöglicht, den Lebensstandard der Gesamtheit zu halten und zu erweitern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist wahrscheinlich — darin gebe ich dem Redner der Opposition recht — mit dem Erhardplan allein nicht zu schaffen, die Gelder aufzubringen, die notwendig sind, um dieses große Investitionsprogramm zu finanzieren; denn wir wollen nicht, daß dieser Plan eine solche Ausweitung erfährt, daß er etwa auf Gegenstände des täglichen Bedarfs der breiten Bevölkerung oder etwa auf Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs ausgedehnt werden muß. Es muß also schon noch etwas mehr hinzukommen. Wenn der Bundeswirtschaftsminister den Plan, der auch von Professor Nölting vorgebracht wurde, den Plan der Investitionsanleihen aus den Abschreibungen der verarbeitenden Industrie noch zusätzlich prüft, so sind wir auch damit einverstanden, wenn wir allerdings auch davon überzeugt sind, daß selbst das noch nicht ausreicht.
    Aber wir sind davon überzeugt, daß die zielbewußte und entschlossene Durchführung des gesamten Programms, das vorgetragen worden ist, und die zielbewußte Konzentration auf die wichtigsten Punkte tatsächlich dafür sorgen wird, daß wir bei einer knappen Kreditpolitik zu einer Stabilität der Preise kommen werden, damit zu einer Wiederherstellung des Vertrauens und zu einer Wiederbelebung auch der freiwilligen Spartätigkeit, die bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1950 so außerordentlich erfolgreich eingesetzt hatte.
    Ich darf zum Schluß noch das eine sagen: Es ist nicht so leicht, unpopuläre Maßnahmen und Opfer der Bevölkerung vorzuschlagen, wie etwa einfach kritiklos der Bevölkerung nach dem Munde zu reden. Aber das eine ist sicher: Größe hat es in der Politik und in der Geschichte für ein Parlament und für eine Regierung nur dann gegeben, wenn sie bereit waren, auch das Unpopuläre und das Einsame zu tun, wenn es zum Besten des Volkes notwendig war.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe links.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich heute die lange Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard hörte, mußte ich an ein bekanntes Gedicht denken:
    Und hat er beendet den müden Lauf,
    Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf. Der Herr Professor Erhard nämlich: am Grabe seiner Wirtschaftspolitik, am Grabe einer Theorie, die uns auf volkswirtschaftlichem Gebiet Unheil gebracht hat wie noch kaum eine Theorie in diesem Lande!

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Jedes Wort ist heute überflüssig, mit dem man
    versuchen wollte, das Fiasko der Erhardschen Liberalisierungspolitik noch irgendwie zu bemänteln!

    (Erneute Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Diese Politik ist zusammengebrochen; sie ist an ihrer Inkonsequenz zusammengebrochen. Warum inkonsequent? Wenn man für Liberalisierung eintritt, dann mußte man unter allen Umstanden gleiche Chancen für jeden Zweig der gewerblichen und industriellen Wirtschaft schaffen. Wenn man das nicht konnte — sei es aus innen-, sei es aus außenpolitischen Gründen —, dann durfte man eben nicht in den Liberalisierungswahn verfallen.
    Zweitens. Wenn man schon Wirtschaftsminister ist und uns vorträgt, Korea sei an allem schuld, dann mußte man in dem Moment, als die Koreakrise zum Ausbruch kam, Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Daran hat es gefehlt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat es noch im August 1950, zwei und drei Monate nach dem Ausbruch der Koreakrise zugelassen, daß Hunderttausende von Tonnen deutscher Kohle freihandig ins Ausland verkauft wurden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie werden mir vielleicht jetzt zurufen: ja, im Inlande war damals keine Absatzmöglichkeit dafür. Nun, dann mußte die Regierung es eben so machen wie der kluge Joseph aus dem Alten Testament.

    (Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien.)

    Dieses Beispiel ist Ihnen, meine Herren von der CDU, ja sicher geläufig.

    (Erneute Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Man mußte hier, und zwar unter Einsatz verhältnismäßig geringer Kreditmittel, einen Vorrat an Kohle anlegen, mit dem die Bundesregierung manövrieren konnte. Man durfte diese Kohle nicht zu einem spottbilligen Preis ins Ausland, in die Schweiz und überallhin verkaufen lassen, wo sie die Industrie unterstützt, die unser Konkurrent im Kampf auf dem Weltmarkt ist.
    Wenn man schon sagt, der Koreakrieg sei das Warnungszeichen und die große Zäsur gewesen, dann mußte damals schon die Umstellung im liberalistischen Denken Professor Erhards Platz greifen. Wenn man Korea als Warnungszeichen ansieht, dann mußte man ebenfalls auf den internationalen Warenmärkten Rohstoffe aufkaufen, wenigstens die billigsten wie Zucker, Margarinerohstoffe und so fort, um einen entsprechenden Vorrat nicht bloß für wenige Monate zu schaffen — wie es Herr Professor Niklas uns neulich gesagt hat —, sondern auf längere Zeit hinaus!
    Im übrigen sage ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines: Man soll nicht immer in Korea den Sündenbock für alles Versagen auf seiten dieser Regierungsbank suchen. Diese Ausrede ist heute leider sehr billig geworden.

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Ich möchte in der kurzen Redezeit, die Sie uns zugebilligt haben,

    (Frau Abg. Dr. Weber: Gott sei Dank!)

    in etwa diese Maske dem Herrn Bundeswirtschaftsminister vom Gesicht nehmen. Es ist nämlich nicht wahr, daß nur die Koreakrise an allem schuld ist. Ich kann Ihnen schwarz auf weiß beweisen, daß für die wichtigsten Lebensmittel usw. in Italien zur Zeit eine rückläufige Preistendenz zu bemerken ist.

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Oder glauben Sie das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU?

    (Zurufe von der CDU: Nein!)

    — Nein? Also, liebe Frau Collega, dann empfehle ich Ihnen, die „Neue Zeitung", die sich doch immer so sehr auch für die CDU einsetzt, vom 7. März 1951, Nr. 56, im Wirtschaftsteil zu lesen. wo es heißt: „Preisstabilisierung in Italien. Rückläufige Tendenzen auf dem Lebensmittelmarkt in Italien." Also bitte sehr! Die Nummer steht jederzeit zu Ihrer Verfügung,

    (Erneute Zurufe von der CDU.)

    Schauen Sie: de Gasperi scheint eine etwas klügere Wirtschaftspolitik gemacht zu haben und machen zu lassen als sein ihm weltanschaulich so nahestehender Kollege in Deutschland.

    (Wiederholte Zurufe von der CDU.)

    Nun noch eins! Wenn man schon sagt: wir haben Knappheit an den wichtigsten Lebensmitteln, dann ist es geradezu ein Wahnsinn, zuzulassen, daß gegenwärtig Schweinefleisch nach den Vereinigten Staaten geliefert wird, nicht aus der amerikanischen Zone, sondern aus der englischen Zone.

    (Zurufe von der CDU.)

    — Das glauben Sie auch nicht? Lesen Sie die Hamburger Freie Presse! Sie steht Ihnen doch so nahe, meine Damen und Herren von der CDU. Lesen Sie die Nummer 10./11. März 1951! Dort finden Sie einen Bericht aus Neumünster:
    24 Großschlächtereien in Schleswig-Holstein und Hamburg haben jetzt mit amerikanischen Importeuren Verträge über die Lieferung von Schweinefleisch in Dosen abgeschlossen. Die USA sind außerdem an der Einfuhr von Karbonaden, Schweinenacken usw. interessiert. Der Umfang der Liefervereinbarungen ist noch nicht endgültig bekannt, wird aber demnächst bekanntgegeben.
    Wollen Sie sich das einmal ansehen! Es handelt sich um die Nummer vom 10./11. März 1951.

    (Zurufe von der CDU.)

    Ich erzähle Ihnen also keineswegs olle Kamellen, Herr Zwischenrufer.
    Oder wollen Sie sich noch etwas anderes ansehen? Wollen Sie sich eine Notiz aus der „Tat" ansehen, deren bürgerlicher Charakter Ihnen allen wohl bekannt ist, eine Notiz aus der „Tat" Nr. 67 vom 10. März 1951, wo es wörtlich heißt:
    Deutsche Butter für die Schweiz! Wie dem Südkurier in Konstanz berichtet wird. hat der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angekündigt, die westdeutsche Bundesrepublik


    (Loritz)

    werde demnächst Butter in die Schweiz exportieren. In der Schweiz sei Butter knapp, während in Deutschland der Butterverbrauch stark zurückgehe.

    (Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien.)

    — Ja, da nützen alle Ihre Zwischenrufe nichts mehr. Alle diese Nachrichten, die ich noch erweitern könnte, stammen aus besten Quellen. Ich habe nur die notwendige Redezeit nicht, sonst würden Sie keine Zwischenrufe mehr machen, Herr Kollege! Denn eines geht klipp und klar daraus hervor, daß unsere Wirtschaftspolitik ein Tohuwabohu darstellt,

    (Widerspruch und Lachen bei den Regierungsparteien)

    daß sie jeder großen Richtlinie entbehrt. Wir haben die Folgen davon zu tragen.
    Und wie wird heute die Wirtschaftspolitik dieser Regierung im Auslande beurteilt? Warum sagen Sie dem Volke nicht die Wahrheit darüber? Warum verschweigen Sie dem Volke, daß man uns bereits nahegelegt hat, die D-Mark abzuwerten?

    (Zuruf von der CDU. — Dafür haben wir Sie! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Darf ich Ihnen aus einer Schweizer Zeitung den betreffenden Passus vorlesen? Es ist die Nr. 67 der „Tat" vom 10. März 1951. Da heißt es:
    Die englische Delegation bei der Europäischen Zahlungsunion hat inoffiziell den Vorschlag gemacht, die deutsche D-Mark auf einen realistischen Kurs abzuwerten und die Kreditspanne dem anzugleichen.
    So sieht es aus! So weit hat uns die Wirtschaftspolitik der Regierung Adenauer-Erhard gebracht.

    (Abg. Dr. Oellers: Reden Sie bitte einmal über die Eierpreise! Es war so schön!)

    — Es war damals ein sehr guter Vorschlag von uns an den Herrn Landwirtschaftsminister, diese Preise dadurch zu stabilisieren, daß rechtzeitig Importe hereingelassen wurden. Das durfte allerdings nicht so geschehen, daß man heute das Importventil aufdreht, es morgen zudreht, übermorgen wieder aufdreht und dann wieder zudreht. Man mußte vielmehr einen vernünftigen Wirtschaftsplan haben, nicht einen Plan im Sinne des Sozialismus, sondern einen Plan, wie ihn früher in guten Zeiten jeder Wirtschaftsminister in seiner Schublade haben mußte, damit er nicht nach einigen Monaten vom Parlament davongejagt wurde.

    (Abg. Dr. Oellers: Nun noch ein bißchen über die Benzinpreise!)

    Wir haben heute von dem Herrn Wirtschaftsminister gehört, wie er der Wirtschaftskatastrophe noch steuern will. Er will eine Steuer für Neuerrichtung von Kabaretts und Luxusgaststätten einführen. Das ist ein bißchen spät, nachdem die diversen Saftladen alle schon gebaut sind.

    (Lachen.)

    Er will weiter eine Reklamesteuer einführen. Er darf sich nicht wundern, wenn bei der ganzen Sache so gut wie nichts an Steuererträgen herauskommt, sondern nur einige Hundert neue Beamte bei den Finanzämtern angestellt werden müssen, vielleicht Kontrolleure für die neu zu errichtenden Kabaretts. Das wird ein sehr angenehmer Beruf für diese Beamten sein.
    Der eigentliche Nukleus der Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers ist das Zwangssparen. Bei dieser Sache wird nichts herauskommen; das können wir Ihnen heute schon voraussagen.

    (Zuruf von der CDU: Wie klug und weise!) Wir werden hier nur eines erreichen: eine Komplizierung der ganzen Wirtschaft, eine Entlassung von Tausenden von Arbeitern von Industrien, die aufrechtzuerhalten wir schon im Interesse unseres Exports alle . Veranlassung haben. Siehe Offenbacher Lederwarenindustrie usw.! Sie werden die Steuererträgnisse hieraus nicht bekommen, die man sich erwartet. Wir werden nur eine weitgehende Verärgerung der ganzen Bevölkerung bekommen. Wir müssen die Summen, die eingespart werden müssen, ganz anders hereinzubringen versuchen, nämlich an der Quelle, bei den Industrien, die heute durch die Exportkonjunktur gigantische Gewinne gemacht haben und diese Gewinne zum großen Teil nicht versteuern, sondern unversteuert in das Ausland verschieben. Es ist sehr interessant, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister wenigstens ein bißchen in dieser Richtung angetönt hat, die Kapitalflucht möglichst zu verhindern. Es freut mich, wenn unser Einwurf vom letzten Mal, als ich Ihnen bewiesen habe, daß im vergangenen Steuerjahr auf diese Weise 3 Milliarden DM über die Grenze spazierengegangen sind, bei dem Herrn Wirtschaftsminister in etwa Früchte getragen haben sollte. Ich sage ihm aber eines: es ist sehr spät; wir fürchten, es ist mit der Einschaltung eines solchen Bremshebels schon zu spät geworden! Hier sind kostbare Monate vertan worden. Die Folge davon wird sein, daß wiederum die breiten Schichten der Bevölkerung die Zeche zu bezahlen haben. Wir haben dieses Zwangssparen schon einmal irgendwo gehört ... Es ist damals nichts daraus geworden. Sage man doch gleich: neue Steuern! Ein jeder weiß doch, daß er nichts mehr zurückbekommen wird. Ersparen Sie doch einigen Gerichten, dann neue Volkswagenprozesse vor ihren Schranken sich abwickeln zu sehen! Es kommt so wenig dabei heraus wie bei dem Volkswagensparen usw.; das kann ich Ihnen sagen! Bei dem Defizit in Ihrem Haushaltsplan werden Sie die Summen, die Sie hier zwangsweise als Anleihe aufgenommen haben, nie mehr zurückzahlen können.


    (Zuruf von der CSU: Also jetzt die positive Seite!)

    — Über die positive Seite habe ich Ihnen schon so oft gesprochen.

    (Abg. Dr. Oellers: Davon versteht doch der Loritz nichts!)

    Erstens müssen die Riesenexportgewinne steuerlich herangezogen werden. Zweitens muß eine Bewirtschaftung erfolgen — ob man das „von leichter
    Hand" nennt oder anders, ist eine Geschmacksangelegenheit —, eine Bewirtschaftung, die nicht
    etwa, wie das jetzt geschieht, bei den allerwichtigsten Industrierohstoffen schematisch gleiche
    Mengen dem Fabrikanten, der irgendwelche überflüssigen Dinge herstellt, und dem anderen Fabrikanten zuteilt, der wichtigste Exportwaren fabriziert, sondern die vor allem für die exportintensiven Industrien Kohle usw. im nötigen Umfange
    zuweist. Das ist heute leider noch nicht der Fall.

    (Zuruf von der Mitte: Doch!)

    — Nein, noch nicht, Herr Kollege, sondern es wird, wenn wir von Kohle mal sprechen, die Kohle schematisch aufgeteilt, auf die Industriegruppe Steine und Erden soviel, auf die Gruppe Papier soviel,


    (Loritz)

    auf die Gruppe Keramik soviel, und innerhalb der Gruppe teilen die betreffenden Industriellen dann die Kohlenmenge unter sich frei auf. Die Folge davon ist, daß diejenigen, die im Vorstand dieser Industriegruppen sitzen, sehr oft besser wegkommen. Jedenfalls wird kein Unterschied gemacht zwischen den exportintensiven Fabriken und denen, die nicht für den Export arbeiten, der uns heute so lebensnotwendig ist.

    (Zuruf rechts: Wo haben Sie denn den Blödsinn gelesen? — Heiterkeit.)

    — Diesen von Ihnen sogenannten „Blödsinn", Herr Kollege, können Sie jederzeit in der Denkschrift des Bundeswirtschaftsministeriums auch lesen, wo genau aufgeschlüsselt ist, wie hier die Kohle den einzelnen Industriegruppen zugeteilt wird. Ihre Zwischenrufe zeigen mir mit erschreckender Klarheit eines:

    (Zurufe: Oho!)

    daß Sie diese Dinge gar nicht kennen. daß Sie nichts anderes sind als Leute, die blindlings mit Ja stimmen, wenn es sich darum dreht, ein Vertrauensvotum für den Herrn Professor Erhard oder einen anderen Minister abzugeben!

    (Zuruf.)

    Diese Dinge aber haben Sie sich anscheinend noch gar nicht mal selbst angesehen. Daher Ihr Zwischenruf.
    Meine Damen und Herren!

    (Zuruf rechts: Ihnen kann man ja kein Vertrauensvotum geben!)

    Die Redezeit ist leider bald abgelaufen.

    (Zuruf.)

    Auch das ist so 'ne schöne Einrichtung von den ) Mehrheitsparteien, die Redezeit nach Fraktionsstärken zu bemessen.

    (Zuruf rechts: Gott sei Dank!)

    Aber ich möchte rekapitulieren. Die Wirtschaftspolitik Professor Erhards hat Schiffbruch erlitten, und zwar deswegen vor allem, weil er zwar Liberalisierung sagte, dabei aber nicht konsequent verfahren ist. Und wenn er uns immer weiszumachen versucht, wir hätten Ananas und all solche Dinge einführen müssen, um deutsche Waren dafür exportieren zu können, so trifft das für eine ganze Anzahl von Staaten überhaupt nicht zu. Die Ananaseinfuhr aus den Vereinigten Staaten war vollkommen überflüssig und vieles andere dazu. Deswegen haben uns die Amerikaner keine Tonne Ware mehr abgenommen! Etwas anderes ist es mit Brasilien. Da wissen wir, daß wir dorthin nur liefern können, wenn wir den Brasilianern Kaffee abnehmen.

    (Zuruf.)

    Aber bei Hunderten von Erzeugnissen, die unsere Devisenbilanz aufs schwerste belasten und daran schuld sind, daß wir heute auf dem Trockenen sitzen und daß uns vom Ausland bereits eine D-
    Mark-Abwertung nahegelegt wird, bei Hunderten von solchen Importwaren ist keine Rede von Kompensationsgeschäften gewesen.

    (Zuruf.)

    Hier hat man den großen reichen Mann gespielt, wie ein Vorredner ganz richtig heute schon sagte. Hier hat man den Jackele machen wollen, der vorangeht mit der Liberalisierung, ohne zu bedenken, daß wir heute ein schwaches und armes Volk geworden sind, das jeden Pfennig zweimal umdrehen muß, bevor es ihn zu Käufen im Ausland von minder lebenswichtigen Waren verwendet. An all dem ist schuld vor allem

    (Ironischer Zuruf von der Mitte: Erhard!) der Herr Bundeswirtschaftsminister.


    (Zuruf von der Mitte: Natürlich!)

    Und er war ja großzügig genug, heute die volle Verantwortung für diese fehlerhafte Wirtschaftspolitik zu übernehmen.
    Wir sind deshalb nicht in der Lage, dem Haushalt des Wirtschaftsministeriums zuzustimmen. Wir glauben, daß sowohl die Idee wie die Organisation bei ihm in gleicher Weise fehlerhaft war, und wir können hier nur durch eine Ablehnung des Etats des Wirtschaftsministeriums Herrn Professor Erhard sagen, was die WAV-Fraktion und ihre Wähler über diesen verfehlten Wirtschaftskurs denken!

    (Beifall bei der WAV. — Lebhafte Zurufe. — Ironische Bravo-Rufe.)